Gemeinsames Sorgerecht: Was gilt beim Umzug?

27.03.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Umzug,gemeinsames,Sorgerecht,Kinder Was passiert mit dem gmeinsamen Sorgerecht nach dem Umzug? © Ma - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Gemeinsames Sorgerecht in Deutschland: Nach einer Scheidung behalten Eltern in Deutschland in der Regel das gemeinsame Sorgerecht für ihre Kinder. Wichtige Entscheidungen - wie der Wohnort des Kindes - müssen gemeinsam getroffen werden. Einseitige Entscheidungen sind nur in Notfällen erlaubt.

2. Rechtliche Konsequenzen bei Umzug: Ein Umzug mit dem Kind ohne die Zustimmung des anderen Elternteils kann strafrechtliche Folgen haben und ist nur zulässig, wenn das Familiengericht das alleinige Aufenthaltsbestimmungsrecht übertragen hat. Das Wohl des Kindes steht bei allen Entscheidungen im Vordergrund.

3. Beratung und Gerichtsentscheidungen: Bei Uneinigkeit können Eltern das Familiengericht anrufen, welches eine Entscheidung im besten Interesse des Kindes trifft. Rechtliche Beratung durch einen Fachanwalt für Familienrecht ist in diesen Fällen empfehlenswert.
Verheiratete Eltern haben das gemeinsame Sorgerecht für ihre Kinder. Dies gilt auch für nicht verheiratete Eltern, die eine entsprechende Erklärung vor dem Jugendamt abgegeben haben. Das bedeutet: Beide Elternteile haben also sowohl das Recht als auch die Pflicht, für ihr minderjähriges Kind zu sorgen. Daran ändern auch eine Trennung oder Scheidung zunächst einmal gar nichts.
Gemäß § 1626 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bezieht sich das gemeinsame Sorgerecht auf alle Lebensbereiche des Kindes. Dazu gehören die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und auch die Sorge für sein Vermögen (Vermögenssorge). Beide Elternteile müssen die elterliche Sorge in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohl des Kindes ausüben. Natürlich kann es vorkommen, dass beide unterschiedliche Vorstellungen haben. Dann müssen sie versuchen, sich zu einigen (§ 1627 BGB).

Sorgerecht: Wann ist ein Alleingang eines Elternteils möglich?


Wenn eine Entscheidung über Angelegenheiten ansteht, die für das Kind von wichtiger Bedeutung sind, entscheiden beide Elternteile gleichberechtigt. Sie müssen sich also miteinander verständigen und sich darüber einigen, was geschehen soll.
Nur im Notfall ist ein Alleingang möglich. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn das Kind nach einem Unfall sofort ins Krankenhaus muss.
Zu den wichtigen Angelegenheiten gehören die Wahl von Kindergarten und Schule, Operationen, die Wahl der Berufsausbildung – und nicht zuletzt die Bestimmung des Ortes, an dem sich das Kind aufhält. Dies betrifft den Wohnort, einen Auslandsurlaub oder auch die Entscheidung über einen Umzug.
Wenn es lediglich um alltägliche Dinge geht – wie Hausaufgaben, Kleidungskauf etc. – müssen sich die Eltern nicht abstimmen. In solchen Fällen kann also nach einer Trennung derjenige Elternteil entscheiden, bei dem das Kind wohnt.

Was unterscheidet Sorgerecht und Aufenthaltsbestimmungsrecht?


Das Aufenthaltsbestimmungsrecht ist ein Bestandteil des Sorgerechts. Wenn beide Elternteile gemeinsam das Sorgerecht ausüben, können sie auch nur gemeinsam entscheiden, wo sich das Kind aufhalten soll, also seinen Wohnsitz hat. In diesem Fall gibt es keinen Alleingang. Daran ändert grundsätzlich auch eine Trennung nichts (§ 1687 BGB). Will also ein Elternteil mit dem Kind umziehen, muss der andere zuvor zustimmen.
Aber: Das Aufenthaltsbestimmungsrecht lässt sich vom Sorgerecht trennen. Ein Elternteil kann beim Familiengericht beantragen, ihm allein das Recht zur Bestimmung des Aufenthalts des Kindes zu übertragen.

Umzug ohne Zustimmung des anderen Elternteils zulässig?


Hat ein Elternteil das alleinige Recht zur Aufenthaltsbestimmung des Kindes, kann er mit diesem ohne Zustimmung des anderen Elternteils umziehen.
Ansonsten müssen beide zusammen über den Aufenthaltsort des Kindes entscheiden. Wenn der andere Elternteil dann seine Zustimmung zum Umzug verweigert, kann der Umzugswillige das Familiengericht anrufen und die Übertragung des Sorgerechts auf sich allein in diesem Punkt beantragen. Das Gericht wird sich bei seiner Entscheidung hauptsächlich danach richten, was für das Kind das Beste ist, was also am besten dem Kindeswohl entspricht.

