Prämiensparen: Viele Sparkassen haben zu geringe Zinsen gezahlt!
17.07.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
© - freepik Seit Jahren wird bereits zwischen Verbraucherschutzorganisationen und den Sparkassen und Volksbanken über die Wirksamkeit bestimmter Vertragsklauseln beim Prämiensparen prozessiert. Nun hat der Bundesgerichtshof entschieden. Prämiensparern können unter bestimmten Umständen vierstellige Zahlungen zustehen.
Bei einem Prämiensparvertrag bekommen die Sparer zusätzlich zu einem variablen Zinssatz eine Prämie gezahlt. Deren Höhe ist nach der Vertragslaufzeit gestaffelt. Je länger der Kunde also bei dem Vertrag bleibt und einzahlt, desto höher ist seine Prämie. In den 1990er Jahren und bis etwa 2010 wurden solche Sparverträge durch Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken stark beworben und viel von Kunden genutzt. Bezeichnet wurden sie zum Beispiel als "Vorsorgesparen" oder "Bonusplan". 2021 gab es 1,1 Millionen Prämiensparverträge in Deutschland.
Die Verbraucherzentralen sind der Ansicht, dass die Sparkassen und Volksbanken jahrelang Zinsen für Prämiensparverträge falsch und zu niedrig berechnet haben. Denn: Bei diesen Verträgen gibt es keinen festen, sondern einen variablen Zinssatz. 2016 begannen die Sparkassen dann, massenhaft Prämiensparverträge von sich aus zu kündigen. Die Verbraucherschutzverbände zogen die Wirksamkeit dieser Kündigungen in Zweifel und wollten Zinsnachzahlungen für die Kunden erreichen. Sie leiteten insgesamt 18 Musterfeststellungsklagen gegen Geldinstitute ein. Mehrere Oberlandesgerichte haben bereits die verwendeten Zinsklauseln in den Prämienspar-Verträgen als unwirksam angesehen. Die Oberlandesgerichte gestanden den Sparern auch Nachzahlungen zu.
Die Verbraucherschutzverbände sahen diese jedoch als zu niedrig an und klagten bis zum Bundesgerichtshof. Dieser hat jetzt in zwei Verfahren ein Berechnungsverfahren festgesetzt, nach dem nun die Nachzahlungen zu berechnen sind. Die beiden Urteile betreffen das Produkt "Prämiensparen flexibel".
Der Bundesgerichtshof bestätigte nun in zwei Urteilen die jeweils vom Oberlandesgericht Dresden und vom OLG Naumburg angewendete Zinsberechnung.
Dabei stand schon aus früheren Gerichtsurteilen fest, dass hier ein für langfristige Geldanlagen üblicher Zinssatz anzuwenden war. Die Sparkassen hatten jedoch entgegen der Rechtsprechung weiter einen niedrigeren Zinssatz für kurzfristige Anlagen verwendet, nämlich den Zinssatz für kurzfristige Staatsanleihen.
Laut BGH müssen die Kunden einen von Anfang an festgelegten Anteil des nach dem erhöhten Satz berechneten Zinses erhalten. Der korrekte Zinssatz ist für jeden Monat neu auszurechnen und auf den Sparbetrag anzuwenden. Dies hatte der BGH bereits früher entschieden (13.4.2010, Az. XI ZR 197/09). Allerdings ergibt sich erst aus den neuen Urteilen eine konkrete Berechnungsmethode.
Als Maßstab soll dabei ein Zinssatz verwendet werden, wie er für lang laufende deutsche Bundeswertpapiere mit einer verbleibenden Laufzeit von acht bis 15 Jahren üblich ist. Eigentlich handelt es sich dabei um eine Zinseszeitreihe mit dem Namen WU9554, welche die Bundesbank auf solche Anleihen anwendet. Daher ist die Berechnung öffentlich zugänglich. WU9554 ist nach Ansicht des BGH wegen der passenden Laufzeit geeignet: Beim Prämiensparen ist die Auszahlung von Prämien oft auf 15 Jahre ausgelegt.
Die neuen BGH-Urteile bestätigen die Vorentscheidungen der beiden Oberlandesgerichte. Die neue Lösung benachteiligt nach Ansicht des BGH weder Kunden noch Sparkassen (Urteile vom 9.7.2024, Az. XI ZR 44/23 und XI ZR 40/23).
Konkret gelten die beiden Urteile für die Sparkassen, gegen die sie ergangen sind. Dies sind die Saalesparkasse und die Ostsächsische Sparkasse Dresden. Allerdings haben diese Verträge verwendet, die bei fast allen anderen Sparkassen ebenfalls üblich waren und die oft auch nach entsprechenden Gerichtsurteilen nicht geändert wurden. Daher sind die Urteile prinzipiell auch auf Verträge anderer Sparkassen anwendbar.
Aus den Urteilen geht hervor, dass die Ansprüche aller Sparkassenkunden verjährt sind, die innerhalb von drei Jahren nach Kündigung ihres Prämiensparvertrages keine rechtlichen Schritte eingeleitet haben. Diese Kunden können also keine Zinsnachforderungen mehr geltend machen.
