Haftung des Futtermittelverkäufers für dioxinverdächtiges Tierfutter

05.02.2020, Redaktion Anwalt-Suchservice
Futterprobe,Hand Tierfutter: Gesundes Futter ist wichtig - für Mensch und Tier. © Bu - Anwalt-Suchservice

Was an Tiere verfüttert wird, landet später auch in unserer Nahrung. Gerade bei Tierfutter ist es wichtig, dass dieses nicht mit Giftstoffen verseucht ist. Wer haftet, wenn dies am Ende doch der Fall ist?

Futtermittelskandale sorgen immer wieder für Schlagzeilen, verunsichern Verbraucher und bedeuten manchmal, dass viele Nutztiere getötet werden müssen. Für besondere Aufmerksamkeit sorgt das Gift Dioxin. 2010/2011 gab es in Deutschland einen Futtermittelskandal, weil bis zu 150.000 Tonnen Tierfutter mit Dioxin verseucht waren. Ein Zulieferer hatte offenbar den Futtermittelherstellern technische Fette geliefert, die für die Papierherstellung bestimmt waren.

Was ist Dioxin?


Dioxin ist eigentlich eine Sammelbezeichnung für mehrere Stoffe. Es entsteht unerwünscht bei verschiedenen chemischen Prozessen, aber auch bei Waldbränden und Vulkanausbrüchen. Das sogenannte "Seveso-Dioxin" ist 500-mal giftiger als die Gifte Strychnin und Curare. Dioxin kann Leberschäden verursachen, außerdem Hautschädigungen wie Chlorakne, Störungen des Immunsystems, des Nervensystems, des Hormonhaushalts, der Fortpflanzungsfähigkeit und der Enzymsysteme. In Tierversuchen wurde seine krebserregende Wirkung nachgewiesen. Dioxin baut sich im Körper nicht mit der Zeit ab, sondern reichert sich immer weiter an, bis die Schwelle erreicht ist, an der es zu Körperschäden kommt.

Wie kommt Dioxin in die Umwelt?


Vom Menschen wurde Dioxin zum Beispiel durch polychlorierte Biphenyle (PCB) und Herbizide in die Umwelt gebracht. Dies geschah bis in die 1980er-Jahre. Inzwischen sind diese Stoffe verboten. Aber auch Müllverbrennungsanlagen waren für Dioxin verantwortlich, da es durch bestimmte Verbrennungsprozesse entsteht. Deren Ausstoß konnte durch Grenzwerte und verbesserte Technik erheblich gesenkt werden. Heute entsteht Dioxin hauptsächlich durch thermische Prozesse in der Metallgewinnung und –verarbeitung.

Welcher Fall wurde vor dem Bundesgerichtshof verhandelt?


Ein Futtermittelhersteller hatte den Betreiber einer Legehennenanlage im November 2010 mit Futter beliefert. Bei einer Untersuchung anderer im selben Zeitraum hergestellter Futtermittel stellte der Hersteller eine Überschreitung der zulässigen Dioxinkonzentration fest. Offenbar waren hier Fette verarbeitet worden, die er von einem Zulieferer gekauft hatte und die mit dem Gift verunreinigt waren. Dies betraf möglicherweise auch die Lieferungen an den Hühnerhof.
Bei Vorliegen der Untersuchungsergebnisse hatte der Legehennenhof das gelieferte Futter allerdings längst verfüttert. Daraufhin wurden zwei seiner Ställe behördlich gesperrt und der Verkauf dort produzierter Eier untersagt. Der Futterhersteller ersetzte dem Stallbetreiber zwar den Betrag für die Entsorgung der nutzlos produzierten Eier, aber nicht seinen entgangenen Umsatz. Dieser lag bei über 43.000 Euro, denn auch nach Aufhebung der Verkaufssperre konnten Eier von diesem Hof nur zum Billigpreis verkauft werden.

Der Futtermittelhersteller verklagte den Eierproduzenten auf Zahlung von rund 20.000 Euro für eine andere, nicht verunreinigte Lieferung, die dieser nicht bezahlt hatte. Dieser wollte mit dem Schaden von 43.000 Euro aufrechnen und verklagte den Hersteller seinerseits auf Schadensersatz.

Wie haben die Gerichte entschieden?


Der Fall kam zunächst vor das Landgericht. Dieses wies die Klage des Herstellers ab und gab dem Eierproduzenten recht. Das Urteil erlaubte ihm, seinen Schaden mit den Kosten der Lieferung aufzurechnen und gewährte ihm weitere 23.000 Euro Schadensersatz.

Die Begründung: Der Futtermittelverkäufer hafte bereits bei einem bloßen Verdacht auf Verunreinigung für den Schaden des Käufers. Auf ein Verschulden komme es dabei nicht an. Der Verdacht müsse allerdings auf konkrete Tatsachen gestützt sein.

