Darf man Bratwürste über den Autobahnzaun hinweg verkaufen?

14.10.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Bratwurst,Autobahn,Raststätte,Autobahnzaun Ein Autobahnzaun ist kein Verkaufstresen - auch wenn es den Kunden schmeckt © Bu - Bu - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Genehmigungspflicht: Für den Betrieb einer Autobahnraststätte wird eine Konzession, also eine behördliche Erlaubnis benötigt.

2. Sondernutzung: Jede Nutzung öffentlicher Wege und Straßen, die über den Gemeingebrauch, also den für den öffentlichen Straßenverkehr, hinausgeht, ist eine Sondernutzung, die der behördlichen Genehmigung bedarf.

3. Handel über den Zaun: Der Verkauf z.B. von Bratwürsten von außen über den Zaun eines Autobahnparkplatzes an dort Parkende stellt eine Sondernutzung dar und ist deshalb genehmigungspflichtig.
Einstmals entstand im kleinen Ort Rodaborn in Thüringen Deutschlands erste Raststätte. Das Fachwerkhaus wurde 1928 gebaut und 1936 zur ersten Autobahnraststätte gemacht – vielleicht sogar nicht nur zur ersten in Deutschland, sondern weltweit. Zu Zeiten der DDR diente das Gebäude als Raststätte für Transitreisende. 2004 wurde dann die Autobahn von München nach Berlin sechsspurig ausgebaut und die Raststätte wurde geschlossen. Im Jahr 2010 verkaufte die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben den Rasthof an ein Ehepaar mit drei Kindern. Laut Verkaufsprospekt durfte das Haus nicht mehr als Raststätte genutzt werden, da die Bundesstraßenverwaltung dafür keine Lizenz mehr vergeben würde. Vom benachbarten Autobahnparkplatz Rodaborn West sei die Raststätte durch einen Zaun getrennt. Die Zufahrt zum Haus könne nur über eine besondere Erschließungsstraße von der anderen Seite her erfolgen.

Wie kam es zum Streit zwischen Raststättenkäufern und Behörde?


Nun hatten die neuen Eigentümer die renovierungsbedürftige Gewerbeimmobilie allerdings nicht gekauft, um dort entspannt direkt an der Autobahn zu wohnen. Sie planten durchaus eine gewerbliche Nutzung. Und für diese mochten sie sich nicht darauf verlassen, dass Anwohner aus der Umgebung über verschlungene Feldwege den Weg zur alten Raststätte finden würden. Ihr Augenmerk galt stattdessen dem benachbarten Autobahnparkplatz – und einem Zaun, in dem es offene Türen gab. Schon bald nach dem Kauf eröffneten sie - zur Freude der hungrigen Autofahrer - einen Bratwurstimbiss. Die Autobahnmeisterei war davon weniger begeistert und unterband die Geschäftsidee zügig durch Verschließen der Türen und Erhöhung des Zaunes. Allerdings ließen sich die Imbissbetreiber dadurch nicht aufhalten. Sie verkauften ihre Bratwürste einfach über den Zaun hinweg an hungrige Auto- und LKW-Fahrer auf der anderen Seite. Am Zaun befestigten sie eine Glocke mit Klingelzug. Beim Zureichen über den Zaun hinweg half eine Trittleiter.

Wie reagierten die Behörden?


Dieser kreative Umgang mit dem Autobahnzaun fand bei den zuständigen Behörden wenig Verständnis. Der Freistaat Thüringen verbot kurzerhand vor Ort den Verkauf der gleichnamigen Würste. Für die Nichtbeachtung drohte man den Imbissbetreibern ein Zwangsgeld von 2.000 Euro an. Dagegen legten diese Widerspruch ein, sodass der Fall vor Gericht kam.

Warum wurde der Bratwurstimbiss nicht genehmigt?


Die Behörde wollte offenbar der Raststätte keine neue Konzession erteilen, da die Autobahn A9 in dieser Gegend schon ausreichend mit Raststätten versehen war. Heutzutage werden Autobahnraststätten in Deutschland überwiegend nicht mehr durch einzelne Eigentümer betrieben, sondern von Großanbietern. Diese verpachten sie wiederum an einzelne Betreiber. Häufig gibt es ein Franchisesystem mit strengen Vorgaben. Dann besteht oft also ein einziger Vertrag mit einem Großanbieter, zum Beispiel für eine ganze Autobahn - und dort ist kein Platz mehr für unabhängige Imbissbuden.

