Immobilienkauf unter Wert: Droht dem Käufer eine Strafe wegen Wuchers?

25.11.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Es gibt immer wieder Fälle, in denen Immobilienkäufer die finanzielle Notlage von Immobilienbesitzern ausnutzen, indem sie deren Immobilien weit unter Wert kaufen. Dies kann strafbar sein.

Eigentlich denkt man bei Wucher eher daran, dass etwas zu einem völlig überhöhten Preis verkauft wird. Allerdings kann Wucher auch durch einen Käufer stattfinden. Wenn die Eigentümer einer Immobilie ihr Haus oder ihre Eigentumswohnung aufgrund finanzieller Schwierigkeiten verkaufen müssen, nutzen Käufer diese Notlage oft aus. Erkennen sie, dass es sich um einen Notverkauf handelt, bieten sie einen Kaufpreis für das Haus oder die Wohnung, der weit unter dem tatsächlichen Wert liegt. Ein solcher Vertrag kann jedoch unter Umständen rechtlich unwirksam sein. Obendrein riskieren Käufer, die es mit dem Geiz übertreiben, sich strafbar zu machen – und zwar wegen Wuchers.

Wann ist ein Vertrag wegen Wucher unwirksam?


Laut § 138 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ist ein Vertrag unwirksam, der gegen die guten Sitten verstößt, also sittenwidrig ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn Wucher vorliegt. Auch Immobilien-Kaufverträge sind davon betroffen. Dazu müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein:

1. Die von einer Seite erbrachte Leistung muss in einem "auffälligen Missverhältnis" zur Gegenleistung stehen. Ob dies der Fall ist, ist immer eine Sache des Einzelfalls. In der Regel wird jedoch ein solches Missverhältnis angenommen, wenn der Wert der Gegenleistung den der Leistung um das Doppelte übersteigt.

2. Ein Vertragspartner muss eine schlechte Situation oder Notlage, in der sich der andere befindet, ganz bewusst ausbeuten, um sich einen völlig unverhältnismäßigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Eine solche schlechte Situation liegt vor, wenn ein Vertragspartner eine (z. B. finanzielle) Zwangslage oder auch die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche der anderen Vertragspartei bewusst für seine Zwecke ausnutzt.

Handelt es sich nach diesen Maßstäben um Wucher, ist der Kaufvertrag über eine Immobilie nichtig und wird nicht rechtsverbindlich.

Wann mache ich mich wegen Wuchers strafbar?


Wucher ist auch ein Straftatbestand, geregelt in § 291 des Strafgesetzbuches (StGB).

Danach macht man sich strafbar, wenn man die Zwangslage, die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche eines anderen dadurch ausbeutet, dass man sich oder einem Dritten

- für die Vermietung von Räumen zum Wohnen oder damit verbundene Nebenleistungen,
- für die Gewährung eines Kredits,
- für eine sonstige Leistung oder
- für die Vermittlung einer der vorbezeichneten Leistungen

Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung oder deren Vermittlung stehen. Beim Kauf einer Immobilie würde es sich um eine "sonstige Leistung" handeln.

Hier droht eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe. In besonders schweren Fällen – zum Beispiel, wenn man durch die Tat jemand anderen in wirtschaftliche Not bringt, droht sogar eine Mindeststrafe von sechs Monaten (und eine Höchststrafe von zehn Jahren).

Ein realer Fall – Notverkauf von Eigentumswohnungen


Die Eigentümer zweier Eigentumswohnungen waren in finanzielle Schwierigkeiten geraten und konnten die Raten für ihre Immobilienkredite nicht mehr zahlen. Bald drohte die Zwangsversteigerung durch die Bank.

In dieser Situation bot ihnen ein Immobilienmakler an, ihnen beim Verkauf der beiden Eigentumswohnungen zu helfen. Als die Maklerfirma bis zum Ablauf der Frist für einen freihändigen Verkauf der Wohnungen keinen Käufer finden konnte, bot sie selbst den Erwerb der Wohnungen an. Ihr Vorschlag: Sie würde die Wohnungen kaufen und gleich wieder an die Verkäufer vermieten, damit diese weiter darin wohnen könnten.

Daraufhin verkauften die Eigentümer beide Wohnungen für insgesamt 90.000 Euro. Der Erlös reichte gerade so aus, um die offenen Verbindlichkeiten zu tilgen. Den freien Restbetrag von 27 Cent zahlte der Makler in bar aus. Tatsächlich hatten die Eigentumswohnungen zum Zeitpunkt des Verkaufs nach den Feststellungen eines Sachverständigen einen Verkehrswert von 187.000 Euro.

Wann ist ein Preisabschlag beim Immobilienkauf Wucher?


Das Landgericht Oldenburg (Aktenzeichen 9 O 1195/14) nahm ging hier von einem Fall des Wuchers aus. Zum einen stünden Leistung und Gegenleistung in einem besonders groben Missverhältnis, da der tatsächliche Wert der Eigentumswohnungen mehr als doppelt so hoch sei als der vereinbarte Kaufpreis.

Zusätzlich habe die Maklerfirma eine auf einer Zwangslage beruhende, besondere Schwächesituation der Verkäufer ausgenutzt. Sie habe gewusst, dass die Zwangsversteigerung der Immobilien unmittelbar bevorstehe und die Eigentümer damit rechneten, die Wohnungen zu verlieren und selbst dort ausziehen zu müssen. Diese Zwangslage habe sich die Maklerfirma bewusst zunutze gemacht und den Erwerb der Eigentumswohnungen zu einem Kaufpreis von lediglich 90.000 Euro arrangiert.

"Dass ihr dabei das auffällige Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung bekannt war, liegt bereits deshalb nahe, weil es sich bei der Verfügungsbeklagten um ein in der Region tätiges Immobilienunternehmen handelt, das im Bereich An- und Verkauf von Grundstücken und Eigentumswohnungen tätig ist", entschieden die Richter. Es komme hinzu, dass das Maklerunternehmen die Wohnungen innerhalb von nur etwa fünf Monaten zu einem Gesamtkaufpreis von 160.000 Euro weiterverkauft habe. Zudem habe es den Verkäufern den Rückkauf der Wohnungen zu einem Kaufpreis von insgesamt 150.000 Euro angeboten, als diese den Geschäftsführer der Maklerfirma auf die Umstände des beabsichtigten Weiterverkaufs ansprachen.

Das Gericht sah damit den Kaufvertrag als unwirksam an. Es gestand den Immobilienverkäufern einen Anspruch auf die Berichtigung des Grundbuches zu.

Das Oberlandesgericht Oldenburg hat das Urteil in zweiter Instanz bestätigt. Von einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung könne bei Grundstückskaufverträgen grundsätzlich erst ab einer Verkehrswertüber- oder -unterschreitung von 90 % die Rede sein. Dies sei hier jedoch der Fall (Urteil vom 2.10.2014, Az. 1 U 61/14).

Praxistipp zum Notverkauf bei Immobilien


Sind Sie Eigentümer einer Immobilie und in finanziell angespannter Lage? Wenn das Haus oder die Eigentumswohnung verkauft werden muss, ist schnell guter Rat gefragt, um die Situation bestmöglich zu bewältigen. Ein Rechtsanwalt mit dem Schwerpunkt Immobilienrecht kann Sie zu Ihrem Fall bestmöglich beraten.

(Bu)


 Stephan Buch
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