Messie in der Eigentümergemeinschaft: Rausschmiss?
22.03.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
© - freepik Unter Messies versteht man Zeitgenossen, die aufgrund ihres Gemütszustands ihre Wohnung mit Dingen unterschiedlicher Art vollstopfen, bis diese nicht mehr bewohnbar ist. Dies kann einerseits in und für die Wohnung selbst unerwünschte Folgen haben, insbesondere mit Blick auf die Hygiene. Andererseits kann es auch Auswirkungen auf die Nachbarwohnungen haben.
Das sogenannte "Messie-Syndrom" sieht man als eine Art psychische Erkrankung an. Sie äußert sich im zwanghaften Sammeln und Horten von Gegenständen mit eher zweifelhaftem Nutzwert und dem Unvermögen, Ordnung zu halten oder Dinge wegzuwerfen. Dies geht weit über normale Unordnung hinaus - diese allein rechtfertigt es also noch nicht, jemanden als Messie anzusehen. Das entsprechende Verhalten muss schon das Ausmaß einer Zwangsstörung erreicht haben. Chaos in der Wohnung kann jedoch auch eine andere Ursache als das "Messie-Syndrom" haben, etwa Antriebslosigkeit infolge einer Depression. Da "Messies" aus eigener Kraft kaum etwas an ihrem Zustand ändern können, stellen weder Predigten noch kurzfristiges Aufräumen der Wohnung durch Helfer eine dauerhafte Lösung dar.
In einer Wohnungseigentümergemeinschaft geht es nicht um die Frage, ob ein Mietverhältnis gekündigt werden kann oder soll – der Messie ist ein Wohnungseigentümer wie alle anderen auch. Daher hat er entsprechende Rechte und Pflichten. Die letzteren beziehen sich beispielsweise auf die Bezahlung des sogenannten Hausgeldes, das sich aus Betriebs- und Verwaltungskosten zusammensetzt.
Wird ein Messie zu einer allzu großen Belastung für die Gemeinschaft, stellt sich die Frage, ob man ihn aus dieser ausschließen kann. Dafür gibt es eine gesetzliche Möglichkeit. Diese nennt sich "Entziehung des Wohneigentums" und ist geregelt in § 17 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG). Danach kann die Gemeinschaft von einem Eigentümer verlangen, dass dieser seine Wohnung verkauft, wenn er sich einer derart schweren Verletzung seiner Pflichten gegenüber den anderen schuldig gemacht hat, dass diesen die Fortsetzung der Gemeinschaft mit ihm nicht mehr zuzumuten ist.
In einer Hamburger Eigentums-Wohnanlage war einer der Eigentümer unangenehm aufgefallen. Zum Beispiel waren in seiner Wohnung keinerlei Handwerkerarbeiten möglich, weil diese mit allerlei Dingen zu voll gestellt war. Ein von der Gemeinschaft beschlossener Austausch der Fenster war nicht durchzuführen. Auch Kaltwasserzähler konnten nicht installiert werden. Mehrfach war keine Ablesung der Heizung möglich. Das zur Wohnung gehörende Kellerabteil und der Tiefgaragen-Stellplatz waren nach Meinung der Nachbarn "zugemüllt". Als ein Bekannter, der den Mann nicht erreichen konnte, ihn als vermisst meldete, öffnete die Polizei die Wohnung. Diese war "vermüllt" und stank. Es folgte zunächst ein Kammerjäger-Einsatz wegen vermutetem Rattenbefall.
Die Eigentümergemeinschaft klagte auf Entziehung des Wohneigentums. In Abwesenheit des Wohnungsinhabers erging vor dem Amtsgericht Hamburg ein Versäumnisurteil, das ihn zum Verkauf seiner Wohnung verurteilte. Das Amtsgericht argumentierte unter anderem damit, dass er es schuldhaft versäumt habe, sich rechtzeitig bei einem Facharzt in Behandlung zu begeben.
Der Bewohner allerdings legte dann beim Landgericht Hamburg Berufung ein. Und argumentierte: Weder leide er an einem "Messie-Syndrom", noch sammle er Unrat. Was sich in seiner Wohnung abspiele, sei allein seine Angelegenheit. Auch berief er sich auf seine Grundrechte (Eigentum, Wohnung, Handlungsfreiheit).
Das Landgericht schloss sich jedoch der Meinung der Vorinstanz an. Eine Entziehung des Wohneigentums stelle immer einen schweren Grundrechtseingriff dar und sei nur unter sehr engen Voraussetzungen und als letztes Mittel zulässig. Es komme dabei nicht auf Schuld oder Unschuld des jeweiligen Wohnungseigentümers an. Auch Umstände, an denen er keine Schuld trage, könnten das Zusammenleben mit ihm für die anderen unzumutbar machen. Genau dies sei hier der Fall.
