Nicht geblinkt – Mitschuld am Unfall?

09.01.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Blinker,Auto,Blinklicht,Straßenverkehr Unfall, weil nicht geblinkt wurde: Wer hat Schuld? © Bu - freepik
Das Wichtigste in Kürze

1. Pflicht zum Blinken: Laut Straßenverkehrsordnung (StVO) müssen Verkehrsteilnehmer in bestimmten Verkehrssituationen blinken, z.B. beim Wechsel der Fahrtrichtung oder beim Fahrspurwechsel.

2. Schuldfrage bei Unfall: Wer in den von der StVO geregelten Fällen nicht blinkt, trägt zumindest eine Mitschuld an einem durch dieses regelwidrige Verhalten herbeigeführten Verkehrsunfall.

3. Allgemeine Sorgfaltspflichten: Andere Verkehrsteilnehmer müssen auch solche Anzeichen beachten, die der mit dem Blinken angedeuteten Aktion widersprechen, z.B. ein unabgebremstes Weiterfahren. Andernfalls droht eine Mithaftung, wenn es zum Unfall kommt.
Ob beim Abbiegen oder beim Spurwechsel – viele Verkehrsteilnehmer verzichten darauf, zu blinken. Sie haben den Eindruck, den Verkehr ringsherum gut überblicken zu können, und der Griff zum Blinker erscheint ihnen überflüssig. Diese Fehleinschätzung führt jedoch häufig zu Unfällen. Denn: Der eigene Überblick ist nicht immer so gut, wie man es vermutet.

Wann muss man blinken?


Nach der Straßenverkehrsordnung (StVO) muss man in folgenden Situationen blinken bzw. einen Fahrtrichtungswechsel anzeigen:

1. Beim jedem Wechsel der Fahrtrichtung. Zum Beispiel also vor dem

- Abbiegen,
- Einbiegen auf eine Straße aus einer Grundstücksausfahrt,
- Einordnen auf einer Fahrbahn mit Richtungspfeilen,
- Verlassen eines Kreisverkehrs (aber: nicht blinken, wenn man in den Kreisverkehr einfährt),
- Befahren einer abknickenden Vorfahrtstraße (aber: nicht blinken, wenn man geradeaus fährt und nicht der abknickenden Vorfahrt folgt),

und
- wenn eine Ampel eine Fahrtrichtung vorgibt (Abbiegepfeil).

2. Beim jedem Fahrspurwechsel. Zum Beispiel vor dem

- Wechsel einer Fahrspur,
- Überholen und Wiedereinscheren,
- Ein- und Ausfahren auf die Autobahn,
- Spurwechsel auf der Autobahn,
- Vorbeifahren an Hindernissen auf allen Straßen.

Blinken muss man vor dem Einordnen und bis zum tatsächlichen Abbiegen oder Richtungswechsel.

Ist Blinken nicht überflüssig?


Das Blinken kommt vielen Autofahrern wie ein lästiger Formalismus vor. Man möchte doch schnell abbiegen oder die Spur wechseln! Bevor man pflichtgemäß erst lange geblinkt hat, ist diese Aktion schon längst ausgeführt. Tatsächlich kommt es jedoch gerade bei solchen Manövern zu vielen Verkehrsunfällen. Der Grund: Das Blinken soll dafür sorgen, dass andere Verkehrsteilnehmer sich rechtzeitig darauf einstellen können, was man macht. Diese müssen ihr Fahrverhalten nicht so beibehalten, wie es im Moment vor dem eigenen Abbiegen oder Spurwechsel gerade war. Vielleicht beschleunigt jemand anderer plötzlich, um ein langsameres Fahrzeug zu überholen, ein anderer bremst, weil er abbiegen will. Vielleicht läuft auch ein Fußgänger auf die Straße und zwingt Autofahrer zum Reagieren. Dem Unfallgegner des Blinkmuffels stellt sich dann schnell die Frage, ob er nun den Schaden vollständig alleine tragen muss.

Der Fall: Blinkmuffel auf der Autobahnabfahrt


Das Oberlandesgericht Hamm befasste sich mit einem Unfall auf einer Autobahnabfahrt. Wie in vielen Fällen teilte sich dort die Fahrbahn nach einer kurzen Strecke in eine Links- und eine Rechtsabbiegespur auf. Zwei Autos fuhren kurz nacheinander von der Autobahn ab. Die vorausfahrende Autofahrerin ordnete sich auf der Abfahrt nicht eindeutig nach rechts oder links ein und fuhr in gemütlichem Tempo. Die ihr folgende Taxifahrerin war ungeduldig und wollte rechts vorbeiziehen. Genau in diesem Moment entschied sich die Vorausfahrende allerdings für die rechte Spur. Sie schwenkte ohne zu blinken auf die rechte Fahrbahn ein. Die Autos kollidierten. Der Schaden am vorderen PKW betrug 4.300 Euro. Der Ehemann der Fahrerin und Fahrzeughalter des vorausfahrenden PKW klagte nun gegen die Halterin des Taxis auf Schadensersatz.

Welche Grundregeln gelten bei einer sich aufteilenden Fahrbahn?


Die Straßenverkehrsordnung schreibt sowohl beim Abbiegen (§ 9 StVO) als auch beim Spurwechsel (§ 7 StVO) vor, dass man den Fahrtrichtungsanzeiger (= Blinker) benutzen muss. Mit Hilfe des Blinkers haben Fahrer rechtzeitig und deutlich anzuzeigen, was sie tun wollen. Im Übrigen hat jeder Verkehrsteilnehmer bereits nach § 1 StVO darauf zu achten, dass andere durch die eigenen Aktionen nicht gefährdet werden.

