Hartz IV: Muss Jobcenter bei Stromschulden helfen?
23.02.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Ma - Anwalt-Suchservice In keinem Haushalt geht es ohne Strom. Weder Heizung noch Festnetz-Telefon, weder Ladegeräte für Handys noch Licht, Küchengeräte, Waschmaschine, Computer oder Fernseher könnten betrieben werden. Strom kostet aber Geld, und Hartz-IV-Empfänger müssen mit wenig auskommen. Wenn sie die Stromrechnung wiederholt nicht zahlen und Schulden aufbauen, stellt ihnen der Stromversorger irgendwann den Strom ab. Kommt in solchen Fällen das Jobcenter für die Stromkosten auf?
Im Jahr 2021 beträgt der Hartz-IV (oder ALG-II-) Regelsatz 446 Euro im Monat für Alleinstehende, für Partner in einer Bedarfsgemeinschaft sind es 401 Euro. In diesen Betrag ist bereits eine Pauschale von 38,32 Euro u.a. für Energie und Wohninstandhaltung eingeschlossen. Der Leistungsempfänger muss seine Stromkosten also selbst vom Regelsatz bezahlen. Er bekommt den Strom nicht extra vom Jobcenter überwiesen. Allerdings liegt der durchschnittliche Preis für Strom in der Grundversorgung für 1.500 kWh bei durchschnittlich 47,50 Euro und damit um 24 Prozent höher als die Pauschale.
Daher reicht der im Regelsatz vorgesehene Betrag in der Regel nicht aus, um die tatsächlichen Stromkosten zu decken. Ein paar Euro mehr sind bei ALG-II-Empfängern nicht mal eben schnell verfügbar.
Es gibt jedoch einen Ausnahmefall: Bei dezentraler Warmwasseraufbereitung oder Heizung. Läuft also beispielsweise die Warmwassererzeugung über einen Durchlauferhitzer in der Küche oder wird die Wohnung elektrisch geheizt, können beim Jobcenter Stromkosten über den Regelbedarf hinaus geltend gemacht werden. Meist gewährt das Jobcenter in diesem Fall einen zusätzlichen Pauschalbetrag von 2,3 Prozent des Regelsatzes. Dies wären derzeit 10,26 Euro.
Allerdings muss dies beim Jobcenter extra beantragt werden. Dem Antrag muss man als Beleg eine Bescheinigung des Vermieters über die Art der Heizung oder Warmwasserbereitung hinzufügen.
Wenn das Versorgungsunternehmen wegen Stromschulden eine Stromsperre verhängt, kann das Jobcenter dem Leistungsempfänger ein Darlehen bewilligen. Mit diesem können dann die Stromschulden bezahlt werden. Unter Umständen reicht bereits die Drohung mit einer Stromsperre aus, um ein solches Darlehen zu bekommen. Der Haken: Ein Darlehen muss man zurückzahlen. Dazu wird dann jeden Monat ein gewisser Teil vom Regelsatz einbehalten.
Vom Jobcenter wird jeder Antrag einzeln geprüft. Dies gilt auch für wiederholte Anträge, die häufig vorkommen. Stellt sich heraus, dass die Stromkosten entstanden sind, weil der Antragsteller zu verschwenderisch mit Strom umgeht, kann man ihm das Darlehen verweigern.
Dies zeigt sich zum Beispiel an einem Urteil des Sozialgerichts Koblenz. Es ging dabei um eine Familie, der zum wiederholten Mal vom Stromversorger wegen erheblicher Zahlungsrückstände der Strom gesperrt worden war. Das Jobcenter hatte bereits mehrfach Darlehen gewährt, damit die Stromsperren aufgehoben werden konnten. Schließlich war es dazu jedoch nicht mehr bereit. Es stellte sich auf den Standpunkt, dass die Stromschulden durch einen unverantwortlich hohen Stromverbrauch verursacht worden wären.
