Kann man den Kita-Vertrag einfach so kündigen?
12.04.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Bu - Anwalt-Suchservice Jeden Tag spielen sich vor vielen Kindergärten im Land regelrechte Dramen ab. Da fließen Tränen, und ohrenbetäubendes Geschrei zerrt an den Nerven von Mama und Papa, denn: Der Nachwuchs möchte mal wieder auf keinen Fall in den Kindergarten gehen. Da kann schon mal die Entscheidung fallen, das Kind aus der Kita zu nehmen und es selbst zu betreuen. Vielleicht helfen auch die Großeltern aus? Oder eine andere Kita erscheint plötzlich doch geeigneter. Allerdings lösen bei manchen Eltern auch ganz andere Gründe den Wunsch nach einer Vertragsbeendigung aus: Womöglich macht ihnen ein finanzieller Engpass zu schaffen und sie können die Gebühren einfach nicht mehr zahlen. Aber: Eltern dürfen nicht einfach so kündigen und von heute auf morgen die Zahlung der Kita-Beiträge einstellen. Zu diesem Thema hat bereits der Bundesgerichtshof entschieden.
Ein Vater aus München wollte seinen eineinhalb Jahre alten Sohn bereits nach zehn Tagen wieder aus einer privaten Kindertagesstätte nehmen. Das Kind fühlte sich dort nämlich nicht wohl und wollte dort nicht mehr hingehen. Daher bat der Vater noch in der Eingewöhnungsphase die Kita um eine Auflösung des Vertrages, sowie um Rückzahlung der von ihm geleisteten Kaution von 1.000 Euro. Die Zahlung dieser Kaution war entsprechend den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kita erfolgt.
Die Kita machte es ihm jedoch nicht so einfach: Deren Leitung bestand auf einer zweimonatigen Kündigungsfrist. Außerdem machte die Kita eine Gegenforderung geltend. Der Vater sollte 1.590 Euro zahlen, nämlich dreimal 440 Euro für die monatlichen Kita-Beiträge plus Verpflegungs- und Pflegemittelpauschalen. Zusätzlich verlangte die Kita von ihm auch rund 2.500 Euro als Entschädigung für ausgefallene Fördergelder. Diese bekomme sie nur, wenn die geförderten Kinder tatsächlich die Kita besuchten. Der frei gewordene Platz habe zunächst nicht durch ein anderes Kind besetzt werden können.
Zuerst kam der Fall vor das Amtsgericht München. Dieses sprach der Kita 1.410 Euro zu. Es handelte sich dabei um die drei Monatsbeiträge für einen angebrochenen Monat und die zwei Monate der Kündigungsfrist sowie Pauschalen für angefallene Kosten. Das Gericht hielt die Kündigungsfrist für wirksam.
Der Fall ging dann durch die Gerichtsinstanzen bis zum Bundesgerichtshof. Dieser bestätigte das Münchner Urteil. Die Eltern hätten in einem solchen Fall kein sofortiges Kündigungsrecht. Die vereinbarte Kündigungsfrist von zwei Monaten sei relativ kurz und deswegen angemessen. Der Kita-Leitung müsse man zugestehen, dass sie eine gewisse Planungssicherheit benötige (Urteil vom 18.2.2016, Az. III ZR 126/15).
Außerdem erläuterte der Bundesgerichtshof, dass ein Scheitern der Eingewöhnung eher zum Risikobereich der Eltern gehöre. Dies gelte auch für Kinder unter drei Jahren.
Ein Jahr zuvor hatte das Amtsgericht Bonn dies jedoch noch vollkommen anders gesehen (Urteil vom 28.7.2015, Az. 114 C 151/15). Das Bonner Gericht hatte die Klage einer Kita auf Zahlung von drei Monatsgebühren in Höhe von insgesamt 2.200 Euro abgewiesen: Die gescheiterte Eingewöhnung eines Kindes in der Kita stelle einen berechtigten Grund für eine außerordentliche und fristlose Kündigung dar. Die Vertragsklausel, die eine solche Kündigung ausschließe, sei unwirksam, da sie "die Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige". Im Bonner Fall war in der Satzung des Kindergartens eine außerordentliche Kündigung durch die Eltern ausdrücklich ausgeschlossen worden.
Allerdings ist davon auszugehen, dass sich künftige Gerichtsentscheidungen am Urteil des Bundesgerichtshofes orientieren.
Interessant ist jedoch, dass die Kita auch vor dem Bundesgerichtshof nicht auf ganzer Linie gewann. Die Richter sahen nämlich mehrere Regelungen in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen als unwirksam und damit als unbeachtlich an.
