Rechtsirrtum: Vermieter dürfen vermeintlich herrenlose Fahrräder entfernen
12.03.2020, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Bu - Anwalt-Suchservice Nicht selten sammeln sich in Kellern und Hinterhöfen von Mehrfamilienhäusern Fahrräder in unterschiedlichen Stadien des Verfalls an, bei denen zumindest unklar ist, ob sie noch jemals benutzt werden. Vermieter stören sich oft an den vermeintlich herrenlosen Fahrrädern und lassen diese entsorgen. Meist glauben sie, dass sie dabei eindeutig im Recht sind. Aber: Dies ist in der Regel nicht der Fall, denn es handelt sich dabei um fremdes Eigentum.
Dr. Mathias Wachsam ist Facharzt für Innere Medizin. Er kümmert sich äußerst fürsorglich um die Unpässlichkeiten seiner Patienten. Dr. Wachsam ist aber auch Eigentümer und Vermieter einiger Wohnungen in einem Haus in Köln und auch diese Aufgabe erfüllt er mit bedingungsloser Akribie. Steht einmal ein neuer Kugelgrill mit verschlossenem Holzkohlebeutel im Bereich der Mülltonne, ruft Dr. Wachsam direkt bei der Polizei an und beschwert sich bei den Beamten über die vermeintlich illegale Müllentsorgung. Wenn ein Auto ohne Anwohnerausweis bzw. Parkschein vor dem Haus parkt, ruft der Doktor gleich beim Ordnungsamt an. Doch es gibt etwas, dem hat Dr. Mathias Wachsam regelrecht den Krieg erklärt und das sind die Fahrradleichen, denen er stetig im Fahrradkeller und vor dem Haus begegnen muss.
Wie so viele andere Vermieter hatte auch Dr. Wachsam in der Vergangenheit immer wieder vermeintlich herrenlose Fahrräder vom Stellplatz vor dem Haus sowie aus dem Fahrradkeller entfernen lassen. Egal, ob sie abgeschlossen waren oder nicht. Jedes Rad, das länger als sechs Monate nicht bewegt worden war, musste fort. Manchmal aber erwischte es die falschen Räder und das gab mächtig Ärger. Nicht allein, dass der Hausfrieden nach jeder Aufräumaktion mehr als schief hing, klagten die Eigentümer der Räder auch auf Schadensersatz. Dabei war aus Sicht von Dr. Wachsam die Rechtslage doch so eindeutig: "Vermieter dürfen vermeintlich herrenlose Fahrräder entfernen".
Die Wahrheit ist: Vermieter dürfen Fahrräder nicht so einfach aus Hinterhöfen, Stellplätzen oder Fahrradkellern entfernen. Immerhin handelt es sich hier um fremdes Eigentum. Dies gilt auch dann noch, wenn die Räder kaputt sind und herrenlos aussehen.
Häufig fordern Vermieter ihre Mieter auf, ihre Fahrräder innerhalb einer bestimmten Frist zu markieren. Alle nicht markierten Räder gelten nach Fristablauf als herrenlos und werden entsorgt. Dieses Vorgehen ist grundsätzlich nicht verboten. Aber: Wenn ein Fahrradeigentümer einen solchen Hinweis übersieht oder sich gerade länger im Ausland aufhält, könnte er einen Schadensersatzanspruch geltend machen, wenn sein Rad auf einmal verschwunden ist.
2012 hat das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg entschieden, dass Vermieter zumindest dann Schadensersatz leisten müssten, wenn sie auch ordnungsgemäß abgeschlossene und funktionstüchtige Fahrräder haben entsorgen lassen. In diesem Fall hatte der Vermieter einen Aushang gemacht, dem zufolge nicht funktionsfähige und herrenlose Räder entsorgt werden würden. Eine Mieterin ging davon aus, dass ihr täglich genutztes Fahrrad nicht darunter fallen würde und verzichtete auf eine entsprechende Markierung. Prompt war ihr Fahrrad weg.
Das Gericht gab ihrer Klage statt und verurteilte die Vermieterin zur Zahlung von Schadensersatz. Dieser umfasst die Kosten für ein gleichwertiges Ersatzrad.
Die vom Vermieter beauftragte Entrümpelungsfirma hatte nach Überzeugung des Gerichts eine Eigentumsverletzung begangen, die sich die Vermieterin zurechnen lassen musste (Az. 23 C 9/12).
Auch bei Gemeinden gilt im Prinzip nichts anderes. Wenn sie Fahrräder entfernen lassen, laufen sie Gefahr, dass dies als Diebstahl und Sachbeschädigung gewertet wird. Auf der anderen Seite gibt es in größeren Städten hunderte bis tausende Räder, die offensichtlich bereits seit langer Zeit nicht mehr bewegt worden sind. Dies ist häufig ein rechtlicher Graubereich und mithin juristisch eine knifflige Angelegenheit.
Zu dieser Frage entschied zum Beispiel das Amtsgericht München.
