Die wichtigsten Urteile rund ums Motorrad
13.05.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Rh - Anwalt-Suchservice Mit dem warmen Wetter hat auch die Motorradsaison begonnen. Hier haben wir einige interessante Urteile für Motorradfahrer zusammengestellt.
Kauf und Verkauf einer gebrauchten Maschine
Ein Motorradkäufer hatte nach langer Suche auf Ebay seine Traummaschine entdeckt: eine gebrauchte Triumph Street Triple aus erster Hand, Kostenpunkt etwa 5.100 Euro. Auf der Auktionsseite und auch im Kaufvertrag gab der private Verkäufer an, dass die Maschine "0 Vorbesitzer" habe. Daraus schloss der Käufer, dass der Vorbesitzer die Maschine neu erworben hatte. Erst auf der Zulassungsstelle stellte er fest, dass die Maschine in Italien einen weiteren Vorbesitzer gehabt hatte.
Die Zulassungsstelle ihrerseits stellte fest, dass die Papiere in Italien gestohlen worden waren. Das Motorrad war offenbar eine sogenannte "Dublette". Die Behörde rief die Polizei. Diese nahm das Bike mit. Später kam heraus, dass der Verkäufer dieses für 3.800 Euro gebraucht gekauft hatte.
Der erboste Käufer wollte den Kaufvertrag anfechten. Das Landgericht Karlsruhe sah in der falschen Angabe zur Anzahl der Vorbesitzer einen ausreichenden Grund für eine Anfechtung. Hier liege eine arglistige Täuschung vor. Zwar hatte der Verkäufer später eingewandt, dass er mit seiner Angabe nur die Anzahl der Vorbesitzer in Deutschland gemeint habe. Dies hielt das Gericht jedoch für eine Ausrede. Der Verkäufer musste daher den Kaufpreis zurückzahlen und Schadensersatz für die Transportkosten des Motorrads per Trailer und Mietwagen leisten (LG Karlsruhe, Urteil vom 15.5.2013, Az. 6 O 375/12).
Was ist der schlimmste Albtraum eines privaten Motorrad-Verkäufers? Dass der Kaufinteressent sich zur Probefahrt auf die Maschine setzt, losbraust und nicht mehr wiederkommt. Dies erlebte ein Motorradfahrer aus Köln. Er hatte einem Kaufinteressenten seine BMW R 1200 GS zur Probefahrt anvertraut. Dieser ließ seine eigene Yamaha FJ 1100 beim Verkäufer stehen und fuhr mit der BMW ab. Er kam jedoch nie wieder. Die Yamaha hatte er kurz zuvor als Bastlerfahrzeug für 600 Euro gekauft. Sie trug noch die Nummernschilder des Vorbesitzers.
Die Teilkaskoversicherung des Verkäufers zahlte nicht. Sie hielt es für grob fahrlässig, dass er sein Motorrad einfach einem Unbekannten überlassen hatte. Das Oberlandesgericht Köln war anderer Meinung. Der Mann habe dem Kaufinteressenten seine Maschine ohne KfZ-Schein zur Probefahrt übergeben. Diese sollte laut Absprache nur in nächster Umgebung stattfinden. Er habe sich zwar keinen Ausweis zeigen lassen und auch keine Kaution verlangt. Wegen der zurückgelassenen, durchaus gepflegt aussehenden Yamaha habe er jedoch davon ausgehen dürfen, dass eine Sicherheit vorhanden sei und dass er den Kaufinteressenten im Notfall ermitteln könne. Laut Urteil musste die Versicherung über 10.000 Euro zahlen (OLG Köln, Urteil vom 22.7.2008, Az. 9 U 188/07).
Wichtig: Nicht jede Kaskoversicherung deckt diesen Fall ab. Wenn man das Fahrzeug freiwillig jemandem anvertraut, der es dann nicht zurückgibt, handelt es sich rechtlich gesehen nämlich nicht um einen Diebstahl, sondern um eine Unterschlagung. Diese ist oft nicht mitversichert.
Von einem Sachmangel spricht man, wenn die Maschine bei der Übergabe an den Käufer eine andere Beschaffenheit hatte als vereinbart, oder Fehler hatte, die ihre Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigen. Käufer haben jedoch keine Rechte, wenn sie den Mangel vor Vertragsabschluss kannten – oder wenn es sich lediglich um Verschleißerscheinungen handelt.