Beispiel: Wurde der Sparvertrag 2021 rechtmäßig beendet, tritt zum Jahresende 2024 die Verjährung ein.
Eine Chance auf eine Nachzahlung haben Prämiensparer, deren Vertrag heute noch läuft oder die ihn vor weniger als drei Jahren gekündigt haben.
Kunden, die den Verdacht haben, betroffen zu sein, können ihre Bank oder Sparkasse dazu auffordern, ihnen eine korrekte, monatsgenaue Berechnung der Zinsen über die Vertragsdauer zu erstellen. Darauf haben sie einen Anspruch. Entsprechende Musterbriefe sind online erhältlich. Die Verbraucherzentralen können nachrechnen, ob dabei der korrekte Zinssatz zur Anwendung kommt. Insbesondere die Verbraucherzentrale Sachsen verfügt hier über geeignete Berechnungsmodelle.
Im Durchschnitt sind bei betroffenen Verbrauchern 1.000 bis 2.000 Euro zu wenig Zinsen gezahlt worden.
Als Beweismittel für die Ansprüche können die vorhandenen Sparbücher dienen (auch entwertete) oder Vertragsunterlagen.
Prämiensparer können in vielen Fällen Zinsen nachfordern. Wichtig ist, dass noch keine Verjährung eingetreten ist. Ein Rechtsanwalt für Bankrecht und Kapitalmarktrecht ist der beste Ansprechpartner für eine Rechtsberatung im Bereich Sparen und Geldanlage und kann Ihnen helfen, Ihre Ansprüche durchzusetzen.
Das Wichtigste in Kürze
1. Maßstab für Zinssatz: Sparkassenkunden haben beim sogenannten Prämiensparen Anspruch darauf, dass ein für langfristige Geldanlagen üblicher Zinssatz auf ihre Spareinlage angewendet wird.
2. Verjährung der Zinsansprüche: Zinsnachforderungen von Sparkassenkunden, die nicht innerhalb von drei Jahren nach Kündigung des Prämiensparvertrages geltend gemacht wurden, sind verjährt.
3. Zinsnachzahlung: Eine Chance auf eine Nachzahlung haben Prämiensparer, deren Vertrag heute noch läuft oder die ihn vor weniger als drei Jahren gekündigt haben.
1. Maßstab für Zinssatz: Sparkassenkunden haben beim sogenannten Prämiensparen Anspruch darauf, dass ein für langfristige Geldanlagen üblicher Zinssatz auf ihre Spareinlage angewendet wird.
2. Verjährung der Zinsansprüche: Zinsnachforderungen von Sparkassenkunden, die nicht innerhalb von drei Jahren nach Kündigung des Prämiensparvertrages geltend gemacht wurden, sind verjährt.
3. Zinsnachzahlung: Eine Chance auf eine Nachzahlung haben Prämiensparer, deren Vertrag heute noch läuft oder die ihn vor weniger als drei Jahren gekündigt haben.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Worum geht es beim Prämiensparen? Worum ging es vor Gericht? Welche Zinssätze sind beim Prämiensparen anzuwenden? Für welche Sparkassen gelten die Urteile des BGH? Wann sind die Zinsansprüche verjährt? Wie sollten sich Prämiensparer nun verhalten? Praxistipp zur Zinsnachforderung bei Prämiensparverträgen Worum geht es beim Prämiensparen?
Bei einem Prämiensparvertrag bekommen die Sparer zusätzlich zu einem variablen Zinssatz eine Prämie gezahlt. Deren Höhe ist nach der Vertragslaufzeit gestaffelt. Je länger der Kunde also bei dem Vertrag bleibt und einzahlt, desto höher ist seine Prämie. In den 1990er Jahren und bis etwa 2010 wurden solche Sparverträge durch Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken stark beworben und viel von Kunden genutzt. Bezeichnet wurden sie zum Beispiel als "Vorsorgesparen" oder "Bonusplan". 2021 gab es 1,1 Millionen Prämiensparverträge in Deutschland.
Worum ging es vor Gericht?
Die Verbraucherzentralen sind der Ansicht, dass die Sparkassen und Volksbanken jahrelang Zinsen für Prämiensparverträge falsch und zu niedrig berechnet haben. Denn: Bei diesen Verträgen gibt es keinen festen, sondern einen variablen Zinssatz. 2016 begannen die Sparkassen dann, massenhaft Prämiensparverträge von sich aus zu kündigen. Die Verbraucherschutzverbände zogen die Wirksamkeit dieser Kündigungen in Zweifel und wollten Zinsnachzahlungen für die Kunden erreichen. Sie leiteten insgesamt 18 Musterfeststellungsklagen gegen Geldinstitute ein. Mehrere Oberlandesgerichte haben bereits die verwendeten Zinsklauseln in den Prämienspar-Verträgen als unwirksam angesehen. Die Oberlandesgerichte gestanden den Sparern auch Nachzahlungen zu.
