Widerrufsrecht: Wann kann ich einen Vertrag widerrufen?
22.05.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Bu - Anwalt-Suchservice Die Vorschriften zum Verbraucherschutz geben Käufern bei online abgeschlossenen Verträgen ein 14-tägiges Widerrufsrecht. Viele Menschen übertragen dies auch auf andere Arten von Geschäften. Das Widerrufsrecht gilt jedoch nicht für alle Arten von Waren und Verträgen. Auch manche Dienstleistungen sind davon ausgenommen. Und: Wie funktioniert überhaupt so ein Widerruf?
Einige Arten der Vertragsanbahnung haben jahrelang für Ärger gesorgt, weil sich Verbraucher von geschickten Verkäufern überrumpelt fühlten. Der Gesetzgeber möchte daher private Verbraucher bei bestimmten Verträgen besonders schützen. Heute gewährt § 355 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Verbrauchern bei vielen Verträgen ein Widerrufsrecht: Sie können den Vertrag innerhalb von 14 Tagen widerrufen, ohne Gründe anzugeben. Es geht dabei also nicht um eine Gewährleistung wegen mangelhafter Ware, sondern um einen Widerruf ohne Wenn und Aber.
Das Widerrufsrecht gilt für:
- Verträge, die außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossen werden (früher: "Haustürgeschäfte"),
- Fernabsatzverträge (z. B. Onlinekäufe, Vertragsabschluss am Telefon).
Besondere Widerrufsrechte gibt es außerdem für Verbraucher-Darlehensverträge und seit 2016 für Immobilien-Verbraucherdarlehensverträge.
Viele Verträge werden nicht im Büro des Verkäufers oder Dienstleisters abgeschlossen, sondern an der Haustür, in der Wohnung des Kunden, an einem Infostand in der Fußgängerzone oder gar auf einer Kaffeefahrt. Auch Verkaufspartys in der Wohnung von Kunden gehören hier dazu. Bei all diesen Geschäften wird oft auf einen gewissen Überrumpelungseffekt gebaut, oder einfach darauf, dass Kunden in ihrem privaten Umfeld nicht so kritisch hinschauen.
Daher gelten nach § 312b BGB gelten besondere Regeln für Verträge, bei denen
- ein Unternehmer einen Verbraucher außerhalb seiner Geschäftsräume persönlich und individuell angesprochen hat,
- während beide gleichzeitig körperlich anwesend waren.
Für solche Verträge gibt es also ein 14-tägiges Widerrufsrecht.
Übrigens: Dies gilt nicht für eine Verkaufsveranstaltung auf einer gemieteten Fläche in einem Einkaufszentrum – dies sind Geschäftsräume.
Unter Fernabsatzverträgen versteht man alle Vertragsabschlüsse, bei denen die Vertragspartner gerade nicht beide persönlich körperlich anwesend sind (§ 312c BGB). Auch hier gilt das 14-tägige Widerrufsrecht.
Dies sind also einfach alle Verträge, die online, per Klick oder E-Mail, per Telefon, per Teleshopping, per Brief oder per Fax abgeschlossen werden. Einzige Bedingung ist, dass der Vertragsabschluss im Rahmen eines eigens dafür konzipierten Systems stattfindet. Dieses Unternehmen muss also üblicherweise Bestellungen auf diesem Weg annehmen. Wenn zum Beispiel ein Lebensmittelgeschäft sich telefonisch dazu überreden lässt, ausnahmsweise der gehbehinderten alten Dame im dritten Stock ihr Gemüse per Boten zuzustellen, ist dies kein Fernabsatzvertrag. Wenn eine Discounter-Kette aber Online-Bestellungen über ihre Homepage annimmt und dann die Lebensmittel ausliefert, fällt dies sehr wohl darunter.
Aber: Kann man einen Vertrag über eine Lebensmittellieferung überhaupt widerrufen? Immerhin sind Lebensmittel verderblich.
