Nachtarbeit: Was gilt für Zuschläge, Steuern und Arbeitnehmerrechte?

23.02.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
Nacht,Arbeit,Büro,Mitarbeiter,Schreibtisch,Computer Angestellter, der nachts allein im Büro arbeitet © - freepik

Nachtarbeit ist nicht gesund und wird daher zum Ausgleich meist besser bezahlt. Arbeitnehmer können einen Zuschlag beanspruchen. Besonderheiten gibt es auch in steuerlicher Hinsicht.

Nachtarbeit ist nach einer gesicherten Erkenntnis der Arbeitsmedizin schädlich für die Gesundheit. Aufeinanderfolgende Schichten in Nachtarbeit sollen besonders ungesund sein. Ein weiterer Nachteil der Nachtschicht: Wer nachts arbeitet, kann in der Regel nicht wie üblich am sozialen Leben mit Freunden oder Familie teilnehmen. Daher können Arbeitnehmer für die Nachtarbeit einen Zuschlag in Anspruch nehmen. Oft finden sich dazu Regelungen im Tarifvertrag. Streit entsteht jedoch häufig um die Frage, wie hoch der Nachtarbeitszuschlag sein muss oder ob Arbeitnehmer mit verschiedenen Arbeitszeitmodellen verschiedene Zuschläge bekommen dürfen. Bei den Zuschlägen für Nachtarbeit gibt es auch steuerlich Besonderheiten.

Begriff: Was ist überhaupt Nachtarbeit?


Was Nachtarbeit ist, lässt sich gar nicht so einfach beantworten. Nach § 2 Abs. 3 des Arbeitszeitgesetzes findet Nachtzeit in der Zeit zwischen 23 Uhr und sechs Uhr statt, in Bäckereien und Konditoreien jedoch zwischen 22 Uhr und fünf Uhr.

Die Vorschrift definiert jede Arbeit als Nachtarbeit, die mindestens zwei Stunden dauert und in diese Zeitspannen fällt. Nachtarbeitnehmer sind laut Gesetz Beschäftigte, die entweder

- normalerweise Nachtarbeit in Wechselschicht leisten oder
- an mindestens 48 Tagen im Kalenderjahr Nachtarbeit leisten.

Abweichendes kann jedoch in Tarifverträgen geregelt sein. Das Bundesarbeitsgericht beschäftigte sich in seinem Urteil vom 21.3.2018 mit einem Tarifvertrag der Textilindustrie. Danach war Nachtarbeit die Arbeit, welche zwischen 20 Uhr und sechs Uhr früh stattfand. Bei Schichtarbeit sollte als Nachtarbeit die Arbeit zwischen 22 Uhr und sechs Uhr gelten. Dabei durfte es im Einvernehmen mit dem Betriebsrat auch Abweichungen von einer Stunde geben (Az. 10 AZR 34/17).

Wann darf der Chef Nachtarbeit verlangen?


Jeder Arbeitgeber darf grundsätzlich Nachtarbeit anordnen. Es gibt jedoch mehrere Einschränkungen in besonderen Gesetzen, wie zum Beispiel dem Mutterschutzgesetz und dem Jugendarbeitsschutzgesetz.

Welche grundlegenden Rechte haben Nachtarbeiter?


§ 6 des Arbeitszeitgesetzes enthält besondere Regelungen für Nachtarbeitnehmer. Demnach darf die werktägliche Arbeitszeit von Nachtarbeitnehmern acht Stunden nicht überschreiten. Auf zehn Stunden darf sie nur dann verlängert werden, wenn innerhalb von einem Kalendermonat oder innerhalb von vier Wochen im Durchschnitt acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.

Nachtarbeitnehmer dürfen sich vor Beschäftigungsbeginn und danach im Rhythmus von mindestens drei Jahren arbeitsmedizinisch untersuchen lassen. Ab dem 50. Lebensjahr ist dies jedes Jahr möglich. Die Kosten muss der Arbeitgeber übernehmen, wenn er die Untersuchung nicht sowieso kostenlos durch einen Betriebsarzt anbietet.