Das OLG Hamm erklärte, wie man sich zu verhalten hat, wenn sich eine Fahrspur ohne Verkehrszeichen gabelt: Kann eine der weiterführenden Fahrspuren als Fortsetzung der alten Spur angesehen werden, muss derjenige, der darauf bleibt, nicht blinken. Denn: Er ändert seine Fahrtrichtung nicht. Blinken muss nur, wer die Spur wechselt. Gliedert sich eine Spur in zwei ganz neue Spuren auf, ändert man jedoch in jedem Fall die Fahrtrichtung. Dann muss man in jedem Fall blinken, sich einordnen und auf den nachfolgenden Verkehr achten. Genau diese Situation habe bei dem Unfall auf der Autobahnabfahrt vorgelegen.

Welche Auswirkungen hat die Beschilderung bei sich aufteilenden Fahrbahnen?


Geht es vor Gericht um die Frage, ob jemand gegen die oben erläuterten Regeln verstoßen hat, werden auch die Straßenverhältnisse vor Ort berücksichtigt. Zum Beispiel, ob dort Vorfahrtschilder stehen, ob die Fahrbahnen durch Richtungspfeile gekennzeichnet sind oder ob sie durch bauliche Maßnahmen voneinander getrennt sind. Hier war all dies nach der Beweisaufnahme des Gerichts nicht der Fall.

Autobahnabfahrt: Wie hat das Gericht entschieden?


Im oben erläuterten Fall entschied das Gericht, dass beide Fahrerinnen gegen die Regeln verstoßen hätten. Die vorausfahrende Fahrerin sei zu lange in der Mitte der beiden Fahrbahnen gefahren, ohne sich einzuordnen und ohne zu blinken. Sie habe auch nicht auf den nachfolgenden Verkehr geachtet. Die Taxifahrerin habe regelwidrig rechts überholt. Sie hätte mit dem Vorbeifahren warten müssen, bis das andere Fahrzeug sich links einordnete und links blinkte.

Das OLG Hamm entschied daher, dass die Haftung für den Unfallschaden hälftig zwischen den beiden Unfallbeteiligten aufgeteilt werde. Die beiden Seiten mussten also je 50 Prozent des Schadens übernehmen, da das Verschulden beider Fahrerinnen nach Ansicht des Gerichts gleich schwer wog (Urteil vom 3.6.2016, Az. 7 U 14/16).

Wer haftet bei falschem Blinken?


Natürlich kann es vorkommen, dass ein Verkehrsteilnehmer blinkt, obwohl er oder sie gar nicht abbiegen will – zum Beispiel aus Versehen. Hier gilt: Andere dürfen sich nicht auf das Blinken allein verlassen. Dies zeigt ein Fall des Oberlandesgerichts Dresden: Ein Autofahrer wollte auf eine Vorfahrtstraße einbiegen. Auf dieser näherte sich ein anderes Auto. Er hatte keine Vorfahrt, sah aber, dass der andere den Blinker gesetzt hatte. Daher bog er auf die Vorfahrtstraße ein. Der andere Fahrer bog aber nicht ab, sondern fuhr geradeaus und es kam zur Kollision. Dem Gericht zufolge hätte der Autofahrer ohne Vorfahrt sich hier nicht auf das Blinken verlassen dürfen, sondern er hätte abwarten müssen, ob noch andere Anzeichen für ein Abbiegen sprechen würden – zum Beispiel ein Verlangsamen der Geschwindigkeit. Fährt man also los, nur, weil der andere blinkt, verstößt man gegen das Vorfahrtsrecht und haftet bei einem Unfall mit einem höheren Anteil (Urteil vom 20.8.2014, Az. 7 U 1876/13).

Wann müssen Radfahrer einen Richtungswechsel anzeigen?


Auch für Radfahrer gilt die Pflicht, einen Richtungswechsel anzuzeigen. Geregelt ist dies in § 9 StVO. Allerdings haben Radfahrer meist keinen Blinker. Seit 20.6.2024 dürfen Fahrräder jedoch freiwillig mit einem Blinker ausgestattet werden. Dies erlaubt eine Änderung von § 67 Abs. 5 der Straßenverkehrs-Zulassungsordnung (StVZO).

Radfahrer ohne Blinker haben einen Richtungswechsel mit Handzeichen anzukündigen. Auch für sie gilt die "doppelte Rückschaupflicht": Umschauen vor dem Einordnen und noch einmal vor dem Abbiegen.

Wer diese Regeln missachtet, haftet bei einem Unfall mit. Unter Umständen haftet er sogar allein. Entsprechend entschied das Oberlandesgericht München im Fall eines Ehepaares, das hintereinander geradelt war. Beide waren, ohne sich einzuordnen, sich umzuschauen oder Handzeichen zu geben, links abgebogen. In diesem Moment hatte ein schnellerer Radler versucht, beide zu überholen. Dabei kam es zur Kollision. Die Klage des Ehepaares wurde jedoch vollständig abgewiesen: Der überholende Radfahrer habe durch ihr falsches Verhalten keine Zeit mehr gehabt, sicher zu bremsen oder irgendwie zu reagieren (Urteil vom 24.4.2013, Az. 10 U 3820/12).

Praxistipp zum Blinken


Auch beim Thema Blinken bzw. nicht Blinken ist die Schuld- und damit Haftungsfrage nicht immer einfach zu klären. Nach einem Unfall kann Ihnen ein Fachanwalt für Verkehrsrecht Ihre Fragen zu Ihrem Fall beantworten und Ihnen helfen, zu Ihrem Recht zu kommen.

(Ma)


 Ulf Matzen
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