Natürlich sind bestimmte Waren vom Widerrufsrecht ausgenommen. Dazu gehören zum Beispiel verderbliche Lebensmittel und andere verderbliche Waren, Gesundheits- und Hygieneartikel mit geöffneter Versiegelung, untrennbar vermischte Waren, Zeitungen und Zeitschriften (nicht jedoch Abos), ferner Waren und Dienstleistungen, deren Preis Schwankungen unterliegt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat (einschließlich des Aktienmarktes), sowie Beherbergung, Beförderung, Mietwagen, Lieferung von Speisen und Getränken, Freizeitgestaltung, Versteigerungen (im Sinne von öffentlicher Veranstaltung mit persönlicher Anwesenheit), dringende Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten auf Wunsch des Kunden und Wett- und Lotteriedienstleistungen.
Dazu gehören auch Verträge zur Lieferung von Ton- oder Videoaufnahmen oder Computersoftware (CDs, DVDs, Bluerays) in einer versiegelten Packung, wenn die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde (§ 312g Abs. 2 BGB). Als Versiegelung reicht dabei nicht nur eine einfache Cellophanhülle aus, Gerichtsentscheidungen zufolge muss darauf zumindest ein Hinweis aufgedruckt sein, dass es sich um eine Versiegelung handelt, deren Öffnen das Widerrufsrecht erlöschen lässt (OLG Hamm, Az. 4 U 212/09).
Eine weitere Ausnahme gilt für Waren, die individuell für einen bestimmten Kunden nach dessen Wünschen angefertigt werden. Dies kann zum Beispiel ein Möbelstück sein, das in einer bestimmten Farbe oder mit einem bestimmten Bezugsstoff geliefert werden soll.
Aber was sind nun die vom Widerruf ausgenommenen Hygieneartikel? Dies betrifft in der Regel Dinge, die mit dem Körper in Berührung kommen und die in versiegelten Behältern verkauft werden. Die Versiegelung ist hier nicht die äußere Umverpackung (z. B. Pappschachtel), sondern diejenige Verpackung (z. B. Folie), die das Produkt selbst luftdicht abschließt. Wenn diese Versiegelung erst einmal offen ist, kann die Ware nicht mehr an andere Kunden verkauft werden – daher besteht dann kein Widerrufsrecht.
Bei Waren, die man ganz normal in einem Ladengeschäft erwirbt, gibt es kein Widerrufsrecht. Hier kann man höchstens unter bestimmten Umständen vom Kaufvertrag zurückzutreten - zum Beispiel wegen mangelhafter Ware. Auch bei den meisten Verträgen, die man im Büro des Unternehmers abschließt, gibt es keinen einfachen Widerruf.
Bestimmte Vertragstypen sind nach § 312 Abs. 2 BGB vom Widerrufsrecht ausgenommen. Dazu zählen unter anderem Mietverträge, notarielle Verträge, Verträge über Grundstücke, Bauverträge, Verträge über die Personenbeförderung, Behandlungsverträge mit Ärzten und Krankenhäusern, sofort erfüllte Bagatellverträge mit einem Wert von nicht mehr als 40 Euro oder Reiseverträge für Pauschalreisen.
Als Verbraucher können Sie den jeweiligen Vertrag innerhalb von 14 Tagen ab Vertragsschluss widerrufen. Allerdings beginnt diese Frist nicht zu laufen, wenn der Verbraucher keine Widerrufsbelehrung bekommen hat. Um nun ein "ewiges Widerrufsrecht" zu vermeiden, lässt der Gesetzgeber den Widerruf längstens ein Jahr und 14 Tage lang zu. Wenn der Vertrag innerhalb der gesetzlichen Frist widerrufen wird, müssen beide Seiten die erhaltenen Leistungen zurückgeben.
Der Widerruf erfordert keine Begründung und keine bestimmte Form. Er kann im Prinzip auch telefonisch erfolgen. Allerdings ist eine Form zu empfehlen, in der man ihn später vor Gericht beweisen kann. Übrigens muss man den Widerruf gegenüber dem Unternehmer ausdrücklich erklären – ein kommentarloses Zurückschicken der Ware reicht heute nicht mehr aus.
Der Bundesgerichtshof verhandelte 2016 den Fall eines Verbrauchers, der online zwei Matratzen bestellt hatte. Der Verkäufer hatte im Rahmen einer Tiefpreisgarantie versprochen, den Kunden die Preisdifferenz zu erstatten, wenn sie irgendwo einen günstigeren Preis fänden. Diesen fand ein Kunde tatsächlich. Folgerichtig forderte er die Auszahlung der Differenz; ansonsten widerrufe er den Kaufvertrag. Da nichts passierte, widerrief er den Vertrag tatsächlich.