Eine Münchnerin hatte den BMW Mini ihres Vaters Ende Juni 2012 in der Maximilianstraße abgestellt. Als sie ein paar Stunden später zurückkam, fand sie dort ein Fahrrad vor, das auf den rechten Kotflügel des PKW gefallen war. Der Mini hatte Kratzer sowie eine Delle am rechten Kotflügel davongetragen. Wie sich herausstellte, hatte der Eigentümer des Fahrrads dieses auf dem Gehweg abgestellt.
Die Reparatur kostete 1.745 Euro, die der Eigentümer des Wagens von dem des Fahrrades verlangte. Immerhin habe dieser sein Fahrrad so abgestellt, dass es auf sein Auto fallen konnte. Dies sei grob fahrlässig gewesen. Jedes Fahrrad müsse so abgeschlossen werden, dass eine Beschädigung von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen sei – zum Beispiel mit angemessenem Sicherheitsabstand. Der Radfahrer weigerte sich, zu zahlen. Er habe sein Fahrrad ordnungsgemäß abgestellt. Was dann passiert sei, wisse er nicht.
Das Gericht wies die Klage ab. Es fehle der Nachweis der schuldhaften Verursachung des Schadens durch den Fahrradfahrer. Das Parken eines Fahrrades auf dem Gehweg sei als Gemeingebrauch grundsätzlich zulässig, soweit das Rücksichtnahmegebot gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern beachtet werde. Verschuldensunabhängige Schadensersatzansprüche existierten für abgestellte Fahrräder nicht.
Nachdem das Fahrrad nicht befestigt gewesen sei, könne nicht ausgeschlossen werden, dass es von einem Dritten aus einer zunächst gesicherten Position fortbewegt wurde, etwa um Platz für ein eigenes Fahrrad zu schaffen und erst so in die umkipp-gefährliche Position gebracht wurde. Die Behauptung des Klägers, der Beklagte selbst habe sein Fahrrad so abgestellt, dass es auf sein Auto fallen konnte, habe jener nicht beweisen können. Ein Schadenersatzanspruch sei deshalb nicht gegeben (AG München, Az. 261 C 8956/13).
Vermieter dürfen nicht ohne weiteres Fahrräder entfernen und entsorgen lassen. Zu Schadensersatzansprüchen kann Ihnen ein Rechtsanwalt für Zivilrecht kompetenten Rat erteilen.
Viele Vermieter lassen kaputte, vermeintlich herrenlose Fahrräder von Stellplätzen vor den Häusern, aus Hinterhöfen oder Fahrradkellern entfernen. Doch das dürfen sie nicht so einfach.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Fahrradleichen im Keller Fort damit! Vermieter kann sich schadensersatzpflichtig machen Gerichtsurteil: Wann ist Schadensersatz für das entsorgte Rad fällig? Was gilt bei Gemeinden? Darf man ein Fahrrad auf dem Gehweg parken? Praxistipp Fahrradleichen im Keller
Dr. Mathias Wachsam ist Facharzt für Innere Medizin. Er kümmert sich äußerst fürsorglich um die Unpässlichkeiten seiner Patienten. Dr. Wachsam ist aber auch Eigentümer und Vermieter einiger Wohnungen in einem Haus in Köln und auch diese Aufgabe erfüllt er mit bedingungsloser Akribie. Steht einmal ein neuer Kugelgrill mit verschlossenem Holzkohlebeutel im Bereich der Mülltonne, ruft Dr. Wachsam direkt bei der Polizei an und beschwert sich bei den Beamten über die vermeintlich illegale Müllentsorgung. Wenn ein Auto ohne Anwohnerausweis bzw. Parkschein vor dem Haus parkt, ruft der Doktor gleich beim Ordnungsamt an. Doch es gibt etwas, dem hat Dr. Mathias Wachsam regelrecht den Krieg erklärt und das sind die Fahrradleichen, denen er stetig im Fahrradkeller und vor dem Haus begegnen muss.
Fort damit!
Wie so viele andere Vermieter hatte auch Dr. Wachsam in der Vergangenheit immer wieder vermeintlich herrenlose Fahrräder vom Stellplatz vor dem Haus sowie aus dem Fahrradkeller entfernen lassen. Egal, ob sie abgeschlossen waren oder nicht. Jedes Rad, das länger als sechs Monate nicht bewegt worden war, musste fort. Manchmal aber erwischte es die falschen Räder und das gab mächtig Ärger. Nicht allein, dass der Hausfrieden nach jeder Aufräumaktion mehr als schief hing, klagten die Eigentümer der Räder auch auf Schadensersatz. Dabei war aus Sicht von Dr. Wachsam die Rechtslage doch so eindeutig: "Vermieter dürfen vermeintlich herrenlose Fahrräder entfernen".
