Pflegekräfte: Kündigung wegen nicht vorgelegtem Impfnachweis?
23.06.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Bu - freepik Im Dezember 2021 haben Bundestag und Bundesrat eine sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht für Mitarbeiter im Gesundheitswesen beschlossen. Ziel ist es, Patienten und Pflegebedürftige besser vor einer Infektion mit COVID-19 zu schützen. Mitarbeiter in Einrichtungen des Gesundheits- und Pflegebereichs müssen deshalb seit 15. März 2022 nachweisen, dass sie entweder geimpft oder genesen sind oder aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können. Was passiert jedoch mit Mitarbeitern, die diesen Nachweis nicht erbringen? Steht ihnen die Kündigung bevor? Welche Rechte haben Arbeitnehmer in einem solchen Fall?
Nach § 20a Infektionsschutzgesetz (InfSG) müssen alle Personen, die in bestimmten Einrichtungen arbeiten, seit 15. März 2022 entweder geimpft oder genesen sein oder unter eine der gesetzlichen Ausnahmen fallen. Dies betrifft unter anderem Beschäftigte in Krankenhäusern, Arztpraxen, Senioren- und Pflegeheimen, Rettungsdiensten, Reha-Einrichtungen und Dialysezentren.
Die Regelung betrifft alle Personen, die in einer solchen Einrichtung arbeiten - also nicht nur Krankenschwestern, Pfleger oder Ärzte, sondern auch etwa den Hausmeister oder das Büropersonal. Auf welcher vertraglichen Basis die Personen tätig werden, spielt keine Rolle: Auch ehrenamtlich Tätige, Praktikanten, Auszubildende, Zeitarbeitskräfte und Arbeitskräfte, die ihren Bundesfreiwilligendienst ableisten, sind umfasst.
Das Gesetz unterscheidet zwischen Beschäftigten, die bereits in der Einrichtung tätig sind, und solchen, die erst ab 16. März 2022 ihre Arbeit darin aufnehmen. Es sieht aber nur für die zweite Gruppe ein ausdrückliches Beschäftigungsverbot vor. Das bedeutet: Neue Mitarbeiter ohne entsprechende Impf- oder Genesungsnachweise oder Ausnahme-Nachweis (zum Beispiel über eine Erkrankung, die eine Impfung verhindert) durften ab 16. März nicht in den Einrichtungen tätig werden.
Die Regelung soll zunächst bis Jahresende 2022 gelten.
Wer am 15. März 2022 bereits in einer der betreffenden Einrichtungen tätig war, musste bis zum Ablauf dieses Tages dem Arbeitgeber entweder einen Impfnachweis oder einen Genesenen-Nachweis vorlegen oder ein ärztliches Attest darüber, dass er oder sie aus medizinischen Gründen nicht gegen COVID-19 geimpft werden konnte.
Ohne Vorlage eines Impfnachweises oder Attests war und ist der Arbeitgeber verpflichtet, das Gesundheitsamt zu informieren. Dieses setzt dann eine Frist, bis zu der dem Gesundheitsamt ein Nachweis vorzulegen ist. Passiert innerhalb dieser Frist nichts, kann das Gesundheitsamt dem Betreffenden verbieten, den Betrieb zu betreten oder auch ein Tätigkeitsverbot aussprechen. Hier handelt es sich jedoch um eine Entscheidung des Gesundheitsamtes und nicht des Arbeitgebers.
Das Gesetz enthält kein explizites Beschäftigungsverbot für diese Arbeitnehmergruppe bei Nichtvorlage der Nachweise.
Aus der Formulierung "kann" wird zum Teil geschlossen, dass das Gesundheitsamt bei seiner Entscheidung auch berücksichtigen muss, ob der Betrieb in der jeweiligen Einrichtung ohne den betreffenden Beschäftigten noch ordnungsgemäß aufrechterhalten werden kann. Gesetzlich geregelt ist so etwas jedoch nicht. Die Gesetzesbegründung erwähnt nur, dass das Gesundheitsamt bei der Bemessung der Dauer des Tätigkeitsverbotes das Grundrecht der Freiheit der Berufsausübung (Artikel 12 Absatz 1 GG) zu beachten hat.
