Mobbing- Wie sich Arbeitnehmer wehren können!
22.07.2019, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Bu - Anwalt-Suchservice Im Berufsalltag hat sich Mobbing in den letzten Jahren zu einem bedeutenden Thema entwickelt, das auch die Gerichte immer häufiger beschäftigt. Denn: Auch von Mobbing Betroffene haben Rechte! Oft wird um Schmerzensgeldansprüche gestritten, und Mobber müssen durchaus mit unangenehmen Folgen für ihr Arbeitsverhältnis rechnen.
Die Auswirkungen von Mobbing am Arbeitsplatz können für die Betroffenen dramatisch sein: Mittlerweile ist anerkannt, dass schwere seelische und körperliche Erkrankungen die Folge von Mobbing sein können.
Das Bundesarbeitsgericht definiert Mobbing am Arbeitsplatz als jedes systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte. Dabei muss man Mobbing sehr genau unterscheiden von herkömmlichen Streitigkeiten am Arbeitsplatz, zu denen es immer wieder kommen kann. Auch eine Abmahnung oder fristlose Kündigung an sich stellen noch kein Mobbing dar (Arbeitsgericht Wuppertal, Az. 6 Ca 3382/11), ebensowenig wie der unterlassene Gruß eines chronisch gestressten Vorgesetzten. Beim Mobbing kommt es auf das systematische Vorgehen des Mobbers an, welches unter Umständen das Ziel hat, den anderen Arbeitnehmer selbst zur Kündigung zu treiben.
Dem Arbeitgeber obliegt es grundsätzlich im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht, seine Arbeitnehmer vor Mobbing zu schützen. Er ist dazu verpflichtet, die freie Entfaltung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu fördern (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, § 75 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz), dessen Leben und Gesundheit zu schützen (Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz, § 3 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz) und Benachteiligungen von Arbeitnehmern aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität (§ 75 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz, § 7 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) zu unterbinden.
Wenn der Arbeitgeber gegen diese Pflichten verstößt, haftet er dem betroffenen Beschäftigten auf Schadensersatz. Dies gilt auch, wenn er das Mobbing lediglich duldet und nicht selbst begeht.
Wer im Arbeitsalltag durch Mobbing betroffen ist, hat folgende Rechte.
- Beschwerderecht
Nach § 13 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz und §§ 84 und 85 Betriebsverfassungsgesetz können Arbeitnehmer ein Beschwerderecht geltend machen, wenn sie sich vom Arbeitgeber oder von Kollegen ungerecht behandelt oder in anderer Weise beeinträchtigt fühlen. Sie können sich dann bei den zuständigen Stellen des Betriebes beschweren. Auch der Betriebsrat, soweit vorhanden, hat Beschwerden anzunehmen und ggf. beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinzuwirken. Dieses Beschwerderecht steht auch Mobbing-Betroffenen zu.
- Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung
Mobbing-Geschädigte können vom Arbeitgeber nach § 1004 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) die Beseitigung der Beeinträchtigung und das Unterlassen zukünftiger Verletzungshandlungen verlangen. Allerdings können sie nicht die Entlassung eines anderen Arbeitnehmers fordern.
- Leistungsverweigerungsrecht
Wenn der Arbeitgeber keine ausreichende Maßnahmen unternimmt, um den betroffenen Arbeitnehmer zu schützen, kann dieser unter Umständen seine Arbeitsleistung verweigern und zwar so lange, bis der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht tatsächlich nachgekommen ist. Hier ist es besonders wichtig, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine beabsichtigte Leistungsverweigerung unter Angabe von ganz konkreten nachvollziehbaren Gründen mitteilt. Denn: Eine Leistungsverweigerung stellt einen Kündigungsgrund dar. Mit diesem Mittel sollte man daher sehr vorsichtig umgehen und sinnvollerweise vorher fachkundige Beratung in Anspruch nehmen.
- Schadensersatzansprüche
Zivilrechtlich können Geschädigte ihre Schäden zum Beispiel an Gesundheit oder Eigentum nach § 823 BGB gegenüber den mobbenden Kollegen oder dem mobbenden Chef als Entschädigung in Geld einfordern.
Das Verwaltungsgericht Halle hat 2019 einer Beamtin Schmerzensgeld wegen Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zuerkannt.
