Geänderte Abflugzeiten: Welche Rechte haben Pauschalurlauber?

29.08.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Flugzeiten,Anzeigetafel,Flughafen Welche Rechte haben Reisende bei geänderten Flugzeiten? © Rh - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Pauchalreisende: Die Rechte von Pauschalreisenden bei geänderten Flugzeiten richten sich insbesondere danach, ob die Änderung zumutbar ist oder nicht.

2. Zumutbarkeit: Kleinere Flugzeitenänderungen müssen hingenommen werden. Alles unter vier Stunden wird oft noch als zumutbar angesehen. Insoweit kommt es auch auf die Länge der Reise an.

3. Abhilfe bei Unzumutbarkeit: Wurde der Reiseveranstalter im Falle der Unzumutbarkeit erfolglos zur Abhilfe aufgefordert, haben Reisende das Recht zur Selbsthilfe.
Immer wieder kommt es vor, dass sich Abflugzeiten von Flügen ändern. Im komplizierten Betrieb eines modernen Flughafens ist dies auch gar nicht anders möglich. Allerdings werden viele Reisen immer länger im Voraus gebucht, wofür Reiseveranstalter und Airlines auch gerne Werbung machen. Je mehr Zeit dann zwischen Buchung und Abreise liegt, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei der Fluggesellschaft oder am Flughafen Umstände eintreten, die eine Flugplanänderung erfordern. Manche Reiseveranstalter versuchen dann, sich durch fantasievolle Klauseln in ihren Verträgen abzusichern. Für Reisende sind geänderte Flugzeiten immer ein Ärgernis. Manchmal kommt es zum Prozess.

Darf der Reiseveranstalter die Flugzeiten ändern?


Dies ist durchaus möglich. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofes darf der Reiseveranstalter im Reisevertrag zum Beispiel eine voraussichtliche Flugzeit angeben und diese dann später abändern. Der Veranstalter darf sich auch die Festlegung der Flugzeiten zu einem späteren Zeitpunkt vorbehalten, sofern der Reisevertrag dafür einen gewissen Rahmen festlegt. Unzulässig sind jedoch Vertragsklauseln, die es dem Reiseveranstalter erlauben, bei der Buchung fest vereinbarte Flugzeiten nach Belieben zu ändern (Urteil vom 10.12.2013, Az. X ZR 24/13).

Welche Änderung der Flugzeiten ist noch zumutbar?


Nicht bei jeder Änderung der Flugzeiten können Reisende gleich Ansprüche geltend machen. Kleinere Änderungen müssen sie hinnehmen und dann eben zu den geänderten Zeiten fliegen. Alles unter vier Stunden wird oft noch als zumutbar angesehen. Es kommt jedoch nicht nur auf die Stundenzahl an, sondern auch auf die Umstände: Bei einer längeren Urlaubsreise ist eine geänderte Flugzeit eher zumutbar als bei einem Kurztrip. Wird der Abflug von 16 Uhr auf 12 Uhr mittags vorverlegt, ist das zwar unangenehm, spielt sich aber noch zu einer normalen Tageszeit ab. Bei einer Verlegung von 8 Uhr auf 4 Uhr früh wäre das schon anders.

Auch späte Reisen mit Kindern können unzumutbar sein. So entschied das Landgericht Hannover im Fall einer jungen Mutter, die mit ihrem Lebensgefährten und ihrem Kleinkind einen Urlaub auf Mallorca gebucht hatte. Der Rückflug sollte um 13:40 Uhr starten. Der Reiseveranstalter teilte ihr sechs Wochen vor Reisebeginn mit, dass sich die Rückflugzeit geändert habe: Der Rückflug starte nun um 19:25 Uhr mit einer anderen Fluggesellschaft. Damit würde die Familie erst spätnachts zu Hause ankommen. Da sich der Reiseveranstalter weigerte, etwas zu ändern, buchte die Familie einen anderen Flug und verlangte Kostenersatz.

Das Gericht entschied: Zwar müssten Reisende eine gewisse Verschiebung der Abflugzeit hinnehmen. Eine Verschiebung um mehr als vier Stunden sei jedoch nicht mehr zumutbar und stelle einen Reisemangel dar. Gerade wegen des Kleinkindes sei hier eine Einhaltung der zunächst mitgeteilten Flugzeiten besonders wichtig gewesen. Die Ersatz-Tickets seien daher vom Reiseveranstalter zu ersetzen (Urteil vom 27. April 2017, Az. 8 S 46/16).