Wer nach dem 16. März 2022 seine Tätigkeit in einer entsprechenden Einrichtung aufnehmen will, muss vor Aufnahme der Tätigkeit dem Arbeitgeber einen der vorgeschriebenen Nachweise vorlegen. Ohne diesen darf er oder sie nicht tätig werden - hier gibt es also ein ausdrückliches Tätigkeitsverbot. Das Gesundheitsamt wird lediglich informiert, wenn Verdacht auf einen gefälschten oder unrichtigen Nachweis besteht.
Läuft einer der genannten Nachweise durch Zeitablauf ab, hat der Arbeitnehmer innerhalb eines Monats gegenüber dem Arbeitgeber einen neuen Nachweis zu erbringen. Passiert dies nicht oder bestehen Zweifel an der Echtheit des Nachweises, muss der Arbeitgeber wiederum das Gesundheitsamt informieren, das dann weitere Schritte veranlasst.
Bei am Stichtag bereits in der Einrichtung beschäftigten Personen trifft das Gesundheitsamt die Entscheidung über das weitere Vorgehen. Ob eine Abmahnung oder gar Kündigung durch den Arbeitgeber vor Anordnung eines Tätigkeitsverbotes durch das Gesundheitsamt rechtmäßig ist, ist umstritten. Es gibt aber bereits Urteile, die in diese Richtung gehen (siehe unten).
Bei neuen Beschäftigten, die vor dem 16. März ihren Arbeitsvertrag unterschrieben haben und erst ab diesem Datum tatsächlich im Betrieb tätig werden wollen, gilt: In diesem Fall besteht ein gesetzliches Tätigkeitsverbot, das einen Kündigungsgrund darstellen kann.
Ein Tätigkeitsverbot durch das Gesundheitsamt bedeutet nicht zwingend, dass dem betroffenen Arbeitnehmer gekündigt werden muss. Der Arbeitgeber ist nicht zur Beendigung des Arbeitsvertrages verpflichtet. Ein Grund für eine Abmahnung oder Kündigung kann allerdings darin liegen, dass der Arbeitnehmer ohne Impfung oder anderweitigen Nachweis nicht mehr einsetzbar ist und seine Beschäftigung keinen Sinn mehr macht. Hier ist aber jeder Einzelfall zu prüfen und der Arbeitgeber muss sich an das Verhältnismäßigkeitsprinzip halten.
So ist es zum Beispiel denkbar, dass Bürokräfte etwa aus der Buchhaltung oder der IT-Abteilung einer Gesundheitseinrichtung ihre Tätigkeit ins Homeoffice verlegen können. Damit wären sie nicht mehr im Betrieb tätig. Einer solchen Möglichkeit wäre als dem milderen Mittel der Vorzug vor einer Kündigung zu geben, die immer das letzte Mittel darstellen muss.
Nicht in Betracht kommt ein anderweitiger Einsatz im gleichen Betrieb, da die Impfpflicht für die gesamte Einrichtung gilt. Aber: Nach den Informationen der Bundesregierung zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht sind Mitarbeiter ausgenommen, bei denen ein räumlicher Kontakt zu Patienten oder Pflegepersonen ganz ausgeschlossen ist - weil sie zum Beispiel in einem eigenen Verwaltungsgebäude arbeiten. Auch ein Umzug in ein Gebäude, in dem sich keine besonders gefährdeten Personen aufhalten, wäre also ein milderes Mittel - wenn dies die Tätigkeit erlaubt.
In Betracht kommen eine verhaltensbedingte Kündigung (weil der Arbeitnehmer sich nicht impfen lässt bzw. keinen Nachweis vorlegt) oder eine personenbedingte Kündigung (weil eine gesetzliche Voraussetzung für eine Beschäftigung des Arbeitnehmers fehlt).
Eine verhaltensbedingte Kündigung erfordert normalerweise eine vorherige Abmahnung mit einer Frist, innerhalb der das betreffende Verhalten geändert werden kann. Zum Teil wird hier allerdings argumentiert, dass aufgrund der langen Vorlaufphase (das Gesetz ist seit Dezember 2021 in Kraft) eine Abmahnung entbehrlich wäre, da die Beschäftigten genug Zeit hatten, sich auf die neue Situation einzustellen.