Betroffen war auch die verlangte Kaution. Nach dem BGH war es den Eltern nicht zumutbar, eine Kaution in so erheblicher Höhe in Form eines "Darlehens" an den Betreiber einer Kinderkrippe zu leisten.
Unwirksam war auch eine Klausel, nach der die Eltern eingesparte Aufwendungen der Kita nicht von der Rechnung abziehen durften. Das Problem: Schicken Eltern ihr Kind nicht jeden Tag in die Kita, hat diese auch keine Kosten etwa für Verpflegung. Solche eingesparten Beträge darf jedoch der Kita-Betreiber nicht einfach behalten, sondern die Eltern können sie von der nächsten Rechnung abziehen. Dies ist jedoch anders, wenn vereinbart wurde, dass Pauschalen jeweils für den ganzen Monat gezahlt werden müssen.
Der BGH erklärte auch eine Klausel für unwirksam, nach der die Eltern Schadensersatz zahlen mussten, wenn sie ihr Kind nicht regelmäßig in die Kita brachten. Diese Regelung verstoße sogar gegen das Grundgesetz, nämlich gegen das Pflege- und Erziehungsrecht der Eltern aus Art. 6 Abs. 2.
Das Amtsgericht München urteilte auch 2018 elternfreundlich und entschied, dass eine Kündigungsfrist von sechs Monaten unzumutbar und zu lang sei. Eine solche Vertragsklausel sei unwirksam. Drei Monate seien angemessen (Urteil vom 24.10.2018, Az. 242 C 12495/18).
Beim Thema Kita-Recht überschneiden sich mehrere Rechtsgebiete. Im vor dem BGH verhandelten Fall ging es um die Vertragsgestaltung einer privaten Kita und somit um das Zivilrecht. Geht es jedoch um behördliche Bescheide, zum Beispiel von einer Gemeinde, ist das Verwaltungsrecht betroffen. Diese Unterscheidung ist wichtig, da verschiedene Gerichte zuständig sind und da es jeweils auf diese Gebiete spezialisierte Rechtsanwälte gibt. Natürlich ist es im Streitfall von Vorteil, einen gerade für dieses Gebiet kompetenten Juristen zu Rate zu ziehen.
Nicht wenige Eltern haben heute Probleme, für ihr Kind überhaupt einen Kita-Platz zu finden. Trotzdem gibt es Fälle, in denen nachträglich der Wunsch aufkommt, den Kita-Vertrag wieder zu kündigen.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Was tun, wenn das Kind sich in der Kita einfach nicht wohlfühlt? Wann dürfen Eltern den Kita-Vertrag kündigen? Eltern oder Kita: Wer trägt das Risiko, dass das Kind sich nicht eingewöhnt? Was darf die Kita nicht in den Vertrag schreiben? Sechs Monate Kündigungsfrist sind zu lang Praxistipp Was tun, wenn das Kind sich in der Kita einfach nicht wohlfühlt?
Ein Vater aus München wollte seinen eineinhalb Jahre alten Sohn bereits nach zehn Tagen wieder aus einer privaten Kindertagesstätte nehmen. Das Kind fühlte sich dort nämlich nicht wohl und wollte dort nicht mehr hingehen. Daher bat der Vater noch in der Eingewöhnungsphase die Kita um eine Auflösung des Vertrages, sowie um Rückzahlung der von ihm geleisteten Kaution von 1.000 Euro. Die Zahlung dieser Kaution war entsprechend den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Kita erfolgt.
Die Kita machte es ihm jedoch nicht so einfach: Deren Leitung bestand auf einer zweimonatigen Kündigungsfrist. Außerdem machte die Kita eine Gegenforderung geltend. Der Vater sollte 1.590 Euro zahlen, nämlich dreimal 440 Euro für die monatlichen Kita-Beiträge plus Verpflegungs- und Pflegemittelpauschalen. Zusätzlich verlangte die Kita von ihm auch rund 2.500 Euro als Entschädigung für ausgefallene Fördergelder. Diese bekomme sie nur, wenn die geförderten Kinder tatsächlich die Kita besuchten. Der frei gewordene Platz habe zunächst nicht durch ein anderes Kind besetzt werden können.
Wann dürfen Eltern den Kita-Vertrag kündigen?
