Schadensabrechnung nach Autounfall: Sachverständigengutachten oder Kostenvoranschlag?
10.07.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Bu - Anwalt-Suchservice Oft ist die Höhe des Schadens nach einem Autounfall schwer einschätzbar. Zum Beispiel kann eine zerkratzte Stoßstange aus Kunststoff oft irreparabel sein und der Austausch dann entsprechend teuer werden. Aufwändig sind auch Karosseriearbeiten wie das Beseitigen von Beulen und Lackschäden. Kommen dann Schäden an der Technik hinzu, ist die Sache für Laien endgültig nicht mehr durchschaubar. Aber: Wer bei der gegnerischen Versicherung einen Schadensersatz einfordern will, muss dessen Höhe nennen können – und diese natürlich auch irgendwie nachweisen. Dazu kommen ein Kostenvoranschlag einer Kfz-Werkstatt oder ein Sachverständigengutachten in Frage.
Eine Möglichkeit für den Schadensnachweis ist der Kostenvoranschlag. Das Gesetz sieht für diesen grundsätzlich keine Extra-Vergütung vor. Allerdings hindert niemand die Vertragspartner daran, eine solche zu vereinbaren. Für die Werkstatt entsteht durch die Anfertigung eines Kostenvoranschlages immerhin zusätzlicher Zeitaufwand. Zum Teil werden die Kosten für den Kostenvoranschlag später mit denen der eigentlichen Reparatur verrechnet. Es gibt sowohl verbindliche als auch unverbindliche Kostenvoranschläge.
Zum Kostenvoranschlag oder – wie ihn das Gesetz nennt – Kostenanschlag gibt es zwei Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch: §§ 649 und 632 Abs. 3 BGB. Diese besagen: Ein unverbindlicher Kostenvoranschlag wird kein fester Vertragsbestandteil.
Wenn die Autowerkstatt absehen kann, dass sie die darin veranschlagten Kosten wesentlich überschreiten wird – also um mehr als 20 Prozent – hat sie den Auftraggeber vor Ausführung der Arbeiten um sein Einverständnis zu bitten. Der Kunde kann dieses erteilen oder verweigern. Wenn er es verweigert, kann er den nun sinnlos gewordenen Werkvertrag kündigen und muss die Werkstatt für die bis dahin durchgeführten Arbeiten bezahlen.
Wenn es sich jedoch ausdrücklich um einen verbindlichen oder garantierten Kostenvoranschlag handelt, muss die Werkstatt sich an den angegebenen Preis halten. Dieser wird Vertragsbestandteil. Hat sich der Unternehmer böse verrechnet, kann er den Vertrag von sich aus anfechten.
Generell hat der Unfallverursacher bzw. dessen Haftpflichtversicherung die Kosten für einen Sachverständigen zu tragen. Geschädigte sollten sich dabei nicht auf den Sachverständigen der gegnerischen Versicherung verlassen, sondern darauf bestehen, dass ein unabhängiger Sachverständiger eingeschaltet wird. Bei der Feststellung des Schadens sind auch Punkte wie die Wertminderung des Fahrzeugs und ein Nutzungsausfall für die Reparaturzeit zu berücksichtigen. Bei einer Kaskoversicherung steht im Versicherungsvertrag, ob sich der Versicherte den Gutachter frei aussuchen darf. Häufig will die Versicherung diesen stellen. Dann muss man einen unabhängigen Sachverständigen in der Regel selbst bezahlen.
Sachverständige rechnen meist auf der Basis des festgestellten Schadens ab. Heißt: je höher der Schaden, desto höher die Vergütung für das Sachverständigengutachten. Allerdings nimmt der Prozentsatz, mit dem gerechnet wird, mit zunehmender Schadenshöhe ab.
Wenn beispielsweise der Schaden bei 2.000 Euro liegt, muss mit Gutachterkosten von circa 600 Euro gerechnet werden - also 30 Prozent des Schadens. Beträgt der Schaden 10.000 Euro, fallen für das Gutachten 1.200 Euro Kosten an, also 12 Prozent des Schadens.