In folgenden Fällen muss der Arbeitgeber Beschäftigte auf Verlangen auf einen Tagesarbeitsplatz versetzen:

- Gesundheit ist laut Arzt gefährdet,
- Arbeitnehmer betreut ein Kind unter 12 Jahren, das nicht durch jemand anderen im Haushalt betreut werden kann,
- Arbeitnehmer muss einen schwer pflegebedürftigen Angehörigen versorgen, und dies kann niemand anderer im Haushalt übernehmen.

Einer Versetzung auf einen Tagesarbeitsplatz kann der Chef allerdings dringende betriebliche Erfordernisse entgegenhalten. Dann muss der Betriebsrat (soweit vorhanden) angehört werden, der eigene Vorschläge unterbreiten darf.

Auch müssen Nachtarbeitnehmer die gleichen Möglichkeiten zur betrieblichen Weiterbildung und zu aufstiegsfördernden Maßnahmen bekommen, wie andere Beschäftigte im Betrieb.

Wo ist der Nachtarbeitszuschlag geregelt?


Dies regelt § 6 Abs. 5 des Arbeitszeitgesetzes. Nach dieser Vorschrift müssen Nachtarbeitnehmer – sofern der Tarifvertrag keinen besonderen Ausgleich für die Nachtarbeit festlegt – für die während der Nachtzeit geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Zahl bezahlter freier Tage oder einen angemessenen Zuschlag auf das Bruttoarbeitsentgelt erhalten.

Welche Zuschläge sind für Nachtarbeit angemessen?


Das Gesetz sagt nichts darüber, welche Zuschläge angemessen sind. Daher hat sich das Bundesarbeitsgericht mit dieser Frage befasst.

Im konkreten Fall ging es um einen Fahrer im Paketlinientransportdienst. Die Arbeitszeit des Mannes begann meist um 20 Uhr und endete inklusive Pausen um sechs Uhr. Der Arbeitgeber war nicht tarifgebunden. Für die Zeit zwischen 21 Uhr und sechs Uhr bezahlte er einen Zuschlag von zunächst 11 Prozent, später von 20 Prozent. Der Arbeitnehmer klagte auf eine Erhöhung des Zuschlags auf 30 Prozent oder einen Freizeitausgleich von zwei Arbeitstagen für jeweils 90 geleistete Nachtarbeitsstunden.

Das Landesarbeitsgericht hatte ihm zunächst nur einen Nachtzuschlag in Höhe von 25 Prozent zugestanden. Das Bundesarbeitsgericht betonte: In der Regel sei ein Zuschlag in Höhe von 25 Prozent auf den Bruttolohn zu zahlen oder die entsprechende Anzahl von Tagen freizugeben. Allerdings könne der Nachtarbeitszuschlag je nach Lage der Dinge auch erhöht oder gesenkt werden.

Der Nachtarbeitszuschlag dürfe verringert werden, wenn die Arbeitsbelastung während der Nachtzeit zum Beispiel durch Bereitschaftsdienst oder Arbeitsbereitschaft spürbar geringer sei. Er müsse bei Dauernachtarbeit jedoch erhöht werden. Diese stellt dem Bundesarbeitsgericht zufolge nach gesicherten arbeitsmedizinischen Erkenntnissen eine besonders hohe körperliche Belastung dar. Daher sei in solchen Fällen in der Regel ein Nachtzuschlag von 30 Prozent zu zahlen oder die entsprechende Anzahl von freien Tagen zu geben.

Der Pakettransportfahrer erbringe ohne Zweifel Dauernachtarbeit. Daher müsse er für die Zeit zwischen 23 Uhr und sechs Uhr einen Nachtzuschlag von 30 Prozent erhalten. Entgegen der Ansicht des Arbeitgebers sei ein im Zeitraum zwischen 21 Uhr und 23 Uhr gezahlter Zuschlag darauf nicht anzurechnen. Irrelevant sei auch die Höhe des Stundenlohns. Denn: Es deute hier nichts darauf hin, dass dieser schon einen Nachtzuschlag enthalte (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 9.12.2015, Az. 10 AZR 423/14).

Unterschiedliche Zuschläge per Tarifvertrag zulässig?


2018 beschäftigte sich das Bundesarbeitsgericht mit einem Fall, in dem ein Tarifvertrag der Textilindustrie eine große Vergütungsdifferenz bei der Bezahlung von Zuschlägen für Nachtarbeit vorgab. So gab es für unregelmäßige Nachtarbeit einen Zuschlag von 50 Prozent, für Nachtarbeit in Schichtarbeit aber nur von 15 Prozent.

