Nackt Sonnen auf dem Balkon: Erlaubt oder nicht?

07.08.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Frau,nackt,Balkon,Sonne,Kaffee,Duschen Ist es erlaubt, sich nackt auf dem Balkon zu sonnen? © - freepik
Das Wichtigste in Kürze

1. Nicht verboten: Die Nachbarn müssen es grundsätzlich hinnehmen, wenn sich andere Mieter auf dem Balkon oder auch im Garten nackt sonnen. Der Vermieter darf deswegen nicht abmahnen oder kündigen.

2. Rücksichtnahme: Auch, wenn Mieter auf der Terasse oder dem Balkon nackt sonnen dürfen, sollten sie Rücksicht aufeinander nehmen - insbesondere mit Blick auf die Kinder.

3. Erregung öffentlichen Ärgernisses: Sexuelle Betätigungen aller Art sollten in Bereichen, die andere einsehen können, generell unterbleiben. Es besteht die Gefahr, sich strafbar zu machen.
Nacktheit ist in der Öffentlichkeit nur auf besonders dafür ausgewiesenen Plätzen erlaubt. Natürlich kann einem niemand in den eigenen vier Wänden eine Kleiderordnung vorschreiben. Nur können Balkone und Terrassen meist von anderen Menschen – Nachbarn oder Passanten – eingesehen werden. Diese freuen sich oft nicht besonders über den Anblick unbekleideter, nackter Sonnenanbeter. Andererseits soll es auch schon Nackedeis gegeben haben, die ihre Nachbarn auf Unterlassung verklagten, weil sie sich von diesen beobachtet fühlten. Auch zwischen Mietern und Vermietern kommt es manchmal zum Streit über dieses Thema.

Müssen die Nachbarn nacktes Sonnen hinnehmen?


Nacktes Sonnenbaden auf dem eigenen Balkon sehen die Gerichte meist nicht als besonders schlimm an. Nach ihrer Ansicht müssen die Nachbarn so etwas in der Regel hinnehmen. Der Bundesgerichtshof hat schon in mehreren Fällen juristischen Schritten gegen sogenannte "ästhetische Immissionen" – also einen unerwünschten Anblick auf dem Nachbargrundstück – Absagen erteilt. Dabei ging es jedoch nicht um nacktes Sonnen, sondern zum Beispiel um das Kommen und Gehen bei einem Bordellbetrieb (Az. V ZR 172/84) oder um hässliche Blechwände (Az. V ZR 83/73).

Passender ist ein Urteil des Amtsgerichts Merzig. Dabei ging es um eine Mieterin, die die Angewohnheit hatte, sich nackt im Garten zu sonnen. Ihr Vermieter mit Familie wohnte jedoch im gleichen Haus. Das nackte Sonnenbaden der Mieterin erhitzte in dem kleinen Dorf schnell die Gemüter und sorgte für Gesprächsstoff. Daraufhin kündigte der Vermieter ihren Mietvertrag - allerdings gab es dafür noch weitere Gründe. Das Gericht sah die Kündigung als unwirksam an: Was die Grundstücksnachbarn denken oder nicht denken würden, habe nichts mit dem Mietvertrag zu tun. Dieser gelte nun einmal nur zwischen Vermieter und Mieterin. Daher habe das textilfreie Sonnenbaden der Frau keinerlei Wirkung auf das Mietverhältnis (Urteil vom 5.8.2005, Az. 23 C 1282/04).

Nach der Sauna nackt im Garten - erlaubt?


In Dortmund wurde ein Mann für seine Nachbarn zum Ärgernis, der die Angewohnheit hatte, einmal wöchentlich nach dem Saunagang unbekleidet in seinem Garten herumzuspazieren. Mit diesem Anblick mochte sich ein Nachbar nicht abfinden. Das Landgericht war jedoch der Ansicht, dass der Nachbar dies hinnehmen müsse (5.7.2016, Az. 1 S 13/16).

Schließlich war der nackte Saunafreund tatsächlich nur von einem bestimmten Fenster im Obergeschoss und von einem bestimmten Winkel aus durch das Küchenfenster des Nachbarhauses zu sehen. Der Nachbar hätte also schlicht und einfach nicht hinsehen müssen. Er nahm dann auch in zweiter Instanz seine Klage zurück. Später verkaufte der Saunafreund sein Haus und zog in eine tolerantere Nachbarschaft.

Ist Sex auf der einsehbaren Terrasse erlaubt?


Im Mietverhältnis kann es auch Ärger geben, wenn Mieter oder Mieterin sich nicht nur nackt sonnen, sondern auch ihre Liebestriebe nicht zügeln können. Das Amtsgericht Bonn gab einem Vermieter recht, der eine Mieterin abgemahnt hatte. Die Frau hatte auf einer von außen einsehbaren Terrasse vor den Augen von Nachbarn und in Sichtweite eines Kinderspielplatzes mit einem Freund Sex gehabt. Dies war aus Sicht des Gerichts eine nachhaltige Störung des Hausfriedens. Die Abmahnung des Vermieters sei zu Recht erfolgt. Im Mietverhältnis müssten beide Seiten das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme beachten. Dieses sei hier verletzt worden. Allerdings ordnete das Gericht auch an, dass die Nachbarn der Mieterin die Beweisfotos herausgeben mussten (AG Bonn, Urteil vom 17. Mai 2006, Az. 8 C 209/05).

Wann liegt eine Erregung öffentlichen Ärgernisses vor?


