Was gilt für die Organspende und kommt die Widerspruchslösung?

05.06.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Organspendeausweis,Hand Was gilt hinsichtlich der Organspende und was meint die Widerspruchslösung? © Rh - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Aktuelle Rechtslage: Derzeit dürfen Organe nur entnommen werden, wenn der Spender selbst bzw. im Falle seines Hirntodes seine Angehörigen oder ein Bevöllmächtigter zugestimmt haben. Dies wird als "erweiterte Zustimmungslösung" bezeichnet.

2. Widerspruchslösung: Es gibt immer wieder Anläufe des Gesetzgebers zu einer Widerspruchlösung. Diese hätte zur Folge, dass jeder, der nicht ausdrücklich widersprochen hat, Organspender werden kann.

3. Zentrales Organspende-Register: Seit März 2024 kann jeder seinen Willen zur Organspende freiwillig und kostenlos in einem zentralen Organspende-Register online hinterlegen. Dazu wird ein deutscher Personalausweis mit Onlinefunktion und PIN (eID) benötigt.
In Deutschland warten Stand Mai 2024 ca. 8.400 Menschen auf eine Organspende. Der allergrößte Teil davon wartet auf eine neue Niere. Am häufigsten werden Herz, Leber und Niere transplantiert. Im Jahr 2023 gab es laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation zufolge in Deutschland 965 Organspender. Neu ist seit März 2024 ein zentrales Organspenderegister, in dem jeder seinen Willen zur Organspende freiwillig und kostenlos online hinterlegen kann.

Wird für eine Organspende die Zustimmung des Spenders benötigt?


Derzeit schreibt das Transplantationsgesetz von 1997 vor, dass Organe nur mit Zustimmung des Spenders entnommen werden dürfen. Hat der Patient keine Entscheidung dazu getroffen, müssen seine nächsten Angehörigen oder ein Bevollmächtigter zustimmen. Die Bezeichnung dafür ist "erweiterete Zustimmungslösung". Letztlich bedeutet das, dass Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner, volljährige Kinder, Eltern, Geschwister oder Großeltern die Entscheidung treffen müssen – meist unter Zeitdruck. Dabei sollen sie sich am mutmaßlichen Willen des Patienten orientieren, soweit dieser feststellbar ist.

Was meint der Hirntod als Voraussetzung einer Organspende?


Die zweite wichtige Voraussetzung – auch dafür, dass überhaupt erst eine Organspende in Erwägung gezogen wird – ist der Tod des Spenders. Damit ist der Hirntod gemeint. Der Eintritt des Hirntodes schließt nicht aus, dass der Rest des Körpers noch lebt und teilweise funktioniert – was eine wichtige Voraussetzung für die Organentnahme ist. Denn Organe können nur entnommen werden, wenn die Versorgung mit Blut und Sauerstoff noch funktioniert.

Das nicht unumstrittene Konzept des Hirntodes wurde 1968 entwickelt, nachdem die erste Herztransplantation stattgefunden hatte. Von einem Hirntod spricht man, wenn die Gesamtfunktion des Groß- und Kleinhirns und des Hirnstamms (also aller Teile des Gehirns) unwiderruflich erloschen ist. Damit fallen manche lebenswichtigen Funktionen wie die Atmung aus, und nach Meinung der meisten Mediziner ist dann alles gestorben, was den Menschen zu einer Person macht. Allerdings sollte man sich bewusst sein, dass ein Hirntoter weiterhin auf bestimmte äußerliche Reize reagieren kann, warm ist und einen funktionierenden Stoffwechsel hat.

Der Hirntod als Voraussetzung für eine Organspende muss in Deutschland von zwei Ärzten unabhängig voneinander festgestellt werden, die nichts mit der eigentlichen Transplantation zu tun haben. Der Organspender wird künstlich beatmet, bis die Organspende erfolgt ist. Die Definition für den Hirntod hat sich im Laufe der Zeit geändert und ist international nicht einheitlich. Es gibt auch Gegner des Hirntod-Konzeptes, die den Hirntod nicht als den entscheidenden Todeszeitpunkt ansehen, sondern nur als eine Phase des Sterbens.

