Verkehrsunfall: Nutzungsausfall für Fahrrad und Motorrad?
01.09.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Bu - Anwalt-Suchservice Eine Nutzungsausfall-Entschädigung muss von der Versicherung des Unfallgegners für die Zeit gezahlt werden, in der das Fahrzeug wegen der Reparatur oder einer Ersatzbeschaffung (bei Totalschaden) nicht genutzt werden konnte. Gerichte gewähren eine Nutzungsausfall-Entschädigung oft nur dann, wenn das verunfallte Fahrzeug im Alltagsbetrieb genutzt wurde, also etwa für Fahrten zur Arbeit und zum Einkaufen. Für Zweitfahrzeuge, die in der Freizeit genutzt werden, gibt es diese Entschädigung meist nicht. Gelten nun aber Motorräder generell als Freizeitfahrzeuge? Und was ist mit dem Fahrrad?
Bei einem Verkehrsunfall war eine Harley-Davidson Electra-Glide beschädigt worden. Das Motorrad musste zur Reparatur in die Fachwerkstatt - und blieb dort für insgesamt 78 Tage.
Der Halter des Motorrads verlangte daraufhin von der beklagten Versicherung Nutzungsausfall in Höhe von 5.148 Euro (78 Tage x 66 Euro Tagessatz). Die gegnerische Versicherung wendete ein, keinen Nutzungsausfall erstatten zu müssen: Der Kläger könne ja auf seinen privaten Pkw zurückgreifen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hielt trotzdem fest: Grundsätzlich habe der Kläger Anspruch auf eine Entschädigung für den Nutzungsausfall.
Unumstritten war die Tatsache, dass dem Kläger während des Ausfallzeitraums ein Auto zur Verfügung stand. Nach Ansicht des Gerichts stand dies der Nutzungsausfall-Entschädigung nicht entgegen. Denn: Der Gebrauchsvorteil der Harley-Davidson könne nicht durch die Nutzung des PKW ersetzt werden. Die jeweiligen Nutzungswerte der Fahrzeuge entsprächen sich nicht, weil das Motorrad der Luxusklasse angehöre.
Allerdings müsse sich der Kläger hinsichtlich des geltend gemachten Zeitraums eine Begrenzung seines Anspruchs gefallen lassen. Es sei davon auszugehen, dass sein Nutzungswille nicht für die vollen 78 Tage bestand (z. B. bei schlechtem Wetter). Daher kürzte das OLG Düsseldorf den Anspruch um 1/3. Somit wurde die beklagte Versicherung verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung für den Nutzungsausfall in Höhe von 3.432 Euro zu zahlen (Urteil vom 19.5.2008, Az. I-1 U 199/07).
Einige Jahre später sah der Bundesgerichtshof dies enger: Er entschied, dass es für ein Motorrad, welches als Zweitfahrzeug neben einem Auto gehalten wird, keine Nutzungsausfall-Entschädigung gibt. Nach einem Unfall muss der Fahrer auf das Auto umsteigen. Welches Fahrzeug höherwertig ist oder mehr Fahrspaß bietet, hat der BGH nicht berücksichtigt (Beschluss vom 13.12.2011, Az. VI ZA 40/11).
In einem anderen Fall vor dem Bundesgerichtshof ging es um ein Motorrad des Typs Honda CBF 1000, das aus Unachtsamkeit im Stand umgestoßen und dabei beschädigt worden war. Der Motorradfahrer wollte hier eine Nutzungsausfall-Entschädigung für 40 Tage (1.775 Euro) einklagen. Das Bike war nicht ganzjährig zugelassen, sondern nur von März bis Oktober - und es wurde nur bei gutem Wetter im Alltag genutzt. Bei schlechtem Wetter und im Winter nutzte der Kläger eine Jahreskarte und fuhr mit dem ÖPNV.