Eine gebraucht gekaufte, neun Jahre alte Maschine hatte viele Probleme gemacht. Einige davon hatte der Verkäufer auf die Reklamation des Käufers hin in Ordnung gebracht. Was blieb, waren ein außergewöhnlich hoher Ölverbrauch und schwarzer Qualm aus dem Auspuff beim Beschleunigen. Schließlich führt ein durchgebranntes Auslassventil zu einem Motorschaden. Qualm und Ölverbrauch waren zurückzuführen gewesen auf Verschleißerscheinungen an Ventilschaftdichtungen und Kolbenringen, die ein Gutachter als altersentsprechend ansah. Die Ursache für das durchgebrannte Auslassventil ließ sich nicht mehr feststellen. Aus Sicht des Gerichts lag hier nur normaler Verschleiß vor. Die Klage wurde abgewiesen (LG Kassel, Urteil vom 26.2.2009, Az. 5 O 535/07).
Oldtimer-Probleme
Ein Oldtimerfan hatte ein 1960er-Oldtimer-Motorrad aus DDR-Zeiten. Er beantragte bei der Zulassungsstelle, ihm ein Kennzeichen zu erteilen, das statt 205 x 200 mm die Maße 255 x 130 mm haben sollte. Diese Kennzeichengröße hatte einst der VEB Industriewerke Ludwigsfelde als Hersteller der Maschine vorgegeben. Das moderne Format wirkte an dem alten Motorrad eher seltsam. Als weitere Gründe gab der Motorradfahrer auch an, dass die 6-Volt-Anlage des Oldtimers ein größeres Nummernschild gar nicht richtig beleuchten könne und, dass das größere moderne Kennzeichenschild womöglich auf der Straße aufsetze. Die Zulassungsstelle bestand auf der Einhaltung der heutigen Vorschriften. Die Kennzeichen-Formate der ehemaligen DDR hätten keinen Bestandsschutz. Aber. Vor dem Verwaltungsgericht Berlin gewann der Motorradfahrer. Das Urteil bestätigte zwar, dass kein genereller Bestandsschutz existiere. Trotzdem müsse in jedem Einzelfall geprüft werden, ob das kleinere Kennzeichen im Sinne der Verkehrssicherheit sinnvoller sei. Eine pauschale Ablehnung sei unzulässig (VG Berlin, Urteil vom 2.5.2011, Az. 11 K 494.09).
Als privater Verkäufer darf man die Gewährleistung für eine verkaufte Maschine ausschließen. Auch auf Ebay ist dies üblich. Dies hatte auch der Verkäufer einer BMW R 61 von 1939 getan. Auf seiner Angebotsseite beschrieb er die Maschine mit Zusicherungen wie "komplett restauriert" und "zum größten Teil original, bzw. mit BMW Nachbauteilen restauriert". Nach dem Verkauf machte jedoch der Käufer Ansprüche aus Sachmängelhaftung geltend: Die Maschine sei mit nicht originalen Teilen und nicht fachmännisch restauriert worden. Die Arbeiten seien so mangelhaft ausgeführt, dass das Motorrad nie TÜV bekommen würde. Der Verkäufer verwies nur auf seinen Haftungsausschluss.
Das Gericht betrachtete die Beschreibung auf Ebay als verbindliche Beschaffenheitsvereinbarung. Diese falle nicht unter den Gewährleistungsausschluss. Die Zusicherung "komplett restauriert" müsse man so verstehen, dass das Fahrzeug in einem Restaurierungszustand mittlerer Art und Güte sei. Es müsse fahrbereit sein und frei von wesentlichen technischen und optischen Mängeln. Daran habe es hier gefehlt. Zwar könne nicht vorausgesetzt werden, dass ein "restaurierter" Oldtimer sofort TÜV bekomme. Hier sei trotzdem der Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag gerechtfertigt (LG Aachen, Urteil vom 6.3.2008, Az. 1 O 656/06).
Unfall und Schadensersatz
Hat man ohne eigene Schuld einen Unfall gehabt, kann man in der Regel anstelle der Kosten für einen Mietwagen auch eine Entschädigung für den Nutzungsausfall des beschädigten Fahrzeugs verlangen. Allerdings lehnen dies einige Versicherungen bei Motorrädern ab. Sie sehen die Bikes nämlich nicht als Alltagsfahrzeuge an, auf die der Betreffende angewiesen ist, sondern als reine Sport- und Spaßgeräte.