Zusätzlich zu bezahlen sind Nebenkosten wie Fahrtkosten, Porto/Telefon und Fotokosten. Eine offizielle Gebührentabelle oder eine gesetzliche Regelung existieren nicht.
Eine Entscheidung zwischen Kostenvoranschlag und Gutachten steht immer dann auf dem Plan, wenn es sich um einen relativ geringen Schaden handelt. Bei geringen Schäden bezahlen die Versicherungen nämlich kein teures Sachverständigengutachten.
Mit einem solchen Fall beschäftigte sich das Amtsgericht Kiel: Ein Autofahrer hatte auf dem Parkplatz einer Kita rückwärts aus einer Parklücke ausgeparkt und dabei einen anderen PKW gestreift. Der Unfallgegner hatte einen Sachverständigen mit der Schadensfeststellung beauftragt. Dieser stellte für sein Gutachten 323 Euro in Rechnung. Die Versicherung des Unfallverursachers wollte diese Summe jedoch nicht zahlen. Denn: Der Schaden am Fahrzeug sei mit rund 1.054 Euro inklusive Mehrwertsteuer zu gering, um solche Sachverständigenkosten zu rechtfertigen. Der Geschädigte habe durch die Beauftragung des Sachverständigen gegen seine Pflicht verstoßen, den zu ersetzenden Schaden insgesamt gering zu halten.
Die Gerichte gehen bei kleineren Schäden grundsätzlich von einer Bagatellgrenze von 700 bis 1.000 Euro aus. Überschreitet der Unfallschaden diesen Betrag, muss die Versicherung die Kosten für den Sachverständigen erstatten. So entschied auch das Kieler Gericht: Bei einem Schaden von 1.054 Euro habe die Versicherung die Sachverständigenkosten zu übernehmen (Urteil vom 30.11.2011, Az. 113 C 145/11).
Das Gericht erklärte allerdings auch, dass nicht nur die Beträge entscheidend seien, die der Geschädigte ja vor der Beauftragung eines Gutachters gar nicht kenne. Ob ein KfZ-Sachverständiger beauftragt werden dürfe, hänge auch davon ab, ob der Schaden auch von einem Laien ohne Weiteres als Bagatellschaden erkannt werden könne. Dies sei jedoch heute aufgrund der immer komplizierteren Fahrzeugtechnik immer seltener der Fall.
Ist damit zu rechnen, dass die gegnerische Versicherung die Kosten für ein Sachverständigengutachten nicht erstattet, muss ein Kostenvoranschlag der Werkstatt reichen. Diesem messen die Gerichte jedoch meist einen geringeren Beweiswert bei. Schließlich enthält ein Kostenanschlag weniger Informationen als ein Gutachten. In einem Rechtsstreit wird das Gericht unter Umständen von sich aus einen Sachverständigen beauftragen. Geschädigte sollten wissen, dass eine KfZ-Werkstatt üblicherweise nur die Reparaturkosten ermittelt. Den möglichen Wertverlust und den Nutzungsausfall lässt sie außer Acht.
Geschädigte sollten sich nach einem Verkehrsunfall gut überlegen, ob sie einen Gutachter beauftragen oder einen Kostenvoranschlag einholen. Im Streitfall kann Ihnen ein im Zivilrecht versierter Anwalt dabei helfen, Ihren Schaden beim Unfallgegner und seiner Versicherung geltend zu machen.
Das Wichtigste in Kürze
1. Kostenvoranschlag: Die Schadensabrechnung mittels Kostenvoranschlag empfiehlt sich bei kleinen bis mittleren Schäden, wenn die Reparaturkosten voraussichtlich unter 1.000 bis 1.500 Euro liegen. Der Unfallschaden sollte unstrittig und klar zu erkennen sein.
2. Sachverständigengutachten: Liegt der Schaden über 1.500 Euro oder gibt es Zweifel an der Schadenshöhe bzw. an der Schuldfrage, empfiehlt es sich, den Schaden bei der gegnerischen Versicherung mittels SV-Gutachten geltend zu machen.
3. Im Zweifel: Auch wenn unklar ist, ob verdeckte Schäden vorliegen, sollte ein Sachverständigengutachten eingeholt werden, um den Unfallschaden vollständig geltend zu machen.
