Künstliche Befruchtung: Wer übernimmt die Kosten?

08.03.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Eizelle,schwangere Frau,Baby Eine künstliche Befruchtung ist teuer: Wer hilft dabei? © Bu - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Medizinische Indikation: Die Krankenkasse übernimmt die Kosten für eine künstliche Befruchtung, wenn medizinische Gründe vorliegen, die eine natürliche Empfängnis erschweren oder unmöglich machen, wie z.B. bei Unfruchtbarkeit oder bestimmten Erkrankungen.

2. Altersgrenzen: Unter bestimmten Voraussetzungen können auch ältere Frauen die Kostenübernahme beanspruchen, jedoch gibt es Altersgrenzen, die je nach Krankenkasse variieren können.

3. Erfolgsquote und Versuchslimit: Die Krankenkasse kann die Kosten für mehrere Versuche der künstlichen Befruchtung übernehmen, jedoch sind diese oft an eine begrenzte Anzahl von Versuchen und eine bestimmte Erfolgsquote geknüpft.
Viele Paare, die sich Kinder wünschen, können selbst keine bekommen. Hier kann die künstliche Befruchtung einen Ausweg bieten. Es gibt verschiedene Verfahren, für die jeweils mehrere tausend Euro an Kosten entstehen. In manchen Fällen übernimmt die Krankenkasse diese Beträge. Die Kosten für eine künstliche Befruchtung können jedoch unter bestimmten Voraussetzungen auch in der Steuererklärung geltend gemacht werden.

Welche Verfahren für die künstliche Befruchtung gibt es?


Es gibt mehrere anerkannte medizinische Verfahren für die künstliche Befruchtung: die In-Vitro-Fertilisation (IVF) und die Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI). Hinzu kommt noch die intrauterine Insemination (IUI). Bei der IVF werden die Eizellen in einem Reagenzglas mit dem aufbereiteten Sperma zusammengebracht. Bei der ICSI injiziert man eine männliche Samenzelle direkt in eine Eizelle. Bei der IUI überträgt man aufbereitetes Sperma kurz vor dem Eisprung in die Gebärmutter.

Was kostet eine künstliche Befruchtung?


Das IVF-Verfahren kostet meist etwa 2.000 bis 3.000 Euro (ein Zyklus), die ICSI beginnt bei etwa 4.000 Euro (ein Zyklus). Eine IUI liegt bei 300 bis 900 Euro. Allerdings können diese Beträge im Einzelfall durchaus überschritten werden.

Welche Kosten der künstlichen Befruchtung trägt die gesetzliche Krankenkasse?


Seit der Gesundheitsreform von 2004 übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen nur noch 50 Prozent der Kosten einer künstlichen Befruchtung. Diese Kosten tragen die Kassen für höchstens drei Versuche. Zum Teil sind jedoch mehr Versuche erforderlich. Einige Krankenkassen sind großzügiger und zahlen freiwillig einen höheren Kostenanteil. Schließlich locken bessere Leistungen mehr Mitglieder an und auch hier herrscht Wettbewerb. Es gibt also auch Krankenkassen, die Kostenbeteiligungen von 75 oder gar 100 Prozent zahlen. Einige beteiligen sich sogar an einem vierten Versuch.

Kostenübernahme für künstliche Befruchtung nur für Ehepaare?


Allerdings stellen die Krankenkassen auch einige Bedingungen. So verlangen sie generell, dass es sich um ein verheiratetes Paar handelt. Diese Voraussetzung wurde schon vor Gericht angegriffen, bisher jedoch ohne Erfolg. Geklagt hatte eine Betriebskrankenkasse, die ihre Satzung ändern und künftig auch unverheirateten Paaren eine künstliche Befruchtung bezahlen wollte. Eine solche Änderung muss allerdings vom Bundesversicherungsamt genehmigt werden. Die Behörde lehnte ab und das Bundessozialgericht gab ihr Recht: Für ein Kind stelle eine Ehe der Eltern eine vorteilhaftere Lebensbasis dar als eine nicht eheliche Beziehung. Diese Grundeinstellung des Gesetzgebers spiegle sich in vielen Regelungen des Sozialrechts wider (Urteil vom 18.11.2014, Az. B 1 A 1/14 R).

Welche Altersgrenzen gbit es für eine künstliche Befruchtung?


Auch beim Alter der Ehepartner machen die Krankenkassen Einschränkungen. Viele gesetzliche Krankenkassen gewähren nur dann eine teilweise Kostenübernahme, wenn beide Ehepartner zu Anfang eines jeden Behandlungszyklus mindestens 25 Jahre alt sind. Das Höchstalter der Frau liegt bisher bei 40 Jahren und das des Mannes bei 50. Diese Voraussetzungen müssen bei jedem neuen Behandlungsversuch vorliegen, nicht nur beim ersten Mal. Nicht wichtig ist hingegen, bei welchem Partner das medizinische Problem besteht, welches die natürliche Befruchtung verhindert.