Vor einer personenbedingten Kündigung ist meist keine Abmahnung erforderlich. Hier ist hauptsächlich eine negative Weiterbeschäftigungsprognose gefragt, die zum Beispiel gegeben wäre, wenn sich der Betreffende auf Dauer nicht impfen lassen will und daher nicht eingesetzt werden kann. Trotzdem ist vom Arbeitgeber jedoch eine Interessenabwägung vorzunehmen, bei der auch der bisherige Verlauf des Arbeitsverhältnisses und die persönliche Situation des Arbeitnehmers eine Rolle spielen.
Eine fristlose Kündigung wird als zulässig angesehen, wenn der Arbeitgeber dafür einen wichtigen Grund hat - wenn also ein besonders schwerwiegender Umstand vorliegt, der es ihm unzumutbar macht, den Arbeitnehmer noch während der Laufzeit der normalen Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen. Ob das Fehlen eines Impfnachweises oder Genesenennachweises dafür ausreicht, entscheiden die Gerichte für jeden Einzelfall. Der Wegfall einer gesetzlichen Voraussetzung für die Tätigkeit wird jedoch zum Teil als ausreichend angesehen. Eine mögliche Parallele: Verliert ein LKW-Fahrer seinen Führerschein und damit eine gesetzliche Voraussetzung für seine Tätigkeit, ist eine fristlose Kündigung gerechtfertigt (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.2.1991, Az. 2 AZR 525/90). Die für die Berufsausübung bestehende, gesetzliche Voraussetzung muss allerdings ihrerseits rechtmäßig sein.
Das Bundesverfassungsgericht hat im April 2022 eine Verfassungsbeschwerde gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht abgewiesen und diese Entscheidung ausführlich begründet.
Aus Sicht des Gerichts greift die Regelung zwar in das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz) und in das Recht auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz) ein. Beide Eingriffe seien jedoch gerechtfertigt.
Das Bundesverfassungsgericht wägt die Rechte der Mitarbeiter im Gesundheitswesen gegen die Rechte der Patienten und Bewohner von Senioren- und Pflegeheimen ab. Diese hätten ebenfalls ein Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG und seien besonders gefährdet. Dies habe sich an den hohen Infektions- und Sterberaten gerade in solchen Einrichtungen gezeigt. Demgegenüber sei nach Stand der Wissenschaft die Wahrscheinlichkeit, durch die Impfung schwere gesundheitliche Schäden zu erleiden, äußerst gering. Das Recht der Patienten auf Schutz vor Infektionen wiege im Ergebnis schwerer als das Interesse der Mitarbeiter im Gesundheitswesen, ein äußerst geringes eigenes Risiko zu vermeiden.
Die einrichtungsbezogene Impfpflicht sei verfassungsgemäß (BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022, Az. 1 BvR 2649/21).
Sollte ein Arbeitnehmer wegen des nicht vorgelegten Impfnachweises abgemahnt, auf einen anderen Arbeitsplatz versetzt, oder ihm sogar gekündigt werden, kann er sich mittels einer Klage vor dem zuständigen Arbeitsgericht gegen diese Maßnahme des Arbeitgebers wehren, z. B. mittels einer Kündigungsschutzklage.
Im Rahmen dieser Klage wird das Gericht prüfen, ob das auf die arbeitsvertraglich konkret vereinbarte Tätigkeit bezogene, auf der gesetzlich angeordneten Impfpflicht beruhende Beschäftigungsverbot rechtmäßig ist. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird das Arbeitsgericht die Rechtmäßigkeit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht nicht in Frage stellen. Letztendlich wird es um die Umstände des konkreten Falles gehen.
Im April hat das Arbeitsgericht Gießen zu einem einschlägigen Fall entschieden. Zwei Mitarbeiter einer vollstationären Pflegeeinrichtung (Pflegefachkraft und Wohnbereichsleiter) hatten ihren Impf- oder Genesenenstatus nicht nachgewiesen. Die Heimleitung stellte sie daraufhin von ihrer Tätigkeit frei, obwohl das Gesundheitsamt kein Beschäftigungsverbot ausgesprochen hatte. Beide gingen vor Gericht, um im Wege einer einstweiligen Verfügung ihre Weiterbeschäftigung zu erreichen.