Die Klägerin hatte einen Fachbereich der beklagten Gemeinde geleitet. Während sie krank war, reduzierte der Oberbürgermeister die vorhandenen Fachbereiche von vier auf drei und versetzte die Klägerin auf eine "Stabsstelle Recht". Ihr bisheriges Büro wurde geräumt und ihre Möbel und Akten in einen Raum im Dachgeschoss gebracht, der schon Jahre zuvor von der zuständigen Behörde als nicht sicher erreichbar bemängelt worden war: Das Zimmer war nur über eine steile Treppe und eine Leiter zu erreichen.
Eine gerichtliche einstweilige Verfügung, die Klägerin amtsangemessen zu beschäftigen, wurde ebenso wie ein entsprechendes Urteil ignoriert, so dass die Vollstreckung eingeleitet werden musste. Eine längere Erkrankung der Klägerin auch infolge der Arbeitssituation führte zu einer dienstlichen Anweisung, sich vom Amtsarzt auf Diensttauglichkeit untersuchen zu lassen. Als die Klägerin einen Antrag auf eine anlassbezogene Beurteilung stellte, wurde ihr stattdessen ein Zeugnis für das Ende des Beamtenverhältnisses erteilt. Schließlich wurde sie zu einem anderen Dienstherrn versetzt.
Das VG Halle sah im Verhalten des Bürgermeisters Mobbing, durch das die Klägerin eine Persönlichkeitsverletzung und eine Gesundheitsschädigung erlitten habe. Das Gericht sprach ihr 23.000 Euro Schadensersatz sowie den Ersatz aller weiteren materiellen Schäden zu (Urteil vom 27.3.2019, Az. 5 A 519/16 HAL).
Eine bei einer anderen Gemeinde beschäftigte Diplom-Ökonomin war der Ansicht, seit Jahren Schikanen ausgesetzt zu sein, die sie als Mobbing wertete. Sie forderte Schmerzensgeld in Höhe von 893.000 Euro – allerdings ohne Erfolg.
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf betonte, dass nicht jede berechtigte oder überzogene Kritik durch den Arbeitgeber eine Persönlichkeitsverletzung darstelle. Auch die Klägerin selbst übe des Öfteren Kritik in heftiger Form. Ursache für die Differenzen waren hier Streitigkeiten über Arbeits- und Anwesenheitszeiten gewesen, abgelehnte Wünsche nach (das Budget überschreitenden) Schulungen, Kritik an ihrer Arbeit und abfällige Bemerkungen von Kollegen. Die Klägerin hatte eine Mediation von dem Eingeständnis des angeblichen Mobbing durch die Vorgesetzten abhängig gemacht. Das Gericht sah hier kein Gesamtverhalten, das als Mobbing zu werten sei – allenfalls handle es sich um überzogene Kritik (LAG Düsseldorf, Urteil vom 26.3.2013, Az. 17 SA 602/12).
Ein Schmerzensgeldanspruch wegen Mobbing kann zwar verwirkt werden, dafür genügen jedoch ein bloßes „Zuwarten“ oder die Untätigkeit des Anspruchstellers nicht. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht.
Der Kläger hatte gegen seinen früheren Vorgesetzten einen Schmerzensgeldanspruch wegen Verletzung der Gesundheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Höhe von 10.000 Euro geltend gemacht. Grund waren Vorfälle in 2006 bis 2008, die er als Isolierung, Herabwürdigung und Schikane ansah. Der Kläger war 2007 an 52 Tagen, 2008 an 216 Tagen und 2009 durchgängig bis August arbeitsunfähig, unter anderem wegen Depressionen. Er klagte erst 2010.
Das Landesarbeitsgericht lehnte einen Schmerzensgeldanspruch zunächst wegen Verwirkung ab. Das Bundesarbeitsgericht kippte diese Entscheidung. Eine Verwirkung erfordere ganz besondere Umstände und scheide hier aus. Ein bloßes Abwarten sei nicht „treuwidrig“. Die gesetzliche Verjährungsfrist dürfe nicht ohne Weiteres unterlaufen werden. Das Verfahren wurde an die Vorinstanz zurückverwiesen, die prüfen sollte, ob Mobbing vorlag (BAG, Az. 8 AZR 838/13).
