Greenwashing: Wann ist es wettbewerbsrechtlich bedenklich?

23.08.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Greenwashing,Bio,Klima,Gemüse,Investment Greenwashing: Nicht alles ist so grün, wie die Werbung verspricht. © - freepik
Das Wichtigste in Kürze

1. Irreführende Angaben: Greenwashing liegt vor, wenn ein Unternehmen falsche oder irreführende Informationen über die Umweltfreundlichkeit seiner Produkte oder Dienstleistungen verbreitet. Darin kann eine Täuschung von Verbrauchern liegen.

2. Unbelegte Behauptungen: Greenwashing ist besonders bedenklich, wenn Bezeichnungen, die auf Umweltfreundlichkeit abstellen, wie z.B. "klimaneutral", nicht durch objektive und nachprüfbare Beweise gestützt werden können.

3. Wettbewerbsverzerrung: Wenn durch Greenwashing ein unlauterer Wettbewerbsvorteil erzielt wird, indem Verbraucher gezielt von anderen umweltfreundlicheren Produkten abgelenkt werden, kann hierin ein Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht liegen.
Unter Greenwashing versteht man die Darstellung eines Produkts oder einer Dienstleistung als umweltfreundlich oder klimaneutral, obwohl sie es in Wirklichkeit nicht ist. Hier wird der Verbraucher also in die Irre geführt und kauft etwas anderes, als ursprünglich beabsichtigt. Damit wird auch gegen Gesetze verstoßen. Greenwashing gibt es in vielen Bereichen: vom Biomarkt bis zur Geldanlage. Für umweltbewusste Verbraucher bedeutet das: Aufmerksam sein und nicht jeder Versprechung ungeprüft Glauben schenken.

Gegen welche Gesetze verstößt Greenwashing in der Werbung?


Die Irreführung von Verbrauchern ist nach dem Wettbewerbsrecht unzulässig. Denn: An die Regeln für fairen Wettbewerb müssen sich alle Unternehmen halten. Irreführende geschäftliche Handlungen sind nach § 5 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) unlauter. Dies betrifft unwahre Angaben oder Täuschungen über wesentliche Merkmale der jeweiligen Ware oder Dienstleistung. Unlautere Werbung ist nach § 3 UWG verboten. Konsequenz ist, dass Konkurrenten oder dazu berechtigte Verbände wie etwa die Verbraucherzentrale das betreffende Unternehmen kostenpflichtig abmahnen und Unterlassung fordern können. Kommt das Unternehmen dem nicht nach, folgt meist eine Unterlassungsklage.

Streit um Reinigungsmittel: Was heißt Klimaneutral?


Vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main stritten sich zwei Hersteller von Reinigungsmitteln mit ökologischem Anspruch. Eines der Unternehmen warb mit einer Vielzahl von Aussagen zur Klimaneutralität. Dazu gehörte auch das Gütesiegel "klimaneutral" auf seiner Website. Das andere Unternehmen versuchte nun, die Verwendung dieses Gütesiegels in der vorhandenen Form zu unterbinden. Denn: "Klimaneutral" sei ein erläuterungsbedürftiger Begriff. Inwiefern sei das Reinigungsmittel denn genau klimaneutral? Würden hier vielleicht nur Kompensationszahlungen geleistet?`

Das Gericht gab dem klägerischen Unternehmen recht. Eine Werbung mit Klimaneutralität habe heutzutage einen ganz erheblichen Einfluss auf die Kaufentscheidung von Verbrauchern. Daher hätten werbende Unternehmen die Pflicht, ihre Kunden über grundlegende Umstände der von ihnen beanspruchten Klimaneutralität aufzuklären. Bei dem hier verwendeten "klimaneutral"-Logo würden Verbraucher davon ausgehen, dass grundsätzlich alle wesentlichen Emissionen des Unternehmens vermieden oder zumindest kompensiert würden. Tatsächlich habe aber schon das Zertifizierungsunternehmen, welches das entsprechende Gütesiegel erteile, bestimmte Emissionsarten ausgeklammert und nicht berücksichtigt, darunter den Bereich Warentransport. Eine solche Ausklammerung wichtiger Bereiche würden Verbraucher nicht erwarten, wenn sie in derart hervorgehobener Weise das Gütesiegel "klimaneutral" sehen würden.

Ohne weitere Erklärungen zum genauen Zustandekommen der Angaben müsse das Unternehmen daher die Verwendung des Gütesiegels "klimaneutral" unterlassen (Urteil vom 10.11.2022, Az. 6 U 104/22).

Die ideale Geldanlage für einen kleineren CO2-Fußabdruck?


Um nachhaltige Geldanlagen ging es vor dem Landgericht Stuttgart. Hier hatte die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg gegen eine Investmentgesellschaft geklagt. Diese hatte damit geworben, dass ein von ihr vertriebener Aktienfonds nachhaltig sei und eine konkrete Auswirkung auf den persönlichen CO2-Fußabdruck des Investors habe.