Dies sah der Verkäufer als rechtsmissbräuchlich an. Der Bundesgerichtshof jedoch sprach dem Kunden ein Widerrufsrecht zu. Zwar sei es nicht Sinn des Widerrufsrechts, eine Auszahlung von Preisdifferenzen zu erzwingen. Weil das Gesetz aber keine besonderen Gründe für einen Widerruf fordere, könne man dem Kunden die Art seiner Gründe auch nicht vorhalten (Urteil vom 16. März 2016, Az. VIII ZR 146/15).
Wird ein Vertrag mit einem Immobilienmakler online oder telefonisch abgeschlossen, kann er widerrufen werden. Dies gilt auch für Maklerverträge, die am Ort des Objektes, etwa bei einer Besichtigung, abgeschlossen werden. Schließlich ist dies auch nur ein Vertragsabschluss außerhalb von Geschäftsräumen.
Die Widerrufsfrist beginnt mit dem Vertragsschluss, aber in jedem Fall erst dann, wenn der Kunde eine Widerrufsbelehrung erhalten hat. Die Frist beträgt 14 Tage und verlängert sich ohne Widerrufsbelehrung auf ein Jahr und 14 Tage.
Das Problem ist nur: Maklerverträge werden oft schnell abgewickelt. Für den Makler ergibt sich dadurch das Problem, dass der Kunde vielleicht den Maklervertrag abschließt, sich eine Immobilie zeigen lässt, diese dann ohne Makler direkt vom Eigentümer erwirbt und noch innerhalb der 14 Tage schnell den Maklervertrag widerruft. So spart der Kunde die Provision und der Makler hat umsonst gearbeitet.
Das Gesetz gibt dem Makler die Möglichkeit, dies zu vermeiden, indem er den Kunden über sein Widerrufsrecht belehrt und von ihm die ausdrückliche Aufforderung einholt, schon während der Widerrufsfrist mit der Maklertätigkeit anzufangen. Wenn dieser dann tatsächlich die vertragliche Leistung erbringt, ist das Widerrufsrecht erloschen.
Bei E-Books gibt es eine ähnliche Regelung. Ihr Kauf konnte lange Zeit nicht widerrufen werden. Eine gesetzliche Ausnahmeregel nahm Waren, die "aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht zur Rücksendung geeignet" waren, vom Widerrufsrecht aus. So wollte man vermeiden, dass Verbraucher sich die Bücher erst bestellten, sie dann lasen, womöglich kopierten und dann standardmäßig den Widerruf erklärten.
Am 13. Juni 2014 traten jedoch einige Gesetzesänderungen in Kraft. Seitdem haben Verbraucher auch für digitale Inhalte wie Downloads ein Widerrufsrecht. Dieses erlischt aber nach § 356 Absatz 5 BGB, wenn
- der Unternehmer mit seiner Leistung begonnen hat,
- der Verbraucher zugestimmt hat, dass der Unternehmer vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Leistung beginnen soll,
- der Verbraucher bestätigt hat, dass ihm klar ist, dass er mit Beginn der Auftragsausführung sein Widerrufsrecht einbüßt.
Beim Bestellen kann der Händler verlangen, dass der Käufer zwei Kästchen anhakt: Einmal die Bestätigung, dass die Leistung sofort erfolgen soll und dann die Bestätigung, dass er vom Untergang seines Widerrufsrechtes weiß. Die Leistung beginnt hier in dem Moment, in dem zum Beispiel der Online-Buchhändler dem Kunden die Downloadmöglichkeit freischaltet oder ihm einen Lizenz-Key zukommen lässt.
Manche Online-Buchhändler verzichten bewusst darauf, das Widerrufsrecht ihrer Kunden auszuhebeln. Andere nutzen das gesetzlich zulässige Schlupfloch. Verbraucher sollten sich im Zweifel in den AGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen) oder FAQ des jeweiligen Anbieters vor dem Kauf darüber informieren, wie dieser mit dem Thema umgeht.