Das Gericht erklärte, dass sich zwar aus dem Infektionsschutzgesetz nur ein Beschäftigungsverbot für ab 16. März neu eingestellte Mitarbeiter ergäbe. Die beiden Kläger seien jedoch vorher schon im Betrieb beschäftigt gewesen.
Trotzdem habe der Arbeitgeber das Recht, unter Anwendung der gesetzlichen Wertungen und billigen Ermessens dem Gesundheitsschutz der Heimbewohner höheres Gewicht zu geben, als dem Beschäftigungsinteresse ungeimpfter Mitarbeiter. Bei einer Interessenabwägung überwiege hier klar der Gesundheitsschutz der besonders gefährdeten Bewohner des Pflegeheims.
Daher war der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die beiden Kläger wieder aktiv im Heimbetrieb zu beschäftigen (Urteile vom 12.04.2022, Az. 5 Ga 1/22 und 5 Ga 2/22).
Grundsätzlich ist eine Missachtung von § 20a InfSG ein Bußgeldtatbestand. Bei Missachtung eines Tätigkeitsverbots oder Beschäftigung von neuen Mitarbeitern ohne entsprechenden Nachweis kann Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein Bußgeld bis 2.500 Euro auferlegt werden. Für einen Arbeitnehmer, der einem Tätigkeitsverbot unterliegt, entfällt auch der Lohnanspruch (Grundsatz "kein Lohn ohne Arbeit").
Die einrichtungsbezogene Impfpflicht wird nicht in allen Bundesländern gleichermaßen umgesetzt. Auch scheinen die Gesundheitsämter bisher kaum Beschäftigungsverbote auszusprechen. In Hamburg wurden bis Ende Juni 2022 gerade einmal zwei Beschäftigungsverbote ausgesprochen. Viele Fälle sind jedoch noch offen. Dem Gesundheitsamt zufolge sind dort 95 Prozent der Beschäftigten geimpft. In Bayern gilt die berufsbezogene Impfpflicht zwar auch, bis Ende Mai 2022 wurde der Süddeutschen Zeitung zufolge jedoch kein einziges Bußgeld verhängt.
Die Landesregierung von Thüringen hat die Gesundheitsämter angewiesen, den Bußgeldrahmen bis 2.500 Euro nicht voll auszuschöpfen. Die Bußgelder sollen sich zwischen 150 und 250 Euro bewegen. In welchem Umfang Bußgeldverfahren laufen, ist nicht bekannt.
Der sächsische Landkreis Mittelsachsen hat erklärt, die einrichtungsbezogene Impfpflicht nicht mehr umzusetzen. Dort wurde sogar 1.200 ungeimpften Pflegekräften schriftlich bescheinigt, dass sie weiter arbeiten dürften.
Das Gesundheitsministerium von Mecklenburg-Vorpommern sieht hingegen dringenden Handlungsbedarf und hat die Gesundheitsämter dazu aufgefordert, stärker auf Betriebe einzuwirken, ihren Meldepflichten nachzukommen. Erste Bescheide würden Ende Juni und Anfang Juli ergehen.
Wurde gegen Sie als Arbeitnehmer wegen fehlendem Impfnachweis eine Abmahnung, Versetzung oder Kündigung ausgesprochen? Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht kann Ihren konkreten Fall prüfen und feststellen, ob die Maßnahme des Arbeitgebers tatsächlich gerechtfertigt war. Beachten Sie: Bei einer Kündigungsschutzklage beträgt die Klagefrist drei Wochen ab Zugang der Kündigung.
Grundsätzlich gilt in Deutschland seit 15. März 2022 eine Impfpflicht für Beschäftigte in medizinischen Einrichtungen und Seniorenheimen. Diese ist jedoch aus mehreren Gründen äußerst umstritten.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Was besagt die gesetzliche Regelung zur Impfpflicht genau? Was gilt für Personen, die zum Stichtag schon in der Einrichtung arbeiteten? Was gilt für neue Mitarbeiter ab 16. März? Was gilt, wenn mein Nachweis abläuft? Abmahnung oder Kündigung ohne Tätigkeitsverbot? Abmahnung oder Kündigung nach Tätigkeitsverbot? Um welche Art der Kündigung könnte es sich handeln? Wie hat das Bundesverfassungsgericht zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht entschieden? Wie können sich Arbeitnehmer gegen eine Kündigung, Abmahnung oder Versetzung wehren? Welche weiteren Folgen drohen? Beschäftigungsverbote und Bußgelder - wie sieht die Praxis aus? Praxistipp zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht Was besagt die gesetzliche Regelung zur Impfpflicht genau?
