Hund und Katze aus dem Tierheim: Welche Rechte haben Tierfreunde?

24.05.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Hund,Katze,Schutzvertrag,Tierheim,Tierschutz Wer sein neues Tier aus dem Tierheim holt, sollte den Vertrag genau lesen. © - freepik
Das Wichtigste in Kürze

1. Welcher Vertragstyp: Holen sich Tierfreunde Hund, Katze & Co. aus dem Tierheim, werden sogenannte Tierüberlassungsverträge, Tierabgabe- oder -übergabeverträge oder Schutzverträge gegen eine Vermittlungsgebühr abgeschlossen. Im Einzelfall kann es sich aber trotzdem um einen Kaufvertrag handeln.

2. Rechtsstellung des "Käufers": In vielen Fällen nimmt der Tierhalter das Haustieres nur in Verwahrung - das Tierheim bleibt dauerhaft oder einstweilig Eigentümer. Teilweise wird der Tierhalter nach Ablauf einer Frist und nach einem Kontrollbesuch auch Eigentümer. Wurde dagegen ein Kaufvertrag geschlossen, wird der Käufer bei Übergabe Eigentümer des Haustieres.

3. Haustier bei Übergabe krank: Sofern es sich bei dem mit dem Tierheim abgeschlossenen Vertrag nicht um einen Kaufvertrag handelt, gibt es keine Gewährleistungsrechte bzw. Sachmängelhaftung. Ist das Tier krank, muss der Käufer die Kosten für den Tierarzt selbst tragen. Ist der zugrundeliegende Vertrag allerdings ein Kaufvertrag, stehen dem Käufer die üblichen Rechte aus der Sachmängelhaftung gegen das Tierheim zu.

4. Zweifelhafte Vertragsklauseln: Tierheime regeln aus verständlichen Gründen in ihren Verträgen oft, wie das Tier zu halten und medizinisch zu versorgen ist, ordnen bei Verstößen Vertragsstrafen an und räumen sich Kontrollbefugnisse ein. Trotzdem ist zweifelhaft, inwieweit solche Klauseln wirksam sind.

5. Wegnahme des Haustiers: Wurde ein Kaufvertrag geschlossen, sind Hund, Katze usw. Eigentum des Käufers geworden. Das Tierheim kann das Tier dann nicht vom Eigentümer zurückverlangen. Auch wenn der Tierfreund nur "Verwahrer" des Haustiers ist, kann ihm das Tierheim das Tier nicht wegen geringfügiger Verstöße wieder wegnehmen.
Ein neues Haustier soll her. Da liegt für viele Menschen der Gedanke nicht fern, Hund, Katze, Maus, Vogel oder Reptil nicht bei einem Händler oder Züchter zu kaufen, sondern sich im Tierheim nach einem Tier umzusehen, das vielleicht ein neues Zuhause braucht. Die Tierheime wiederum freuen sich, wenn sie Tiere an neue Tierhalter abgeben können. Allerdings: Hier geht es nicht um einen normalen Kaufvertrag, bei dem Ware und Geld den Besitzer wechseln. Häufig werden vom Tierheim Bedingungen gestellt, die künftigen Halter müssen einige Voraussetzungen erfüllen und es wird ein sogenannter Tierübernahmevertrag geschlossen. Manche Tierheime möchten sogar später die artgerechte Haltung kontrollieren. Dürfen sie das, und was sind die Folgen, wenn sie dann nicht zufrieden sind? Und: Welche Rechte haben Tierhalter, wenn das Tier bei Übernahme schon krank war?

Welche Fragen sollte man sich vor dem Tierheimbesuch stellen?


Zunächst sollte man sich klarmachen, dass Tiere Zeit und Zuwendung benötigen. Ein Tier ist kein Gegenstand, den man ins Regal stellen kann, wenn man keine Zeit dafür hat, sondern ein Mitlebewesen, das möglichst artgerecht behandelt werden möchte. Daher sollte die Anschaffung eines neuen Haustiers gut überlegt und mit der ganzen Familie abgesprochen sein. Beim Tierheim wird sehr wahrscheinlich ein Vermittlungsgespräch stattfinden, bei dem dazu Fragen gestellt werden. Werden diese nicht zufriedenstellend beantwortet, kommt es nicht zur Vermittlung.

Dazu können Gesichtspunkte gehören, wie:

- Genügend Fachwissen vorhanden, insbesondere bei Hunden oder auch Exoten, etwa Reptilien?
- Kinder wollen ein Tier: Eltern tragen die Verantwortung.
- Wohnung: Kann das Tier in der Wohnung artgerecht gehalten werden?
- Mietwohnung: Erlaubt der Mietvertrag die Tierhaltung / Ist der Vermieter einverstanden?
- Ist man sich darüber im Klaren, dass viele Tiere sehr lange leben - Hunde gut 15 Jahre, Katzen bis zu 18 Jahre?
- Bei Hunden: Ist der neue Halter zu mehrmals täglich Gassigehen bereit?
- Wer kümmert sich um das Tier in der Urlaubszeit?
- Wurde geklärt, ob es in der Familie Tierallergien gibt?
- Gibt es im Haushalt noch andere Tiere? Vertragen sich diese mit dem neuen Tier?
- Ist dem Tierhalter klar, dass ihm durch das Tier Kosten entstehen werden (Schutzgebühr, Futter und Pflege, ggf. Hundesteuer, Tierhalterhaftpflichtversicherung, tierärztliche Versorgung im Krankheitsfall, Impfungen, bei älteren Tieren Medikamente)?