Das Gesetz über faire Verbraucherverträge vom März 2022 hat für Energielieferverträge die Textform zur Pflicht gemacht. Dies bedeutet: schriftlich, irgendwie dauerhaft abspeicherbar, ohne eigenhändige Unterschrift (Beispiel: E-Mail).
Hier ist also kein rein telefonischer Vertragsabschluss mehr möglich. Ein nur am Telefon abgeschlossener Vertrag mit einem Strom- oder Gasanbieter ist nicht rechtswirksam und muss gar nicht erst widerrufen werden.
Heute können sich Verbraucher auf einfache Weise aus vielen Verträgen lösen. Haben Sie Streit mit einem gewerblichen Anbieter von Waren oder Dienstleistungen zum Thema Widerrufsrecht, kann Ihnen ein Rechtsanwalt für Zivilrecht kompetent zur Seite stehen.
Das Wichtigste in Kürze
1. Widerrufsrecht: Verbraucher in Deutschland haben das Recht, einen Fernabsatzvertrag oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen zu widerrufen.
2. Widerrufsbelehrung: Der Verbraucher muss vom Unternehmer klar und verständlich über sein Widerrufsrecht belehrt werden. Ohne diese Information verlängert sich die Widerrufsfrist um ein Jahr.
3. Ausübung: Der Widerruf muss gegenüber dem Unternehmer ausdrücklich erklärt werden. Aus Nachweisgründen ist eine Form zu empfehlen, in der man ihn später vor Gericht beweisen kann.
4. Kein Widerrufsrecht: Es gibt bestimmte Ausnahmen vom Widerrufsrecht. Siehe dazu unten im Rechtstipp.
1. Widerrufsrecht: Verbraucher in Deutschland haben das Recht, einen Fernabsatzvertrag oder einen außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag innerhalb von 14 Tagen ohne Angabe von Gründen zu widerrufen.
2. Widerrufsbelehrung: Der Verbraucher muss vom Unternehmer klar und verständlich über sein Widerrufsrecht belehrt werden. Ohne diese Information verlängert sich die Widerrufsfrist um ein Jahr.
3. Ausübung: Der Widerruf muss gegenüber dem Unternehmer ausdrücklich erklärt werden. Aus Nachweisgründen ist eine Form zu empfehlen, in der man ihn später vor Gericht beweisen kann.
4. Kein Widerrufsrecht: Es gibt bestimmte Ausnahmen vom Widerrufsrecht. Siehe dazu unten im Rechtstipp.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Was versteht man unter dem Widerrufsrecht für Verbraucher? Welche Verträge kann man widerrufen? Was sind Verträge außerhalb von Geschäftsräumen? Onlinekauf und Co: Was gilt für Fernabsatzverträge? Für welche Waren gilt das Widerrufsrecht nicht? Was sind Hygieneartikel? Welche Verträge kann man nicht widerrufen? Wie übe ich mein Widerrufsrecht aus? Urteil: Widerrufsrecht bei Matratzen Immobilienkauf: Widerrufsrecht beim Maklervertrag Welches Widerrufsrecht gilt bei E-Books und Downloads? In welcher Form müssen Energielieferverträge abgeschlossen werden? Praxistipp zum Widerrufsrecht von Verbrauchern Was versteht man unter dem Widerrufsrecht für Verbraucher?
Einige Arten der Vertragsanbahnung haben jahrelang für Ärger gesorgt, weil sich Verbraucher von geschickten Verkäufern überrumpelt fühlten. Der Gesetzgeber möchte daher private Verbraucher bei bestimmten Verträgen besonders schützen. Heute gewährt § 355 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Verbrauchern bei vielen Verträgen ein Widerrufsrecht: Sie können den Vertrag innerhalb von 14 Tagen widerrufen, ohne Gründe anzugeben. Es geht dabei also nicht um eine Gewährleistung wegen mangelhafter Ware, sondern um einen Widerruf ohne Wenn und Aber.
Welche Verträge kann man widerrufen?
Das Widerrufsrecht gilt für:
- Verträge, die außerhalb von Geschäftsräumen abgeschlossen werden (früher: "Haustürgeschäfte"),
- Fernabsatzverträge (z. B. Onlinekäufe, Vertragsabschluss am Telefon).
Besondere Widerrufsrechte gibt es außerdem für Verbraucher-Darlehensverträge und seit 2016 für Immobilien-Verbraucherdarlehensverträge.