Nach § 20a Infektionsschutzgesetz (InfSG) müssen alle Personen, die in bestimmten Einrichtungen arbeiten, seit 15. März 2022 entweder geimpft oder genesen sein oder unter eine der gesetzlichen Ausnahmen fallen. Dies betrifft unter anderem Beschäftigte in Krankenhäusern, Arztpraxen, Senioren- und Pflegeheimen, Rettungsdiensten, Reha-Einrichtungen und Dialysezentren.
Die Regelung betrifft alle Personen, die in einer solchen Einrichtung arbeiten - also nicht nur Krankenschwestern, Pfleger oder Ärzte, sondern auch etwa den Hausmeister oder das Büropersonal. Auf welcher vertraglichen Basis die Personen tätig werden, spielt keine Rolle: Auch ehrenamtlich Tätige, Praktikanten, Auszubildende, Zeitarbeitskräfte und Arbeitskräfte, die ihren Bundesfreiwilligendienst ableisten, sind umfasst.
Das Gesetz unterscheidet zwischen Beschäftigten, die bereits in der Einrichtung tätig sind, und solchen, die erst ab 16. März 2022 ihre Arbeit darin aufnehmen. Es sieht aber nur für die zweite Gruppe ein ausdrückliches Beschäftigungsverbot vor. Das bedeutet: Neue Mitarbeiter ohne entsprechende Impf- oder Genesungsnachweise oder Ausnahme-Nachweis (zum Beispiel über eine Erkrankung, die eine Impfung verhindert) durften ab 16. März nicht in den Einrichtungen tätig werden.
Die Regelung soll zunächst bis Jahresende 2022 gelten.
Was gilt für Personen, die zum Stichtag schon in der Einrichtung arbeiteten?
Wer am 15. März 2022 bereits in einer der betreffenden Einrichtungen tätig war, musste bis zum Ablauf dieses Tages dem Arbeitgeber entweder einen Impfnachweis oder einen Genesenen-Nachweis vorlegen oder ein ärztliches Attest darüber, dass er oder sie aus medizinischen Gründen nicht gegen COVID-19 geimpft werden konnte.
Ohne Vorlage eines Impfnachweises oder Attests war und ist der Arbeitgeber verpflichtet, das Gesundheitsamt zu informieren. Dieses setzt dann eine Frist, bis zu der dem Gesundheitsamt ein Nachweis vorzulegen ist. Passiert innerhalb dieser Frist nichts, kann das Gesundheitsamt dem Betreffenden verbieten, den Betrieb zu betreten oder auch ein Tätigkeitsverbot aussprechen. Hier handelt es sich jedoch um eine Entscheidung des Gesundheitsamtes und nicht des Arbeitgebers.
Das Gesetz enthält kein explizites Beschäftigungsverbot für diese Arbeitnehmergruppe bei Nichtvorlage der Nachweise.
Aus der Formulierung "kann" wird zum Teil geschlossen, dass das Gesundheitsamt bei seiner Entscheidung auch berücksichtigen muss, ob der Betrieb in der jeweiligen Einrichtung ohne den betreffenden Beschäftigten noch ordnungsgemäß aufrechterhalten werden kann. Gesetzlich geregelt ist so etwas jedoch nicht. Die Gesetzesbegründung erwähnt nur, dass das Gesundheitsamt bei der Bemessung der Dauer des Tätigkeitsverbotes das Grundrecht der Freiheit der Berufsausübung (Artikel 12 Absatz 1 GG) zu beachten hat.
Was gilt für neue Mitarbeiter ab 16. März?