Dazu hat der Bundesgerichtshof einige Regeln aufgestellt. In dem Urteil ging es um ein Motorrad, das nur im Sommer bei schönem Wetter als Alltagsfahrzeug auf dem Weg zur Arbeit genutzt wurde. Im Winter und bei Regen nutzte der Besitzer mit einer Jahreskarte Bus und Bahn. Das Urteil lässt sich wie folgt zusammenfassen:
- Für ein Motorrad, das als Zweitfahrzeug neben einem Auto genutzt wird, gibt es keine Nutzungsausfall-Entschädigung.
- Ist das Motorrad aber das einzige Fahrzeug, spielt es keine Rolle, ob dieses nur im Sommer genutzt wird. Der Nutzungsausfall ist dann ein ersatzfähiger Schaden. Allerdings werden Regentage während der Ausfallzeit abgezogen (Urteil vom 23.1.2018, Az. VI ZR 57/17).
Motorräder wiegen so einiges. Manchmal fallen sie beim Parken um. So erging es auch einem Motorradfahrer in Rüsselsheim. Er hatte sein Bike zwischen geparkten Autos abgestellt. Es kippte in seiner Abwesenheit um und verbeulte eines der Autos. Das Amtsgericht Rüsselsheim wies die Schadensersatzklage des Autofahrers ab: Stelle ein Motorradfahrer sein Motorrad ordnungsgemäß mit Hilfe des Haupt- oder Seitenständers ab, hafte er nicht für ein Umfallen aus ungeklärter Ursache. Die gern herangezogene "Betriebsgefahr", welche jedes Fahrzeug in den Straßenverkehr einbringt, konnte hier keinen Anspruch begründen: Ein abgestelltes Fahrzeug ist nicht in Betrieb (Urteil des AG Rüsselsheim vom 2.7.1999, Az. 3 C 536/99).
Wie ist die Rechtslage, wenn ein Motorradfahrer bei einer Notbremsung stürzt, weil der Vordermann (oder die Vorderfrau) plötzlich aprupt gebremst hat? Darum ging es vor dem Oberlandesgericht Celle. Hier traf allerdings den Fahrer des vorausfahrenden PKW keine Schuld: Er musste bremsen, weil ein entgegenkommender Mercedes einen stehenden Müllwagen überholte und dabei auf die Gegenfahrbahn geriet. Dessen Fahrerin hatte nicht auf den Gegenverkehr geachtet. Folgerichtig verklagte der Motorradfahrer hier die Mercedesfahrerin bzw. deren Versicherung.
Das OLG gestand dem Motorradfahrer zumindest 40 Prozent des verlangten Schadensersatzes zu. Die Mercedesfahrerin habe den Müllwagen unvorsichtig überholt. Sie sei verpflichtet gewesen, zuvor den Gegenverkehr zu überprüfen. Trotzdem trage der Motorradfahrer die überwiegende Schuld an seinem Sturz. Hier würden die üblichen Grundsätze für Auffahrunfälle gelten: Gebe es keine Beweise für einen anderen Ablauf, spreche ein Anscheinsbeweis dafür, dass der Auffahrende einen zu geringen Sicherheitsabstand eingehalten habe oder zu schnell gewesen sei. Dafür spreche hier auch, dass der vorausfahrende PKW durchaus rechtzeitig habe bremsen können und so eine Kollision mit dem Mercedes vermied (Urteil vom 13.12.2023, Az. 14 U 32/23).
Ein Motorradfahrer war gestürzt und mit dem Kopf gegen eine Straßenlaterne geprallt. Er erlitt erhebliche Kopfverletzungen. Bei dem Aufprall war sein Helm gebrochen. Er verklagte den Importeur des einige Monate zuvor gekauften Helms. Dieser war nach der Norm ECE 22.05 zertifiziert und hätte seiner Meinung nach nicht brechen dürfen.