Die gerichtliche Klage der Familie blieb erfolglos. Auch das Gericht kam zu der Ansicht, dass die Familie durch ihren übermäßigen Stromverbrauch die wiederholte Stromsperre selbst verursacht habe. Deren Folgen könne sie nicht erneut auf die Allgemeinheit abwälzen. Das Vorhandensein minderjähriger Kinder ändere daran nichts, denn für die Kinder seien in erster Linie die Eltern und nicht das Jobcenter verantwortlich. Auch sei die Familie durch die ausbleibenden Stromlieferungen nicht existentiell gefährdet (Sozialgericht Koblenz, vom 5.9.2013, Az. S 14 AS 724/13).
Allerdings entscheiden die Gerichte hier nicht einheitlich. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen entschied beispielsweise, dass das Jobcenter einem ALG-II-Empfänger trotz Fehlverhaltens vorläufig ein Darlehen von rund 3.000 Euro zur Deckung seiner Strom- und Gasschulden zu gewähren hatte.
Diesem Mann hatte das Jobcenter bereits zuvor Abschläge für die Gasheizung gezahlt. Das Problem: Er hatte die Abschlagszahlungen nicht komplett an den Energieversorger weitergeleitet und zusätzliche Stromschulden aufgebaut.
Das Landessozialgericht verpflichtete das Jobcenter trotz der Pflichtverletzungen des Mannes zur Übernahme der Schulden. Das Gericht sah keine andere Möglichkeit, die Wohnung des Arbeitssuchenden wieder mit Energie zu versorgen. Die hohen Schulden machten einen Anbieterwechsel unmöglich und Prepaid-Zähler waren nicht verfügbar. Der ALG-II-Empfänger hatte sich vergeblich um eine vergleichsweise Einigung mit den Stadtwerken bemüht. Auch sein Versuch, ein Privatdarlehen aufzunehmen, scheiterte.
Das Gericht erläuterte, dass die Sperrung der Stromversorgung eine Notlage sei, welche die Bewohnbarkeit der Wohnung ähnlich wie Mietschulden beeinträchtige. In einem solchen Fall sei die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Sicherung der Unterkunft i.S.v. § 22 Abs. 8 S. 1 des Zweiten Sozialgesetzbuches (SGB II) naheliegend. Wenn eine Sperre nicht nur angekündigt, sondern bereits durchgeführt worden sei, entspreche dieser Zustand praktisch drohender Wohnungslosigkeit. Daher sei das Darlegen zu gewähren (Az. L 2 AS 313/13 B ER).
Nicht selten liegt der Stromverbrauch über den gezahlten Abschlägen. Dann fordert der Energieversorger mit der nächsten Jahresabrechnung eine Nachzahlung. Diese müssen die Stromkunden auch als Hartz-IV-Empfänger selbst bezahlen, solange noch keine Stromsperre droht. Allerdings gibt es manchmal die Möglichkeit, mit dem Energieversorger eine Ratenzahlung auszuhandeln.
Natürlich kann es auch vorkommen, dass der Leistungsempfänger besonders sparsam mit Strom war und weniger verbraucht hat, als er durch die Abschläge bezahlt hat. Dann hat er ein Guthaben, das ihm ausgezahlt wird. In früheren Zeiten wurde ihm dieses angerechnet, sodass sich die vom Jobcenter gezahlten Leistungen verringerten. Seit 2011 wird dies nicht mehr so gemacht - zumindest, solange der Strom nur vom Regelsatz bezahlt wird. Zu der Änderung im Vorgehen kam es durch ein Urteil des Bundessozialgerichts (Urteil vom 23.8.2011, Az. B 14 AS 185/10 R). Nun hat die Auszahlung des Guthabens also keine negativen Folgen mehr.
Durch Stromkosten kann ein großer Teil des monatlichen Budgets aufgezehrt werden. Wer mit dem Regelsatz auskommen muss, sollte deswegen sehr bewusst mit elektrischen Geräten aller Art umgehen. Das Jobcenter kann im Notfall ein Darlehen gewähren. Falls es zum Streit mit der Behörde kommt, kann ein Fachanwalt für Sozialrecht helfen.
Oft haben Bezieher von Arbeitslosengeld II ("Hartz IV") auch Schulden beim Stromversorger. Muss dann das Jobcenter die Stromschulden übernehmen? Und sind zum Beispiel auch Darlehen möglich?