Wer nach dem 16. März 2022 seine Tätigkeit in einer entsprechenden Einrichtung aufnehmen will, muss vor Aufnahme der Tätigkeit dem Arbeitgeber einen der vorgeschriebenen Nachweise vorlegen. Ohne diesen darf er oder sie nicht tätig werden - hier gibt es also ein ausdrückliches Tätigkeitsverbot. Das Gesundheitsamt wird lediglich informiert, wenn Verdacht auf einen gefälschten oder unrichtigen Nachweis besteht.
Was gilt, wenn mein Nachweis abläuft?
Läuft einer der genannten Nachweise durch Zeitablauf ab, hat der Arbeitnehmer innerhalb eines Monats gegenüber dem Arbeitgeber einen neuen Nachweis zu erbringen. Passiert dies nicht oder bestehen Zweifel an der Echtheit des Nachweises, muss der Arbeitgeber wiederum das Gesundheitsamt informieren, das dann weitere Schritte veranlasst.
Abmahnung oder Kündigung ohne Tätigkeitsverbot?
Bei am Stichtag bereits in der Einrichtung beschäftigten Personen trifft das Gesundheitsamt die Entscheidung über das weitere Vorgehen. Ob eine Abmahnung oder gar Kündigung durch den Arbeitgeber vor Anordnung eines Tätigkeitsverbotes durch das Gesundheitsamt rechtmäßig ist, ist umstritten. Es gibt aber bereits Urteile, die in diese Richtung gehen (siehe unten).
Bei neuen Beschäftigten, die vor dem 16. März ihren Arbeitsvertrag unterschrieben haben und erst ab diesem Datum tatsächlich im Betrieb tätig werden wollen, gilt: In diesem Fall besteht ein gesetzliches Tätigkeitsverbot, das einen Kündigungsgrund darstellen kann.
Abmahnung oder Kündigung nach Tätigkeitsverbot?
Ein Tätigkeitsverbot durch das Gesundheitsamt bedeutet nicht zwingend, dass dem betroffenen Arbeitnehmer gekündigt werden muss. Der Arbeitgeber ist nicht zur Beendigung des Arbeitsvertrages verpflichtet. Ein Grund für eine Abmahnung oder Kündigung kann allerdings darin liegen, dass der Arbeitnehmer ohne Impfung oder anderweitigen Nachweis nicht mehr einsetzbar ist und seine Beschäftigung keinen Sinn mehr macht. Hier ist aber jeder Einzelfall zu prüfen und der Arbeitgeber muss sich an das Verhältnismäßigkeitsprinzip halten.
So ist es zum Beispiel denkbar, dass Bürokräfte etwa aus der Buchhaltung oder der IT-Abteilung einer Gesundheitseinrichtung ihre Tätigkeit ins Homeoffice verlegen können. Damit wären sie nicht mehr im Betrieb tätig. Einer solchen Möglichkeit wäre als dem milderen Mittel der Vorzug vor einer Kündigung zu geben, die immer das letzte Mittel darstellen muss.
Nicht in Betracht kommt ein anderweitiger Einsatz im gleichen Betrieb, da die Impfpflicht für die gesamte Einrichtung gilt. Aber: Nach den Informationen der Bundesregierung zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht sind Mitarbeiter ausgenommen, bei denen ein räumlicher Kontakt zu Patienten oder Pflegepersonen ganz ausgeschlossen ist - weil sie zum Beispiel in einem eigenen Verwaltungsgebäude arbeiten. Auch ein Umzug in ein Gebäude, in dem sich keine besonders gefährdeten Personen aufhalten, wäre also ein milderes Mittel - wenn dies die Tätigkeit erlaubt.
Um welche Art der Kündigung könnte es sich handeln?
In Betracht kommen eine verhaltensbedingte Kündigung (weil der Arbeitnehmer sich nicht impfen lässt bzw. keinen Nachweis vorlegt) oder eine personenbedingte Kündigung (weil eine gesetzliche Voraussetzung für eine Beschäftigung des Arbeitnehmers fehlt).
Eine verhaltensbedingte Kündigung erfordert normalerweise eine vorherige Abmahnung mit einer Frist, innerhalb der das betreffende Verhalten geändert werden kann. Zum Teil wird hier allerdings argumentiert, dass aufgrund der langen Vorlaufphase (das Gesetz ist seit Dezember 2021 in Kraft) eine Abmahnung entbehrlich wäre, da die Beschäftigten genug Zeit hatten, sich auf die neue Situation einzustellen.