Allerdings wies das Oberlandesgericht Brandenburg seine Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld ab. Nur, weil ein Helm bei einem solchen Unfall breche, könne man noch nicht von mangelnder Qualität ausgehen. Tatsächlich habe der Helm seine Aufgabe erfüllt und den Schaden möglichst klein gehalten. Helme dürften auch bei der Prüfung zur Typzulassung nach ECE 22.05 brechen – nur scharfe Bruchkanten dürften sie nicht haben. Dem Hersteller oder Importeur sei kein Vorwurf zu machen (OLG Brandenburg, Urteil vom 14.12.2015, Az. 1 U 8/13).
Vier Motorradfahrer waren als Gruppe auf einer Landstraße unterwegs. Sie fuhren dicht hintereinander. In einer Kurve kollidierte der erste mit einem entgegenkommenden Fahrzeug. Dann stürzte der zweite, und schließlich kam auch der dritte zu Fall. Dem vierten gelang ein Slalom zwischen den liegenden und rutschenden Maschinen hindurch. Anschließend verklagte der zweite Fahrer den dritten, weil dieser wegen zu geringen Sicherheitsabstandes auf ihn aufgefahren sei.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main wies die Klage ab. Da die vier Motorradfahrer im Pulk gefahren seien, müsse man davon ausgehen, dass sie stillschweigend vereinbart hätten, den Sicherheitsabstand nicht einzuhalten. Damit sei von einem stillschweigenden Haftungsausschluss für Unfälle infolge dieser Regelverletzung auszugehen (OLG Frankfurt am Main, 18.8.2015, Az. 22 U 39/14).
Eine Fußgängerin überquerte morgens die Straße, ohne auf den Verkehr zu achten. Dabei wurde sie von einer Motorradfahrerin angefahren, die mit 55 km/h unterwegs war und nicht rechtzeitig bremsen konnte. Die Fußgängerin wurde schwer verletzt.
Das Oberlandesgericht Hamm betonte, dass die Motorradfahrerin die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 5 km/h überschritten habe. Stattdessen wäre sie jedoch verpflichtet gewesen, sofort bei Betreten der Straße durch die Fußgängerin die Geschwindigkeit zu verringern. Dann hätte sich der Unfall vermeiden lassen.
Trotzdem hafte die Fußgängerin mit einem überwiegenden Anteil von 2/3. Schließlich habe sie die Straße überquert, ohne auf den Verkehr zu achten. Dies wiege schwerer als der Regelverstoß der Motorradfahrerin (Urteil vom 6.4.2017, Az. 6 U 2/16).
Beschlagnahme durch Polizei
Nach dem Vereinsverbot des deutschen Ablegers des Rockerclubs Bandidos MC erfolgte bei einem der Mitglieder eine Hausdurchsuchung. Die Polizei beschlagnahmte dabei zwei Motorräder der Marke Harley-Davidson. Deren Eigentümer wehrte sich gerichtlich gegen die Sicherstellungsverfügung und verlangte die Herausgabe der Maschinen.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Der Hauseigentümer sei nicht nur ein Mitglied des verbotenen Club-Zweiges gewesen, sondern ein ranghoher Anführer. Dies sei auch an seinen Kutten erkennbar gewesen. Die Motorräder seien Vereinsvermögen und auch für Vereinszwecke genutzt worden. Vereinsvermögen eines verbotenen Vereins dürfe beschlagnahmt werden (Urteil vom 18.1.2022, Az. 6 K 1767/21).
Haben Sie ein rechtliches Problem im Zusammenhang mit dem Motorradfahren oder dem Motorradkauf? Dann kann Sie ein Fachanwalt für Verkehrsrecht fachkundig zu Ihrem konkreten Fall beraten.
Eine Reihe von Gerichtsurteilen der letzten Jahre befassen sich mit dem Thema "Motorrad". Hier fassen wir für Motorradfans interessante Gerichtsentscheidungen zusammen.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Wie viele Vorbesitzer hat die Maschine? Was kann bei einer Probefahrt schiefgehen? Wann liegt ein Sachmangel am Motorrad vor? Wann hat ein verkleinertes Kennzeichen Bestandsschutz? Was nützen Zusicherungen bei Ebay, wenn der Verkäufer die Haftung ausschließt? Bekommt man auch für eine Harley eine Nutzungsausfall-Entschädigung? Was, wenn die geparkte Maschine umfällt? Sturz nach Vollbremsung des Vordermanns Was, wenn der Helm beim Aufprall bricht? Führt Motorradfahren im Pulk zum Haftungsausschluss? Fußgänger läuft auf die Straße - wer haftet? Beschlagnahme von Rocker-Motorrädern Praxistipp zum Thema Motorrad und Recht Kauf und Verkauf einer gebrauchten Maschine
Wie viele Vorbesitzer hat die Maschine?