Zuerst kam der Fall vor das Amtsgericht München. Dieses sprach der Kita 1.410 Euro zu. Es handelte sich dabei um die drei Monatsbeiträge für einen angebrochenen Monat und die zwei Monate der Kündigungsfrist sowie Pauschalen für angefallene Kosten. Das Gericht hielt die Kündigungsfrist für wirksam.
Der Fall ging dann durch die Gerichtsinstanzen bis zum Bundesgerichtshof. Dieser bestätigte das Münchner Urteil. Die Eltern hätten in einem solchen Fall kein sofortiges Kündigungsrecht. Die vereinbarte Kündigungsfrist von zwei Monaten sei relativ kurz und deswegen angemessen. Der Kita-Leitung müsse man zugestehen, dass sie eine gewisse Planungssicherheit benötige (Urteil vom 18.2.2016, Az. III ZR 126/15).
Eltern oder Kita: Wer trägt das Risiko, dass das Kind sich nicht eingewöhnt?
Außerdem erläuterte der Bundesgerichtshof, dass ein Scheitern der Eingewöhnung eher zum Risikobereich der Eltern gehöre. Dies gelte auch für Kinder unter drei Jahren.
Ein Jahr zuvor hatte das Amtsgericht Bonn dies jedoch noch vollkommen anders gesehen (Urteil vom 28.7.2015, Az. 114 C 151/15). Das Bonner Gericht hatte die Klage einer Kita auf Zahlung von drei Monatsgebühren in Höhe von insgesamt 2.200 Euro abgewiesen: Die gescheiterte Eingewöhnung eines Kindes in der Kita stelle einen berechtigten Grund für eine außerordentliche und fristlose Kündigung dar. Die Vertragsklausel, die eine solche Kündigung ausschließe, sei unwirksam, da sie "die Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteilige". Im Bonner Fall war in der Satzung des Kindergartens eine außerordentliche Kündigung durch die Eltern ausdrücklich ausgeschlossen worden.
Allerdings ist davon auszugehen, dass sich künftige Gerichtsentscheidungen am Urteil des Bundesgerichtshofes orientieren.
Was darf die Kita nicht in den Vertrag schreiben?
Interessant ist jedoch, dass die Kita auch vor dem Bundesgerichtshof nicht auf ganzer Linie gewann. Die Richter sahen nämlich mehrere Regelungen in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen als unwirksam und damit als unbeachtlich an.
Betroffen war auch die verlangte Kaution. Nach dem BGH war es den Eltern nicht zumutbar, eine Kaution in so erheblicher Höhe in Form eines "Darlehens" an den Betreiber einer Kinderkrippe zu leisten.
Unwirksam war auch eine Klausel, nach der die Eltern eingesparte Aufwendungen der Kita nicht von der Rechnung abziehen durften. Das Problem: Schicken Eltern ihr Kind nicht jeden Tag in die Kita, hat diese auch keine Kosten etwa für Verpflegung. Solche eingesparten Beträge darf jedoch der Kita-Betreiber nicht einfach behalten, sondern die Eltern können sie von der nächsten Rechnung abziehen. Dies ist jedoch anders, wenn vereinbart wurde, dass Pauschalen jeweils für den ganzen Monat gezahlt werden müssen.
Der BGH erklärte auch eine Klausel für unwirksam, nach der die Eltern Schadensersatz zahlen mussten, wenn sie ihr Kind nicht regelmäßig in die Kita brachten. Diese Regelung verstoße sogar gegen das Grundgesetz, nämlich gegen das Pflege- und Erziehungsrecht der Eltern aus Art. 6 Abs. 2.
Sechs Monate Kündigungsfrist sind zu lang
Das Amtsgericht München urteilte auch 2018 elternfreundlich und entschied, dass eine Kündigungsfrist von sechs Monaten unzumutbar und zu lang sei. Eine solche Vertragsklausel sei unwirksam. Drei Monate seien angemessen (Urteil vom 24.10.2018, Az. 242 C 12495/18).
Praxistipp
Beim Thema Kita-Recht überschneiden sich mehrere Rechtsgebiete. Im vor dem BGH verhandelten Fall ging es um die Vertragsgestaltung einer privaten Kita und somit um das Zivilrecht. Geht es jedoch um behördliche Bescheide, zum Beispiel von einer Gemeinde, ist das Verwaltungsrecht betroffen. Diese Unterscheidung ist wichtig, da verschiedene Gerichte zuständig sind und da es jeweils auf diese Gebiete spezialisierte Rechtsanwälte gibt. Natürlich ist es im Streitfall von Vorteil, einen gerade für dieses Gebiet kompetenten Juristen zu Rate zu ziehen.
(Ma)