Der Fensteraustausch sei für das ganze Haus beschlossen und allein in seiner Wohnung nicht durchgeführt worden. Nur in dieser Wohnung könnten keine Kaltwasserzähler installiert werden. Diese Themen beträfen nicht nur sein Wohneigentum, vielmehr ginge es um das Gemeinschaftseigentum am Haus und eine wirksame Verbrauchsabrechnung für das ganze Gebäude. Der derzeitige Zustand bestehe schon seit Jahren. Der Eigentümer sei auch schon vor Jahren gerichtlich dazu verurteilt worden, sein abgemeldetes Auto von seinem Stellplatz zu entfernen. Auch dieses würde dort immer noch stehen.
Zwar hielt das Gericht dem Beklagten zugute, dass er sich inzwischen in Behandlung begeben hatte. Bisher habe dies jedoch nichts an seinem Wohnverhalten geändert. Für die Zumutbarkeit für die anderen Bewohner sei nicht entscheidend, ob er nun am "Messie-Syndrom" leide oder andere Probleme habe. Die Gemeinschaft habe lange vergeblich versucht, eine Einigung mit ihm zu erzielen - auch mit Hilfe einer Mediatorin. Es habe sich jedoch nichts geändert, und obendrein sei er auch über drei Monate mit den Zahlungen an die Gemeinschaft in Rückstand. Daher wies das Gericht seine Berufung ab (Urteil vom 6.4.2016, Az. 318 S 50/15).
Auch im WEG-Recht lassen sich solche Urteile nur eingeschränkt auf andere Fälle übertragen. Wie immer bei Grundrechtseingriffen geht es um eine Abwägung der widerstreitenden Rechte. Für die Entziehung des Wohnungseigentums sind zwei Fragen entscheidend: Ist der bestehende Zustand für die anderen Eigentümer wirklich unzumutbar? Und: Ist der Hinauswurf des Messies das letzte Mittel, sind also alle anderen Maßnahmen ohne Erfolg geblieben? Im Zweifelsfall empfiehlt es sich, sich dazu von einem Fachanwalt für Wohnungseigentumsrecht beraten zu lassen.
Probleme mit sogenannten Messies gibt es nicht nur in Mietwohnungen, sondern auch in Wohnungseigentümergemeinschaften. Dann fragt es sich, welche Rechte die Wohnungseigentümergemeinschaft hat.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Was versteht man unter dem Messie-Syndrom? Wie geht man in der Eigentümergemeinschaft mit einem Messie um? Vor Gericht: Messie in der Wohnungseigentümergemeinschaft Wie urteilte die zweite Instanz? Praxistipp Was versteht man unter dem Messie-Syndrom?
Das sogenannte "Messie-Syndrom" sieht man als eine Art psychische Erkrankung an. Sie äußert sich im zwanghaften Sammeln und Horten von Gegenständen mit eher zweifelhaftem Nutzwert und dem Unvermögen, Ordnung zu halten oder Dinge wegzuwerfen. Dies geht weit über normale Unordnung hinaus - diese allein rechtfertigt es also noch nicht, jemanden als Messie anzusehen. Das entsprechende Verhalten muss schon das Ausmaß einer Zwangsstörung erreicht haben. Chaos in der Wohnung kann jedoch auch eine andere Ursache als das "Messie-Syndrom" haben, etwa Antriebslosigkeit infolge einer Depression. Da "Messies" aus eigener Kraft kaum etwas an ihrem Zustand ändern können, stellen weder Predigten noch kurzfristiges Aufräumen der Wohnung durch Helfer eine dauerhafte Lösung dar.
Wie geht man in der Eigentümergemeinschaft mit einem Messie um?
In einer Wohnungseigentümergemeinschaft geht es nicht um die Frage, ob ein Mietverhältnis gekündigt werden kann oder soll – der Messie ist ein Wohnungseigentümer wie alle anderen auch. Daher hat er entsprechende Rechte und Pflichten. Die letzteren beziehen sich beispielsweise auf die Bezahlung des sogenannten Hausgeldes, das sich aus Betriebs- und Verwaltungskosten zusammensetzt.
Wird ein Messie zu einer allzu großen Belastung für die Gemeinschaft, stellt sich die Frage, ob man ihn aus dieser ausschließen kann. Dafür gibt es eine gesetzliche Möglichkeit. Diese nennt sich "Entziehung des Wohneigentums" und ist geregelt in § 17 des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG). Danach kann die Gemeinschaft von einem Eigentümer verlangen, dass dieser seine Wohnung verkauft, wenn er sich einer derart schweren Verletzung seiner Pflichten gegenüber den anderen schuldig gemacht hat, dass diesen die Fortsetzung der Gemeinschaft mit ihm nicht mehr zuzumuten ist.