Welchen Vertrag schließen Tierhalter mit dem Tierheim?


Beim Züchter oder Zoohändler schließen Kunden einen Kaufvertrag ab. Beim Tierheim ist dies anders. Dort werden sogenannte Tierüberlassungsverträge, Tierabgabe- oder -übergabeverträge oder Schutzverträge abgeschlossen. Diese sehen die Abgabe des Tieres gegen Zahlung einer Vermittlungsgebühr vor. Allerdings behält sich das Tierheim darin sehr weitgehende Rechte vor. Meist bleibt das Tier sogar dauerhaft oder vorläufig Eigentum des Tierheims. Der Tierhalter ist dann nur der "Verwahrer" des Tieres. Teilweise findet ein Eigentumsübergang nach Ablauf einer Frist und nach einem Kontrollbesuch statt.

Da es sich aus Sicht des Tierheims nicht um einen Kaufvertrag handelt, gibt es auch keine Gewährleistung oder Sachmängelhaftung. Wird also ein Tier mit Vorerkrankungen übergeben, welches dann später eine teure tierärztliche Versorgung benötigt, wird das Tierheim jede Verantwortung von sich weisen.

Tierüberlassungsverträge enthalten oft auch Vorgaben für die artgerechte Tierhaltung oder die Versorgung des Tieres, etwa Impfungen bei Hunden und Katzen oder deren Kastration. Nicht selten setzen sie Vertragsstrafen für den Fall fest, dass die neuen Tierhalter dem nicht nachkommen. Hinzu kommt oft eine Berechtigung des Tierschutzvereins, Kontrollbesuche in der Wohnung der neuen Tierhalter durchzuführen. Der Text dieser Schutzverträge bzw. Tierüberlassungsverträge ist nicht einheitlich. Es ist wichtig, solche Verträge genau zu lesen, bevor man sie unterschreibt.

Welche Klauseln in Tierüberlassungsverträgen sind rechtlich zweifelhaft?


Tierüberlassungsverträge oder Schutzverträge sind kein gesetzlich geregelter Vertragstyp. Sind sie für eine Vielzahl von Fällen vorformuliert, gelten für sie die gesetzlichen Regeln über Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Das heißt: Der Vertragspartner des Verwenders der AGB darf nicht unangemessen benachteiligt werden. Manche Gerichte sehen Tierüberlassungsverträge als Kaufverträge an, andere nicht.

Leider gibt es zu diesem Thema nur wenige Gerichtsurteile. Bei vielen Vertragsklauseln liegt es jedoch nahe, dass sie den AGB-Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches nicht standhalten. So wird zum Beispiel die Vereinbarung einer Vertragsstrafe unwirksam sein, wenn nicht nach Art und Schwere des Verstoßes, für den sie anfällt, unterschieden wird. Auch eine deutlich über der für das Tier gezahlten "Schutzgebühr" liegende Vertragsstrafe kann den Tierhalter unangemessen benachteiligen.

Ebenso kann die Vereinbarung von umfassenden Auskunfts- und Kontrollbesuchsrechten des Tierheims bzw. Tierschutzvereins unwirksam sein, da es sich hier um überraschende Klauseln handelt. Hier geht es um Grundrechte wie die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Grundgesetz). Ob man diese in einem Tierüberlassungsvertrag aushebeln kann, ist sehr fraglich.

Wer zahlt den Tierarzt, wenn ich ein krankes Tier erhalte?


Wer ein Tier vom Tierheim übernimmt, das schon bei der Übergabe krank war, wird - zumindest ohne Rechtsstreit - die Tierarztkosten selbst zahlen müssen. In der Regel gehen die Tierheime davon aus, dass ihr Schutzvertrag oder Tierüberlassungsvertrag dem neuen Tierhalter keinerlei Gewährleistungsrechte einräumt. Natürlich muss man auch bedenken, dass Tierschutzvereine sowieso schon knapp bei Kasse sind und solche Kosten in der Praxis kaum tragen könnten. Würde man solche Verträge als normale Kaufverträge mit Sachmängelhaftung behandeln, könnte dies viele Tierheime in den Ruin treiben.

Ein Urteil dazu fällte das Landgericht Krefeld. Hier wollte eine Tierhalterin die Kosten für eine Hüftoperation ihres Hundes einklagen. Das Gericht entschied, dass hier kein Kaufvertrag, sondern ein atypischer Verwahrungsvertrag vorliege - gerade, weil die Gewährleistung ausgeschlossen sei und der Schwerpunkt auf der Haltung und Pflege durch die Tierhalterin liege. Die Tierhalterin habe daher keinen Anspruch auf Erstattung der Tierarztkosten (Urteil vom 13.4.2007, Az. 1 S 79/06).