Gerichtsverhandlung an der Autobahn


Das Verwaltungsgericht Gera befasste sich gründlich mit dem Fall. Dazu verlegte es gleich die ganze Verhandlung an den Ort des Geschehens. Bei der Verhandlung wurde das Mobiliar aus dem Imbiss genutzt. Im Ergebnis sah das Gericht jedoch keine Möglichkeit, den Handel über den Zaun zu erlauben. Dieser stelle eindeutig eine Sondernutzung öffentlicher Verkehrsflächen dar. Für eine solche hätten die Betreiber jedoch keine Erlaubnis.

Es seien auch keine anderen Erlaubnisse vorhanden, in die man eine entsprechende behördliche Zustimmung hätte hineininterpretieren können. Die Imbissbetreiber hätten von Anfang an gewusst, dass es keine Konzession für den Betrieb als Autobahnraststätte mehr gebe und künftig auch nicht geben werde. Es sei höchstens erlaubt, das Gebäude als Gaststätte für Besucher zu betreiben, die über die Erschließungsstraße kämen.

Das Urteil ist rechtskräftig (Urteil vom 3. Mai 2016, Az. 3 K 649/14 Ge). Das Thüringer Oberverwaltungsgericht sah den Fall genauso (Beschluss vom 22.5.2017, Az. 1 ZKO 468/16).

Wie ging es mit dem Bratwurstverkauf weiter?


Trotz Urteil setzte sich der Streit noch einige Jahre lang fort. Der Bratwurstverkauf wurde fortgesetzt, die Autobahnmeisterei konterte durch Anpflanzung stacheliger Büsche vor dem Zaun und das Aufstellen von Verbotsschildern für Fußgänger. Mittlerweile haben die Eigentümer jedoch aufgegeben – im Sommer 2023 wurde bekannt, dass die Raststätte zum Verkauf steht.

Was versteht man unter einer Sondernutzung öffentlicher Straßen?


Als Sondernutzung öffentlicher Wege und Straßen bezeichnet man jede Nutzung, die über den Gemeingebrauch, also den für den öffentlichen Straßenverkehr, hinausgeht. Dazu gehören zum Beispiel Außengastronomie, Warenauslagen, Verkaufsstände, Volksfeste, Märkte, Straßenmusik und Kleinkunst-Vorführungen auf öffentlichen Straßen und Plätzen. Für alle diese Aktivitäten ist grundsätzlich eine Sondernutzungserlaubnis der jeweils zuständigen Straßenbaubehörde notwendig.

Übrigens: Schon 2003 entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin, dass die Tätigkeit eines sogenannten Grillwalkers, der in einem Bauchladen Würste grillt und verkauft, eine erlaubnispflichtige Sondernutzung ist (Az. OVG 1 B 15/03). Denn: Bei dieser Aktivität werde die Straße nicht als Verkehrs-, sondern als Verkaufsfläche genutzt.

Das Verwaltungsgericht Karlsruhe betonte 2014, dass auch ein muskelkraftbetriebenes "Coffee-Bike" eine Sondernutzung öffentlicher Verkehrsflächen sei. In diesem Fall hatte eine Behörde dem Betreiber eine Sondernutzungserlaubnis für den Kaffeeverkauf versagt. Das Gericht sah die Begründung jedoch als unzureichend an: Die Stadt könne die Erlaubnis nicht ablehnen, nur weil dies zur Zulassung weiterer Stände führen könnte, die am Ende den Verkehr behindern könnten. Auch sei es unzulässig, die Erlaubnis zu versagen, um einheimische Geschäftsleute vor Konkurrenz aus einem anderen Ort zu schützen (Urteil vom 20.2.2014, Az. 3 K 2095/13).

Praxistipp zur Sondernutzung öffentlicher Flächen


Häufig finden gewerbliche Aktivitäten nicht den Beifall von Behörden. Wenn Anträge auf Genehmigungen scheitern oder den Selbstständigen andere Steine in den Weg gelegt werden, ist meist ein Fachanwalt für Verwaltungsrecht gefragt. Dieser kann behördliche Bescheide anfechten und die Chancen einer Klage prüfen.

(Bu)


 Stephan Buch
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