Vor einer personenbedingten Kündigung ist meist keine Abmahnung erforderlich. Hier ist hauptsächlich eine negative Weiterbeschäftigungsprognose gefragt, die zum Beispiel gegeben wäre, wenn sich der Betreffende auf Dauer nicht impfen lassen will und daher nicht eingesetzt werden kann. Trotzdem ist vom Arbeitgeber jedoch eine Interessenabwägung vorzunehmen, bei der auch der bisherige Verlauf des Arbeitsverhältnisses und die persönliche Situation des Arbeitnehmers eine Rolle spielen.
Eine fristlose Kündigung wird als zulässig angesehen, wenn der Arbeitgeber dafür einen wichtigen Grund hat - wenn also ein besonders schwerwiegender Umstand vorliegt, der es ihm unzumutbar macht, den Arbeitnehmer noch während der Laufzeit der normalen Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen. Ob das Fehlen eines Impfnachweises oder Genesenennachweises dafür ausreicht, entscheiden die Gerichte für jeden Einzelfall. Der Wegfall einer gesetzlichen Voraussetzung für die Tätigkeit wird jedoch zum Teil als ausreichend angesehen. Eine mögliche Parallele: Verliert ein LKW-Fahrer seinen Führerschein und damit eine gesetzliche Voraussetzung für seine Tätigkeit, ist eine fristlose Kündigung gerechtfertigt (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.2.1991, Az. 2 AZR 525/90). Die für die Berufsausübung bestehende, gesetzliche Voraussetzung muss allerdings ihrerseits rechtmäßig sein.
Wie hat das Bundesverfassungsgericht zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht entschieden?
Das Bundesverfassungsgericht hat im April 2022 eine Verfassungsbeschwerde gegen die einrichtungsbezogene Impfpflicht abgewiesen und diese Entscheidung ausführlich begründet.
Aus Sicht des Gerichts greift die Regelung zwar in das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz) und in das Recht auf Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz) ein. Beide Eingriffe seien jedoch gerechtfertigt.
Das Bundesverfassungsgericht wägt die Rechte der Mitarbeiter im Gesundheitswesen gegen die Rechte der Patienten und Bewohner von Senioren- und Pflegeheimen ab. Diese hätten ebenfalls ein Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG und seien besonders gefährdet. Dies habe sich an den hohen Infektions- und Sterberaten gerade in solchen Einrichtungen gezeigt. Demgegenüber sei nach Stand der Wissenschaft die Wahrscheinlichkeit, durch die Impfung schwere gesundheitliche Schäden zu erleiden, äußerst gering. Das Recht der Patienten auf Schutz vor Infektionen wiege im Ergebnis schwerer als das Interesse der Mitarbeiter im Gesundheitswesen, ein äußerst geringes eigenes Risiko zu vermeiden.
Die einrichtungsbezogene Impfpflicht sei verfassungsgemäß (BVerfG, Beschluss vom 27. April 2022, Az. 1 BvR 2649/21).
Wie können sich Arbeitnehmer gegen eine Kündigung, Abmahnung oder Versetzung wehren?
Sollte ein Arbeitnehmer wegen des nicht vorgelegten Impfnachweises abgemahnt, auf einen anderen Arbeitsplatz versetzt, oder ihm sogar gekündigt werden, kann er sich mittels einer Klage vor dem zuständigen Arbeitsgericht gegen diese Maßnahme des Arbeitgebers wehren, z. B. mittels einer Kündigungsschutzklage.
Im Rahmen dieser Klage wird das Gericht prüfen, ob das auf die arbeitsvertraglich konkret vereinbarte Tätigkeit bezogene, auf der gesetzlich angeordneten Impfpflicht beruhende Beschäftigungsverbot rechtmäßig ist. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wird das Arbeitsgericht die Rechtmäßigkeit der einrichtungsbezogenen Impfpflicht nicht in Frage stellen. Letztendlich wird es um die Umstände des konkreten Falles gehen.