Während die Vorinstanzen dem Kläger wegen dieser Konstruktion den Willen abgesprochen hatten, das Motorrad als Alltagsfahrzeug zu nutzen, sah der BGH den Ausfall der Nutzungsmöglichkeit als ersatzfähigen Schaden an. Dass er sein Motorrad nur bei gutem Wetter nutze, um zur Arbeit zu fahren, bedeute nur, dass sein Schadensersatz zu reduzieren sei, wenn es im konkreten Zeitraum geregnet habe - aber nicht, dass er grundsätzlich keinen Nutzungsausfall verlangen könne. Immerhin sei das Motorrad sein einziges Fahrzeug (Urteil vom 23.1.2018, Az. VI ZR 57/17).
In einem anderen Fall stritten die Parteien über die Zahlung von Nutzungsausfall für ein beschädigtes Fahrrad. Der Kläger - Inhaber einer Autovermietung - verlangte von der Versicherung eines Unfallgegners Nutzungsausfall in Höhe von 1.050 Euro, da er sein Fahrrad, welches einen Neupreis von ca. 4.000 Euro hatte, 35 Tage lang nicht nutzen konnte. Das Landgericht Lübeck entschied, dass der Anspruch grundsätzlich bestand. Nur die Höhe des Nutzungsausfalls sei überzogen und wurde daher herabgesetzt.
Voraussetzung für einen Nutzungsausfallanspruch ist, dass die Nutzung fühlbar beeinträchtigt ist. Früher galt dies nur für Fälle, in denen ein Kraftfahrzeug beschädigt wurde. Mittlerweile ist diese Rechtsprechung jedoch auch auf andere Gebrauchsgegenstände übertragen worden. Daher fällt auch ein Fahrrad darunter. Der Geschädigte nutzte sein Fahrrad täglich auf dem Weg zur Arbeit. Daher war die Voraussetzung erfüllt, dass er auf die ständige Verfügbarkeit angewiesen war.
Auch die Tatsache, dass der Kläger noch weitere Fahrräder zur Verfügung hatte, stand dem Anspruch auf Nutzungsausfall-Entschädigung nicht entgegen, da diese Fahrräder sich nicht in einem ordnungsgemäßen Zustand befanden. Es sei nicht sachgerecht, den Geschädigten auf den Gebrauch eines Fahrrades zu verweisen, das nicht verkehrssicher sei. Auch müsse er das Fahrrad nicht nachrüsten, denn dies würde im Rahmen der Schadenminderungspflicht nicht zu einer wesentlichen Kostenreduzierung führen. Es wäre auch unerheblich, dass der Geschädigte Inhaber einer Autovermietung sei: Er sei nicht verpflichtet, eines seiner Mietfahrzeuge zu nutzen und damit auf eventuelle Mieteinnahmen zu verzichten.
Da es keine Tabelle für Fahrräder und deren Nutzungsausfall gibt, wurde der Wert des Nutzungsausfalls durch einen Sachverständigen geschätzt. Dabei zog man die Mietkosten für ein vergleichbares Fahrrad heran und kürzte die Höhe des Nutzungsausfalls um 40 Prozent des Gewinns für den Vermieter. So ergab sich folgende Schätzung: 99 Euro für die erste Woche, für jeden weiteren Tag 12 - 13 Euro und ab der dritten Woche 50 Prozent des Tagesmietpreises. Für fünf Wochen ergab sich ein Betrag von 326,50 Euro. Dieser war noch um den geschätzten Vermietergewinn in Höhe von 40 Prozent zu kürzen.
Letztendlich bekam der Kläger eine Nutzungsausfall-Entschädigung in Höhe von 195,90 Euro (Urteil vom 8.7.2011, Az. 1 S 16/11).
Auch für Motorrad und Fahrrad kann es nach einem Unfall eine Nutzungsausfall-Entschädigung geben. Weigert sich die gegnerische Versicherung, zu zahlen, kann Ihnen ein auf das Verkehrsrecht spezialisierter Rechtsanwalt mit Rat und Tat weiterhelfen.
Nach einem fremdverschuldeten Unfall kann man eine Entschädigung für die Zeit verlangen, in der man sein Fahrzeug nicht nutzen konnte. Aber: Gilt dies nur für Autos - oder auch fürs Fahrrad oder Motorrad?
