Häusliche Gewalt: Welche Hilfen gibt es und welche Strafen drohen

07.02.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
Frau,häusliche,Gewalt Wo gibt es Hilfe gegen häusliche Gewalt und was droht dem Täter? © Bu - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Begriff: Häusliche Gewalt umfasst zumeist körperliche, psychische oder sexuelle Misshandlung innerhalb familiärer oder partnerschaftlicher Beziehungen. Sie kann verschiedene Formen annehmen, darunter physische und verbale Gewalt sowie sonstige Einschüchterung.

2. Strafbarkeit: Häusliche Gewalt kann als einfache oder gefährliche Körperverletzung, Vergewaltigung oder auch Stalking strafbar sein. Bei allen Taten droht je nach Schwere der Tat eine Freiheitsstrafe.

3. Hilfen für Betroffene: Frauenhäuser bieten Schutz für Opfer häuslicher Gewalt. Betroffene können sich an Beratungsstellen, Opferhilfeorganisationen oder Frauennotrufe wenden, um Hilfe zu erhalten. Gerichte können einstweilige Verfügungen erlassen, um Opfer vor weiteren Übergriffen zu schützen oder ein Abstandsgebot anzuordnen.
Häusliche Gewalt existiert in vielen Formen. Für sie gibt es keinen eigenen Straftatbestand, denn je nach Fall können ganz verschiedene Straftaten begangen worden sein. Bei häuslicher Gewalt kann es im Extremfall zu Mord und Totschlag kommen, andere vorkommende Straftatbestände sind aber auch Bedrohung, Stalking und Nötigung sowie einfache, schwere und gefährliche Körperverletzung, Körperverletzung mit Todesfolge, sexuelle Gewalt und Freiheitsberaubung

Wie viel häusliche Gewalt gibt es in Deutschland?


Häusliche Gewalt war früher ein Tabu. Auch von der Polizei wurde sie oft nur als Ruhestörung behandelt. Allerdings wandelt sich die Einstellung dazu immer mehr. Betroffene haben zum Beispiel durch das Gewaltschutzgesetz mehr Rechte bekommen. Das Sexualstrafrecht wurde geändert und um weitere Tatbestände ergänzt. Stalking wurde zur Straftat. Immer häufiger zeigen Betroffene oder außenstehende Zeugen strafbare Handlungen auch tatsächlich an.

Die offizielle Statistik des Bundeskriminalamtes wies für das Jahr 2014 noch 126.230 Opfer von "partnerschaftlicher Gewalt" aus. 2018 waren es schon 140.755. Dazu muss man wissen, dass seit 2017 zusätzliche Delikte mitgezählt werden, nämlich Nötigung, Freiheitsberaubung, Zuhälterei und Zwangsprostitution. Wenn die gleiche Person mehrfach angegriffen wird, werden auch mehrere Fälle in der Statistik berücksichtigt. Opfer häuslicher Gewalt werden nicht nur Frauen, sondern auch Männer - aber zu einem deutlich geringeren Anteil.
Für 2020 meldete das BKA folgende Zahlen: 146.655 Fälle von Gewalt in Partnerschaften mit 148.031 Opfern, davon 80,5% weiblich und 19,5% männlich.

Was ist überhaupt häusliche Gewalt?


Jegliche Gewalt unter Personen, die zusammen in einem Haushalt leben, bezeichnet man als häusliche Gewalt. Diese spielt sich nicht immer unter Ehe- oder Beziehungspartnern ab. Manchmal sind davon auch Kinder betroffen. Natürlich sind sie es indirekt in jedem Fall, da derartige Erlebnisse Auswirkungen auf ihre künftige Beziehungsfähigkeit und ihre Entwicklung haben. Generell zieht sich häusliche Gewalt durch alle Bildungs- und Einkommensschichten und Altersgruppen.

Allerdings muss man deutlich darauf hinweisen, dass die oft in der Presse zitierten Zahlen des Bundeskriminalamtes eigentlich etwas anderes widerspiegeln. Die Statistiken des BKA verwenden nicht den Begriff der "häuslichen", sondern den der "partnerschaftlichen Gewalt". Damit ist eben nicht alles gemeint, was sich in einem Haushalt abspielt, sondern Gewalt durch Expartner, Ehepartner und nichteheliche Lebenspartner gegen Partner/Partnerin oder Expartner.