Mobbing am Arbeitsplatz und seine gesundheitlichen Folgen gelten weder als Berufskrankheit noch als Arbeitsunfall. Damit sind sie auch nicht von der gesetzlichen Unfallversicherung zu entschädigen. So entschied das Hessische Landessozialgericht. In dem Fall ging es um eine Frau, die sich aufgrund negativer Gerüchte am Arbeitsplatz gemobbt fühlte. Sie litt daher an psychischen Gesundheitsstörungen. Von der Unfallversicherung wollte sie dafür eine Entschädigung. Das Gericht sah jedoch Mobbing und die hierauf beruhenden Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht als Berufskrankheit an. Es sei gar nicht möglich, die Erkrankung "wie" eine Berufskrankheit zu entschädigen, da keine Erkenntnisse vorlägen, dass eine bestimmte Berufsgruppe bei ihrer Tätigkeit in höherem Maße als die übrige Bevölkerung Mobbing ausgesetzt sei – was nun einmal die Voraussetzung für eine Berufskrankheit ist. Mobbing komme in allen Berufsgruppen sowie im privaten Umfeld vor. Es handle sich auch nicht um eine höchstens auf eine Arbeitsschicht begrenzte Einwirkung, womit auch ein Arbeitsunfall auscheide. Aber: Führe ein konkreter Mobbing-Vorfall zum Beispiel zu einem Herzinfarkt, könne die Sache anders ausgehen (Az. L 3 U 199/11).
Möglich sind zivirechtliche und strafrechtliche Folgen. Versucht ein Arbeitgeber, mit Mobbingmaßnahmen einen Arbeitnehmer zur Kündigung zu drängen, muss er diesem Schmerzensgeld und Schadensersatz bezahlen. Das betonte das Arbeitsgericht Cottbus (Az. 7 Ca 1960/08). Der Arbeitgeber hatte nach Ansicht des Gerichts mit dem Mobbing das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiterin verletzt. Es ging dabei zum Beispiel um unbegründete Hausverbote und beleidigende Äußerungen über Frauen im Allgemeinen und die Arbeitnehmerin im Besonderen. Fällig wurde ein Schmerzensgeld von 30.000 Euro.
Mobbing verletzt aber auch Straftatbestände: In Frage kommen hier etwa Beleidigung, Verleumdung, üble Nachrede, Nötigung oder Bedrohung. Dann droht dem Mobber ein Strafverfahren, in dem er zumindest eine saftige Geldstrafe zu erwarten hat. Hier ist eine Strafanzeige bei der Polizei erforderlich.
Manche Unternehmen haben bereits eine zuständige Stelle für derartige Beschwerden eingerichtet, etwa einen Konfliktbeauftragten bestimmt. Falls dies nicht der Fall ist, kann zuerst der direkte Vorgesetzte angesprochen werden – oder, falls dieser selbst der Mobber ist, eben der nächsthöhere. Arbeitnehmer können ein Mitglied des Betriebsrates bitten, sie dabei zu unterstützen bzw. zu vermitteln. Die Beschwerde kann jedoch auch beim Betriebsrat selbst eingereicht werden. Erscheint sie begründet, ist dieser gehalten, beim Arbeitgeber auf Abhilfe zu dringen. Der Arbeitgeber hat nach § 84 Betriebsverfassungsgesetz Beschwerden von Arbeitnehmern zu prüfen und ihnen das Ergebnis mitzuteilen. Wenn er die Beschwerde für begründet hält, muss er Abhilfe schaffen. Dem Arbeitnehmer dürfen durch die Beschwerde keine Nachteile entstehen (§ 84 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz).
Ob vor Gericht oder beim Vorgesetzten oder beim Betriebsrat: Der Geschädigte wird seine Vorwürfe immer glaubhaft machen bzw. beweisen müssen. Helfen kann dabei ein Mobbingtagebuch, in dem die Vorfälle mit Datum aufgeführt sind. Auch Zeugen sind hilfreich. Haben womöglich schon andere Kollegen aus ähnlichen Gründen gekündigt? Sind diese bereit, auszusagen? Arbeitnehmer sollten sich hier an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht wenden.
Mobbing unter Kollegen ist leider nicht selten. Gemobbte Arbeitnehmer haben oft mit erheblichen Folgen zu kämpfen. Welche Rechte Mobbingopfer haben, erklären wir in diesem Rechtstipp.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Wann spricht man von Mobbing am Arbeitsplatz? Welche Fürsorgepflicht hat der Arbeitgeber? Welche Rechte haben Mobbing-Geschädigte? Urteil: Beamtin hat Anspruch auf Schmerzensgeld Urteil: Überzogene Kritik ist kein Mobbing Wann ist ein Schmerzensgeldanspruch wegen Mobbing verwirkt? Wann gelten die Folgen von Mobbing als Arbeitsunfall oder Berufskrankheit? Welche Folgen drohen Mobbern? Was tun, wenn man gemobbt wird? Praxistipp Wann spricht man von Mobbing am Arbeitsplatz?
