Musizieren in der Mietwohnung – was ist erlaubt?

21.06.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Mädchen,Klavier,Musik,Mietwohnung Hausmusik: Rücksicht ist angesagt, aber keine völlige Stille im Haus. © Bu - Anwalt-Suchservice

Ob Trompete oder Schlagzeug, Ukulele oder Dudelsack, Klavier oder Geige: Bei selbstgemachter Musik scheiden sich schnell die Geister. Wie urteilen die Gerichte zum Thema Hausmusik in der Mietwohnung?

Ohne Musik wäre unser Leben ärmer. Nur: Es braucht viel Übung, ein Instrument zu lernen. Und dieser Vorgang hört sich für Außenstehende nicht immer schön an. Mietwohnungen sind häufig sehr hellhörig – und so etwas wie die berühmte "Zimmerlautstärke" ist mit den meisten Musikinstrumenten gar nicht möglich. Hinzu kommt: Musik ist eine Geschmacksfrage. Was für den einen angenehme Klänge sind, ist für den anderen nur Lärm. Vor Gericht zählt jedoch nur, wie laut oder störend etwas ist.

Wann ist Musik zu Hause erlaubt?


Musizieren gehört grundsätzlich zum normalen Gebrauch einer Wohnung und auch zur freien Entfaltung der Persönlichkeit. Letztere wird immerhin durch das Grundgesetz geschützt. Dies gilt für Mieter ebenso wie für selbstnutzende Wohnungseigentümer.

Es gibt jedoch Ausnahmen. Die freie Entfaltung der Persönlichkeit darf nämlich nur so weit gehen, bis man die Rechte anderer verletzt. Dass zu viel Lärm krank machen kann, ist medizinisch anerkannt. In einem Mehrfamilienhaus ist unter Wohnungsnachbarn das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme zu beachten. Dies gilt auch ohne ausdrückliche Regelung im Mietvertrag.

Welche Ruhezeiten sind zu beachten?


Beim Musizieren in den eigenen vier Wänden muss man zunächst die Ruhezeiten beachten. Dies sind bestimmte Tages- und Nachtzeiten, zu denen sich jede Geräuschentfaltung im Wohnbereich auf die eigene Wohnung zu beschränken hat (Zimmerlautstärke). Außerhalb der eigenen Wohnung darf also nichts zu hören sein. Oft sind die Ruhezeiten in Gemeindesatzungen festgeschrieben. Sie können sich daher von Ort zu Ort unterscheiden. In letzter Zeit wird es immer unüblicher, eine Mittagsruhe festzulegen. Solche Einzelheiten sind jedoch Sache der jeweiligen Gemeinde.

Ruhezeiten werden oft aber auch in den Hausordnungen von Mehrfamilienhäusern festgelegt. Die Hausordnung ist regelmäßig Bestandteil des Mietvertrages. Üblich sind folgende Zeiten:

Werktags
- 22 Uhr bis 7 Uhr (teilweise 8 Uhr),
- 12 oder 13 Uhr bis 15 Uhr,
Samstags
- 19 Uhr bis 8 Uhr und
- 13 Uhr bis 15 Uhr
Sonntags und an Feiertagen
- ganztags.

Auch während dieser Ruhezeiten besteht kein Anspruch auf Totenstille. Einzelne normale Geräusche sind trotzdem erlaubt. Das Musizieren allerdings ist tabu. Dies gilt unabhängig von Musikrichtung und Instrument.

Wie kann ein Musikant mit dem Recht in Konflikt kommen?


