Muss man schlecht sichtbare Verkehrsschilder beachten?

30.01.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
Verkehrsschild,schlechte,Sichtbarkeit Verkehrsverstoß auch bei kaum sichtbarem Verkehrsschild? © - freepik

Häufig sind Verkehrsschilder schlecht sichtbar angebracht, mit der Zeit zugewachsen oder verschmutzt. Muss man sich als Verkehrsteilnehmer Verstöße vorwerfen lassen, wenn man Verkehrszeichen nicht sehen konnte?

Nicht immer sind Verkehrsschilder so gut zu sehen, wie sie es sein sollten. Oft verdecken Blätter und Äste, Schnee, Schmutz oder andere Hindernisse die Sicht auf das Schild. Und schon fährt man in der Tempo-30-Zone 50 km/h - das kann teuer werden. Aber: Begeht man bei schlechter Sichtbarkeit eines Verkehrsschildes überhaupt einen bußgeldbewehrten Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung?

Wie entscheidend ist die Sichtbarkeit von Verkehrsschildern?


Verkehrszeichen entfalten grundsätzlich Rechtswirkung, wenn sie ein durchschnittlicher Verkehrsteilnehmer bei Einhalten der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt mit einem raschen und beiläufigen Blick erkennen und ihren Sinn verstehen kann. Dies nennt man den Sichtbarkeitsgrundsatz. Ist dieser eingehalten, spielt es keine Rolle, ob der Einzelne im konkreten Fall das Verkehrsschild tatsächlich gesehen hat – er hätte es sehen und beachten müssen. Hier zählt die Ausrede "ich habe es nicht gesehen" also nicht.

Verdreckt, aber erkennbar?


Natürlich gibt es Fälle, in denen ein Schild trotz einer Schnee- oder Schmutzschicht erkennbar ist. So ist ein achteckiges Stoppschild schon an seiner Form deutlich auszumachen. Auch das dreieckige "Vorfahrt gewähren" ist schon von der Form her gut zu erkennen. Ist dies der Fall, bleibt das Schild trotz verschmutzter Oberfläche verbindlich und muss beachtet werden. Wer sich als Autofahrer, Radfahrer oder anderer Verkehrsteilnehmer nicht daran hält, begeht eine Ordnungswidrigkeit und riskiert ein Bußgeldverfahren.

Anders liegt der Fall, wenn ein Verkehrsschild durch Blätter verdeckt wird, sodass man auch seine Form nicht mehr erkennen kann. Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem solchen Fall entschieden, dass das Verkehrszeichen nicht mehr beachtet werden musste (Beschluss vom 30.9.2010, Az. III-3 RBs 336/09). In diesem ging es um ein Schild, das den Anfang einer Tempo-30-Zone markierte und durch Büsche verdeckt war.

Welche Kriterien spielen noch eine Rolle?


Wenn ein Verkehrsschild schlecht zu erkennen ist, berücksichtigen die Gerichte zusätzlich auch, ob der Fahrer oder die Fahrerin ortskundig war. Ortskundige können sich nämlich nicht darauf berufen, ein seit langer Zeit dort stehendes Schild nicht gesehen zu haben. Einbezogen wird auch das gefahrene Tempo. Wer langsam fährt, dem traut man auch zu, genauer hinzusehen. Beim Parken können sich Autofahrer nicht darauf berufen, dass das Parkverbotsschild eingeschneit war. Hier wird ihnen zugetraut, das Schild nach dem Parken von Schnee zu befreien, nachzusehen, was es besagt und notfalls umzuparken. Immerhin können sie nach dem Parken ja ohne Gefahr aus ihrem Auto aussteigen.

Welche Beweise braucht man für den Gerichtstermin?


Kommt es zum Prozess - in der Regel nach einem Widerspruch gegen einen Bußgeldbescheid - sollte ein auf Verkehrsdelikte spezialisierter Rechtsanwalt hinzugezogen werden. Auch ist es ratsam, sinnvolle und schlüssige Beweise vorzulegen. Denn: Als Autofahrer muss man beweisen, dass das Schild durch Schmutz, Schnee oder Fremdkörper verdeckt war. Daher sollten Verkehrsteilnehmer noch vor Ort nach Möglichkeit sofort Fotos von dem unleserlichen Verkehrsschild machen. Natürlich ist dieser Tipp schwer umzusetzen, wenn man von dem Verkehrszeichen gar nichts mitbekommen hat, eben weil es verdeckt oder verschmutzt war ... Vielleicht hat sich jedoch an dem Zustand vor Ort noch immer nichts geändert und man kann immer noch Beweise sichern. Auch Aussagen von Zeugen zur Sichtbarkeit der Verkehrszeichen sind natürlich sinnvoll.

Ist die StVO zu beachten, wenn ich ein Verkehrsschild nicht lesen kann?


Wenn ein Verkehrszeichen nicht mehr entzifferbar ist, bleiben die übrigen Regeln der StVO in Kraft und anwendbar. Daher muss sich zum Beispiel ein Autofahrer auch bei Schneetreiben an die innerörtlich vorgegebene Höchstgeschwindigkeit halten, obwohl er keine Verkehrsschilder lesen kann.

Darf man Verkehrsschilder selbst abändern?


Vor einigen Jahren hatte sich das OLG Köln mit einer ganz anderen Fallkonstellation zu befassen: Ein Mann war in einer Tempo-30-Zone geblitzt worden. Um die Folgen abzuwehren, gab er bei einer Fachfirma mehrere Klebefolien in Verkehrsschild-Optik mit der Zahl "50" in Auftrag. Damit überklebte er die Schilder, fotografierte sie und ließ die Fotos vor Gericht von seinem Rechtsanwalt als Beweis vorlegen. Allerdings flog seine Täuschung schnell auf. Die Konsequenzen ließen nicht lange auf sich warten: Das Amtsgericht verurteilte ihn wegen Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung. In der nächsten Instanz kam dann allerdings das OLG Köln zu dem Schluss, dass die Verkehrszeichen keine Urkunden darstellten. Trotzdem wurde der Angeklagte wegen der Veränderung der Schilder letztlich wegen Sachbeschädigung und Amtsanmaßung verurteilt (Beschluss vom 15.9.1998, Az. Ss 395/98).

Praxistipp zu schlecht sichtbaren Verkehrsschildern


Immer wieder kommt es vor, dass Verkehrsschilder verdeckt oder verdreckt sind, sodass man sie nicht erkennen kann. Wenn man in einem solchen Fall einen Verkehrsverstoß begeht und zum Beispiel zu schnell fährt, ist als erstes Beweissicherung in Form eines Beweisfotos angezeigt. Bei der Durchsetzung der eigenen Rechte hilft dann im weiteren Verlauf ein auf das Verkehrsrecht spezialisierter Anwalt.

(Wk)


 Günter Warkowski
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