Onlinekauf: Darf man die Ware testen und dann zurückschicken?

26.06.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Schuhe,Kleidung,Ware,Karton Darf man Ware einfach nur zum Testen bestellen und dann zurücksenden? © - freepik

Onlinekäufer können einen Kauf innerhalb von 14 Tagen widerrufen. Die Ware darf jedoch nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes vorher nur eingeschränkt vom Kunden getestet werden.

Ein Onlinekauf ist ein sogenannter Fernabsatzvertrag. Dafür gelten besondere Verbraucherschutzregeln, darunter das bekannte Widerrufsrecht nach § 355 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB): Kauft ein Verbraucher etwas online von einem Unternehmer, darf der Verbraucher den Vertrag innerhalb von 14 Tagen widerrufen. Eine Begründung benötigt er nicht. Danach müssen Ware und Geld jeweils wieder ihren ursprünglichen Eigentümern zurückgegeben werden. Der Verbraucher muss den Widerruf ausdrücklich gegenüber dem Händler erklären, etwa per E-Mail. Ein kommentarloses Zurückschicken der Ware reicht nicht. Der Widerruf wurde geschaffen, weil Käufer sich beim Onlinekauf die Ware nicht vorher ansehen können. Ihnen sollen also gewissermaßen die gleichen Entscheidungshilfen gegeben werden, die auch Käufer im Laden haben, welche die Ware vor dem endgültigen Kauf in Augenschein nehmen können.

Fall: Onlinekauf von Autoteilen


Ein Käufer hatte online in einem Shop für Autoteile einen Katalysator nebst Montagesatz zum Preis von 386,58 Euro gekauft. Nach Ankunft des Pakets ließ er den Kat von einer Werkstatt in seinen PKW einbauen. Anschließend machte er eine Probefahrt. Jetzt brachte sein Fahrzeug aber nicht mehr die gewohnte Leistung. Daraufhin widerrief der Kunde den Kaufvertrag und schickte den Katalysator an den Händler zurück. Das Autoteil wies jedoch inzwischen deutliche Spuren von Einbau und Gebrauch auf. Der Händler sah den Katalysator als wertlos an: Verkratzt könne er ihn nicht mehr verkaufen. Er stellte dem Kunden einen Wertersatz in Rechnung und verrechnete diesen mit dem gezahlten Kaufpreis. Am Ende erhielt der Kunde kein Geld zurück.

Wie entschieden die Gerichte zum Testen der Ware?


Der Käufer klagte auf Rückzahlung des gesamten Kaufpreises. Das Amtsgericht Lichtenberg gab ihm zunächst recht. In der nächsten Instanz änderte das Landgericht Berlin jedoch das Urteil ab und schließlich kam der Fall auch noch vor den Bundesgerichtshof. Dieser entschied: Bei einem Fernabsatzvertrag, also beim Onlinekauf, darf der Käufer nichts mit dem Kaufobjekt machen, was zu dessen Verschlechterung führt - zumindest nicht ohne dem Händler Wertersatz zu leisten. Das Recht des Käufers zum Anschauen der Ware geht nicht über das hinaus, was im Laden möglich ist.

Grundsatz beim Onlinekauf: Testen ist erlaubt


Gerade beim Onlinekauf sollen Verbraucher laut Bundesgerichtshof die Möglichkeit haben, die Ware vor Ablauf der 14-tägigen Widerrufsfrist nicht nur in Augenschein zu nehmen. Sie sollen sie auch auf ihre Eigenschaften und ihre Funktionsweise prüfen dürfen – und zwar, ohne gleich immer für einen möglichen Wertverlust der Ware zahlen zu müssen. Zwar könne man auch in einem Ladengeschäft die Ware meist nicht auspacken und ausprobieren. Dort seien aber meist ausgepackte Musterstücke, Vorführexemplare oder Beratung zu bekommen. Dieser Vorteil des Kaufs im Laden solle ausgeglichen werden, indem man Onlinekäufern das Testen der Ware erlaube.

Welche Grenzen gibt es beim Testen?