Die Verbraucherschutzverbände sahen diese jedoch als zu niedrig an und klagten bis zum Bundesgerichtshof. Dieser hat jetzt in zwei Verfahren ein Berechnungsverfahren festgesetzt, nach dem nun die Nachzahlungen zu berechnen sind. Die beiden Urteile betreffen das Produkt "Prämiensparen flexibel".
Welche Zinssätze sind beim Prämiensparen anzuwenden?
Der Bundesgerichtshof bestätigte nun in zwei Urteilen die jeweils vom Oberlandesgericht Dresden und vom OLG Naumburg angewendete Zinsberechnung.
Dabei stand schon aus früheren Gerichtsurteilen fest, dass hier ein für langfristige Geldanlagen üblicher Zinssatz anzuwenden war. Die Sparkassen hatten jedoch entgegen der Rechtsprechung weiter einen niedrigeren Zinssatz für kurzfristige Anlagen verwendet, nämlich den Zinssatz für kurzfristige Staatsanleihen.
Laut BGH müssen die Kunden einen von Anfang an festgelegten Anteil des nach dem erhöhten Satz berechneten Zinses erhalten. Der korrekte Zinssatz ist für jeden Monat neu auszurechnen und auf den Sparbetrag anzuwenden. Dies hatte der BGH bereits früher entschieden (13.4.2010, Az. XI ZR 197/09). Allerdings ergibt sich erst aus den neuen Urteilen eine konkrete Berechnungsmethode.
Als Maßstab soll dabei ein Zinssatz verwendet werden, wie er für lang laufende deutsche Bundeswertpapiere mit einer verbleibenden Laufzeit von acht bis 15 Jahren üblich ist. Eigentlich handelt es sich dabei um eine Zinseszeitreihe mit dem Namen WU9554, welche die Bundesbank auf solche Anleihen anwendet. Daher ist die Berechnung öffentlich zugänglich. WU9554 ist nach Ansicht des BGH wegen der passenden Laufzeit geeignet: Beim Prämiensparen ist die Auszahlung von Prämien oft auf 15 Jahre ausgelegt.
Die neuen BGH-Urteile bestätigen die Vorentscheidungen der beiden Oberlandesgerichte. Die neue Lösung benachteiligt nach Ansicht des BGH weder Kunden noch Sparkassen (Urteile vom 9.7.2024, Az. XI ZR 44/23 und XI ZR 40/23).
Für welche Sparkassen gelten die Urteile des BGH?
Konkret gelten die beiden Urteile für die Sparkassen, gegen die sie ergangen sind. Dies sind die Saalesparkasse und die Ostsächsische Sparkasse Dresden. Allerdings haben diese Verträge verwendet, die bei fast allen anderen Sparkassen ebenfalls üblich waren und die oft auch nach entsprechenden Gerichtsurteilen nicht geändert wurden. Daher sind die Urteile prinzipiell auch auf Verträge anderer Sparkassen anwendbar.
Wann sind die Zinsansprüche verjährt?
Aus den Urteilen geht hervor, dass die Ansprüche aller Sparkassenkunden verjährt sind, die innerhalb von drei Jahren nach Kündigung ihres Prämiensparvertrages keine rechtlichen Schritte eingeleitet haben. Diese Kunden können also keine Zinsnachforderungen mehr geltend machen.
Beispiel: Wurde der Sparvertrag 2021 rechtmäßig beendet, tritt zum Jahresende 2024 die Verjährung ein.
Wie sollten sich Prämiensparer nun verhalten?
Eine Chance auf eine Nachzahlung haben Prämiensparer, deren Vertrag heute noch läuft oder die ihn vor weniger als drei Jahren gekündigt haben.
Kunden, die den Verdacht haben, betroffen zu sein, können ihre Bank oder Sparkasse dazu auffordern, ihnen eine korrekte, monatsgenaue Berechnung der Zinsen über die Vertragsdauer zu erstellen. Darauf haben sie einen Anspruch. Entsprechende Musterbriefe sind online erhältlich. Die Verbraucherzentralen können nachrechnen, ob dabei der korrekte Zinssatz zur Anwendung kommt. Insbesondere die Verbraucherzentrale Sachsen verfügt hier über geeignete Berechnungsmodelle.
Im Durchschnitt sind bei betroffenen Verbrauchern 1.000 bis 2.000 Euro zu wenig Zinsen gezahlt worden.
Als Beweismittel für die Ansprüche können die vorhandenen Sparbücher dienen (auch entwertete) oder Vertragsunterlagen.
Praxistipp zur Zinsnachforderung bei Prämiensparverträgen
Prämiensparer können in vielen Fällen Zinsen nachfordern. Wichtig ist, dass noch keine Verjährung eingetreten ist. Ein Rechtsanwalt für Bankrecht und Kapitalmarktrecht ist der beste Ansprechpartner für eine Rechtsberatung im Bereich Sparen und Geldanlage und kann Ihnen helfen, Ihre Ansprüche durchzusetzen.
(Ma)