Der Bundesgerichtshof entschied in nächster Instanz anders:
Der Futtermittelhersteller müsse zwar für Schäden haften, die dem Käufer durch eine tatsächliche Überschreitung der zulässigen Dioxinkonzentration entstanden seien. Diese Haftung sei von einem Verschulden unabhängig.
Dies begründete der BGH mit der damaligen Fassung von § 24 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuchs. Diese Vorschrift besagte, dass Verkäufer von Futtermitteln für die "handelsübliche Unverdorbenheit und Reinheit" der Ware verantwortlich seien.
Im vorliegenden Fall sei aber nie bewiesen worden, dass das gelieferte Futter tatsächlich mit Dioxin verseucht gewesen sei. Deshalb scheide eine Haftung nach dieser Vorschrift hier aus.

Haftung auch im Verdachtsfall?


Der BGH führte weiter aus: Außerdem hafte der Futterhersteller auch für Schäden, die entstünden, weil Produkte wie die Hühnereier durch einen reinen Verdacht auf Verseuchung des Futters unverkäuflich würden. Ein auf konkrete Tatsachen gestützter Verdacht sei hier ein Sachmangel der Ware im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches.
Aber: Diese Haftung sei von einem Verschulden des Herstellers abhängig.

Dieses Verschulden werde per Gesetz vermutet. Der Käufer müsse also das Verschulden des Verkäufers nicht beweisen, der Verkäufer könne sich aber durch einen Gegenbeweis entlasten. Die Regelung aus dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch gelte für den "Verdachtsfall" nicht, da sie eine eng auszulegende Ausnahmevorschrift sei.

Welche Grundsätze stellte der Bundesgerichtshof zur Haftung auf?


Der BGH entschied, dass ein Futtermittelhersteller für die geltend gemachten Schäden nur dann haftet, wenn entweder

- die Verunreinigung des gelieferten Futters nachgewiesen wird oder
- dem Futterhersteller seinerseits nicht der Nachweis gelingt, dass er für den Verdacht der Futtermittelverunreinigung nichts kann.

Im konkreten Fall hatten sich die Vorinstanzen mit der Verschuldensfrage nicht ausreichend auseinandergesetzt, sodass der Fall zurückverwiesen wurde, um weitere Tatsachen festzustellen (BGH, Urteil vom 5.11.2014, Az. VIII ZR 195/13).

Wie ging es im konkreten Fall weiter?


Das Oberlandesgericht Oldenburg kam nach erneuter Prüfung des Falles zu dem Ergebnis, dass hier kein bloßer Verdacht vorlag, sondern eine echte Verseuchung mit Dioxin.
Die Lieferungen an den Stallbetreiber seien einen Tag vor und zwei Tage nach der Feststellung von Dioxin beim Hersteller erfolgt. Es gebe keinen Hinweis darauf, dass das verseuchte Fett dort nur in Lieferungen für bestimmte Kunden gelandet sei und in anderen nicht. Außerdem seien in Eiern dieses Stallbetreibers aus der Zeit nach der Lieferung erhöhte Dioxinkonzentrationen nachgewiesen worden.
Der Futtermittelhersteller musste also voll für den Schaden haften (Oberlandesgericht Oldenburg, Urteil vom 3.3.2015, Az. 2 U 111/14).

Wie ist die heutige Rechtslage bei Tierfutter?


§ 24 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches (LFGB) spricht heute nicht mehr von "handelsüblicher Unverdorbenheit", sondern verweist auf EU-Vorschriften, die ausführlicher erklären, wie Futtermittel beschaffen sein müssen.

§ 17 LFGB verbietet, Futtermittel derart herzustellen oder zu behandeln, dass bei ihrer bestimmungsgemäßen und sachgerechten Verfütterung an Tiere die schließlich gewonnenen Lebensmittel

1. die menschliche Gesundheit beeinträchtigen können,
2. für den Verzehr durch den Menschen ungeeignet sind.

Verboten ist es auch, Futtermittel so herzustellen, dass sie die Gesundheit der Tiere beeinträchtigen.

Wer Futtermittel so herstellt, dass die schließlich erzeugten Lebensmittel die menschliche Gesundheit gefährden können, riskiert nach § 58 LFGB eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. Es handelt sich dabei um eine Straftat.

Praxistipp


Wer in der Landwirtschaft tätig ist, muss sich auch von Futtermittelherstellern nicht alles bieten lassen. Der beschriebene Fall zeigt, dass diese durchaus haften müssen, wenn sie verseuchtes Tierfutter liefern. Anwaltliche Hilfe findet man hier am besten bei einem Fachanwalt für Agrarrecht. Dieser hat die nötigen Spezialkenntnisse in diesem Bereich.

(Ma)


 Ulf Matzen
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