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Wer zahlt bei Hartz-IV die Stromkosten? Wann werden die Stromkosten ausnahmsweise übernommen? Wann bewilligt das Jobcenter ein Darlehen? Wann besteht keine Chance auf ein Darlehen? Was sagen andere Gerichte dazu? Was gilt für Nachzahlungen und Guthaben? Praxistipp Wer zahlt bei Hartz-IV die Stromkosten?
Im Jahr 2021 beträgt der Hartz-IV (oder ALG-II-) Regelsatz 446 Euro im Monat für Alleinstehende, für Partner in einer Bedarfsgemeinschaft sind es 401 Euro. In diesen Betrag ist bereits eine Pauschale von 38,32 Euro u.a. für Energie und Wohninstandhaltung eingeschlossen. Der Leistungsempfänger muss seine Stromkosten also selbst vom Regelsatz bezahlen. Er bekommt den Strom nicht extra vom Jobcenter überwiesen. Allerdings liegt der durchschnittliche Preis für Strom in der Grundversorgung für 1.500 kWh bei durchschnittlich 47,50 Euro und damit um 24 Prozent höher als die Pauschale.
Daher reicht der im Regelsatz vorgesehene Betrag in der Regel nicht aus, um die tatsächlichen Stromkosten zu decken. Ein paar Euro mehr sind bei ALG-II-Empfängern nicht mal eben schnell verfügbar.
Wann werden die Stromkosten ausnahmsweise übernommen?
Es gibt jedoch einen Ausnahmefall: Bei dezentraler Warmwasseraufbereitung oder Heizung. Läuft also beispielsweise die Warmwassererzeugung über einen Durchlauferhitzer in der Küche oder wird die Wohnung elektrisch geheizt, können beim Jobcenter Stromkosten über den Regelbedarf hinaus geltend gemacht werden. Meist gewährt das Jobcenter in diesem Fall einen zusätzlichen Pauschalbetrag von 2,3 Prozent des Regelsatzes. Dies wären derzeit 10,26 Euro.
Allerdings muss dies beim Jobcenter extra beantragt werden. Dem Antrag muss man als Beleg eine Bescheinigung des Vermieters über die Art der Heizung oder Warmwasserbereitung hinzufügen.
Wann bewilligt das Jobcenter ein Darlehen?
Wenn das Versorgungsunternehmen wegen Stromschulden eine Stromsperre verhängt, kann das Jobcenter dem Leistungsempfänger ein Darlehen bewilligen. Mit diesem können dann die Stromschulden bezahlt werden. Unter Umständen reicht bereits die Drohung mit einer Stromsperre aus, um ein solches Darlehen zu bekommen. Der Haken: Ein Darlehen muss man zurückzahlen. Dazu wird dann jeden Monat ein gewisser Teil vom Regelsatz einbehalten.
Wann besteht keine Chance auf ein Darlehen?
Vom Jobcenter wird jeder Antrag einzeln geprüft. Dies gilt auch für wiederholte Anträge, die häufig vorkommen. Stellt sich heraus, dass die Stromkosten entstanden sind, weil der Antragsteller zu verschwenderisch mit Strom umgeht, kann man ihm das Darlehen verweigern.
Dies zeigt sich zum Beispiel an einem Urteil des Sozialgerichts Koblenz. Es ging dabei um eine Familie, der zum wiederholten Mal vom Stromversorger wegen erheblicher Zahlungsrückstände der Strom gesperrt worden war. Das Jobcenter hatte bereits mehrfach Darlehen gewährt, damit die Stromsperren aufgehoben werden konnten. Schließlich war es dazu jedoch nicht mehr bereit. Es stellte sich auf den Standpunkt, dass die Stromschulden durch einen unverantwortlich hohen Stromverbrauch verursacht worden wären.