Der Fonds investierte in konkrete Projekte im Bereich erneuerbarer Energien. Kunden konnten auf der Website der Fondsgesellschaft einen Online-Rechner mit vielen Abfragen von Daten nutzen, um ihren persönlichen CO2-Fußabdruck zu ermitteln. Dem Ergebnis wurde dann die durch die Anlage erzielte CO2-Einsparung gegenübergestellt (welche mit steigendem Anlagebetrag selbstverständlich wuchs). Überall wurden konkrete Zahlen und messbare CO2-Einsparungen angegeben. So sollte ein Investment von 10.000 Euro zur Einsparung von 3,5 Tonnen CO2 im Jahr führen. Es folgten weitere Veranschaulichungen mit festen Daten, etwa: "Ihr Investment versorgt 2,3 Haushalte mit sauberem Grünstrom."

Der Haken: Aus den weiteren Unterlagen zur Geldanlage ergab sich an weniger gut sichtbarer Stelle, dass all dies nur unverbindliche Ziele waren. So wurde hervorgehoben, dass die Anlageziele des Fonds nicht garantiert werden könnten. An einer Stelle war von 3 Tonnen statt von 3,5 Tonnen CO2 die Rede. Aus den Berechnungshinweisen ergab sich (nach Herunterscrollen mehrerer Seiten), dass die versprochene CO2-Einsparung deutlich unterschritten werden konnte.

Das Gericht war der Ansicht, dass hier eine Täuschung von Verbrauchern stattfand. Insbesondere durch die konkrete Angabe fester Zahlen und Beträge werde der Eindruck erweckt, dass eine bestimmte Investition tatsächlich zu einer messbaren, konkreten CO2-Einsparung führe - obwohl dies tatsächlich nur eine unverbindliche Angabe sei. Das Gericht untersagte der Fondsgesellschaft diese Art der Werbung (Urteil vom 10.1.2022, Az. 36 O 92/21 KfH).

Klimaneutrale Müllbeutel: Kein Erklärungsbedarf


Anders lief ein Verfahren vor dem Oberlandesgericht Schleswig. Hier ging es um einen Hersteller von Plastik-Müllbeuteln, der sein Produkt mit dem Begriff "klimaneutral" beworben hatte. Der Kläger wollte diese Werbung als unzulässige Irreführung des Verbrauchers untersagen lassen: Leser der Werbung würden davon ausgehen, dass das Produkt klimaneutral hergestellt werde. In Wirklichkeit komme die Klimaneutralität des Produkts aber nur durch nachträgliche Ausgleichszahlungen zustande.

Das werbende Unternehmen wies darauf hin, dass "klimaneutral" nicht mit "emissionsfrei" gleichgesetzt werden könne.

Das Gericht erklärte: Jede zur Umweltfreundlichkeit getroffene Aussage in der Werbung müsse erkennen lassen, welcher Umweltvorteil herausgestellt werden solle. Nur so könne die Gefahr einer Irreführung durch die Verwendung des unscharfen Begriffs der Umweltfreundlichkeit ausgeschlossen werden. Aber: Hier ginge es um einen anderen Begriff, nämlich "Klimaneutralität". Darunter könne sich jeder etwas vorstellen, nämlich eine im Ergebnis ausgeglichene CO2-Bilanz ohne Garantie für den Weg, auf dem diese erreicht werde. Als näher erklärungsbedürftig sah das Gericht diesen Punkt nicht an. Der Müllbeutel-Hersteller durfte seine Werbung daher unverändert fortsetzen (Urteil vom 30.6.2022, Az. 6 U 46/21).

Klimaneutrale Katjes


Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat entschieden, dass der Fruchtgummihersteller Katjes seine Produkte als klimaneutral bewerben darf. Dagegen geklagt hatte ein Wettbewerbsverein. Das Gericht erläuterte, dass heute jedem Verbraucher klar sei, dass Klimaneutralität nicht nur durch Vermeidung von CO2-Emissionen, sondern auch durch Kompensationsmaßnahmen erzielt werden könne. In diesem Fall müssten Unternehmen jedoch in ihrer Werbung darauf hinweisen, wie genau diese Kompensation durchgeführt werde. Dies sei bei Katjes der Fall gewesen: In der Werbeanzeige war auf die Kompensation hingewiesen und ein QR-Code angezeigt worden, mit dem Verbraucher eine Internetseite aufsuchen konnten, auf der die Kompensation genau erläutert wurde. Dies sei vollkommen ausreichend. Gegen das Urteil wurden Rechtsmittel eingelegt (s.u.), (Urteil vom 6.7.2023, Az. I-20 U 152/22).

Bundesgerichtshof entscheidet zu klimaneutralen Katjes


Der Katjes-Fall ist nun bis zum Bundesgerichtshof gelangt. Dieser hat entschieden, dass die Bezeichnung "klimaneutral" ohne weitere Erläuterungen wettbewerbswidrig ist. Verbraucher könnten so nicht wissen, ob der Süßwarenhersteller in seinen Fabriken kein CO2 erzeuge oder ob lediglich irgendwelche Kompensationszahlungen stattfänden. In der Werbung selbst müsse erläutert werden, welche Bedeutung des Begriffes maßgeblich sei, so der BGH. Es reiche nicht aus, einen Link oder QR-Code abzudrucken, unter dem sich die Verbraucher näher informieren könnten. Die Entscheidung wird Folgen für viele Branchen haben. Katjes jedenfalls versprach, seine Klimaschutzbemühungen künftig besser zu kommunizieren (Urteil vom 27.6.2024, Az. I ZR 98/23).

