Gesetzliche Erbfolge: Was erbt der überlebende Ehegatte?

29.07.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Erbin,Frau,Geld,rechnet Der überlebende Ehegatte muss sich das Erbe oft mit anderen teilen © - freepik
Das Wichtigste in Kürze

1. Gesetzlicher Erbteil: Lebten die Ehegatten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, erbt der überlebende Ehegatte neben Verwandten der ersten Ordnung (z. B. Kindern) die Hälfte des Nachlasses. Ohne Kinder, aber mit Verwandten des Erblassers der zweiten Ordnung (z. B. Eltern, Geschwister), erbt er drei Viertel.

2. Voraus des Ehegatten: Zusätzlich zum Erbteil steht dem überlebenden Ehegatten der sogenannte Voraus zu. Das sind Haushaltsgegenstände und persönliche Dinge, wenn sie zur angemessenen Lebensführung gehören (z. B. Möbel, Kleidung, Auto).

3. Erbrecht nach Scheidung oder Trennung: Während des Trennungsjahrs bleiben die Ehepartner erbberchtigt. Ist die Ehe zum Zeitpunkt des Todes aber bereits geschieden, hat der Ehegatte keine gesetzlichen Erbansprüche mehr.
Hat der Erblasser kein Testament hinterlassen, gilt die sogenannte gesetzliche Erbfolge. Diese regelt das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB). Der Gesetzgeber geht bezüglich der Höhe der Erbanteile davon aus, dass der Erblasser sein Vermögen denjenigen Menschen vererben will, die ihm familiär am nächsten stehen. Das sind sein Ehepartner, die Kinder und dann seine nächsten Angehörigen. Ehepartner sind zwar nicht mit dem Erblasser verwandt. Sie sind trotzdem gesetzliche Erben. Allerdings erben sie nicht allein. Wie hoch der Erbteil eines Ehegatten ist, hängt in erster Linie davon ab, in welchem Güterstand das Ehepaar gelebt hat und ob es weitere Erbberechtigte gibt.

Welche Regelung gilt bei gesetzlicher Erbfolge?


Wer welchen Anteil erbt, hängt vom Verwandtschaftsgrad ab. Das Gesetz teilt die Verwandten in sogenannte Erbordnungen ein (erste, zweite und dritte Ordnung). Es legt auch fest, welcher Verwandte zu welcher Ordnung gehört und welchen Erbanteil dieser bekommt. Ausführliche Informationen dazu lesen Sie in unserem Artikel
Gesetzliche Erbfolge: Wer erbt und zu welchem Anteil?

Der überlebende Ehepartner ist kein Verwandter, da er nur angeheiratet ist. Daher hat er Sonderrechte: Als dem Erblasser nahestehendste Person erbt er in jeder Konstellation neben den Verwandten. Für den Erbanteil des überlebenden Ehegatten ist § 1931 BGB maßgeblich. Dieser besagt: Gibt es Verwandte erster Ordnung (Kinder, Enkel, Urenkel), erbt der Ehepartner neben diesen ein Viertel des Nachlasses.

Beispiel: Ein Ehemann stirbt und hinterlässt eine Frau und zwei Kinder. Die Ehefrau bekommt 1/4 des Nachlasses, die Kinder den Rest.

Wenn es nur Verwandte der zweiten Ordnung gibt (Eltern des Erblassers und deren Kinder und Enkel, also seine Geschwister, Nichten und Neffen, aber keine eigenen Kinder) oder Großeltern, erbt der Ehepartner neben diesen die Hälfte des Nachlasses.

Beispiel: Ein Ehemann stirbt und hinterlässt seine Ehefrau sowie seine Eltern. Er hat auch noch eine Schwester. Eigene Kinder hatte er keine. Hier erbt die Ehefrau die Hälfte des Nachlasses.

Für den überlebenden Ehepartner spielt die Ordnung keine Rolle. Entscheidend ist sie jedoch für die Verwandten: Sobald Erben einer höheren Ordnung vorhanden sind, verdrängen diese die Erben der nächsten Ordnungen. Anders ausgedrückt: Die Erben der zweiten Ordnung erben nur dann etwas, wenn es keine Erben der ersten Ordnung gibt. Gesetzliche Regelung: § 1930 BGB.

Beispiel: Ein Ehemann stirbt und hinterlässt seine Frau, seinen Sohn und seine Eltern. Die Ehefrau erhält ein Viertel, der Sohn drei Viertel des Erbes. Die Eltern des verstorbenen Ehemannes bekommen nichts, da sie nur Erben zweiter Ordnung sind.