Die gerichtliche Klage der Familie blieb erfolglos. Auch das Gericht kam zu der Ansicht, dass die Familie durch ihren übermäßigen Stromverbrauch die wiederholte Stromsperre selbst verursacht habe. Deren Folgen könne sie nicht erneut auf die Allgemeinheit abwälzen. Das Vorhandensein minderjähriger Kinder ändere daran nichts, denn für die Kinder seien in erster Linie die Eltern und nicht das Jobcenter verantwortlich. Auch sei die Familie durch die ausbleibenden Stromlieferungen nicht existentiell gefährdet (Sozialgericht Koblenz, vom 5.9.2013, Az. S 14 AS 724/13).
Was sagen andere Gerichte dazu?
Allerdings entscheiden die Gerichte hier nicht einheitlich. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen entschied beispielsweise, dass das Jobcenter einem ALG-II-Empfänger trotz Fehlverhaltens vorläufig ein Darlehen von rund 3.000 Euro zur Deckung seiner Strom- und Gasschulden zu gewähren hatte.
Diesem Mann hatte das Jobcenter bereits zuvor Abschläge für die Gasheizung gezahlt. Das Problem: Er hatte die Abschlagszahlungen nicht komplett an den Energieversorger weitergeleitet und zusätzliche Stromschulden aufgebaut.
Das Landessozialgericht verpflichtete das Jobcenter trotz der Pflichtverletzungen des Mannes zur Übernahme der Schulden. Das Gericht sah keine andere Möglichkeit, die Wohnung des Arbeitssuchenden wieder mit Energie zu versorgen. Die hohen Schulden machten einen Anbieterwechsel unmöglich und Prepaid-Zähler waren nicht verfügbar. Der ALG-II-Empfänger hatte sich vergeblich um eine vergleichsweise Einigung mit den Stadtwerken bemüht. Auch sein Versuch, ein Privatdarlehen aufzunehmen, scheiterte.
Das Gericht erläuterte, dass die Sperrung der Stromversorgung eine Notlage sei, welche die Bewohnbarkeit der Wohnung ähnlich wie Mietschulden beeinträchtige. In einem solchen Fall sei die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Sicherung der Unterkunft i.S.v. § 22 Abs. 8 S. 1 des Zweiten Sozialgesetzbuches (SGB II) naheliegend. Wenn eine Sperre nicht nur angekündigt, sondern bereits durchgeführt worden sei, entspreche dieser Zustand praktisch drohender Wohnungslosigkeit. Daher sei das Darlegen zu gewähren (Az. L 2 AS 313/13 B ER).
Was gilt für Nachzahlungen und Guthaben?
Nicht selten liegt der Stromverbrauch über den gezahlten Abschlägen. Dann fordert der Energieversorger mit der nächsten Jahresabrechnung eine Nachzahlung. Diese müssen die Stromkunden auch als Hartz-IV-Empfänger selbst bezahlen, solange noch keine Stromsperre droht. Allerdings gibt es manchmal die Möglichkeit, mit dem Energieversorger eine Ratenzahlung auszuhandeln.
Natürlich kann es auch vorkommen, dass der Leistungsempfänger besonders sparsam mit Strom war und weniger verbraucht hat, als er durch die Abschläge bezahlt hat. Dann hat er ein Guthaben, das ihm ausgezahlt wird. In früheren Zeiten wurde ihm dieses angerechnet, sodass sich die vom Jobcenter gezahlten Leistungen verringerten. Seit 2011 wird dies nicht mehr so gemacht - zumindest, solange der Strom nur vom Regelsatz bezahlt wird. Zu der Änderung im Vorgehen kam es durch ein Urteil des Bundessozialgerichts (Urteil vom 23.8.2011, Az. B 14 AS 185/10 R). Nun hat die Auszahlung des Guthabens also keine negativen Folgen mehr.
Praxistipp
Durch Stromkosten kann ein großer Teil des monatlichen Budgets aufgezehrt werden. Wer mit dem Regelsatz auskommen muss, sollte deswegen sehr bewusst mit elektrischen Geräten aller Art umgehen. Das Jobcenter kann im Notfall ein Darlehen gewähren. Falls es zum Streit mit der Behörde kommt, kann ein Fachanwalt für Sozialrecht helfen.
(Ma)