Die Auswirkungen von Mobbing am Arbeitsplatz können für die Betroffenen dramatisch sein: Mittlerweile ist anerkannt, dass schwere seelische und körperliche Erkrankungen die Folge von Mobbing sein können.
Das Bundesarbeitsgericht definiert Mobbing am Arbeitsplatz als jedes systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte. Dabei muss man Mobbing sehr genau unterscheiden von herkömmlichen Streitigkeiten am Arbeitsplatz, zu denen es immer wieder kommen kann. Auch eine Abmahnung oder fristlose Kündigung an sich stellen noch kein Mobbing dar (Arbeitsgericht Wuppertal, Az. 6 Ca 3382/11), ebensowenig wie der unterlassene Gruß eines chronisch gestressten Vorgesetzten. Beim Mobbing kommt es auf das systematische Vorgehen des Mobbers an, welches unter Umständen das Ziel hat, den anderen Arbeitnehmer selbst zur Kündigung zu treiben.
Welche Fürsorgepflicht hat der Arbeitgeber?
Dem Arbeitgeber obliegt es grundsätzlich im Rahmen seiner arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht, seine Arbeitnehmer vor Mobbing zu schützen. Er ist dazu verpflichtet, die freie Entfaltung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu fördern (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz, § 75 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz), dessen Leben und Gesundheit zu schützen (Art. 2 Abs. 2 Grundgesetz, § 3 Abs. 1 Arbeitsschutzgesetz) und Benachteiligungen von Arbeitnehmern aus Gründen ihrer Rasse oder wegen ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Abstammung oder sonstigen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, ihres Alters, ihrer politischen oder gewerkschaftlichen Betätigung oder Einstellung oder wegen ihres Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität (§ 75 Abs. 1 Betriebsverfassungsgesetz, § 7 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) zu unterbinden.
Wenn der Arbeitgeber gegen diese Pflichten verstößt, haftet er dem betroffenen Beschäftigten auf Schadensersatz. Dies gilt auch, wenn er das Mobbing lediglich duldet und nicht selbst begeht.
Welche Rechte haben Mobbing-Geschädigte?
Wer im Arbeitsalltag durch Mobbing betroffen ist, hat folgende Rechte.
- Beschwerderecht
Nach § 13 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz und §§ 84 und 85 Betriebsverfassungsgesetz können Arbeitnehmer ein Beschwerderecht geltend machen, wenn sie sich vom Arbeitgeber oder von Kollegen ungerecht behandelt oder in anderer Weise beeinträchtigt fühlen. Sie können sich dann bei den zuständigen Stellen des Betriebes beschweren. Auch der Betriebsrat, soweit vorhanden, hat Beschwerden anzunehmen und ggf. beim Arbeitgeber auf Abhilfe hinzuwirken. Dieses Beschwerderecht steht auch Mobbing-Betroffenen zu.
- Anspruch auf Beseitigung der Beeinträchtigung
Mobbing-Geschädigte können vom Arbeitgeber nach § 1004 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) die Beseitigung der Beeinträchtigung und das Unterlassen zukünftiger Verletzungshandlungen verlangen. Allerdings können sie nicht die Entlassung eines anderen Arbeitnehmers fordern.
- Leistungsverweigerungsrecht
Wenn der Arbeitgeber keine ausreichende Maßnahmen unternimmt, um den betroffenen Arbeitnehmer zu schützen, kann dieser unter Umständen seine Arbeitsleistung verweigern und zwar so lange, bis der Arbeitgeber seiner Fürsorgepflicht tatsächlich nachgekommen ist. Hier ist es besonders wichtig, dass der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine beabsichtigte Leistungsverweigerung unter Angabe von ganz konkreten nachvollziehbaren Gründen mitteilt. Denn: Eine Leistungsverweigerung stellt einen Kündigungsgrund dar. Mit diesem Mittel sollte man daher sehr vorsichtig umgehen und sinnvollerweise vorher fachkundige Beratung in Anspruch nehmen.
- Schadensersatzansprüche
Zivilrechtlich können Geschädigte ihre Schäden zum Beispiel an Gesundheit oder Eigentum nach § 823 BGB gegenüber den mobbenden Kollegen oder dem mobbenden Chef als Entschädigung in Geld einfordern.