Ein Motorradkäufer hatte nach langer Suche auf Ebay seine Traummaschine entdeckt: eine gebrauchte Triumph Street Triple aus erster Hand, Kostenpunkt etwa 5.100 Euro. Auf der Auktionsseite und auch im Kaufvertrag gab der private Verkäufer an, dass die Maschine "0 Vorbesitzer" habe. Daraus schloss der Käufer, dass der Vorbesitzer die Maschine neu erworben hatte. Erst auf der Zulassungsstelle stellte er fest, dass die Maschine in Italien einen weiteren Vorbesitzer gehabt hatte.
Die Zulassungsstelle ihrerseits stellte fest, dass die Papiere in Italien gestohlen worden waren. Das Motorrad war offenbar eine sogenannte "Dublette". Die Behörde rief die Polizei. Diese nahm das Bike mit. Später kam heraus, dass der Verkäufer dieses für 3.800 Euro gebraucht gekauft hatte.
Der erboste Käufer wollte den Kaufvertrag anfechten. Das Landgericht Karlsruhe sah in der falschen Angabe zur Anzahl der Vorbesitzer einen ausreichenden Grund für eine Anfechtung. Hier liege eine arglistige Täuschung vor. Zwar hatte der Verkäufer später eingewandt, dass er mit seiner Angabe nur die Anzahl der Vorbesitzer in Deutschland gemeint habe. Dies hielt das Gericht jedoch für eine Ausrede. Der Verkäufer musste daher den Kaufpreis zurückzahlen und Schadensersatz für die Transportkosten des Motorrads per Trailer und Mietwagen leisten (LG Karlsruhe, Urteil vom 15.5.2013, Az. 6 O 375/12).
Was kann bei einer Probefahrt schiefgehen?
Was ist der schlimmste Albtraum eines privaten Motorrad-Verkäufers? Dass der Kaufinteressent sich zur Probefahrt auf die Maschine setzt, losbraust und nicht mehr wiederkommt. Dies erlebte ein Motorradfahrer aus Köln. Er hatte einem Kaufinteressenten seine BMW R 1200 GS zur Probefahrt anvertraut. Dieser ließ seine eigene Yamaha FJ 1100 beim Verkäufer stehen und fuhr mit der BMW ab. Er kam jedoch nie wieder. Die Yamaha hatte er kurz zuvor als Bastlerfahrzeug für 600 Euro gekauft. Sie trug noch die Nummernschilder des Vorbesitzers.
Die Teilkaskoversicherung des Verkäufers zahlte nicht. Sie hielt es für grob fahrlässig, dass er sein Motorrad einfach einem Unbekannten überlassen hatte. Das Oberlandesgericht Köln war anderer Meinung. Der Mann habe dem Kaufinteressenten seine Maschine ohne KfZ-Schein zur Probefahrt übergeben. Diese sollte laut Absprache nur in nächster Umgebung stattfinden. Er habe sich zwar keinen Ausweis zeigen lassen und auch keine Kaution verlangt. Wegen der zurückgelassenen, durchaus gepflegt aussehenden Yamaha habe er jedoch davon ausgehen dürfen, dass eine Sicherheit vorhanden sei und dass er den Kaufinteressenten im Notfall ermitteln könne. Laut Urteil musste die Versicherung über 10.000 Euro zahlen (OLG Köln, Urteil vom 22.7.2008, Az. 9 U 188/07).
Wichtig: Nicht jede Kaskoversicherung deckt diesen Fall ab. Wenn man das Fahrzeug freiwillig jemandem anvertraut, der es dann nicht zurückgibt, handelt es sich rechtlich gesehen nämlich nicht um einen Diebstahl, sondern um eine Unterschlagung. Diese ist oft nicht mitversichert.
Wann liegt ein Sachmangel am Motorrad vor?
Von einem Sachmangel spricht man, wenn die Maschine bei der Übergabe an den Käufer eine andere Beschaffenheit hatte als vereinbart, oder Fehler hatte, die ihre Gebrauchstauglichkeit beeinträchtigen. Käufer haben jedoch keine Rechte, wenn sie den Mangel vor Vertragsabschluss kannten – oder wenn es sich lediglich um Verschleißerscheinungen handelt.