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Wann bekommt man Nutzungsausfall für eine Harley? Konnte sich die Motorrad-freundliche Rechtsprechung durchsetzen? Was gilt, wenn man das Motorrad nur bei gutem Wetter nutzt? Wann gibt es Nutzungsausfall für ein Fahrrad? Wie wird die Nutzungsentschädigung für ein Fahrrad berechnet? Praxistipp zur Nutzungsentschädigung Wann bekommt man Nutzungsausfall für eine Harley?
Bei einem Verkehrsunfall war eine Harley-Davidson Electra-Glide beschädigt worden. Das Motorrad musste zur Reparatur in die Fachwerkstatt - und blieb dort für insgesamt 78 Tage.
Der Halter des Motorrads verlangte daraufhin von der beklagten Versicherung Nutzungsausfall in Höhe von 5.148 Euro (78 Tage x 66 Euro Tagessatz). Die gegnerische Versicherung wendete ein, keinen Nutzungsausfall erstatten zu müssen: Der Kläger könne ja auf seinen privaten Pkw zurückgreifen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hielt trotzdem fest: Grundsätzlich habe der Kläger Anspruch auf eine Entschädigung für den Nutzungsausfall.
Unumstritten war die Tatsache, dass dem Kläger während des Ausfallzeitraums ein Auto zur Verfügung stand. Nach Ansicht des Gerichts stand dies der Nutzungsausfall-Entschädigung nicht entgegen. Denn: Der Gebrauchsvorteil der Harley-Davidson könne nicht durch die Nutzung des PKW ersetzt werden. Die jeweiligen Nutzungswerte der Fahrzeuge entsprächen sich nicht, weil das Motorrad der Luxusklasse angehöre.
Allerdings müsse sich der Kläger hinsichtlich des geltend gemachten Zeitraums eine Begrenzung seines Anspruchs gefallen lassen. Es sei davon auszugehen, dass sein Nutzungswille nicht für die vollen 78 Tage bestand (z. B. bei schlechtem Wetter). Daher kürzte das OLG Düsseldorf den Anspruch um 1/3. Somit wurde die beklagte Versicherung verurteilt, an den Kläger eine Entschädigung für den Nutzungsausfall in Höhe von 3.432 Euro zu zahlen (Urteil vom 19.5.2008, Az. I-1 U 199/07).
Konnte sich die Motorrad-freundliche Rechtsprechung durchsetzen?
Einige Jahre später sah der Bundesgerichtshof dies enger: Er entschied, dass es für ein Motorrad, welches als Zweitfahrzeug neben einem Auto gehalten wird, keine Nutzungsausfall-Entschädigung gibt. Nach einem Unfall muss der Fahrer auf das Auto umsteigen. Welches Fahrzeug höherwertig ist oder mehr Fahrspaß bietet, hat der BGH nicht berücksichtigt (Beschluss vom 13.12.2011, Az. VI ZA 40/11).
Was gilt, wenn man das Motorrad nur bei gutem Wetter nutzt?
In einem anderen Fall vor dem Bundesgerichtshof ging es um ein Motorrad des Typs Honda CBF 1000, das aus Unachtsamkeit im Stand umgestoßen und dabei beschädigt worden war. Der Motorradfahrer wollte hier eine Nutzungsausfall-Entschädigung für 40 Tage (1.775 Euro) einklagen. Das Bike war nicht ganzjährig zugelassen, sondern nur von März bis Oktober - und es wurde nur bei gutem Wetter im Alltag genutzt. Bei schlechtem Wetter und im Winter nutzte der Kläger eine Jahreskarte und fuhr mit dem ÖPNV.