Urteil: Beamtin hat Anspruch auf Schmerzensgeld
Das Verwaltungsgericht Halle hat 2019 einer Beamtin Schmerzensgeld wegen Verletzung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers zuerkannt.
Die Klägerin hatte einen Fachbereich der beklagten Gemeinde geleitet. Während sie krank war, reduzierte der Oberbürgermeister die vorhandenen Fachbereiche von vier auf drei und versetzte die Klägerin auf eine "Stabsstelle Recht". Ihr bisheriges Büro wurde geräumt und ihre Möbel und Akten in einen Raum im Dachgeschoss gebracht, der schon Jahre zuvor von der zuständigen Behörde als nicht sicher erreichbar bemängelt worden war: Das Zimmer war nur über eine steile Treppe und eine Leiter zu erreichen.
Eine gerichtliche einstweilige Verfügung, die Klägerin amtsangemessen zu beschäftigen, wurde ebenso wie ein entsprechendes Urteil ignoriert, so dass die Vollstreckung eingeleitet werden musste. Eine längere Erkrankung der Klägerin auch infolge der Arbeitssituation führte zu einer dienstlichen Anweisung, sich vom Amtsarzt auf Diensttauglichkeit untersuchen zu lassen. Als die Klägerin einen Antrag auf eine anlassbezogene Beurteilung stellte, wurde ihr stattdessen ein Zeugnis für das Ende des Beamtenverhältnisses erteilt. Schließlich wurde sie zu einem anderen Dienstherrn versetzt.
Das VG Halle sah im Verhalten des Bürgermeisters Mobbing, durch das die Klägerin eine Persönlichkeitsverletzung und eine Gesundheitsschädigung erlitten habe. Das Gericht sprach ihr 23.000 Euro Schadensersatz sowie den Ersatz aller weiteren materiellen Schäden zu (Urteil vom 27.3.2019, Az. 5 A 519/16 HAL).
Urteil: Überzogene Kritik ist kein Mobbing
Eine bei einer anderen Gemeinde beschäftigte Diplom-Ökonomin war der Ansicht, seit Jahren Schikanen ausgesetzt zu sein, die sie als Mobbing wertete. Sie forderte Schmerzensgeld in Höhe von 893.000 Euro – allerdings ohne Erfolg.
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf betonte, dass nicht jede berechtigte oder überzogene Kritik durch den Arbeitgeber eine Persönlichkeitsverletzung darstelle. Auch die Klägerin selbst übe des Öfteren Kritik in heftiger Form. Ursache für die Differenzen waren hier Streitigkeiten über Arbeits- und Anwesenheitszeiten gewesen, abgelehnte Wünsche nach (das Budget überschreitenden) Schulungen, Kritik an ihrer Arbeit und abfällige Bemerkungen von Kollegen. Die Klägerin hatte eine Mediation von dem Eingeständnis des angeblichen Mobbing durch die Vorgesetzten abhängig gemacht. Das Gericht sah hier kein Gesamtverhalten, das als Mobbing zu werten sei – allenfalls handle es sich um überzogene Kritik (LAG Düsseldorf, Urteil vom 26.3.2013, Az. 17 SA 602/12).
Wann ist ein Schmerzensgeldanspruch wegen Mobbing verwirkt?
Ein Schmerzensgeldanspruch wegen Mobbing kann zwar verwirkt werden, dafür genügen jedoch ein bloßes „Zuwarten“ oder die Untätigkeit des Anspruchstellers nicht. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht.
Der Kläger hatte gegen seinen früheren Vorgesetzten einen Schmerzensgeldanspruch wegen Verletzung der Gesundheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Höhe von 10.000 Euro geltend gemacht. Grund waren Vorfälle in 2006 bis 2008, die er als Isolierung, Herabwürdigung und Schikane ansah. Der Kläger war 2007 an 52 Tagen, 2008 an 216 Tagen und 2009 durchgängig bis August arbeitsunfähig, unter anderem wegen Depressionen. Er klagte erst 2010.
Das Landesarbeitsgericht lehnte einen Schmerzensgeldanspruch zunächst wegen Verwirkung ab. Das Bundesarbeitsgericht kippte diese Entscheidung. Eine Verwirkung erfordere ganz besondere Umstände und scheide hier aus. Ein bloßes Abwarten sei nicht „treuwidrig“. Die gesetzliche Verjährungsfrist dürfe nicht ohne Weiteres unterlaufen werden. Das Verfahren wurde an die Vorinstanz zurückverwiesen, die prüfen sollte, ob Mobbing vorlag (BAG, Az. 8 AZR 838/13).