Eine gebraucht gekaufte, neun Jahre alte Maschine hatte viele Probleme gemacht. Einige davon hatte der Verkäufer auf die Reklamation des Käufers hin in Ordnung gebracht. Was blieb, waren ein außergewöhnlich hoher Ölverbrauch und schwarzer Qualm aus dem Auspuff beim Beschleunigen. Schließlich führt ein durchgebranntes Auslassventil zu einem Motorschaden. Qualm und Ölverbrauch waren zurückzuführen gewesen auf Verschleißerscheinungen an Ventilschaftdichtungen und Kolbenringen, die ein Gutachter als altersentsprechend ansah. Die Ursache für das durchgebrannte Auslassventil ließ sich nicht mehr feststellen. Aus Sicht des Gerichts lag hier nur normaler Verschleiß vor. Die Klage wurde abgewiesen (LG Kassel, Urteil vom 26.2.2009, Az. 5 O 535/07).
Oldtimer-Probleme
Wann hat ein verkleinertes Kennzeichen Bestandsschutz?
Ein Oldtimerfan hatte ein 1960er-Oldtimer-Motorrad aus DDR-Zeiten. Er beantragte bei der Zulassungsstelle, ihm ein Kennzeichen zu erteilen, das statt 205 x 200 mm die Maße 255 x 130 mm haben sollte. Diese Kennzeichengröße hatte einst der VEB Industriewerke Ludwigsfelde als Hersteller der Maschine vorgegeben. Das moderne Format wirkte an dem alten Motorrad eher seltsam. Als weitere Gründe gab der Motorradfahrer auch an, dass die 6-Volt-Anlage des Oldtimers ein größeres Nummernschild gar nicht richtig beleuchten könne und, dass das größere moderne Kennzeichenschild womöglich auf der Straße aufsetze. Die Zulassungsstelle bestand auf der Einhaltung der heutigen Vorschriften. Die Kennzeichen-Formate der ehemaligen DDR hätten keinen Bestandsschutz. Aber. Vor dem Verwaltungsgericht Berlin gewann der Motorradfahrer. Das Urteil bestätigte zwar, dass kein genereller Bestandsschutz existiere. Trotzdem müsse in jedem Einzelfall geprüft werden, ob das kleinere Kennzeichen im Sinne der Verkehrssicherheit sinnvoller sei. Eine pauschale Ablehnung sei unzulässig (VG Berlin, Urteil vom 2.5.2011, Az. 11 K 494.09).
Was nützen Zusicherungen bei Ebay, wenn der Verkäufer die Haftung ausschließt?
Als privater Verkäufer darf man die Gewährleistung für eine verkaufte Maschine ausschließen. Auch auf Ebay ist dies üblich. Dies hatte auch der Verkäufer einer BMW R 61 von 1939 getan. Auf seiner Angebotsseite beschrieb er die Maschine mit Zusicherungen wie "komplett restauriert" und "zum größten Teil original, bzw. mit BMW Nachbauteilen restauriert". Nach dem Verkauf machte jedoch der Käufer Ansprüche aus Sachmängelhaftung geltend: Die Maschine sei mit nicht originalen Teilen und nicht fachmännisch restauriert worden. Die Arbeiten seien so mangelhaft ausgeführt, dass das Motorrad nie TÜV bekommen würde. Der Verkäufer verwies nur auf seinen Haftungsausschluss.
Das Gericht betrachtete die Beschreibung auf Ebay als verbindliche Beschaffenheitsvereinbarung. Diese falle nicht unter den Gewährleistungsausschluss. Die Zusicherung "komplett restauriert" müsse man so verstehen, dass das Fahrzeug in einem Restaurierungszustand mittlerer Art und Güte sei. Es müsse fahrbereit sein und frei von wesentlichen technischen und optischen Mängeln. Daran habe es hier gefehlt. Zwar könne nicht vorausgesetzt werden, dass ein "restaurierter" Oldtimer sofort TÜV bekomme. Hier sei trotzdem der Rücktritt des Käufers vom Kaufvertrag gerechtfertigt (LG Aachen, Urteil vom 6.3.2008, Az. 1 O 656/06).