Im vorliegenden Fall ging es jedoch um einen Katalysator, den man auch beim Kauf in einem Laden vor der Entscheidung nicht eben mal ins Auto einbauen und Probefahren kann. Das Gericht war sich darüber im Klaren, dass man hier auch im Laden nicht mit Vorführexemplaren rechnen könne. Kunden könnten auch im Geschäft nur die unterschiedlichen Modelle miteinander vergleichen und sich durch das Verkaufspersonal beraten lassen.

Der Kläger und Kunde habe hier Maßnahmen ergriffen, die weit über das erlaubte Prüfen der Ware beim Onlinekauf hinausgingen. Er habe das Autoteil einbauen lassen und es vorübergehend ganz normal in Gebrauch genommen. Dies könne er auch im Ladengeschäft mit den dort angebotenen Waren nicht machen. Für eine online gekaufte Ware gelte das Gleiche.

Daher dürfe der Händler hier durchaus einen Wertersatz für die vom Kunden verursachte Verschlechterung der Ware fordern. Dies betreffe grundsätzlich alle Teile, die nach dem Kauf in etwas anderes eingebaut würden.

Der Bundesgerichtshof hob das Urteil auf und verwies den Fall ans Berufungsgericht zurück, um weitere Voraussetzungen prüfen zu lassen (Urteil vom 12. Oktober 2016, Az. VIII ZR 55/15).

Was gilt fürs Probeliegen im Wasserbett?


Anders entschied der Bundesgerichtshof im Fall eines Kunden, der ein online gekauftes Wasserbett befüllt und darauf drei Nächte lang zur Probe geschlafen hatte. Danach hatte er den Kauf widerrufen. Der Händler wollte dem Kunden allerdings nur 258 Euro erstatten - den Wert der Heizung. Den restlichen Kaufpreis von 1.007 Euro wollte der Händler behalten. Der BGH entschied: Das Befüllen und Aufstellen des Wasserbettes gehöre zum Ausprobieren dazu. Ein Wasserbett könne man gar nicht anders ausprobieren und prüfen. Daher musste der Händler den gesamten Kaufpreis erstatten (Urteil vom 3.11.2010, Az. VIII ZR 337/09).

Welche Regeln gelten beim Onlinekauf einer Matratze?


Gerichte haben beim Kauf von Matratzen den Kunden zwar ein Probeschlafen ohne Wertersatz erlaubt, aber nur in Grenzen. Das Amtsgericht Bremen hielt eine einzige Nacht für ausreichend (Az. 7 C 273/15). Das Amtsgericht Köln zeigte sich großzügiger und erlaubte dem Verbraucher zwei Nächte (Az. 119 C 462/11).

Welche gesetzliche Regelung gibt es für den Wertersatz nach Widerruf?


§ 357a BGB besagt, dass Verbraucher nach einem Widerruf Wertersatz leisten müssen, wenn

"der Wertverlust auf einen Umgang mit den Waren zurückzuführen ist, der zur Prüfung der Beschaffenheit, der Eigenschaften und der Funktionsweise der Waren nicht notwendig war."

Zusätzlich muss der Onlinehändler auf das Widerrufsrecht hingewiesen haben. Die Gerichte verlangen, dass dabei auch auf den Wertverlust und die mögliche Ausgleichszahlung hingewiesen wird. Falls der Onlinehändler einen solchen Hinweis nicht gibt, kann er keinen Ausgleich für eine Verschlechterung der Ware fordern.

Praxistipp zum Testen der Ware beim Onlinekauf


Verbraucher dürfen grundsätzlich online gekaufte Ware testen, ohne dafür Wertersatz leisten zu müssen. Wenn dieses Testen jedoch über das hinausgeht, was auch im Laden möglich wäre und die Ware dadurch einen Wertverlust erleidet, kann der Händler dafür einen Ausgleich verlangen. Dies gilt besonders bei Waren, die in andere Dinge eingebaut werden - wie etwa Autoteilen. Bei Streitigkeiten zum Widerrufsrecht kann Sie ein auf das Zivilrecht spezialisierter Anwalt am besten beraten.

(Ma)


 Ulf Matzen
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