Ende 2019 hat der Bundesgerichtshof zur Altersgrenze entschieden. Es ging dabei jedoch um eine private Krankenversicherung. Klägerin war eine 44-jährige Frau, deren Mann auf natürliche Art keine Kinder zeugen konnte. Hier waren für vier Anläufe einer künstlichen Befruchtung insgesamt 17.500 Euro an Kosten angefallen. Die private Krankenversicherung hatte die Kostenübernahme mit Hinweis auf das Alter der Frau verweigert: In dieser Altersgruppe sei die Rate an Fehlgeburten häufiger.

Der Bundesgerichtshof betrachtete die vier ICSI-Anläufe jedoch als medizinisch notwendige Heilbehandlung, welche die Kasse zahlen musste. Wichtig sei nur, dass eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine Schwangerschaft bestünde. Dass das Risiko einer Fehlgeburt mit zunehmendem Alter steige, gehöre zum allgemeinen Lebensrisiko und habe nichts mit der Art der Befruchtung zu tun. Es gehöre zum Selbstbestimmungsrecht der Eltern, sich auch noch in ihrem Alter ein Kind zu wünschen.

Ein solcher Fall kann jedoch vom Gericht durchaus anders beurteilt werden, wenn bei den Eltern konkrete gesundheitliche Probleme bestehen, welche die Wahrscheinlichkeit einer Fehlgeburt erhöhen (Urteil vom 4.12.2019, Az. IV ZR 323/18).

Welche medizinische Indikation muss für eine künstliche Befruchtung vorliegen?


Eine wichtige Frage ist immer auch, warum keine natürliche Befruchtung möglich ist. Dazu gibt es besondere Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses von Ärzten und Krankenkassen (G-BA). Ein Beispiel für einen geeigneten Grund ist danach etwa die zu geringe Beweglichkeit der männlichen Spermien.

Was muss man zum Kostenplan für eine künstliche Befruchtung wissen?


Voraussetzung für eine Kostenübernahme der künstlichen Befruchtung durch die gesetzlichen Krankenkassen ist ferner, dass der behandelnde Arzt einen Behandlungsplan bzw. Kostenplan aufgestellt hat. Diesen muss man vor der Behandlung zusammen mit einem Antrag auf Kostenübernahme bei seiner Krankenkasse einreichen. Die Behandlung darf keinesfalls begonnen werden, bevor die Kostenübernahme geklärt ist.

Welche Neuerungen gibt es bei ICSI seit Juni 2017?


Seit 2. Juni 2017 gelten neue Richtlinien des Bundesausschusses für die Kostenübernahme bei einer ICSI-Behandlung. Hier gelten nun folgende Voraussetzungen:

- der Grund für die künstliche Befruchtung ist eine schwere männliche Fruchtbarkeitsstörung,
- diese wird durch zwei Spermiogramme auf Grundlage des Handbuchs der WHO nachgewiesen,
- vor Aufstellung des Kostenplanes wird eine Untersuchung durch einen Arzt mit der Zusatzbefähigung Andrologie durchgeführt.

Welche medizinischen Gründe verhindern eine Kostenübernahme?


In der Regel verweigern die Kassen eine Kostenübernahme, wenn sich einer der Ehepartner freiwillig hat sterilisieren lassen. Es gibt jedoch Ausnahmen; hier sollte man mit seiner jeweiligen Kasse sprechen. Ein weiterer Ausschlussgrund ist eine HIV-Infektion. Diese muss durch einen HIV-Test beider Partner ausgeschlossen werden.

Dürfen fremde Eizellen für eine künstlichen Befruchtung verwendet werden?


Fremde Eizellen oder Spermien dürfen für die künstliche Befruchtung nicht verwendet werden – jedenfalls dann nicht, wenn man auf eine Kostenbeteiligung der Krankenkasse hofft.

Was gilt für unterschiedlich versicherte Ehepartner?


Jede Krankenkasse trägt nur Kosten für medizinische Maßnahmen an der Person, die bei ihr versichert ist. Sind die Ehepartner bei unterschiedlichen Krankenkassen versichert, muss sich derjenige, bei dem medizinische Schritte für eine künstliche Befruchtung erfolgen sollen, an seine eigene Kasse wenden.

Welche Steuererleichterungen gibt es für eine künstliche Befruchtung?


Denjenigen Teil der Behandlungskosten, den die Krankenkasse nicht zahlt, können Steuerzahler als sogenannte "außergewöhnliche Belastung" von der Einkommenssteuer absetzen. Voraussetzung ist, dass die "zumutbare Eigenbelastung" überschritten wird. Deren Höhe hängt vom persönlichen Einkommen ab.

Dies beruht auf einem älteren Urteil des Bundesfinanzhofes. Am 18.5.1999 (Az. III R 46/97) hatte dieser die organisch bedingte Sterilität eines Ehepartners als Krankheit anerkannt. Laut Gericht ist die Fortpflanzungsfähigkeit für Ehepartner, die sich in Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts gemeinsam für ein eigenes Kind entscheiden, eine biologisch notwendige Körperfunktion. Wenn diese gestört ist, ist man krank.