1. Kostenvoranschlag: Die Schadensabrechnung mittels Kostenvoranschlag empfiehlt sich bei kleinen bis mittleren Schäden, wenn die Reparaturkosten voraussichtlich unter 1.000 bis 1.500 Euro liegen. Der Unfallschaden sollte unstrittig und klar zu erkennen sein.
2. Sachverständigengutachten: Liegt der Schaden über 1.500 Euro oder gibt es Zweifel an der Schadenshöhe bzw. an der Schuldfrage, empfiehlt es sich, den Schaden bei der gegnerischen Versicherung mittels SV-Gutachten geltend zu machen.
3. Im Zweifel: Auch wenn unklar ist, ob verdeckte Schäden vorliegen, sollte ein Sachverständigengutachten eingeholt werden, um den Unfallschaden vollständig geltend zu machen.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Was muss man zum Kostenvoranschlag wissen? Was bedeutet verbindlich oder unverbindlich? Grundlegendes zum Sachverständigengutachten Was kostet ein Sachverständigengutachten? Kostenanschlag oder Gutachten - wann ist eine Wahl zu treffen? Pro und Contra Kostenvoranschlag Praxistipp zur Schadensregulierung nach einem Verkehrsunfall Was muss man zum Kostenvoranschlag wissen?
Eine Möglichkeit für den Schadensnachweis ist der Kostenvoranschlag. Das Gesetz sieht für diesen grundsätzlich keine Extra-Vergütung vor. Allerdings hindert niemand die Vertragspartner daran, eine solche zu vereinbaren. Für die Werkstatt entsteht durch die Anfertigung eines Kostenvoranschlages immerhin zusätzlicher Zeitaufwand. Zum Teil werden die Kosten für den Kostenvoranschlag später mit denen der eigentlichen Reparatur verrechnet. Es gibt sowohl verbindliche als auch unverbindliche Kostenvoranschläge.
Was bedeutet verbindlich oder unverbindlich?
Zum Kostenvoranschlag oder – wie ihn das Gesetz nennt – Kostenanschlag gibt es zwei Regelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch: §§ 649 und 632 Abs. 3 BGB. Diese besagen: Ein unverbindlicher Kostenvoranschlag wird kein fester Vertragsbestandteil.
Wenn die Autowerkstatt absehen kann, dass sie die darin veranschlagten Kosten wesentlich überschreiten wird – also um mehr als 20 Prozent – hat sie den Auftraggeber vor Ausführung der Arbeiten um sein Einverständnis zu bitten. Der Kunde kann dieses erteilen oder verweigern. Wenn er es verweigert, kann er den nun sinnlos gewordenen Werkvertrag kündigen und muss die Werkstatt für die bis dahin durchgeführten Arbeiten bezahlen.
Wenn es sich jedoch ausdrücklich um einen verbindlichen oder garantierten Kostenvoranschlag handelt, muss die Werkstatt sich an den angegebenen Preis halten. Dieser wird Vertragsbestandteil. Hat sich der Unternehmer böse verrechnet, kann er den Vertrag von sich aus anfechten.
Grundlegendes zum Sachverständigengutachten
Generell hat der Unfallverursacher bzw. dessen Haftpflichtversicherung die Kosten für einen Sachverständigen zu tragen. Geschädigte sollten sich dabei nicht auf den Sachverständigen der gegnerischen Versicherung verlassen, sondern darauf bestehen, dass ein unabhängiger Sachverständiger eingeschaltet wird. Bei der Feststellung des Schadens sind auch Punkte wie die Wertminderung des Fahrzeugs und ein Nutzungsausfall für die Reparaturzeit zu berücksichtigen. Bei einer Kaskoversicherung steht im Versicherungsvertrag, ob sich der Versicherte den Gutachter frei aussuchen darf. Häufig will die Versicherung diesen stellen. Dann muss man einen unabhängigen Sachverständigen in der Regel selbst bezahlen.
Was kostet ein Sachverständigengutachten?