Unfall und Schadensersatz
Bekommt man auch für eine Harley eine Nutzungsausfall-Entschädigung?
Hat man ohne eigene Schuld einen Unfall gehabt, kann man in der Regel anstelle der Kosten für einen Mietwagen auch eine Entschädigung für den Nutzungsausfall des beschädigten Fahrzeugs verlangen. Allerdings lehnen dies einige Versicherungen bei Motorrädern ab. Sie sehen die Bikes nämlich nicht als Alltagsfahrzeuge an, auf die der Betreffende angewiesen ist, sondern als reine Sport- und Spaßgeräte.
Dazu hat der Bundesgerichtshof einige Regeln aufgestellt. In dem Urteil ging es um ein Motorrad, das nur im Sommer bei schönem Wetter als Alltagsfahrzeug auf dem Weg zur Arbeit genutzt wurde. Im Winter und bei Regen nutzte der Besitzer mit einer Jahreskarte Bus und Bahn. Das Urteil lässt sich wie folgt zusammenfassen:
- Für ein Motorrad, das als Zweitfahrzeug neben einem Auto genutzt wird, gibt es keine Nutzungsausfall-Entschädigung.
- Ist das Motorrad aber das einzige Fahrzeug, spielt es keine Rolle, ob dieses nur im Sommer genutzt wird. Der Nutzungsausfall ist dann ein ersatzfähiger Schaden. Allerdings werden Regentage während der Ausfallzeit abgezogen (Urteil vom 23.1.2018, Az. VI ZR 57/17).
Was, wenn die geparkte Maschine umfällt?
Motorräder wiegen so einiges. Manchmal fallen sie beim Parken um. So erging es auch einem Motorradfahrer in Rüsselsheim. Er hatte sein Bike zwischen geparkten Autos abgestellt. Es kippte in seiner Abwesenheit um und verbeulte eines der Autos. Das Amtsgericht Rüsselsheim wies die Schadensersatzklage des Autofahrers ab: Stelle ein Motorradfahrer sein Motorrad ordnungsgemäß mit Hilfe des Haupt- oder Seitenständers ab, hafte er nicht für ein Umfallen aus ungeklärter Ursache. Die gern herangezogene "Betriebsgefahr", welche jedes Fahrzeug in den Straßenverkehr einbringt, konnte hier keinen Anspruch begründen: Ein abgestelltes Fahrzeug ist nicht in Betrieb (Urteil des AG Rüsselsheim vom 2.7.1999, Az. 3 C 536/99).
Sturz nach Vollbremsung des Vordermanns
Wie ist die Rechtslage, wenn ein Motorradfahrer bei einer Notbremsung stürzt, weil der Vordermann (oder die Vorderfrau) plötzlich aprupt gebremst hat? Darum ging es vor dem Oberlandesgericht Celle. Hier traf allerdings den Fahrer des vorausfahrenden PKW keine Schuld: Er musste bremsen, weil ein entgegenkommender Mercedes einen stehenden Müllwagen überholte und dabei auf die Gegenfahrbahn geriet. Dessen Fahrerin hatte nicht auf den Gegenverkehr geachtet. Folgerichtig verklagte der Motorradfahrer hier die Mercedesfahrerin bzw. deren Versicherung.
Das OLG gestand dem Motorradfahrer zumindest 40 Prozent des verlangten Schadensersatzes zu. Die Mercedesfahrerin habe den Müllwagen unvorsichtig überholt. Sie sei verpflichtet gewesen, zuvor den Gegenverkehr zu überprüfen. Trotzdem trage der Motorradfahrer die überwiegende Schuld an seinem Sturz. Hier würden die üblichen Grundsätze für Auffahrunfälle gelten: Gebe es keine Beweise für einen anderen Ablauf, spreche ein Anscheinsbeweis dafür, dass der Auffahrende einen zu geringen Sicherheitsabstand eingehalten habe oder zu schnell gewesen sei. Dafür spreche hier auch, dass der vorausfahrende PKW durchaus rechtzeitig habe bremsen können und so eine Kollision mit dem Mercedes vermied (Urteil vom 13.12.2023, Az. 14 U 32/23).
Was, wenn der Helm beim Aufprall bricht?