Darf das Tierheim mir mein Tier wieder wegnehmen?


Viele Tierüberlassungsverträge räumen Tierheimen das Recht ein, das Tier wieder mitzunehmen, wenn es nicht artgerecht gehalten wird oder Vorgaben zu Impfungen, Kastration etc. nicht eingehalten werden.

So war es auch in einem Fall in Reutlingen. Mitarbeiter des Tierheims stellten fest, dass eine Frau ihren aus dem Tierheim übernommenen Hund für ein paar Tage zu einer Freundin gegeben hatte. Dies verstieß gegen den Tierüberlassungsvertrag. Daher nahmen sie ihr den Hund wieder weg. Das Amtsgericht Reutlingen entschied: Die Wegnahme des Hundes habe eine verbotene Eigenmacht des Vereins dargestellt. Der Hund sei wieder an seine Halterin herauszugeben (Az. 14 C 437/08).

Dann klagte der Tierschutzverein jedoch selbst auf Herausgabe des Hundes, nun vor dem Amtsgericht Hamburg. Auch wurde die Zahlung einer Vertragsstrafe verlangt sowie Auskunft über den Aufenthalt des Hundes. Das Amtsgericht wies die Klage ab. Das Landgericht Hamburg erklärte im Rahmen der Berufung, dass die Geschäftsbedingungen des Tierüberlassungsvertrages die Tierhalterin unangemessen benachteiligten und daher als unwirksam angesehen würden (Az. 309 S 149/09). Beide Gerichte sahen den Überlassungsvertrag als Kaufvertrag an. Demnach war die Frau Eigentümerin des Hundes geworden und niemand konnte ihr diesen wegnehmen. Der Verein nahm schließlich die Berufung zurück.

Darf sich das Tierheim die Katze zurückholen?


Um einen anderen Fall ging es vor dem Amtsgericht Hanau. Hier hatte sich eine Frau einen Kater aus dem Tierheim geholt. Der Tierüberlassungsvertrag regelte unter anderem, dass sie an ihrer Balkontür ein Fliegengitter anzubringen habe, damit der Kater nicht vom Balkon fallen könne. Auch sollte sie dafür sorgen, dass der Kater an Gewicht verliere.

Ein Jahr später erfolgte ein Telefonanruf, bei dem sich ein Mitarbeiter des Tierheims nach der Einhaltung dieser Vorgaben erkundigte. Die Frau antwortete, dass der Kater sehr ängstlich sei und nie den Balkon betrete - daher sei ein Fliegengitter wohl nicht erforderlich. Über sein Gewicht könne sie nichts sagen, da sie ihn nicht gewogen habe. Wenig später erschienen zwei Tierheim-Mitarbeiter mit der Forderung nach Herausgabe des Katers. Den Widerspruch der Frau ignorierten sie. Den Kater konnten sie nur durch Umstellen der Möbel und Einsatz eines Fangnetzes in Gewahrsam nehmen. Schließlich kommentierten sie noch gegenüber der Frau, dass diese den Kater nie wieder sehen würde.

Die Katzenfreundin klagte nun vor Gericht auf Herausgabe ihres Katers - und bekam Recht. Allerdings umschiffte das Landgericht Hanau die Frage nach dem Vertragstyp. Das Gericht erklärte, dass der Tierüberlassungsvertrag mit anschließender Übergabe der Frau den Besitz an dem Kater eingeräumt habe (Besitz bedeutet nur tatsächliche Verfügungsgewalt und ist nicht identisch mit Eigentum). Ihr den Kater gegen ihren Willen wieder wegzunehmen, sei in jedem Fall eine sogenannte verbotene Eigenmacht. Bei strittigen Besitzverhältnissen müsse ein Gericht bemüht werden, eigenmächtiges Handeln sei nicht zulässig. Der Kater kam daher wieder zu seiner Besitzerin zurück (AG Hanau, Urteil vom 4.1.2024, Az. 98 C 98/23).

Praxistipp zu Verträgen mit Tierheimen


Auch, wenn der mit einem Tierheim geschlossene Vertrag eine andere Bezeichung, wie etwa "Tierüberlassungsvertrag" trägt, kann es sich defacto um einen Kaufvertrag handeln. Der Käufer hat dann entsprechende Gewährleistungsrechte, wenn das Tier bereits bei Übergabe krank war. Viele Klauseln in Tierüberlassungsverträgen von Tierheimen sind rechtlich zweifelhaft. Will Ihnen ein Tierheim Ihr Tier aus geringfügigem Anlass wieder wegnehmen oder sollen Sie eine Vertragsstrafe zahlen? Dann lohnt sich der Gang zu einem Anwalt für Zivilrecht.

(Ma)


 Ulf Matzen
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