Tatsächlich sieht das Finanzamt dabei einiges weniger streng als die Krankenkassen. So müssen Paare, welche die Kosten für eine künstliche Befruchtung gemäß § 33 des Einkommenssteuergesetzes absetzen wollen, nicht verheiratet sein. Der Bundesfinanzhof hat dies bestätigt (Urteil vom 10.5.2007, Az. III R 47/05). Ebenso hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass bei einer künstlichen Befruchtung nicht zwingend das Sperma des Ehemannes bzw. des festen Partners benutzt werden muss. Es komme lediglich darauf an, die Kinderlosigkeit zu beenden (Urteil vom 16.12.2010, Az. VI R 43/10).

Gibt es die Steuererleichterung auch für gleichgeschlechtliche Paare?


Am 5. Oktober 2017 hat der Bundesfinanzhof entschieden, dass auch eine Frau in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung die Kosten für eine künstliche Befruchtung als außergewöhnliche Belastung steuerlich absetzen kann. Bedingung ist, dass sie tatsächlich unfruchtbar ist. Auch dürfe die Behandlung nicht im Widerspruch zu den ärztlichen Berufsordnungen der Bundesländer stehen. Die gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft allein stelle nach den Berufsordnungen kein Hindernis dar. Nach dem Urteil konnte hier der volle Betrag von 8.500 Euro für die Behandlung in einer dänischen Klinik von der Steuer abgesetzt werden (Az. VI R 47/15).

Was gilt für privat Versicherte, die eine künstliche Befruchtung vornehmen lassen wollen?


Inwieweit eine private Krankenversicherung die Kosten für eine künstliche Befruchtung übernimmt, hängt vom jeweiligen Versicherungsvertrag ab. Teilweise ähneln die Voraussetzungen denen der gesetzlichen Krankenkassen. Allerdings können sich die Einzelheiten bei jeder privaten Kasse unterscheiden. Sie sollten daher vor einer Behandlung genau nachfragen und Ihre Vertragsbedingungen lesen.

2017 befasste sich das Oberlandesgericht Karlsruhe mit einem Fall, in dem eine privat versicherte Frau noch vor ihrer Hochzeit erfolglos eine künstliche Befruchtung hatte durchführen lassen. Sie wollte dann nach ihrer Hochzeit die Kosten von ihrer privaten Krankenversicherung ersetzt haben. Zusätzlich wollte sie eine Zusage für die Kostenübernahme für weitere Versuche. Ein Problem bestand darin, dass sie nicht komplett unfruchtbar war - die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Schwangerschaft war durch eine Chromosomen-Veränderung auf 50 Prozent reduziert.

Hier hatte die private Krankenversicherung die Kostenübernahme abgelehnt, da die Frau theoretisch auch auf natürliche Weise Kinder bekommen könne und weil die erste Behandlung ohne Trauschein stattgefunden hatte.

Trotzdem verurteilte das Gericht die Krankenversicherung zur Zahlung. Zwar werde eine solche Leistung bei gesetzlichen Krankenkassen nur Verheirateten gewährt. Dies beruhe jedoch allein auf gesellschaftspolitischen Erwägungen. Bei einer privaten Kasse dürfe Gesellschaftspolitik jedoch keine Rolle spielen. Daher sei die Bedingung einer bestehenden Ehe willkürlich und unwirksam.
Allerdings durfte die Versicherung eine Beschränkung auf drei Versuche vornehmen.
Dem Urteil zufolge durfte die Klägerin auch die Erstattung der Kosten von Behandlungsmaßnahmen zur Vermeidung genetischer Schäden des Embryos fordern. Dieses Risiko beruhe im konkreten Fall auf einer Krankheit der Klägerin und damit auf einem Versicherungsfall (OLG Karlsruhe, 13.10.2017, Az. 12 U 107/17).

Gibt es staatliche Zuschüsse zur künstlichen Befruchtung?


In folgenden Bundesländern können Paare einen Zuschuss zu den Kosten einer künstlichen Befruchtung erhalten: Bayern, Berlin, Bremen, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Einen zusätzlichen Zuschuss gibt es vom Bund, jedoch nur in den Bundesländern, die Landes-Förderprogramme unterhalten. Nähere Informationen unter:
https://www.informationsportal-kinderwunsch.de/

Die Förderbedingungen sind jeweils unterschiedlich. In Niedersachsen sind beim ersten bis dritten Versuch abhängig von der Methode 800 bis 900 Euro möglich, beim vierten Versuch, den die Krankenkassen in der Regel nicht mehr bezahlen, verdoppeln sich diese Beträge. Auch Unverheiratete bekommen eine Förderung.

Praxistipp zur künstlichen Befruchtung


Gesetzliche und private Krankenkassen stellen verschiedene Bedingungen für eine Kostenerstattung für eine künstliche Befruchtung. Bei einer Auseinandersetzung mit Ihrer Krankenkasse kann Sie ein Fachanwalt für Sozial- und Sozialversicherungsrecht oder, wenn es um eher medizinische Fragen geht, auch ein Fachanwalt für Medizinrecht unterstützen.

(Wk)


 Günter Warkowski
Anwalt-Suchservice
Juristische Redaktion
E-Mail schreiben Juristische Redaktion