Wer in seiner Wohnung musiziert, kann auf drei Arten mit dem Recht in Konflikt kommen:

1. Durch die Beschwerde eines Nachbarn beim gemeinsamen Vermieter, welcher dann vielleicht mit einer Mietminderung droht. Dann wird der Vermieter per Abmahnung eine Lärmreduzierung etwa auf Basis der Ruhezeiten in Hausordnung oder Mietvertrag fordern.
2. Durch eine zivilrechtliche Unterlassungsklage des Nachbarn. Dazu hat dieser das Recht, wenn die ungestörte Nutzung seiner Wohnung beeinträchtigt ist. Das Gericht wird in einem solchen Fall genaue Nachweise über Art und Dauer des Lärms verlangen, etwa durch ein Lärmprotokoll und Zeugen.
3. Der Nachbar ruft die Polizei. Diese fertigt eine Anzeige nach § 117 Ordnungswidrigkeitengesetz aus. Darin geht es um unzulässigen Lärm. Maßgeblich sind hier städtische Satzungen und das Lärmschutzgesetz oder Immissionsschutzgesetz des jeweiligen Bundeslandes. Ein Bußgeld kann die Folge sein.

Kann der Vermieter das Musizieren in der Wohnung pauschal verbieten?


Dies ist nicht möglich. Musizieren gehört zur normalen Nutzung einer Wohnung und ist vom allgemeinen Recht auf die Entfaltung der Persönlichkeit geschützt. Vermieter können es daher nicht pauschal und komplett verbieten. Entsprechende Regelungen im Mietvertrag sind unwirksam. Der Vermieter darf höchstens das Musizieren zu den üblichen Ruhezeiten untersagen.

Aber: Individuelle Absprachen im Mietvertrag, in denen ein Verbot vereinbart wird, können zulässig sein. Diese dürfen nicht in Form eines Mietvertragsformulars getroffen werden, sondern müssen persönlich ausgehandelt und dem Vertrag zum Beispiel handschriftlich hinzugefügt werden. Der Mieter muss dabei ein Mitspracherecht haben.

Der Vermieter kann dem Mieter auch nicht verbieten, in seiner Wohnung einen Konzertflügel aufzustellen - jedenfalls, solange die Statik des Gebäudes nicht gefährdet ist (Landgericht Frankfurt/Main, Beschluss vom 3.6.2005, Az. 2/11 T 36/05).

Was gilt für ein Schlagzeug in der Mietwohnung?


Schlagzeuge sind natürlich besonders laut und durchdringend. Sie waren bereits Gegenstand mehrerer Gerichtsurteile. Das Landgericht München I hat beispielsweise entschieden, dass Vermieter das Schlagzeugspielen nicht grundsätzlich untersagen können.

Das bedeutet aber nicht, dass Mieter nun ohne Einschränkung "auf die Pauke hauen" dürfen. Was in einem Mietshaus noch zulässig ist, hängt immer vom Einzelfall ab, also unter anderem vom vorhandenen Lärmschutz und der Hellhörigkeit des Gebäudes. Die Musik darf andere Mieter nicht wesentlich in ihrem Wohlbefinden beeinträchtigen (Az. 6 S 11144/05). Andere Gerichte haben das Schlagzeugspielen mal auf 30, mal auf 90 Minuten pro Tag eingeschränkt. Unzulässig ist es generell während der Ruhezeiten, zum Teil geht man in Wohngebieten auch von einer Unzulässigkeit ab 19 Uhr aus. Dies ist jedoch vom Einzelfall abhängig (Landgericht Nürnberg-Fürth, Urteil vom 17.09.1991, Az. 13 S 5296/90).

Was müssen Profi-Musiker beachten?


Berufsmusiker müssen natürlich besonders viel üben. Trotzdem müssen auch sie Rücksicht auf ihre Nachbarn nehmen. So verbot das Amtsgericht Düsseldorf einem Pianisten das Üben während der Ruhezeiten. Er musste seine Übungsstunden insgesamt auf zwei Stunden täglich beschränken. Immerhin wurde ihm erlaubt, im Ausnahmefall, also zur Vorbereitung eines Auftritts, länger zu spielen – nach entsprechender Absprache mit den Nachbarn (Az. 302 OWi 110 Js 8001/05).