Während die Vorinstanzen dem Kläger wegen dieser Konstruktion den Willen abgesprochen hatten, das Motorrad als Alltagsfahrzeug zu nutzen, sah der BGH den Ausfall der Nutzungsmöglichkeit als ersatzfähigen Schaden an. Dass er sein Motorrad nur bei gutem Wetter nutze, um zur Arbeit zu fahren, bedeute nur, dass sein Schadensersatz zu reduzieren sei, wenn es im konkreten Zeitraum geregnet habe - aber nicht, dass er grundsätzlich keinen Nutzungsausfall verlangen könne. Immerhin sei das Motorrad sein einziges Fahrzeug (Urteil vom 23.1.2018, Az. VI ZR 57/17).
Wann gibt es Nutzungsausfall für ein Fahrrad?
In einem anderen Fall stritten die Parteien über die Zahlung von Nutzungsausfall für ein beschädigtes Fahrrad. Der Kläger - Inhaber einer Autovermietung - verlangte von der Versicherung eines Unfallgegners Nutzungsausfall in Höhe von 1.050 Euro, da er sein Fahrrad, welches einen Neupreis von ca. 4.000 Euro hatte, 35 Tage lang nicht nutzen konnte. Das Landgericht Lübeck entschied, dass der Anspruch grundsätzlich bestand. Nur die Höhe des Nutzungsausfalls sei überzogen und wurde daher herabgesetzt.
Voraussetzung für einen Nutzungsausfallanspruch ist, dass die Nutzung fühlbar beeinträchtigt ist. Früher galt dies nur für Fälle, in denen ein Kraftfahrzeug beschädigt wurde. Mittlerweile ist diese Rechtsprechung jedoch auch auf andere Gebrauchsgegenstände übertragen worden. Daher fällt auch ein Fahrrad darunter. Der Geschädigte nutzte sein Fahrrad täglich auf dem Weg zur Arbeit. Daher war die Voraussetzung erfüllt, dass er auf die ständige Verfügbarkeit angewiesen war.
Auch die Tatsache, dass der Kläger noch weitere Fahrräder zur Verfügung hatte, stand dem Anspruch auf Nutzungsausfall-Entschädigung nicht entgegen, da diese Fahrräder sich nicht in einem ordnungsgemäßen Zustand befanden. Es sei nicht sachgerecht, den Geschädigten auf den Gebrauch eines Fahrrades zu verweisen, das nicht verkehrssicher sei. Auch müsse er das Fahrrad nicht nachrüsten, denn dies würde im Rahmen der Schadenminderungspflicht nicht zu einer wesentlichen Kostenreduzierung führen. Es wäre auch unerheblich, dass der Geschädigte Inhaber einer Autovermietung sei: Er sei nicht verpflichtet, eines seiner Mietfahrzeuge zu nutzen und damit auf eventuelle Mieteinnahmen zu verzichten.
Wie wird die Nutzungsentschädigung für ein Fahrrad berechnet?
Da es keine Tabelle für Fahrräder und deren Nutzungsausfall gibt, wurde der Wert des Nutzungsausfalls durch einen Sachverständigen geschätzt. Dabei zog man die Mietkosten für ein vergleichbares Fahrrad heran und kürzte die Höhe des Nutzungsausfalls um 40 Prozent des Gewinns für den Vermieter. So ergab sich folgende Schätzung: 99 Euro für die erste Woche, für jeden weiteren Tag 12 - 13 Euro und ab der dritten Woche 50 Prozent des Tagesmietpreises. Für fünf Wochen ergab sich ein Betrag von 326,50 Euro. Dieser war noch um den geschätzten Vermietergewinn in Höhe von 40 Prozent zu kürzen.
Letztendlich bekam der Kläger eine Nutzungsausfall-Entschädigung in Höhe von 195,90 Euro (Urteil vom 8.7.2011, Az. 1 S 16/11).
Praxistipp zur Nutzungsentschädigung
Auch für Motorrad und Fahrrad kann es nach einem Unfall eine Nutzungsausfall-Entschädigung geben. Weigert sich die gegnerische Versicherung, zu zahlen, kann Ihnen ein auf das Verkehrsrecht spezialisierter Rechtsanwalt mit Rat und Tat weiterhelfen.
(Bu)