Gewalt gegen Kinder kommt in diesen Statistiken nicht vor. Auch schließen die Zahlen Gewalttaten durch Personen ein, die nicht mit im gleichen Haushalt leben, wie zum Beispiel Expartner oder in Trennung lebende Partner. In der Statistik von 2018 lebten zum Beispiel nur 50,4 Prozent der Opfer tatsächlich mit den Tätern im gleichen Haushalt.

Wie beginnt häusliche Gewalt?


Häusliche Gewalt beginnt nicht erst mit Schlägen. Häufig fängt sie mit Drohungen, Einschüchterungen und psychischem Druck an. Ihr Ziel ist die Ausübung von Macht und Kontrolle. Als Druckmittel dienen oft finanzielle Abhängigkeiten oder Kinder. In vielen Fällen fühlen sich die Opfer sozial isoliert und verlieren ihr Selbstwertgefühl.

Welche Strafen drohen bei häuslicher Gewalt?


Dies hängt von ihrer jeweiligen Ausprägung ab. Es kommen viele verschiedene strafbare Delikte in Frage. Einige Beispiele: Einfache Körperverletzung wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe geahndet. Bei gefährlicher Körperverletzung (z. B. mit einer Waffe oder durch eine lebensgefährliche Handlung) droht eine Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten und bis zu zehn Jahren.

Für eine Nötigung (jemanden durch Gewalt oder Drohung zu etwas zu bewegen, dass er nicht will) drohen dem Täter nach § 240 des Strafgesetzbuches (StGB) bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe.

Sexuelle Handlungen “gegen den erkennbaren Willen” der anderen Person können mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft werden (§ 177 StGB). Ein eigener Straftatbestand ist Stalking (Nachstellung), geregelt in § 238 StGB. Darauf stehen eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Die Voraussetzung ist mittlerweile nicht mehr eine beharrliche Tatbegehung. Vielmehr reichen wiederholte Taten aus, wenn diese geeignet sind, die Lebensgestaltung der oder des Betreffenden zu beeinflussen (zum Beispiel, indem man sich nicht mehr aus dem Haus traut, nicht mehr ans Telefon geht oder sonst seinen Tagesablauf ändert, um nicht mehr gestalkt zu werden).

Einige dieser Straftaten werden nur auf den Antrag von Betroffenen hin verfolgt. Ein Beispiel dafür ist die einfache Körperverletzung.

Wie kann man sich als Opfer wehren?


Zunächst kann das Opfer den Täter bei der Polizei anzeigen. In akuten Notfällen gibt es schnelle Hilfe unter der Notrufnummer 110. Später folgt vor Gericht die strafrechtliche Aufarbeitung. Zunächst einmal ändert diese jedoch nichts an der häuslichen Situation.

Genau dafür wurde vor einigen Jahren das Gewaltschutzgesetz geschaffen. Es gehört nicht zum Strafrecht, sondern zum Zivilrecht. Dieses Gesetz regelt beispielsweise, dass ein Gericht einem Täter, der jemand anderen an Körper, Gesundheit oder Freiheit verletzt hat, untersagen kann, sich dem Opfer zu nähern, dessen Wohnung zu betreten, sich in seinem Umkreis aufzuhalten oder auf irgendeine Art mit ihm Kontakt aufzunehmen. Ein Kontaktverbot kann auch bei Drohungen oder Stalking angeordnet werden.