Gemeinsames Sorgerecht: Worum geht es vor Gericht?


Wenn sich die Eltern in einer einzelnen Angelegenheit oder einer bestimmten Art von Angelegenheiten nicht einigen können, kann das Familiengericht die Entscheidung einem Elternteil allein übertragen. Gemäß § 1628 BGB ist dies auf Antrag eines Elternteils möglich. Auf diese Art kann auch die Entscheidung über einen Umzug und über den künftigen Wohnort des Kindes einem einzelnen Elternteil überlassen werden. Der andere hat dann in diesem Punkt nichts mehr zu sagen. Das Gericht kann die Übertragung der Entscheidungsgewalt mit Auflagen verbinden.
Trotzdem gilt jedoch: In allen anderen wichtigen Angelegenheiten des Sorgerechts darf der andere Elternteil nach wie vor mitbestimmen.

Umzug: Welche Rechte hat der zurückbleibende Elternteil?


Ist der Elternteil, bei dem das Kind wohnt, ohne Zustimmung des anderen Elternteils einfach umgezogen, kann dieser vor Gericht gehen. Derjenige kann dann beantragen, dass das Gericht ihm oder ihr das alleinige Recht zur Aufenthaltsbestimmung überträgt oder auch, dass das Kind wieder an seinen früheren Wohnort zurück umziehen muss. Ein Gericht wird allerdings nur im äußersten Ausnahmefall einen solchen Rückumzug veranlassen: Meist geht man davon aus, dass dem Wohl des Kindes ständiges Umziehen eher abträglich ist. Das Kindeswohl steht bei solchen Verfahren immer im Vordergrund.

Umzug ohne Zustimmung: Wann liegt eine Straftat vor?


Tatsächlich kann sich ein Elternteil sogar strafbar machen, wenn er mit dem Kind umzieht, ohne zuvor die Zustimmung des anderen Elternteils einzuholen. Dies kann den Straftatbestand der Kindesentziehung bzw. "Entziehung Minderjähriger" nach § 235 Strafgesetzbuch erfüllen. Dies ist insbesondere bei einem Umzug ins Ausland leicht der Fall. Dann droht eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe.

Sorgerecht nach Umzug nach Mexiko


Vor mehreren Jahren hat sich der Bundesgerichtshof mit dem Fall einer Mutter beschäftigt, die mit ihrem Kind nach Mexiko auswandern wollte. Sie wollte dort mit ihrem neuen Lebensgefährten zusammenleben. Allerdings hatte sie mit dem Vater ihres Kindes zusammen das gemeinsame Sorgerecht inne. Der Vater war gegen die Auswanderung des Kindes. Zunächst befasste sich das Oberlandesgericht München mit dem Fall und übertrug das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Mutter. Dann hob der Bundesgerichtshof diese Entscheidung wieder auf und verwies das Verfahren an das Oberlandesgericht zurück. Dieses sollte genauer klären, ob der Umzug wirklich dem Kindeswohl entspreche. Es sei immerhin denkbar, dass es für das Kind besser sei, bei seinem Vater in Deutschland zu bleiben (Beschluss vom 28. April 2010, Az. XII ZB 81/09).

Sorgerecht nach Umzug nach Italien


Es ist nicht ausgeschlossen, dass einem Elternteil erlaubt wird, mit dem Kind auch gegen den Willen des anderen ins Ausland umzuziehen. So können zum Beispiel berufliche Verbesserungen des umzugswilligen Elternteils vom Gericht anerkannt werden. Es wird jedoch immer in erster Linie auf das Wohl des Kindes abgestellt.
Besteht jedoch der Grund für den Umzug hauptsächlich darin, den Umgang des Ex-Partners mit dem Kind zu unterbinden, wird das Familiengericht dies in der Regel nicht erlauben. Entsprechend entschied zum Beispiel das OLG Koblenz (Urteil vom 4.5.2010, Az. 11 UF 149/10).

Praxistipp zum gemeinsamen Sorgerecht bei Umzug


Ein Umzug kann ein schwerwiegender Einschnitt im Leben eines Kindes sein, aber auch des Elternteiles, dem der künftige Umgang mit seinem Kind erschwert oder unmöglich gemacht wird. Besonders im Hinblick auf das Kindeswohl kann es gute Gründe geben, dies zu verhindern. Im konkreten Fall kann ein Fachanwalt für Familienrecht am besten beurteilen, welche rechtlichen Schritte - insbesondere durch den zurückbleibenden Elternteil - unternommen werden können.

(Bu)


 Stephan Buch
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