Kindesentführung ins Ausland: Muss deutsche Mutter Unterhalt zahlen?

31.08.2016, Redaktion Anwalt-Suchservice
Junge,Flugzeugfenster,Reise Muss ein Elternteil Unterhalt für sein ins Ausland entführtes Kind zahlen? © - freepik

Schlimm: Ein kleiner Junge wird von seinem Vater ins Ausland entführt und von seiner Mutter getrennt. Aber muss die für ihr Kind dann auc noch Unterhalt zahlen?

Für Schlagzeilen sorgte vor Jahren der Fall einer Mutter, deren Sohn vom Vater ins Ausland entführt wurde. So etwas kommt aber leider immer wieder vor. In diesem Fall aber ist das Bundesamt für Justiz bei der Mutter vorstellig geworden – mit der Aufforderung, dem Vater Kindesunterhalt ins Ausland zu überweisen. Zu Recht?

Der Fall: Von Dortmund nach Kirgisistan


Im Oktober 2013 äußerte der Exfreund einer Dortmunder Krankenschwester den Wunsch, mit dem damals fünfjährigen gemeinsamen Sohn eine Urlaubsreise zu unternehmen. Ins Disneyland Paris sollte es gehen. Die Mutter sah keinen Grund, dem Kind, das bei ihr lebte, diesen Spaß zu verweigern. Allerdings ging die Reise nicht nach Paris. Der Vater reiste mit dem Kind über Kasachstan nach Kirgisistan, in seine Heimat – und blieb dort.

Haftbefehl ohne Erfolg


Die Mutter zeigte ihn nun an. Das deutsche Strafrecht hält dafür einen besondern Paragraphen bereit: § 235 StGB, die "Entziehung Minderjähriger". Danach ist es strafbar, den Eltern oder einem Elternteil ihr Kind zu entziehen oder vorzuenthalten – durch Gewalt, Drohung oder List. Von List könnte man hier wohl sprechen. Die Strafandrohung liegt bei Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe. Es erging nun ein internationaler Haftbefehl gegen den Mann. Allerdings ohne wirklichen Erfolg – mit Kirgisistan besteht kein Auslieferungsabkommen. Immerhin stellten die Behörden dort den Ex-Freund der Frau zunächst unter Hausarrest, um die Sachlage zu prüfen.

Verschiedene Vorstellungen über das Sorgerecht


Die Prüfung fiel aber wohl negativ für die deutsche Seite aus. Dass die Mutter nach deutschen Recht das Sorgerecht hat, zählte wenig. Denn nach kirgisischem Recht lag das Sorgerecht beim leiblichen Vater. Und dieser wollte nun, drei Jahre später, Kindesunterhalt von der Mutter – 376 Euro im Monat.

Welche Rolle spielte das Bundesamtes für Justiz?


Was hat nun das Bundesamt für Justiz in Bonn mit der Sache zu tun? Ganz einfach, diese Behörde ist zuständig für eine ganze Reihe grenzüberschreitender Rechtsangelegenheiten. Darunter auch grenzüberschreitende Unterhaltsforderungen. Denn es kommt gar nicht so selten vor, dass getrennte oder geschiedene Elternteile in zwei unterschiedlichen Staaten wohnen. Auch von Deutschland aus kann Unterhalt in einem anderen Land geltend gemacht werden.

Wonach richten sich internationale Unterhaltsstreitigkeiten?


Für solche Fragen existiert ein internationales Abkommen, nämlich das UN-Übereinkommen über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland vom 20. Juni 1956 (UN-Unterhaltsübereinkommen). Dieses gilt für alle Staaten, die es unterzeichnet haben – darunter auch Deutschland und Kirgisistan. Für EU-Staaten untereinander gilt die EU-Unterhaltsverordnung. Nach dem UN-Unterhaltsabkommen sind die Vertragsstaaten untereinander verpflichtet, Unterhaltsforderungen durchzusetzen. In Deutschland ist das Bundesamt für Justiz dafür zuständig. Es kann sowohl gerichtlich wie auch außergerichtlich vorgehen – je nach Notwendigkeit. Auf diesem Weg kann der Unterhaltsberechtigte sowohl eine erstmalige rechtskräftige Entscheidung in Sachen Unterhalt herbeiführen, aus der dann vollstreckt werden kann, als auch ein bereits ergangenes Gerichtsurteil hierzulande anerkennen lassen und daraus vollstrecken.

Welche internationalen Abkommen gibt es bei Kindesentzug?


Das Haager Kindesentführungsabkommen soll eigentlich genau solche Fälle wie den hier diskutierten verhindern. Durch das Abkommen soll ein widerrechtliches Entführen oder Aus-dem-Land-Schaffen des Kindes durch einen Elternteil verhindert werden. Es gibt nämlich dem anderen Elternteil das Recht, eine sogenannte "Rückführung" zu verlangen. Das Abkommen verpflichtet den anderen Staat, für die Rückführung des Kindes in den Staat zu sorgen, in dem es bisher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Das bedeutet aber nicht, dass das Kind nun automatisch einem Elternteil weggenommen und dem anderen zurückgegeben wird. Denn: Wer schließlich das Sorgerecht erhält, muss nach der Rückführung von den dortigen Gerichten geklärt werden. Das wären in diesem Fall die deutschen Gerichte. Allerdings: Kirgisistan hat dieses Abkommen nicht unterzeichnet. Daher ist auf diesem Wege nichts zu erreichen.

Was besagt das Haager Kinderschutzübereinkommen?


Wie international mit Sorgerechtsproblemen umzugehen ist, richtet sich nach dem Haager Kinderschutz-Übereinkommen. Dieses befasst sich mit der gegenseitigen Anerkennung von Sorgerechts-Entscheidungen. Auch hier gibt es innerhalb von Europa eine andere, spezielle Übereinkunft. Das Haager Übereinkommen besagt grundsätzlich, dass für Entscheidungen über die elterliche Verantwortung ausschließlich die Gerichte in jenem Staat zuständig sind, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, also wo es auf Dauer lebt. Man kann also nicht einfach ein Kind ins Ausland bringen und sich dann dort auf das ausländische Recht berufen, dass einem ein Sorgerecht gewährt. Aber: Auch dieses Abkommen hat Kirgisistan nicht unterschrieben.

Fazit: Ein Sonderfall


Grundsätzlich gibt es gangbare Mittel und Wege, einen Kindesentzug ins Ausland rückgangig zu machen oder eine Entscheidung nach dem deutschem Familienrecht zu erzwingen. Viele Staaten sind den betreffenden Abkommen beigetreten. In diesem Fall jedoch besteht die besondere Situation, dass Kirgisistan nur das UN-Unterhaltsabkommen unterschrieben hat. Dies lässt sich nicht auf andere Fälle übertragen. Wie es im konkreten Fall mit der Unterhaltsforderung weiter geht, wird sich noch zeigen müssen.

(Ma)


 Ulf Matzen
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