Sachverständige rechnen meist auf der Basis des festgestellten Schadens ab. Heißt: je höher der Schaden, desto höher die Vergütung für das Sachverständigengutachten. Allerdings nimmt der Prozentsatz, mit dem gerechnet wird, mit zunehmender Schadenshöhe ab.
Wenn beispielsweise der Schaden bei 2.000 Euro liegt, muss mit Gutachterkosten von circa 600 Euro gerechnet werden - also 30 Prozent des Schadens. Beträgt der Schaden 10.000 Euro, fallen für das Gutachten 1.200 Euro Kosten an, also 12 Prozent des Schadens.
Zusätzlich zu bezahlen sind Nebenkosten wie Fahrtkosten, Porto/Telefon und Fotokosten. Eine offizielle Gebührentabelle oder eine gesetzliche Regelung existieren nicht.
Kostenanschlag oder Gutachten - wann ist eine Wahl zu treffen?
Eine Entscheidung zwischen Kostenvoranschlag und Gutachten steht immer dann auf dem Plan, wenn es sich um einen relativ geringen Schaden handelt. Bei geringen Schäden bezahlen die Versicherungen nämlich kein teures Sachverständigengutachten.
Mit einem solchen Fall beschäftigte sich das Amtsgericht Kiel: Ein Autofahrer hatte auf dem Parkplatz einer Kita rückwärts aus einer Parklücke ausgeparkt und dabei einen anderen PKW gestreift. Der Unfallgegner hatte einen Sachverständigen mit der Schadensfeststellung beauftragt. Dieser stellte für sein Gutachten 323 Euro in Rechnung. Die Versicherung des Unfallverursachers wollte diese Summe jedoch nicht zahlen. Denn: Der Schaden am Fahrzeug sei mit rund 1.054 Euro inklusive Mehrwertsteuer zu gering, um solche Sachverständigenkosten zu rechtfertigen. Der Geschädigte habe durch die Beauftragung des Sachverständigen gegen seine Pflicht verstoßen, den zu ersetzenden Schaden insgesamt gering zu halten.
Die Gerichte gehen bei kleineren Schäden grundsätzlich von einer Bagatellgrenze von 700 bis 1.000 Euro aus. Überschreitet der Unfallschaden diesen Betrag, muss die Versicherung die Kosten für den Sachverständigen erstatten. So entschied auch das Kieler Gericht: Bei einem Schaden von 1.054 Euro habe die Versicherung die Sachverständigenkosten zu übernehmen (Urteil vom 30.11.2011, Az. 113 C 145/11).
Das Gericht erklärte allerdings auch, dass nicht nur die Beträge entscheidend seien, die der Geschädigte ja vor der Beauftragung eines Gutachters gar nicht kenne. Ob ein KfZ-Sachverständiger beauftragt werden dürfe, hänge auch davon ab, ob der Schaden auch von einem Laien ohne Weiteres als Bagatellschaden erkannt werden könne. Dies sei jedoch heute aufgrund der immer komplizierteren Fahrzeugtechnik immer seltener der Fall.
Pro und Contra Kostenvoranschlag
Ist damit zu rechnen, dass die gegnerische Versicherung die Kosten für ein Sachverständigengutachten nicht erstattet, muss ein Kostenvoranschlag der Werkstatt reichen. Diesem messen die Gerichte jedoch meist einen geringeren Beweiswert bei. Schließlich enthält ein Kostenanschlag weniger Informationen als ein Gutachten. In einem Rechtsstreit wird das Gericht unter Umständen von sich aus einen Sachverständigen beauftragen. Geschädigte sollten wissen, dass eine KfZ-Werkstatt üblicherweise nur die Reparaturkosten ermittelt. Den möglichen Wertverlust und den Nutzungsausfall lässt sie außer Acht.
Praxistipp zur Schadensregulierung nach einem Verkehrsunfall
Geschädigte sollten sich nach einem Verkehrsunfall gut überlegen, ob sie einen Gutachter beauftragen oder einen Kostenvoranschlag einholen. Im Streitfall kann Ihnen ein im Zivilrecht versierter Anwalt dabei helfen, Ihren Schaden beim Unfallgegner und seiner Versicherung geltend zu machen.
(Bu)