Vor Gericht: Messie in der Wohnungseigentümergemeinschaft
In einer Hamburger Eigentums-Wohnanlage war einer der Eigentümer unangenehm aufgefallen. Zum Beispiel waren in seiner Wohnung keinerlei Handwerkerarbeiten möglich, weil diese mit allerlei Dingen zu voll gestellt war. Ein von der Gemeinschaft beschlossener Austausch der Fenster war nicht durchzuführen. Auch Kaltwasserzähler konnten nicht installiert werden. Mehrfach war keine Ablesung der Heizung möglich. Das zur Wohnung gehörende Kellerabteil und der Tiefgaragen-Stellplatz waren nach Meinung der Nachbarn "zugemüllt". Als ein Bekannter, der den Mann nicht erreichen konnte, ihn als vermisst meldete, öffnete die Polizei die Wohnung. Diese war "vermüllt" und stank. Es folgte zunächst ein Kammerjäger-Einsatz wegen vermutetem Rattenbefall.
Die Eigentümergemeinschaft klagte auf Entziehung des Wohneigentums. In Abwesenheit des Wohnungsinhabers erging vor dem Amtsgericht Hamburg ein Versäumnisurteil, das ihn zum Verkauf seiner Wohnung verurteilte. Das Amtsgericht argumentierte unter anderem damit, dass er es schuldhaft versäumt habe, sich rechtzeitig bei einem Facharzt in Behandlung zu begeben.
Wie urteilte die zweite Instanz?
Der Bewohner allerdings legte dann beim Landgericht Hamburg Berufung ein. Und argumentierte: Weder leide er an einem "Messie-Syndrom", noch sammle er Unrat. Was sich in seiner Wohnung abspiele, sei allein seine Angelegenheit. Auch berief er sich auf seine Grundrechte (Eigentum, Wohnung, Handlungsfreiheit).
Das Landgericht schloss sich jedoch der Meinung der Vorinstanz an. Eine Entziehung des Wohneigentums stelle immer einen schweren Grundrechtseingriff dar und sei nur unter sehr engen Voraussetzungen und als letztes Mittel zulässig. Es komme dabei nicht auf Schuld oder Unschuld des jeweiligen Wohnungseigentümers an. Auch Umstände, an denen er keine Schuld trage, könnten das Zusammenleben mit ihm für die anderen unzumutbar machen. Genau dies sei hier der Fall.
Der Fensteraustausch sei für das ganze Haus beschlossen und allein in seiner Wohnung nicht durchgeführt worden. Nur in dieser Wohnung könnten keine Kaltwasserzähler installiert werden. Diese Themen beträfen nicht nur sein Wohneigentum, vielmehr ginge es um das Gemeinschaftseigentum am Haus und eine wirksame Verbrauchsabrechnung für das ganze Gebäude. Der derzeitige Zustand bestehe schon seit Jahren. Der Eigentümer sei auch schon vor Jahren gerichtlich dazu verurteilt worden, sein abgemeldetes Auto von seinem Stellplatz zu entfernen. Auch dieses würde dort immer noch stehen.
Zwar hielt das Gericht dem Beklagten zugute, dass er sich inzwischen in Behandlung begeben hatte. Bisher habe dies jedoch nichts an seinem Wohnverhalten geändert. Für die Zumutbarkeit für die anderen Bewohner sei nicht entscheidend, ob er nun am "Messie-Syndrom" leide oder andere Probleme habe. Die Gemeinschaft habe lange vergeblich versucht, eine Einigung mit ihm zu erzielen - auch mit Hilfe einer Mediatorin. Es habe sich jedoch nichts geändert, und obendrein sei er auch über drei Monate mit den Zahlungen an die Gemeinschaft in Rückstand. Daher wies das Gericht seine Berufung ab (Urteil vom 6.4.2016, Az. 318 S 50/15).
Praxistipp
Auch im WEG-Recht lassen sich solche Urteile nur eingeschränkt auf andere Fälle übertragen. Wie immer bei Grundrechtseingriffen geht es um eine Abwägung der widerstreitenden Rechte. Für die Entziehung des Wohnungseigentums sind zwei Fragen entscheidend: Ist der bestehende Zustand für die anderen Eigentümer wirklich unzumutbar? Und: Ist der Hinauswurf des Messies das letzte Mittel, sind also alle anderen Maßnahmen ohne Erfolg geblieben? Im Zweifelsfall empfiehlt es sich, sich dazu von einem Fachanwalt für Wohnungseigentumsrecht beraten zu lassen.
(Ma)