Was sind Verträge außerhalb von Geschäftsräumen?
Viele Verträge werden nicht im Büro des Verkäufers oder Dienstleisters abgeschlossen, sondern an der Haustür, in der Wohnung des Kunden, an einem Infostand in der Fußgängerzone oder gar auf einer Kaffeefahrt. Auch Verkaufspartys in der Wohnung von Kunden gehören hier dazu. Bei all diesen Geschäften wird oft auf einen gewissen Überrumpelungseffekt gebaut, oder einfach darauf, dass Kunden in ihrem privaten Umfeld nicht so kritisch hinschauen.
Daher gelten nach § 312b BGB gelten besondere Regeln für Verträge, bei denen
- ein Unternehmer einen Verbraucher außerhalb seiner Geschäftsräume persönlich und individuell angesprochen hat,
- während beide gleichzeitig körperlich anwesend waren.
Für solche Verträge gibt es also ein 14-tägiges Widerrufsrecht.
Übrigens: Dies gilt nicht für eine Verkaufsveranstaltung auf einer gemieteten Fläche in einem Einkaufszentrum – dies sind Geschäftsräume.
Onlinekauf und Co: Was gilt für Fernabsatzverträge?
Unter Fernabsatzverträgen versteht man alle Vertragsabschlüsse, bei denen die Vertragspartner gerade nicht beide persönlich körperlich anwesend sind (§ 312c BGB). Auch hier gilt das 14-tägige Widerrufsrecht.
Dies sind also einfach alle Verträge, die online, per Klick oder E-Mail, per Telefon, per Teleshopping, per Brief oder per Fax abgeschlossen werden. Einzige Bedingung ist, dass der Vertragsabschluss im Rahmen eines eigens dafür konzipierten Systems stattfindet. Dieses Unternehmen muss also üblicherweise Bestellungen auf diesem Weg annehmen. Wenn zum Beispiel ein Lebensmittelgeschäft sich telefonisch dazu überreden lässt, ausnahmsweise der gehbehinderten alten Dame im dritten Stock ihr Gemüse per Boten zuzustellen, ist dies kein Fernabsatzvertrag. Wenn eine Discounter-Kette aber Online-Bestellungen über ihre Homepage annimmt und dann die Lebensmittel ausliefert, fällt dies sehr wohl darunter.
Für welche Waren gilt das Widerrufsrecht nicht?
Aber: Kann man einen Vertrag über eine Lebensmittellieferung überhaupt widerrufen? Immerhin sind Lebensmittel verderblich.
Natürlich sind bestimmte Waren vom Widerrufsrecht ausgenommen. Dazu gehören zum Beispiel verderbliche Lebensmittel und andere verderbliche Waren, Gesundheits- und Hygieneartikel mit geöffneter Versiegelung, untrennbar vermischte Waren, Zeitungen und Zeitschriften (nicht jedoch Abos), ferner Waren und Dienstleistungen, deren Preis Schwankungen unterliegt, auf die der Unternehmer keinen Einfluss hat (einschließlich des Aktienmarktes), sowie Beherbergung, Beförderung, Mietwagen, Lieferung von Speisen und Getränken, Freizeitgestaltung, Versteigerungen (im Sinne von öffentlicher Veranstaltung mit persönlicher Anwesenheit), dringende Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten auf Wunsch des Kunden und Wett- und Lotteriedienstleistungen.
Dazu gehören auch Verträge zur Lieferung von Ton- oder Videoaufnahmen oder Computersoftware (CDs, DVDs, Bluerays) in einer versiegelten Packung, wenn die Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde (§ 312g Abs. 2 BGB). Als Versiegelung reicht dabei nicht nur eine einfache Cellophanhülle aus, Gerichtsentscheidungen zufolge muss darauf zumindest ein Hinweis aufgedruckt sein, dass es sich um eine Versiegelung handelt, deren Öffnen das Widerrufsrecht erlöschen lässt (OLG Hamm, Az. 4 U 212/09).
Eine weitere Ausnahme gilt für Waren, die individuell für einen bestimmten Kunden nach dessen Wünschen angefertigt werden. Dies kann zum Beispiel ein Möbelstück sein, das in einer bestimmten Farbe oder mit einem bestimmten Bezugsstoff geliefert werden soll.