Wenn die Großeltern des Verstorbenen noch leben, können auch sie gesetzliche Erben sein. Tritt dieser Fall ein, weil es keine Verwandten höherer Ordnung gibt, erbt der überlebende Ehepartner die Hälfte. Die andere Hälfte erhalten die Großeltern zu gleichen Teilen. Wenn ein Großelternteil nicht mehr lebt, bekommen dessen Kinder seinen Erbanteil, hier also ein Viertel. Dies betrifft dann Onkel oder Tante des Erblassers. Gibt es jedoch einen überlebenden Ehepartner, haben Onkel und Tante Pech: Der Ehepartner erhält zusätzlich zu seiner Hälfte auch noch deren Anteil. Regelung: § 1931 Abs. 1 BGB.

Existieren weder Verwandte der ersten Ordnung (Kinder, Enkel, Urenkel), noch der zweiten Ordnung (Eltern, Geschwister, Nichten und Neffen), noch Großeltern, erhält der Ehepartner das komplette Erbe.

Wie wirkt sich die Zugewinngemeinschaft auf den Erbanteil aus?


Die Zugewinngemeinschaft ist der normale, gesetzliche Güterstand bei einer Ehe. Wer etwas anderes möchte, muss dies in einem Ehevertrag vereinbaren. Ansonsten gilt nach § 1371 BGB: Endet die Ehe durch den Tod eines der Ehepartner, kommt es zum Zugewinnausgleich. Dadurch erhöht sich der gesetzliche Erbteil des Ehegatten um ein Viertel. Es spielt keine Rolle, ob es tatsächlich einen Zugewinn gegeben hat – also eine Vermögensvermehrung während der Ehe.

Wenn also zum Beispiel Kinder vorhanden sind, würde der überlebende Ehegatte wegen der Zugewinngemeinschaft neben diesen die Hälfte des Nachlasses erben. Ein Viertel kommt dabei aus der gesetzlichen Erbfolge und ein Viertel aus dem Zugewinnausgleich; insgesamt also die Hälfte.

Beispiel: Ein Ehemann lebt mit seiner Frau in Zugewinngemeinschaft. Er stirbt und hinterlässt eine Ehefrau und zwei Kinder. Die Ehefrau erbt die Hälfte des Nachlasses. Die Kinder bekommen je ein Viertel.

Gibt es neben dem Ehegatten nur noch Erben der zweiten Ordnung (Eltern, Geschwister, Neffen, Nichten), erbt der Ehegatte als gesetzlicher Erbe (§ 1931 Abs. 1 BGB) zuerst die Hälfte und dann nach § 1371 BGB infolge der Zugewinngemeinschaft noch ein Viertel. Er bekommt insgesamt drei Viertel.

Beispiel: Ein verstorbener Ehemann hinterlässt seine Frau und seinen Bruder. Er hatte keine Kinder. Seine Eltern leben nicht mehr. Wenn das Ehepaar im Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt hat, erbt die Frau drei Viertel des Nachlasses und der Bruder ein Viertel.

Wie wirkt sich die Gütertrennung auf den Erbanteil des überlebenden Ehegatten aus?


Vom gesetzlich bestimmten Normalzustand der Zugewinngemeinschaft können Ehepartner aber auch abweichen. Dies ist möglich, indem man in einem Ehevertrag die Gütertrennung vereinbart. Dann hängt der Erbanteil des Ehepartners davon ab, welcher Ordnung die anderen Verwandten angehören. Der überlebende Ehegatte und jedes Kind erben nach § 1931 Abs. 4 BGB zu gleichen Teilen. Bei der Gütertrennung gibt es anders als bei der Zugewinngemeinschaft keine Erhöhung des Erbanteils des überlebenden Ehepartners.

Wie wirkt sich eine Gütergemeinschaft bei Ehepaaren auf den Erbanteil aus?