Gerechtfertigt kann eine solche Ungleichbehandlung sein, wenn es dafür sachliche Gründe gibt. Das Bundesarbeitsgericht hielt eine ähnliche Tarifvertragsregelung im Einzelhandel für zulässig, da dort nur selten Nachtarbeit anfalle. Auch war der Unterschied in den Nachtzuschlägen weit geringer (Az. 10 AZR 7631/12).

Das Gericht hielt jedoch die Tarifregelung der Textilindustrie für unzulässig: Hier sah es keine Gründe für die Ungleichbehandlung. Im Ergebnis musste der Arbeitgeber auch den geringeren Zuschlag auf 50 Prozent anheben (Urteil vom 21. März 2018, Az. 10 AZR 34/17).

Aktuelles BAG-Urteil zur regelmäßigen / unregelmäßigen Nachtarbeit


Seit Jahren gibt es in der deutschen Lebensmittelindustrie Streit darüber, ob für regelmäßige und unregelmäßige Nachtarbeit unterschiedlich hohe Zuschläge gezahlt werden dürfen. Dazu hat nun gestern, am 22.2.2023, das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden.

Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin in der Getränkeindustrie, die in einem Wechselschichtmodell auch nachts arbeitete. Der geltende Manteltarifvertrag sah für regelmäßige Nachtarbeit einen Zuschlag von 20 Prozent und für unregelmäßige Nachtarbeit von 50 Prozent vor. Die Arbeitnehmerin rügte einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz und sah für eine solche Ungleichbehandlung keinen sachlichen Grund.

Das Bundesarbeitsgericht war jedoch anderer Ansicht. Aus dem Tarifvertrag ergäbe sich durchaus ein sachlicher Grund für die Ungleichbehandlung. Der Tarifvertrag verfolge nämlich das Ziel, höhere Belastungen für die Beschäftigten mit unregelmäßiger Nachtarbeit wegen der schlechteren Planbarkeit der Arbeitszeiten besser auszugleichen. Da Art. 9 Abs. 3 des Grundgesetzes die Tarifautonomie garantiere, sei eine solche Regelung möglich. Denn: Die Tarifvertragsparteien dürften außer dem Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer mit einem Nachtarbeitszuschlag auch noch andere Ziele verfolgen.

Eine Angemessenheitsprüfung bezüglich der Höhe der Differenz müsse nicht stattfinden, denn dies sei allein Sache der Tarifvertragsparteien (Urteil vom 22.2.2023, Az. 10 AZR 332/20). Parallel entschied das Bundesarbeitsgericht entsprechend in ähnlichen Fällen, die Tarifverträge folgender Industriezweige betrafen: Milch-, Käse- und Schmelzkäseindustrie, milchbe- und verarbeitende Molkereibetriebe Niedersachsen/Bremen, Bundesmanteltarifvertrag für die Süßwarenindustrie.

Wie sind Nachtarbeitszuschläge zu versteuern?


Nach § 3b Einkommenssteuergesetz sind Zuschläge für Nachtarbeit steuerfrei. Voraussetzung: Sie dürfen 25 Prozent des Grundlohns nicht übersteigen. Der Grundlohn wiederum darf nicht über 50 Euro pro Stunde liegen. Das Einkommenssteuergesetz sieht als Nachtarbeit die Arbeit zwischen 20 Uhr und sechs Uhr an. Zusätzlich gilt: Wenn die Nachtarbeit vor null Uhr aufgenommen wird, erhöht sich von null Uhr bis vier Uhr der steuerfreie Nachtzuschlagssatz auf 40 Prozent.

Praxistipp zu Zuschlägen für Nachtarbeit


Tarifvertragliche Regelungen zur Nachtarbeit können so kompliziert sein, dass sie in Betrieben teils jahrelang falsch angewendet werden. Dies war der Fall im oben zitierten Fall des Bundesarbeitsgerichts von 2018. Benötigen Sie Beratung oder Unterstützung in Fragen rund um die Nachtarbeit? Dann sind Sie bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht an der richtigen Adresse.

(Bu)


 Stephan Buch
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