Wohnen beide Personen im gleichen Haushalt und besteht Wiederholungsgefahr, kann das Gericht dem Opfer die Wohnung zur alleinigen Nutzung zuweisen. Der Täter muss dann gehen. Eine solche Wohnungszuweisung erfolgt allerdings nur befristet, wenn der Täter eigene Rechte an der gemeinsamen Wohnung hat – wie etwa als Mieter oder Eigentümer. Im Höchstfall kann eine Wohnungszuweisung sechs Monate lang dauern, mit der Möglichkeit einer Verlängerung. Wenn der Täter Anordnungen des Zivilgerichtes missachtet, macht er sich strafbar. Gemäß § 4 des Gewaltschutzgesetzes droht ihm dann eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe. Betroffene können solche Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz beim örtlichen Familiengericht beantragen. Dieses ist beim Amtsgericht zu finden. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung erfolgt im Eilverfahren und dauert einige Stunden oder auch einige Tage.

Wohin können sich Betroffene wenden?


Betroffene Frauen können sich an das Hilfetelefon “Gewalt gegen Frauen” wenden. Unter der Telefonnummer 08000 116 016 findet auf Wunsch eine anonyme Beratung statt. Angeboten wird dies vom Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben in Köln. Das Hilfetelefon ist mehrsprachig und kostet nichts.

Zuflucht für misshandelte Frauen und ggf. ihre Kinder bieten die Frauenhäuser. In ein Frauenhaus kann jede Frau gehen, die Opfer von Gewalt geworden ist oder von Gewalt bedroht ist. Die Adressen sind geheim, der Aufenthalt wird durch eine Stelle bei der Gemeinde vermittelt. Infos gibt es auf der Webseite https://www.frauenhauskoordinierung.de/

Auch der Sozialdienst katholischer Frauen bietet unter https://www2.gewalt-los.de/ seine Beratung an.
Eine Liste von Selbsthilfegruppen findet sich hier:
https://www.frauen-gegen-gewalt.de/selbsthilfe.html

Für Männer gibt es weniger Beratungsangebote. Auch sie werden jedoch Opfer von partnerschaftlicher Gewalt. Im akuten Fall ist oft die Polizei der erste geeignete Ansprechpartner. Auch von dieser gibt es eine besondere Internetseite zum Thema: https://www.polizei-beratung.de/opferinformationen/haeusliche-gewalt/

Direkt beim örtlichen Familiengericht kann man Anträge nach dem Gewaltschutzgesetz stellen.

Häusliche Gewalt in Zeiten der Coronakrise


Zu diesem Thema haben sich schon viele Experten geäußert. Deren Befürchtung ist, dass die Coronakrise zu mehr häuslicher Gewalt führt, weil mehr Personen für längere Zeit zu Hause zusammen sind - bedingt durch Kontaktsperren, Ausgangsbeschränkungen, geschlossene Betriebe, Home-Office oder Quarantäne. Zwar scheint die Zeit der harten Lockdowns vorbei zu sein, nach wie vor ist Home-Office jedoch verbreitet und in vielen Familien und Beziehungen sind Freizeitaktivitäten und Kontakte nach außen reduziert. Es ist gut vorstellbar, dass in dieser Situation durch psychische Belastung Spannungen entstehen oder es gar zu Gewalttätigkeiten kommt. Auch finanzielle Existenzängste sind dabei nicht hilfreich.

Tatsächlich zeigen die Zahlen des BKA zur "partnerschaftlichen Gewalt" einen Anstieg der Fallzahlen um 4,9 Prozent gegenüber 2019. Die Opferschutz-Organisation Weißer Ring registrierte in 2020 insbesondere nach dem Lockdown eine Zunahme ihrer Beratungen zu Fällen häuslicher Gewalt um zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. 20 Prozent ihrer Beratungen befassen sich inzwischen mit häuslicher Gewalt.

Praxistipp zu häuslicher Gewalt


Wer selbst häusliche Gewalt erleidet, sollte im akuten Fall die Polizei rufen. Auch steht eine Reihe von Beratungsangeboten auch telefonisch oder online kurzfristig zur Verfügung. Es kann auch sinnvoll sein, einen auf das Familienrecht spezialisierten Rechtsanwalt aufzusuchen. Dieser kann eine auf den Einzelfall bezogene Beratung vornehmen und einschätzen, was in der jeweiligen Situation am sinnvollsten zu tun ist. Der Anwalt kann die entsprechenden Anträge bei Gericht einreichen.

(Bu)


 Stephan Buch
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