Vermieter kann sich schadensersatzpflichtig machen
Die Wahrheit ist: Vermieter dürfen Fahrräder nicht so einfach aus Hinterhöfen, Stellplätzen oder Fahrradkellern entfernen. Immerhin handelt es sich hier um fremdes Eigentum. Dies gilt auch dann noch, wenn die Räder kaputt sind und herrenlos aussehen.
Häufig fordern Vermieter ihre Mieter auf, ihre Fahrräder innerhalb einer bestimmten Frist zu markieren. Alle nicht markierten Räder gelten nach Fristablauf als herrenlos und werden entsorgt. Dieses Vorgehen ist grundsätzlich nicht verboten. Aber: Wenn ein Fahrradeigentümer einen solchen Hinweis übersieht oder sich gerade länger im Ausland aufhält, könnte er einen Schadensersatzanspruch geltend machen, wenn sein Rad auf einmal verschwunden ist.
Gerichtsurteil: Wann ist Schadensersatz für das entsorgte Rad fällig?
2012 hat das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg entschieden, dass Vermieter zumindest dann Schadensersatz leisten müssten, wenn sie auch ordnungsgemäß abgeschlossene und funktionstüchtige Fahrräder haben entsorgen lassen. In diesem Fall hatte der Vermieter einen Aushang gemacht, dem zufolge nicht funktionsfähige und herrenlose Räder entsorgt werden würden. Eine Mieterin ging davon aus, dass ihr täglich genutztes Fahrrad nicht darunter fallen würde und verzichtete auf eine entsprechende Markierung. Prompt war ihr Fahrrad weg.
Das Gericht gab ihrer Klage statt und verurteilte die Vermieterin zur Zahlung von Schadensersatz. Dieser umfasst die Kosten für ein gleichwertiges Ersatzrad.
Die vom Vermieter beauftragte Entrümpelungsfirma hatte nach Überzeugung des Gerichts eine Eigentumsverletzung begangen, die sich die Vermieterin zurechnen lassen musste (Az. 23 C 9/12).
Was gilt bei Gemeinden?
Auch bei Gemeinden gilt im Prinzip nichts anderes. Wenn sie Fahrräder entfernen lassen, laufen sie Gefahr, dass dies als Diebstahl und Sachbeschädigung gewertet wird. Auf der anderen Seite gibt es in größeren Städten hunderte bis tausende Räder, die offensichtlich bereits seit langer Zeit nicht mehr bewegt worden sind. Dies ist häufig ein rechtlicher Graubereich und mithin juristisch eine knifflige Angelegenheit.
Darf man ein Fahrrad auf dem Gehweg parken?
Zu dieser Frage entschied zum Beispiel das Amtsgericht München.
Eine Münchnerin hatte den BMW Mini ihres Vaters Ende Juni 2012 in der Maximilianstraße abgestellt. Als sie ein paar Stunden später zurückkam, fand sie dort ein Fahrrad vor, das auf den rechten Kotflügel des PKW gefallen war. Der Mini hatte Kratzer sowie eine Delle am rechten Kotflügel davongetragen. Wie sich herausstellte, hatte der Eigentümer des Fahrrads dieses auf dem Gehweg abgestellt.
Die Reparatur kostete 1.745 Euro, die der Eigentümer des Wagens von dem des Fahrrades verlangte. Immerhin habe dieser sein Fahrrad so abgestellt, dass es auf sein Auto fallen konnte. Dies sei grob fahrlässig gewesen. Jedes Fahrrad müsse so abgeschlossen werden, dass eine Beschädigung von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen sei – zum Beispiel mit angemessenem Sicherheitsabstand. Der Radfahrer weigerte sich, zu zahlen. Er habe sein Fahrrad ordnungsgemäß abgestellt. Was dann passiert sei, wisse er nicht.
Das Gericht wies die Klage ab. Es fehle der Nachweis der schuldhaften Verursachung des Schadens durch den Fahrradfahrer. Das Parken eines Fahrrades auf dem Gehweg sei als Gemeingebrauch grundsätzlich zulässig, soweit das Rücksichtnahmegebot gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern beachtet werde. Verschuldensunabhängige Schadensersatzansprüche existierten für abgestellte Fahrräder nicht.
Nachdem das Fahrrad nicht befestigt gewesen sei, könne nicht ausgeschlossen werden, dass es von einem Dritten aus einer zunächst gesicherten Position fortbewegt wurde, etwa um Platz für ein eigenes Fahrrad zu schaffen und erst so in die umkipp-gefährliche Position gebracht wurde. Die Behauptung des Klägers, der Beklagte selbst habe sein Fahrrad so abgestellt, dass es auf sein Auto fallen konnte, habe jener nicht beweisen können. Ein Schadenersatzanspruch sei deshalb nicht gegeben (AG München, Az. 261 C 8956/13).
Praxistipp
Vermieter dürfen nicht ohne weiteres Fahrräder entfernen und entsorgen lassen. Zu Schadensersatzansprüchen kann Ihnen ein Rechtsanwalt für Zivilrecht kompetenten Rat erteilen.
(Wk)