Ein Motorradfahrer war gestürzt und mit dem Kopf gegen eine Straßenlaterne geprallt. Er erlitt erhebliche Kopfverletzungen. Bei dem Aufprall war sein Helm gebrochen. Er verklagte den Importeur des einige Monate zuvor gekauften Helms. Dieser war nach der Norm ECE 22.05 zertifiziert und hätte seiner Meinung nach nicht brechen dürfen.
Allerdings wies das Oberlandesgericht Brandenburg seine Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld ab. Nur, weil ein Helm bei einem solchen Unfall breche, könne man noch nicht von mangelnder Qualität ausgehen. Tatsächlich habe der Helm seine Aufgabe erfüllt und den Schaden möglichst klein gehalten. Helme dürften auch bei der Prüfung zur Typzulassung nach ECE 22.05 brechen – nur scharfe Bruchkanten dürften sie nicht haben. Dem Hersteller oder Importeur sei kein Vorwurf zu machen (OLG Brandenburg, Urteil vom 14.12.2015, Az. 1 U 8/13).
Führt Motorradfahren im Pulk zum Haftungsausschluss?
Vier Motorradfahrer waren als Gruppe auf einer Landstraße unterwegs. Sie fuhren dicht hintereinander. In einer Kurve kollidierte der erste mit einem entgegenkommenden Fahrzeug. Dann stürzte der zweite, und schließlich kam auch der dritte zu Fall. Dem vierten gelang ein Slalom zwischen den liegenden und rutschenden Maschinen hindurch. Anschließend verklagte der zweite Fahrer den dritten, weil dieser wegen zu geringen Sicherheitsabstandes auf ihn aufgefahren sei.
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main wies die Klage ab. Da die vier Motorradfahrer im Pulk gefahren seien, müsse man davon ausgehen, dass sie stillschweigend vereinbart hätten, den Sicherheitsabstand nicht einzuhalten. Damit sei von einem stillschweigenden Haftungsausschluss für Unfälle infolge dieser Regelverletzung auszugehen (OLG Frankfurt am Main, 18.8.2015, Az. 22 U 39/14).
Fußgänger läuft auf die Straße - wer haftet?
Eine Fußgängerin überquerte morgens die Straße, ohne auf den Verkehr zu achten. Dabei wurde sie von einer Motorradfahrerin angefahren, die mit 55 km/h unterwegs war und nicht rechtzeitig bremsen konnte. Die Fußgängerin wurde schwer verletzt.
Das Oberlandesgericht Hamm betonte, dass die Motorradfahrerin die zulässige Höchstgeschwindigkeit um 5 km/h überschritten habe. Stattdessen wäre sie jedoch verpflichtet gewesen, sofort bei Betreten der Straße durch die Fußgängerin die Geschwindigkeit zu verringern. Dann hätte sich der Unfall vermeiden lassen.
Trotzdem hafte die Fußgängerin mit einem überwiegenden Anteil von 2/3. Schließlich habe sie die Straße überquert, ohne auf den Verkehr zu achten. Dies wiege schwerer als der Regelverstoß der Motorradfahrerin (Urteil vom 6.4.2017, Az. 6 U 2/16).
Beschlagnahme durch Polizei
Beschlagnahme von Rocker-Motorrädern
Nach dem Vereinsverbot des deutschen Ablegers des Rockerclubs Bandidos MC erfolgte bei einem der Mitglieder eine Hausdurchsuchung. Die Polizei beschlagnahmte dabei zwei Motorräder der Marke Harley-Davidson. Deren Eigentümer wehrte sich gerichtlich gegen die Sicherstellungsverfügung und verlangte die Herausgabe der Maschinen.
Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Der Hauseigentümer sei nicht nur ein Mitglied des verbotenen Club-Zweiges gewesen, sondern ein ranghoher Anführer. Dies sei auch an seinen Kutten erkennbar gewesen. Die Motorräder seien Vereinsvermögen und auch für Vereinszwecke genutzt worden. Vereinsvermögen eines verbotenen Vereins dürfe beschlagnahmt werden (Urteil vom 18.1.2022, Az. 6 K 1767/21).
Praxistipp zum Thema Motorrad und Recht
Haben Sie ein rechtliches Problem im Zusammenhang mit dem Motorradfahren oder dem Motorradkauf? Dann kann Sie ein Fachanwalt für Verkehrsrecht fachkundig zu Ihrem konkreten Fall beraten.
(Ma)