DIY-Bio-Gütesiegel für Kräutertee


Weniger Erbarmen hatte das Oberlandesgericht München mit einem Hersteller und Händler von Kräutertees. Auf dessen Internetseite fand sich ein Bio-Logo. Fuhr man mit der Maus darüber, erschien der Schriftzug "Bio Qualität". Optisch wirkte das Ganze wie ein Gütesiegel. Nur stammte es schlicht von der Firma selbst.

Das Gericht gab einem klagenden Verband recht: Das Logo erwecke den Eindruck eines Gütesiegels, das von einer neutralen Stelle nach objektiven Kriterien zugeteilt werde. Stattdessen handle es sich nur um eine Werbung. Der an Gütesiegel gewöhnte Kundenkreis des Unternehmens würde das Logo hier missverstehen, zumal es in besonders hervorgehobener Form und neben dem Bio-Logo der EU abgebildet sei. Das Gericht erklärte die Verwendung des Logos für unzulässig (Urteil vom 9.12.2021, Az. 6 U 1973/21).

CO2-neutrales Wunderbräu aus Bayern


Das Landgericht München I hat verschiedene Werbeaussagen einer bayerischen Brauerei für wettbewerbswidrig erklärt. Diese hatte eines ihrer Biere als "Wunderbräu" bezeichnet und eine Münchner Adresse auf die Flasche gedruckt, an der das Bier jedoch gar nicht gebraut wurde. Obendrein wurde das Bier auf der Flasche mit "CO2 positiv" und "klimaneutrale Herstellung" beworben. Dem Gericht zufolge seien jedoch die Maßstäbe, auf denen diese Bewertung beruhe, nicht hinreichend transparent offengelegt worden. Zwar gab es auf der Flasche einen QR-Code, der zu Informationen über die klimaneutrale Herstellung führte. Diese reichten dem Gericht aber nicht aus. Verbraucher hätten heute schon ein Interesse daran, zu erfahren, ob die Klimaneutralität nun durch echte Einsparungen oder durch Ausgleichszahlungen hervorgerufen werde. Dies müsse auf der Flasche stehen. Obendrein sei der QR-Code hier nicht in direktem Zusammenhang zu den Klima-Aussagen angebracht. Wenn man ihn nutze, müsse man erst umständlich auf eine weitere Seite klicken, bis man schließlich bei den gewünschten Informationen lande. Auf der entsprechenden Website fehlten genaue Berechnungen zur Klimaneutralität und konkrete Aussagen, wie diese erreicht werde (Urteil vom 8.12.2023, Az. 37 O 2041/23).

Update vom 23.8.2024: Was ist ein dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb?


Dem Unternehmen TUI Cruises wurde gerichtlich untersagt, mit dem Begriff "dekarbonisierter Kreuzfahrtbetrieb" zu werben. Das Kreuzfahrt-Unternehmen hatte auf seiner Website einen Zeitplan veröffentlicht, der vorsah, einen solchen einzuführen. Dazu sollten gehören:

- Nutzung von LNG für Dual-Use-Schiffe,
- Beschaffung und Nutzung von grünem Methanol und anderen E-Fuels,
- Ausschließlich Design und Bau von Net-zero-Neubauschiffen,
- Beginn des Ausstiegs aus fossilen Kraftstoffen,
- Nutzung von grünem Landstrom.

Die Deutsche Umwelthilfe sah die Angaben, wie das Ziel der Dekarbonisierung erreicht werden sollte, als unzureichend und damit als irreführend an. Das Gericht sah dies auch so. So sei zum Beispiel unklar, ob es sich um fossiles oder grünes LNG handeln werde. Bei allen anderen Treibstoffen werde ein "E" davorgesetzt, bei LNG nicht. Der Begriff "net-zero" sei bei Verbrauchern (trotz vorhandener Erklärung) zu unbekannt. Offenbar könne ein "net-zero"-Betrieb auch Kompensationsmaßnahmen für erzeugtes CO2 beinhalten. Insgesamt sei die Werbung aus wettbewerbsrechtlicher Sicht irreführend und damit zu unterlassen (LG Hamburg, Urteil vom 9.8.2024, Az. 315 O 9/24).

Praxistipp zum Greenwashing


Greenwashing gibt es in allen Bereichen. Verbraucher sollten Angaben zur Klimaneutralität und auch Gütesiegel immer hinterfragen und nachprüfen. Eine eigene Unterlassungsklage können sie nicht einreichen, wohl aber sich bei Verbraucherschutzverbänden über das jeweilige Unternehmen beschweren. Beratung im Wettbewerbsrecht leistet ein Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz.

(Wk)


 Günter Warkowski
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Juristische Redaktion
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