Kollision eines Linksabbiegers mit rückwärts fahrendem KFZ

29.09.2016, Autor: Herr Uwe Lange / Lesedauer ca. 3 Min. (355 mal gelesen)
Haftungsteilung bei Kollision eines Linksabbiegers mit rückwärts fahrendem Kraftfahrzeug

In einem Berufungsverfahren hat das Landgericht Karlsruhe, Az: 9 S 417/15, mit Urteil vom 03.06.2016 dem Kläger Schadensersatz in Zusammenhang mit einem Verkehrsunfall zugesprochen.

(Verkehrsunfall)

Aus dem Urteil des Landgerichts:

„Es kam zum Zusammenstoß der beiden unfallbeteiligten PKW, als die jeweiligen Fahrer gleichzeitig in dieselbe, rechtwinklig zur Fahrbahn angeordnete Parktasche einfahren wollten.
Der Kläger fuhr mit seinem Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt rückwärts und wollte aus seiner Fahrtrichtung gesehen rückwärts rechts in die Parktasche einfahren, der Beklagte zu 1 wollte von der Gegenfahrbahn kommend aus seiner Fahrtrichtung gesehen vorwärts links in die Parktasche einfahren.“

Der Beklagte zu 1 hatte erstinstanzlich eingeräumt vor dem Abbiegen nicht noch einmal rückwärts geschaut zu haben.

„Die Beklagten haften …...... unter Zugrundelegung der vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen gemäß §§ 7, 17 StVG, § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG hälftig für die dem Kläger bei dem streitgegenständlichen Verkehrsunfall entstandenen Schäden.“

(Beiderseitiger Verstoß gegen § 9 Abs. 5 StVO, Anscheinsbeweis)

Zutreffend und mit der Berufung auch nicht angegriffen sei das Amtsgericht Karlsruhe, Az: 3 C 1804/15 davon ausgegangen, dass im Hinblick auf die Rückwärtsfahrt des Klägers ein Anscheinsbeweis für seinen schuldhaften Verstoß gegen die erhöhten Sorgfaltspflichten des § 9 Abs. 5 StVO spricht.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts spreche ein derartiger Anscheinsbeweis allerdings auch für einen schuldhaften Verstoß des Beklagten zu 1 gegen die diesen ebenfalls treffenden erhöhten Sorgfaltsanforderungen des § 9 Abs. 5 StVO.

Aus dem Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 03.06.2016:

Dem Amtsgericht Karlsruhe, das erstinstanzlich die Schadensersatzansprüche des Klägers abgelehnt hatte, sei nicht beizutreten, soweit es im angegriffenen Urteil die Auffassung vertreten habe, ein Anscheinsbeweis spreche für ein Verschulden des in ein Grundstück Einbiegenden nur dann, wenn dieser mit dem durchgehenden oder dem nachfolgenden Verkehr kollidiere.

(Der Abbiegende muss mit dem Rückwärtsfahren anderer Verkehrsteilnehmer rechnen)

„ § 9 Abs. 5 StVO dient dem Schutz sämtlicher anderer Verkehrsteilnehmer, also auch eines auf der Gegenfahrbahn Rückwärtsfahrenden, und nicht nur dem entgegenkommenden und nachfolgenden Verkehr. Der Abbiegende muss grundsätzlich auch mit dem Rückwärtsfahren anderer Vekehrsteilnehmer rechnen und gegebenenfalls von seinem Fahrmanöver Abstand nehmen, so dass bei einem – wie vorliegend bestehenden – zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem Abbiegemanöver ein Anscheinsbeweis für einen Verstoß gegen die besonderen Sorgfaltspflicht gem. § 9 Abs. 5 StVO auch bei einer Kollision mit einem auf der Gegenfahrbahn rückwärts fahrenden Fahrzeug spricht (wie hier LG Hamburg, Urteil vom 11. April 2008 – 306 O 387/07-, juris; zfs 2008, 496). Diesen Anscheinsbeweis hat der Beklagte zu 1 nicht erschüttert, sondern im Gegenteil gerade eingeräumt, vor dem Abbiegen nicht zurückgeblickt zu haben. Dass wie das Amtsgericht ausführt, nicht feststeht, dass der Beklagte zu 1 bei durchgeführtem Schulterblick das Zurücksetzen des Klägers hätte wahrnehmen können – wobei wenig gegen eine derartige Erkennbarkeit im Fall der Rückschau spreche- , ist im vorliegenden Fall eines Anscheinsbeweises ohne Bedeutung.“

Ohne Bedeutung sei in diesem Zusammenhang auch die vom Amtsgericht zugunsten des Beklagten zu 1 angeführte Regelung in § 12 Abs. 5 StVO, da diese nur anordne, wer hinsichtlich der Nutzung einer freien Parklücke das Vorrecht hat, nicht aber die sonstigen Vorschriften außer Kraft setzt, die beim Einfahren in eine Parklücke zu beachten sind.

(Haftungsteilung)

In dem vorliegenden Berufungsurteil heißt es weiter:

„Nachdem ein Anscheinsbeweis für schuldhafte Verstöße sowohl des Klägers als auch des Beklagten zu 1 gegen die besonderen Sorgfaltspflichten gem. § 9 Abs. 5 StVO spricht, erscheint bei einer Abwägung dieser Verursachungsbeiträge gem. § 17 StVG eine hälftige Schadensteilung als angemessen. Insbesondere ist der Verursachungsbeitrag des Klägers wegen dessen Rückwärtsfahrt nicht als schwerwiegender anzusehen als der des abbiegenden Beklagten zu 1, nachdem der Gesetzgeber imt der Regelung in § 9 Abs. 5 StVO gerade zum Ausdruck gebracht habe, diese unterschiedlichen Verkehrsvorgänge als gleichermaßen riskant anzusehen.“

Das Landgericht Karlsuhe hat die Revision gegen dieses Urteil wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen, da die in Literatur und Rechtsprechung streitige Frage der Anwendbarkeit von § 9 Abs. 5 StVO auf Fälle des Abbiegens in eine neben der Straße gelegene öffentliche Fläche bislang höchstrichterlich nicht entschieden sei.

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