Urteil: Klavierspiel am Sonntag – kein Bußgeld


Die Berliner Polizei verhängte ein Bußgeld von 50 Euro gegen eine Schülerin, weil diese sonntags wie an allen anderen Tagen der Woche eine Stunde Klavier geübt hatte. Die Polizei gerufen hatte ein Nachbar, der dies zwar während der Woche akzeptieren konnte, aber nicht am Sonntag. Die Beamten sahen in dem Klavierspiel eine erhebliche Ruhestörung und wandten das Landes-Immissionsschutzgesetz an. Der Rechtsstreit ging bis vor das Bundesverfassungsgericht. Dieses sah das Bußgeld als nicht gerechtfertigt an. Die Vorinstanz habe die Entscheidung, was unzumutbarer Lärm sei, alleine dem Empfinden des Polizisten vor Ort überlassen. Das Gericht hätte jedoch stattdessen konkret begründen müssen, gegen welche Lärmschutzvorschriften auf welche Weise verstoßen worden sei. Wenn nur das subjektive Empfinden des Beamten vor Ort ausschlaggebend wäre, könne der Bürger nie wissen, was erlaubt sei und was nicht (Beschluss vom 17.11.2009, Az. 1 BvR 2717/08).

Was gilt für gewerblichen Musikunterricht in der Wohnung?


In einer Mietwohnung sind gewerbliche oder freiberufliche Tätigkeiten nur in sehr engen Grenzen erlaubt. Zulässig sind sie insbesondere dann, wenn sie nicht nach außen in Erscheinung treten, die anderen Mieter nicht stören und die Wohnung dadurch nicht mehr beeinträchtigt wird als durch eine normale Wohnnutzung. Ein Problem sind immer Tätigkeiten mit Kundenbesuch. Wer in einer Mietwohnung ohne Erlaubnis des Vermieters Gitarrenunterricht gibt, kann dem Vermieter sogar einen ausreichenden Grund zur fristlosen Kündigung des Mietvertrages liefern (Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. April 2013, Az. VIII ZR 213/12).

Trompetenspiel im Reihenhaus: Besteht Anspruch auf völlige Stille?


Der Bundesgerichtshof beschäftigte sich mit dem Fall eines Trompeters, über den sich ein Nachbar beschwert hatte (Urteil vom 26.10.2018, Az. V ZR 143/17). Beide waren Eigentümer von angrenzenden Reihenhäusern. Die Überlegungen des BGH dürften jedoch auch für Mietwohnungen gelten. Die Kernpunkte:

- Der Nachbar hat keinen Anspruch auf völlige Stille. Die Rechte beider Nachbarn müssen gegen einander abgewogen werden. In der Regel sind die Zeiten des Musizierens zu begrenzen.
- Ein grober Richtwert sind zwei bis drei Stunden an Werktagen und ein bis zwei Stunden an Sonn- und Feiertagen. Die Verhältnisse vor Ort können Abweichungen von den Richtwerten rechtfertigen. Die Ruhezeiten mittags und nachts sind einzuhalten.
- Wenn das Musizieren in bestimmten Nebenräumen leiser ist, kann das nachbarliche Rücksichtnahmegebot gebieten, dass man dort spielt. Auch in den Haupträumen kann das Musizieren jedoch nicht völlig ausgeschlossen werden. Hier muss man dann die Zeitdauer verringern.
- Berufsmusiker haben keine anderen Rechte als Hobbymusiker.
- Der Nachbar muss einen begrenzten Musikunterricht hinnehmen. Dabei kommt es auf den Einzelfall an. Die Ruhezeiten müssen eingehalten werden.

Praxistipp zum Musizieren in der Wohnung


Beim Musizieren im Mehrfamilienhaus empfiehlt es sich, die in der Hausordnung vorgegebenen Ruhezeiten einzuhalten. Eine gewisse Rücksichtnahme auf die Nachbarschaft ist auch außerhalb dieser Zeiten angezeigt und hilft, Streit zu vermeiden. Eine einheitliche Regelung oder Rechtsprechung zum Musizieren in der Mietwohnung gibt es leider nicht. Im Falle eines Rechtsstreits kann ein Fachanwalt für Mietrecht Sie zu Ihrem Fall ausführlich beraten.

(Bu)


 Stephan Buch
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