Was sind Hygieneartikel?
Aber was sind nun die vom Widerruf ausgenommenen Hygieneartikel? Dies betrifft in der Regel Dinge, die mit dem Körper in Berührung kommen und die in versiegelten Behältern verkauft werden. Die Versiegelung ist hier nicht die äußere Umverpackung (z. B. Pappschachtel), sondern diejenige Verpackung (z. B. Folie), die das Produkt selbst luftdicht abschließt. Wenn diese Versiegelung erst einmal offen ist, kann die Ware nicht mehr an andere Kunden verkauft werden – daher besteht dann kein Widerrufsrecht.
Welche Verträge kann man nicht widerrufen?
Bei Waren, die man ganz normal in einem Ladengeschäft erwirbt, gibt es kein Widerrufsrecht. Hier kann man höchstens unter bestimmten Umständen vom Kaufvertrag zurückzutreten - zum Beispiel wegen mangelhafter Ware. Auch bei den meisten Verträgen, die man im Büro des Unternehmers abschließt, gibt es keinen einfachen Widerruf.
Bestimmte Vertragstypen sind nach § 312 Abs. 2 BGB vom Widerrufsrecht ausgenommen. Dazu zählen unter anderem Mietverträge, notarielle Verträge, Verträge über Grundstücke, Bauverträge, Verträge über die Personenbeförderung, Behandlungsverträge mit Ärzten und Krankenhäusern, sofort erfüllte Bagatellverträge mit einem Wert von nicht mehr als 40 Euro oder Reiseverträge für Pauschalreisen.
Wie übe ich mein Widerrufsrecht aus?
Als Verbraucher können Sie den jeweiligen Vertrag innerhalb von 14 Tagen ab Vertragsschluss widerrufen. Allerdings beginnt diese Frist nicht zu laufen, wenn der Verbraucher keine Widerrufsbelehrung bekommen hat. Um nun ein "ewiges Widerrufsrecht" zu vermeiden, lässt der Gesetzgeber den Widerruf längstens ein Jahr und 14 Tage lang zu. Wenn der Vertrag innerhalb der gesetzlichen Frist widerrufen wird, müssen beide Seiten die erhaltenen Leistungen zurückgeben.
Der Widerruf erfordert keine Begründung und keine bestimmte Form. Er kann im Prinzip auch telefonisch erfolgen. Allerdings ist eine Form zu empfehlen, in der man ihn später vor Gericht beweisen kann. Übrigens muss man den Widerruf gegenüber dem Unternehmer ausdrücklich erklären – ein kommentarloses Zurückschicken der Ware reicht heute nicht mehr aus.
Urteil: Widerrufsrecht bei Matratzen
Der Bundesgerichtshof verhandelte 2016 den Fall eines Verbrauchers, der online zwei Matratzen bestellt hatte. Der Verkäufer hatte im Rahmen einer Tiefpreisgarantie versprochen, den Kunden die Preisdifferenz zu erstatten, wenn sie irgendwo einen günstigeren Preis fänden. Diesen fand ein Kunde tatsächlich. Folgerichtig forderte er die Auszahlung der Differenz; ansonsten widerrufe er den Kaufvertrag. Da nichts passierte, widerrief er den Vertrag tatsächlich.
Dies sah der Verkäufer als rechtsmissbräuchlich an. Der Bundesgerichtshof jedoch sprach dem Kunden ein Widerrufsrecht zu. Zwar sei es nicht Sinn des Widerrufsrechts, eine Auszahlung von Preisdifferenzen zu erzwingen. Weil das Gesetz aber keine besonderen Gründe für einen Widerruf fordere, könne man dem Kunden die Art seiner Gründe auch nicht vorhalten (Urteil vom 16. März 2016, Az. VIII ZR 146/15).
Immobilienkauf: Widerrufsrecht beim Maklervertrag
Wird ein Vertrag mit einem Immobilienmakler online oder telefonisch abgeschlossen, kann er widerrufen werden. Dies gilt auch für Maklerverträge, die am Ort des Objektes, etwa bei einer Besichtigung, abgeschlossen werden. Schließlich ist dies auch nur ein Vertragsabschluss außerhalb von Geschäftsräumen.