Im April hat das Arbeitsgericht Gießen zu einem einschlägigen Fall entschieden. Zwei Mitarbeiter einer vollstationären Pflegeeinrichtung (Pflegefachkraft und Wohnbereichsleiter) hatten ihren Impf- oder Genesenenstatus nicht nachgewiesen. Die Heimleitung stellte sie daraufhin von ihrer Tätigkeit frei, obwohl das Gesundheitsamt kein Beschäftigungsverbot ausgesprochen hatte. Beide gingen vor Gericht, um im Wege einer einstweiligen Verfügung ihre Weiterbeschäftigung zu erreichen.
Das Gericht erklärte, dass sich zwar aus dem Infektionsschutzgesetz nur ein Beschäftigungsverbot für ab 16. März neu eingestellte Mitarbeiter ergäbe. Die beiden Kläger seien jedoch vorher schon im Betrieb beschäftigt gewesen.
Trotzdem habe der Arbeitgeber das Recht, unter Anwendung der gesetzlichen Wertungen und billigen Ermessens dem Gesundheitsschutz der Heimbewohner höheres Gewicht zu geben, als dem Beschäftigungsinteresse ungeimpfter Mitarbeiter. Bei einer Interessenabwägung überwiege hier klar der Gesundheitsschutz der besonders gefährdeten Bewohner des Pflegeheims.
Daher war der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die beiden Kläger wieder aktiv im Heimbetrieb zu beschäftigen (Urteile vom 12.04.2022, Az. 5 Ga 1/22 und 5 Ga 2/22).
Welche weiteren Folgen drohen?
Grundsätzlich ist eine Missachtung von § 20a InfSG ein Bußgeldtatbestand. Bei Missachtung eines Tätigkeitsverbots oder Beschäftigung von neuen Mitarbeitern ohne entsprechenden Nachweis kann Arbeitgeber und Arbeitnehmer ein Bußgeld bis 2.500 Euro auferlegt werden. Für einen Arbeitnehmer, der einem Tätigkeitsverbot unterliegt, entfällt auch der Lohnanspruch (Grundsatz "kein Lohn ohne Arbeit").
Beschäftigungsverbote und Bußgelder - wie sieht die Praxis aus?
Die einrichtungsbezogene Impfpflicht wird nicht in allen Bundesländern gleichermaßen umgesetzt. Auch scheinen die Gesundheitsämter bisher kaum Beschäftigungsverbote auszusprechen. In Hamburg wurden bis Ende Juni 2022 gerade einmal zwei Beschäftigungsverbote ausgesprochen. Viele Fälle sind jedoch noch offen. Dem Gesundheitsamt zufolge sind dort 95 Prozent der Beschäftigten geimpft. In Bayern gilt die berufsbezogene Impfpflicht zwar auch, bis Ende Mai 2022 wurde der Süddeutschen Zeitung zufolge jedoch kein einziges Bußgeld verhängt.
Die Landesregierung von Thüringen hat die Gesundheitsämter angewiesen, den Bußgeldrahmen bis 2.500 Euro nicht voll auszuschöpfen. Die Bußgelder sollen sich zwischen 150 und 250 Euro bewegen. In welchem Umfang Bußgeldverfahren laufen, ist nicht bekannt.
Der sächsische Landkreis Mittelsachsen hat erklärt, die einrichtungsbezogene Impfpflicht nicht mehr umzusetzen. Dort wurde sogar 1.200 ungeimpften Pflegekräften schriftlich bescheinigt, dass sie weiter arbeiten dürften.
Das Gesundheitsministerium von Mecklenburg-Vorpommern sieht hingegen dringenden Handlungsbedarf und hat die Gesundheitsämter dazu aufgefordert, stärker auf Betriebe einzuwirken, ihren Meldepflichten nachzukommen. Erste Bescheide würden Ende Juni und Anfang Juli ergehen.
Praxistipp zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht
Wurde gegen Sie als Arbeitnehmer wegen fehlendem Impfnachweis eine Abmahnung, Versetzung oder Kündigung ausgesprochen? Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht kann Ihren konkreten Fall prüfen und feststellen, ob die Maßnahme des Arbeitgebers tatsächlich gerechtfertigt war. Beachten Sie: Bei einer Kündigungsschutzklage beträgt die Klagefrist drei Wochen ab Zugang der Kündigung.
(Bu)