Eine weitere Variante des ehelichen Güterstandes ist die Gütergemeinschaft. Auch sie kann nur per Ehevertrag vereinbart werden. Grundsätzlich werden dabei die Vermögen beider Ehegatten zu einem gemeinsamen Vermögen vereinigt, dem sogenannten Gesamtgut. Bei der Gütergemeinschaft gehört der Anteil des Erblassers am gemeinschaftlichen Vermögen der Ehegatten zu dessen Nachlass, der nach den allgemeinen Vorschriften vererbt wird. Wenn die Ehegatten eine sogenannte fortgesetzte Gütergemeinschaft vereinbart haben, wird der Anteil des verstorbenen Ehegatten allerdings nicht vererbt. Dann wird die Gütergemeinschaft zwischen dem überlebenden Ehepartner und den gemeinschaftlichen erbberechtigten Nachkommen fortgesetzt. Die Gütergemeinschaft kommt in der Praxis fast nie vor.

Wer erbt Hausrat und Hochzeitgeschenke?


Unabhängig vom Güterstand des Ehepaares hat der überlebende Ehegatte einen Anspruch auf den sogenannten Voraus. Dies schließt die Haushaltsgegenstände ein, soweit sie nicht Zubehör eines Grundstücks sind, und auch die Hochzeitsgeschenke. Wenn es Erben der ersten Ordnung gibt (etwa Kinder), erhält der Ehegatte diese Gegenstände, sofern er sie zur Führung eines angemessenen Haushalts benötigt. Bei der Berechnung der gesetzlichen Erbanteile zählt der Voraus nicht mit.

Gesetzliche Erbfolge: Was gilt nach einer Scheidung?


Wenn eine Ehe rechtskräftig geschieden wird, bevor einer der Ehepartner stirbt, wird dessen geschiedener Ehegatte in der gesetzlichen Erbfolge nicht mehr berücksichtigt. Existiert kein Testament oder Erbvertrag, das bzw. der ihn zum Erben macht, erbt er nichts. Tatsächlich erlischt das gesetzliche Ehegattenerbrecht sogar dann, wenn die Ehe noch gar nicht geschieden war, dem überlebenden Ehegatten vor dem Erbfall aber bereits der Scheidungsantrag zugestellt worden war oder der Erblasser der Scheidung zugestimmt hatte. Zusätzlich müssen jedoch auch die übrigen Scheidungsvoraussetzungen vorgelegen haben, wie das Trennungsjahr (§ 1933 BGB). Der Noch-Ehepartner bleibt während dieser Trennungsphase weiter nach der gesetzlichen Erbfolge erbberechtigt.

Was muss man zum Thema Pflichtteil wissen?


Ein Erblasser kann die gesetzliche Erbfolge durch ein Testament oder einen Erbvertrag ändern. Dies geschieht häufig, denn viele Ehegatten möchten sich gegenseitig möglichst gut absichern. Außerdem möchten sie oft vermeiden, dass das Erbe durch Erbanteile von Verwandten verkleinert wird, denen sie oft persönlich nicht besonders nahestehen. Wenn man dazu jedoch ein herkömmliches Testament verwendet, haben die so enterbten gesetzlichen Erben immer noch ein Anrecht auf ihren gesetzlichen Pflichtteil. Dieser beträgt die Hälfte ihres gesetzlich festgelegten Erbteils. Pflichtteilsberechtigte sind keine Erben. Sie haben deswegen gegen den überlebenden Ehegatten lediglich einen Anspruch auf Auszahlung ihres Erbteils in Geld.

Wenn der überlebende Ehepartner nicht genug freie finanzielle Mittel zur Verfügung hat, um die Erbanteile der Pflichtteilsberechtigten auszuzahlen, muss er unter Umständen das Eigenheim oder teuren Schmuck verkaufen. Diese für den überlebenden Ehegatten unangenehme Folge lässt sich aber auch umgehen. So kann der Erblasser zu Lebzeiten z. B. einen Erbverzichtsvertrag mit den Pflichtteilsberechtigten abschließen. Das bedeutet, dass diese bei Eintritt des Erbfalles auf ihren Pflichtteil verzichten. Eine andere Möglichkeit ist die gemeinsame Errichtung eines Berliner Testaments mit sogenannter Pflichtteils-Strafklausel.

Praxistipp zum gesetzlichen Erbrecht des Ehegatten


Erbrechtliche Fallgestaltungen sind häufig kompliziert. Sie können ganz erhebliche finanzielle Folgen haben. In diesem Bereich ist eine Beratung durch einen Fachanwalt für Erbrecht besonders zu empfehlen. Dieser hilft auch vorbeugend beim Aufsetzen eines Testaments oder Erb- bzw. Erbverzichtsvertrages, um die bestmögliche Absicherung des überlebenden Ehegatten zu erreichen.

(Wk)


 Günter Warkowski
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