Wie wird der Hirntod konkret festgestellt?


Festgestellt wird der Hirntod in Deutschland durch den Test verschiedener Reflexe, durch Schmerzzufügung ohne Reaktion, auch Atemstillstand ohne künstliche Beatmung ist ein wichtiges Indiz. Die Unwiderruflichkeit der Schädigung wird festgestellt, indem man die Tests nach einiger Zeit wiederholt. Eine Messung von Hirnströmen findet nur im Ausnahmefall statt.
Aus dem Ausland sind mehrere Fälle bekannt, in denen der Hirntod fälschlicherweise festgestellt wurde, sodass in seltenen Fällen sogar eine Heilung des Betreffenden erfolgte.

Was regelt das Transplantationsgesetz zur Organspende?


Das Transplantationsgesetz regelt die Voraussetzungen der Organspende und die Vermittlung von Organen an die Empfänger und legt die Zuständigkeiten fest. Danach sind die Bereiche Organspende, Organvermittlung und Organtransplantation getrennt. Die Deutsche Stiftung Organtransplantation ist als Koordinierungsstelle für alles zuständig, was mit der Organspende zusammenhängt – von der Klärung der Voraussetzungen bis zum Transport der Organe zu den etwa 50 Transplantationszentren. Die Stiftung Eurotransplant (mit Sitz in den Niederlanden) ist mit der Organvermittlung beauftragt. Auftraggeber beider Stiftungen sind die Bundesärztekammer, die Deutsche Krankenhausgesellschaft und der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen. Zum Verbund von Eurotransplant gehören auch die Niederlande, Belgien, Luxemburg, Österreich, Slowenien, Kroatien und Ungarn. Die Übertragung von Organen auf Empfänger findet in einem der etwa 50 deutschen Transplantationszentren statt. Dort werden auch Organe von lebenden (im Sinne von nicht hirntoten und damit weiter-lebenden) Spendern entnommen und transplantiert.

Wer entscheidet, welcher Empfänger eine Organspende bekommt?


Bei den Transplantationszentren werden Wartelisten geführt. Ob ein Patient auf die Warteliste kommt, richtet sich nach dem zu erwartenden Erfolg einer Transplantation und der Dringlichkeit für das Überleben und die Lebensqualität des Betreffenden. Die Transplantationszentren geben die Daten der Patienten an die Stiftung Eurotransplant weiter, die diese mit den Daten von Spendern abgleicht und versucht, das passende Organ zu vermitteln.

Was meint die Widerspruchslösung zur Organspende?


Nach den Plänen des Bundesgesundheitsministers soll jeder Deutsche ab 16 Jahren als Organspender registriert werden, soweit er nicht widerspricht. Man soll seine Entscheidung jederzeit ändern können. Ärzte sollen vor der Entnahme von Organen in jedem Fall die nächsten Angehörigen fragen, ob ein schriftlicher Widerspruch vorliegt oder der Betreffende den Wunsch geäußert hat, nicht zu spenden.

Welche neuen Regeln zur Organspende gibt es bereits?


Neue Regeln für Kliniken sind bereits mit der Änderung des Transplantationsgesetzes zum 1. April 2019 in Kraft getreten. Diese umfassen unter anderem eine bessere Finanzierung der Organspende-Abläufe in den Kliniken, mehr Einfluss für die Transplantationsbeauftragten der Krankenhäuser, eine Berichtspflicht darüber, ob die Krankenhäuser auch alle Chancen nutzen und die Einführung eines neurologischen Rufbereitschaftsdienstes, der kleineren Kliniken hilft, den Eintritt des Hirntodes festzustellen. Zudem sollen Organempfänger künftig anonyme Dankesbriefe an die Angehörigen der Spender schreiben dürfen.

Was sagt der Gegenentwurf zur Widerspruchslösung?