Die Widerrufsfrist beginnt mit dem Vertragsschluss, aber in jedem Fall erst dann, wenn der Kunde eine Widerrufsbelehrung erhalten hat. Die Frist beträgt 14 Tage und verlängert sich ohne Widerrufsbelehrung auf ein Jahr und 14 Tage.
Das Problem ist nur: Maklerverträge werden oft schnell abgewickelt. Für den Makler ergibt sich dadurch das Problem, dass der Kunde vielleicht den Maklervertrag abschließt, sich eine Immobilie zeigen lässt, diese dann ohne Makler direkt vom Eigentümer erwirbt und noch innerhalb der 14 Tage schnell den Maklervertrag widerruft. So spart der Kunde die Provision und der Makler hat umsonst gearbeitet.
Das Gesetz gibt dem Makler die Möglichkeit, dies zu vermeiden, indem er den Kunden über sein Widerrufsrecht belehrt und von ihm die ausdrückliche Aufforderung einholt, schon während der Widerrufsfrist mit der Maklertätigkeit anzufangen. Wenn dieser dann tatsächlich die vertragliche Leistung erbringt, ist das Widerrufsrecht erloschen.
Welches Widerrufsrecht gilt bei E-Books und Downloads?
Bei E-Books gibt es eine ähnliche Regelung. Ihr Kauf konnte lange Zeit nicht widerrufen werden. Eine gesetzliche Ausnahmeregel nahm Waren, die "aufgrund ihrer Beschaffenheit nicht zur Rücksendung geeignet" waren, vom Widerrufsrecht aus. So wollte man vermeiden, dass Verbraucher sich die Bücher erst bestellten, sie dann lasen, womöglich kopierten und dann standardmäßig den Widerruf erklärten.
Am 13. Juni 2014 traten jedoch einige Gesetzesänderungen in Kraft. Seitdem haben Verbraucher auch für digitale Inhalte wie Downloads ein Widerrufsrecht. Dieses erlischt aber nach § 356 Absatz 5 BGB, wenn
- der Unternehmer mit seiner Leistung begonnen hat,
- der Verbraucher zugestimmt hat, dass der Unternehmer vor Ablauf der Widerrufsfrist mit der Leistung beginnen soll,
- der Verbraucher bestätigt hat, dass ihm klar ist, dass er mit Beginn der Auftragsausführung sein Widerrufsrecht einbüßt.
Beim Bestellen kann der Händler verlangen, dass der Käufer zwei Kästchen anhakt: Einmal die Bestätigung, dass die Leistung sofort erfolgen soll und dann die Bestätigung, dass er vom Untergang seines Widerrufsrechtes weiß. Die Leistung beginnt hier in dem Moment, in dem zum Beispiel der Online-Buchhändler dem Kunden die Downloadmöglichkeit freischaltet oder ihm einen Lizenz-Key zukommen lässt.
Manche Online-Buchhändler verzichten bewusst darauf, das Widerrufsrecht ihrer Kunden auszuhebeln. Andere nutzen das gesetzlich zulässige Schlupfloch. Verbraucher sollten sich im Zweifel in den AGB (Allgemeine Geschäftsbedingungen) oder FAQ des jeweiligen Anbieters vor dem Kauf darüber informieren, wie dieser mit dem Thema umgeht.
In welcher Form müssen Energielieferverträge abgeschlossen werden?
Das Gesetz über faire Verbraucherverträge vom März 2022 hat für Energielieferverträge die Textform zur Pflicht gemacht. Dies bedeutet: schriftlich, irgendwie dauerhaft abspeicherbar, ohne eigenhändige Unterschrift (Beispiel: E-Mail).
Hier ist also kein rein telefonischer Vertragsabschluss mehr möglich. Ein nur am Telefon abgeschlossener Vertrag mit einem Strom- oder Gasanbieter ist nicht rechtswirksam und muss gar nicht erst widerrufen werden.
Praxistipp zum Widerrufsrecht von Verbrauchern
Heute können sich Verbraucher auf einfache Weise aus vielen Verträgen lösen. Haben Sie Streit mit einem gewerblichen Anbieter von Waren oder Dienstleistungen zum Thema Widerrufsrecht, kann Ihnen ein Rechtsanwalt für Zivilrecht kompetent zur Seite stehen.
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