Wann gelten die Folgen von Mobbing als Arbeitsunfall oder Berufskrankheit?
Mobbing am Arbeitsplatz und seine gesundheitlichen Folgen gelten weder als Berufskrankheit noch als Arbeitsunfall. Damit sind sie auch nicht von der gesetzlichen Unfallversicherung zu entschädigen. So entschied das Hessische Landessozialgericht. In dem Fall ging es um eine Frau, die sich aufgrund negativer Gerüchte am Arbeitsplatz gemobbt fühlte. Sie litt daher an psychischen Gesundheitsstörungen. Von der Unfallversicherung wollte sie dafür eine Entschädigung. Das Gericht sah jedoch Mobbing und die hierauf beruhenden Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht als Berufskrankheit an. Es sei gar nicht möglich, die Erkrankung "wie" eine Berufskrankheit zu entschädigen, da keine Erkenntnisse vorlägen, dass eine bestimmte Berufsgruppe bei ihrer Tätigkeit in höherem Maße als die übrige Bevölkerung Mobbing ausgesetzt sei – was nun einmal die Voraussetzung für eine Berufskrankheit ist. Mobbing komme in allen Berufsgruppen sowie im privaten Umfeld vor. Es handle sich auch nicht um eine höchstens auf eine Arbeitsschicht begrenzte Einwirkung, womit auch ein Arbeitsunfall auscheide. Aber: Führe ein konkreter Mobbing-Vorfall zum Beispiel zu einem Herzinfarkt, könne die Sache anders ausgehen (Az. L 3 U 199/11).
Welche Folgen drohen Mobbern?
Möglich sind zivirechtliche und strafrechtliche Folgen. Versucht ein Arbeitgeber, mit Mobbingmaßnahmen einen Arbeitnehmer zur Kündigung zu drängen, muss er diesem Schmerzensgeld und Schadensersatz bezahlen. Das betonte das Arbeitsgericht Cottbus (Az. 7 Ca 1960/08). Der Arbeitgeber hatte nach Ansicht des Gerichts mit dem Mobbing das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mitarbeiterin verletzt. Es ging dabei zum Beispiel um unbegründete Hausverbote und beleidigende Äußerungen über Frauen im Allgemeinen und die Arbeitnehmerin im Besonderen. Fällig wurde ein Schmerzensgeld von 30.000 Euro.
Mobbing verletzt aber auch Straftatbestände: In Frage kommen hier etwa Beleidigung, Verleumdung, üble Nachrede, Nötigung oder Bedrohung. Dann droht dem Mobber ein Strafverfahren, in dem er zumindest eine saftige Geldstrafe zu erwarten hat. Hier ist eine Strafanzeige bei der Polizei erforderlich.
Was tun, wenn man gemobbt wird?
Manche Unternehmen haben bereits eine zuständige Stelle für derartige Beschwerden eingerichtet, etwa einen Konfliktbeauftragten bestimmt. Falls dies nicht der Fall ist, kann zuerst der direkte Vorgesetzte angesprochen werden – oder, falls dieser selbst der Mobber ist, eben der nächsthöhere. Arbeitnehmer können ein Mitglied des Betriebsrates bitten, sie dabei zu unterstützen bzw. zu vermitteln. Die Beschwerde kann jedoch auch beim Betriebsrat selbst eingereicht werden. Erscheint sie begründet, ist dieser gehalten, beim Arbeitgeber auf Abhilfe zu dringen. Der Arbeitgeber hat nach § 84 Betriebsverfassungsgesetz Beschwerden von Arbeitnehmern zu prüfen und ihnen das Ergebnis mitzuteilen. Wenn er die Beschwerde für begründet hält, muss er Abhilfe schaffen. Dem Arbeitnehmer dürfen durch die Beschwerde keine Nachteile entstehen (§ 84 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz).
Praxistipp
Ob vor Gericht oder beim Vorgesetzten oder beim Betriebsrat: Der Geschädigte wird seine Vorwürfe immer glaubhaft machen bzw. beweisen müssen. Helfen kann dabei ein Mobbingtagebuch, in dem die Vorfälle mit Datum aufgeführt sind. Auch Zeugen sind hilfreich. Haben womöglich schon andere Kollegen aus ähnlichen Gründen gekündigt? Sind diese bereit, auszusagen? Arbeitnehmer sollten sich hier an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht wenden.
(Wk)