Bei der Erregung öffentlichen Ärgernisses handelt es sich um einen Straftatbestand. Bei Geschlechtsverkehr in der Öffentlichkeit ist dieser in der Regel erfüllt - im Gegensatz zum nackten Sonnen. Davon muss man jedoch die sogenannten "exhibitionistischen Handlungen" unterscheiden.

Unter exhibitionistischen Handlungen versteht man eher das Zeigen des männlichen Geschlechtsorgans ohne Einverständnis des Gegenübers, mit oder ohne Masturbation. Gemäß § 183 Strafgesetzbuch (StGB) können exhibitionistische Handlungen mit der gleichen Strafe geahndet werden wie eine Erregung öffentlichen Ärgernisses.

Faustregel: Sexuelle Betätigungen aller Art sollten in Bereichen, die andere einsehen können, generell unterbleiben – ansonsten besteht die Gefahr, sich strafbar zu machen. Die Strafe für eine Erregung öffentlichen Ärgernisses kann eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr sein oder eine Geldstrafe (§ 183a StGB).

Sex im Erlebnisbad: Strafbar?


Das Landgericht Augsburg bestätigte vor einigen Jahren die amtsgerichtliche Verurteilung von zwei jungen Leuten wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses. Die beiden hatten in der "Erlebnisgrotte" einer örtlichen Schwimm-Therme mehrere Minuten lang geschlechtsverkehrsähnliche Handlungen vollzogen. Beobachtet hatten dies Badegäste und zwei Bademeister. Das Gericht bestätigte, dass es sich um eine Erregung öffentlichen Ärgernisses handelte. Angewendet wurde das Jugendstrafrecht. Die junge Frau bekam einen Freizeitarrest und eine Arbeitsauflage von 32 Stunden aufgebrummt; der Mann musste zwei Wochen lang in Dauerarrest. Allerdings spielte beim Strafmaß wohl auch ein besonders renitentes Verhalten gegenüber dem Gericht eine gewisse Rolle (LG Augsburg, Urteil vom 19.8.2015, Az. JNs 404 Js 104801/15).

Nackt in der eigenen Wohnung: Ist kurzes Hinschauen erlaubt?


Vor dem Oberlandesgericht München ging es um einen Fall, bei dem die Empörung von einem Wohnungseigentümer selbst ausging. Dieser sonnte sich zwar nicht nackt, lief aber gerne nackt in seiner Wohnung und auf seiner Terrasse herum. Der Mann war Eigentümer einer Erdgeschosswohnung in einem Mehrfamilienhaus. Er hatte sich darüber beschwert, dass andere Eigentümer aus der Wohnanlage sowie deren Besucher eine direkt an seine Terrasse grenzende gemeinschaftliche Gartenfläche als Durchgang nutzten. Dabei schauten sie in seinen Garten und in seine Wohnung. Kinder hätten ihm bereits Grimassen geschnitten.

Das Gericht entschied: Vorbeilaufen ist in Ordnung, Hineinschauen und Provozieren nicht. Der Kläger habe zwar beim Kauf seiner Wohnung gewusst, dass vor seiner Terrasse eine allgemein zugängliche Grünfläche lag. Er könne daher nicht fordern, dass eine einfache Nutzung dieser Fläche verboten werde. Etwas anderes sei es jedoch, wenn Personen vom Garten aus gezielt in die Erdgeschosswohnung schauten, um sich über die Nacktheit des Bewohners zu amüsieren. Gaffen stelle einen Eingriff in das Eigentum dar und müsse unterbleiben (Urteil vom 27.9.2005, Az. 32 Wx 65/05).

Was gilt für das Fotografieren und Filmen?


Das oben zum Gaffen in fremde Wohnungen Gesagte gilt in besonderem Maße auch für das Fotografieren und das Filmen: Wer in einen gegen Einblicke geschützten Raum hinein fotografiert (etwa in einen von Hecken umschlossenen Garten) macht sich strafbar nach § 201a StGB wegen einer Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen. Möglich ist eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren.

Nochmal kurz gefragt und kurz geantwortet



1. Darf man sich auf Balkon und Terrasse nackt sonnen?
Ja, Mieter dürfen sich auf Balkon und Terrasse grundsätzlich nackt sonnen.

2. Was sagt das Mietrecht?
Es gibt kein gesetzliches Verbot sich auf Balkon und Terrasse nackt zu sonnen.

3. Was sagen Mietvertrag und Hausordnung?
Klauseln, die das Nacktsonnen verbieten, schränken den Mieter unverhältnismäßig in seiner Privatspäre ein.

4. Kann der Vermieter das Nacktsonnen verbieten?
Nein, Nacktsonnen auf dem Balkon ist keine Störung des Hausfriedens und stellt auch keinen Mietmangel dar.

5. Ist auf Balkon und Terrasse Sex erlaubt?
Jedenfalls dann nicht, wenn diese Bereiche gut einsehbar sind. Dann liegt unter Umständen sogar eine strafbare Erregung öffentlichen Ärgernisses vor.

Praxistipp zum nackt Sonnen auf dem Balkon


Ob Mieter oder Eigentümer - beim nackten Sonnenbaden auf dem Balkon und ähnlichen Vorlieben empfiehlt es sich, etwas Rücksicht auf die Nachbarn zu nehmen. Kommt es trotz allem zum Streit mit Nachbarn oder Vermieter, kann Sie ein auf das Zivilrecht spezialisierter Rechtsanwalt zu Ihrem individuellen Fall beraten. Wurde gegen Sie Strafanzeige gestellt, führt der richtige Weg zu einem Fachanwalt für Strafrecht.

(Bu)


 Stephan Buch
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