Eine fraktionsübergreifende Gruppe verschiedener Politiker hat einen Gegenentwurf zur Widerspruchslösung ausgearbeitet. Danach soll es keine Widerspruchslösung geben, sondern ein bundesweites Onlineregister, in dem jeder seine Entscheidung niederlegen kann (dieses zentrale Onlineregister ist inzwischen eingerichtet - siehe unten). Diese Entscheidung kann jederzeit geändert werden und die Krankenhäuser sollen darauf Zugriff haben. Auch sollen Bürger im zehnjährigen Rhythmus bei der Abholung ihrer Ausweisdokumente zu einer Entscheidung aufgefordert werden, ohne dass es eine Erklärungspflicht gibt. Niemand soll jedoch zum Organspender werden, ohne eine positive Entscheidung getroffen zu haben.

Welche Kritik an der Widerspruchslösung gibt es?


Die Widerspruchslösung des Bundesgesundheitsministers wird von verschiedenen Seiten kritisiert. Unter anderem deshalb, weil sie darauf baue, dass Menschen sich mit dem Thema des eigenen Todes nicht beschäftigen mögen. Finde aber gar keine Entscheidung statt, könne auch nicht von einer freiwilligen Spende gesprochen werden. Schweigen sei eben gerade keine Zustimmung.
Zweifel bestehen auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht, denn Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) schützt die Menschenwürde und verbietet, diese zum Gegenstand staatlichen Handelns zu machen. Art. 2 GG garantiert die freie Entfaltung der Persönlichkeit. Dies umfasst auch das Recht, zu Lebzeiten über den Verbleib des eigenen Körpers und den Umgang damit nach dem Tod entscheiden zu können. Hier ist allerdings zu berücksichtigen, dass eine negative Entscheidung durch Widerspruch möglich ist und der Betreffende dadurch nicht das Recht auf eine eigene Entscheidung verliert.

Organspende - neues zentrales Onlineregister


Ab 18. März 2024 kann jeder seinen Willen zur Organ- und Gewebespende rechtssicher, freiwillig und kostenlos im zentralen Organspende-Register online hinterlegen. Dies funktioniert allerdings nur für Nutzer, die über einen deutschen Personalausweis mit Onlinefunktion und PIN (eID) verfügen. Die Erklärung kann nur persönlich erfolgen und deshalb nicht von einem Bevollmächtigten vorgenommen werden.

Die Erklärung zur Organspende in dem Onlineregister ist für Personen ab dem vollendeten 16. Lebensjahr möglich. Eine einmal im bundesweiten Organspenderegister hinterlegte Entscheidung kann jederzeit geändert und widerrufen werden.

WICHTIG: Für die Entscheidung zur Organspende gilt immer die zeitlich zuletzt abgegebene Erklärung - und zwar unabhängig davon, wo diese dokumentiert ist (z.B. Organspendeausweis, Patientenverfügung, zentrales Organspende-Register).

Das Onlineregister ist unter www.organspende-register.de zu erreichen. Die Speicherung der Daten soll auf einem in Deutschland gehosteten Server erfolgen.

Aktuelle politische Entwicklungen zur Organspende


Stand Oktober 2024 meldet sich die FDP zu diesem Thema. Sie will eine Ausweitung der Todesdefinition als Voraussetzung für eine Organentnahme. Künftig soll nicht nur der Hirntod für eine Organentnahme erforderlich sein, sondern auch ein Herz-Kreislauf-Stillstand.

Praxistipp zur Organspende


Aktuell ist eine Organspende nur mit Zustimmung des Spenders selbst bzw. im Falle seines Hirntodes seiner Angehörigen oder eines Bevöllmächtigten zulässig. Es gibt eine neue Gesetzesinitiative einiger Bundesländer in Sachen Widerspruchslösung. Seit März 2024 kann die Entscheidung über eine Organspende im zentralen Organspende-Register online hinterlegt werden. Bei Rechtsstreitigkeiten in Sachen Organspende zwischen Patienten und Krankenhäusern bzw. Ärzten ist ein Fachanwalt für Medizinrecht der richtige Ansprechpartner.

(Bu)


 Stephan Buch
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