Was gilt, wenn die Änderung der Flugzeiten unzumutbar ist?


Das wichtigste Recht dürfte hier die Selbstabhilfe sein. Das bedeutet: Der Reisende bucht einen anderen Flug zu Zeiten, die für ihn passen, und verlangt den Ticketpreis anschließend vom Reiseveranstalter zurück. Dies setzt voraus, dass sich der Veranstalter geweigert hat, dem Reisenden einen Ersatzflug zu beschaffen (§ 651k Abs. 2 BGB).

Eine andere Möglichkeit wäre die Kündigung des Reisevertrages. Die Flugzeiten müssen dafür erheblich und unzumutbar geändert worden sein. Hier muss der Reisende dem Veranstalter zunächst erfolglos eine Frist zur Abhilfe gesetzt haben (651l BGB).

Kann der Flug nicht umgebucht werden, ist eine Minderung des Reisepreises möglich. Schließlich handelt es sich um einen Reisemangel. Die sogenannte Frankfurter Tabelle liefert Anhaltspunkte für die Höhe: Der Reisepreis lässt sich danach bei einer Verschiebung des Fluges um mehr als vier Stunden um fünf Prozent pro Tag mindern. Für jede weitere Stunde kommen fünf Prozent des durchschnittlichen Tagespreises dazu. Maximal können es 20 Prozent des ganzen Reisepreises sein.

Wichtig: Diese Rechte setzen voraus, dass man sich beim Reiseveranstalter beschwert und Abhilfe verlangt. Geht es um eine Zeitenänderung, die noch einige Zeit hin ist, sollte eine Frist gesetzt werden.

Was gilt bei kurzfristiger Vorverlegung eines Fluges als zumutbar?


Vor dem Amtsgericht München klagte ein Reisender, der mit seiner Familie den Rückflug aus dem Türkei-Urlaub verpasst hatte. Ihm war erst beim mittäglichen Auschecken aus dem Hotel mitgeteilt worden, dass der Rückflug um vier Stunden vorverlegt worden war und nun nicht um 23:55 Uhr, sondern um 19:55 starten werde. Ein Shuttle-Bus zum Flughafen startete um 16:35 Uhr. Allerdings lagen die Reisepapiere bei einem Bruder des Mannes in einem anderen Hotel im gleichen Ort, da man den Tag verplant hatte und diese nicht auf Unternehmungen mitnehmen wollte. Verschiedene Erledigungen standen an, die Kinder mussten gewickelt und Essen gekauft werden, das Abholen der Papiere verzögerte sich, und man verpasste den Flug.

Nun wollte die Familie vom Reiseveranstalter die Kosten für die selbst finanzierten Ersatztickets ersetzt haben. Dieser weigerte sich. Das Amtsgericht München gab dem Reiseveranstalter recht. Es sei nicht ersichtlich, warum genau es nicht möglich gewesen sein solle, die Reiseunterlagen vom Bruder rechtzeitig abzuholen. Die Schilderung des Nachmittags durch die Reisenden enthalte zu viele Unklarheiten. Aus Sicht des Gerichts wäre es sehr wohl möglich und auch zumutbar gewesen, alles Erforderliche bis zur Abfahrt des Busses zu organisieren. Daher sprach das Gericht den Reisenden nur eine Reisepreisminderung von 83 Euro für den verkürzten letzten Urlaubstag zu. Die Rückflugtickets mussten sie selbst bezahlen (Urteil vom 30.1.2024, Az. 172 C 14078/23).

Muss der Reiseveranstalter mich über Flugzeitenänderungen informieren?


Nach § 8 der BGB-Informationspflichten-Verordnung muss der Reiseveranstalter seine Kunden vor Antritt der Reise rechtzeitig über "Abfahrt- und Ankunftszeiten, Orte von Zwischenstationen und die dort zu erreichenden Anschlussverbindungen" informieren. Somit müssen auch Flugzeitenänderungen mitgeteilt werden.

Das Amtsgericht München befasste sich mit einem Fall, in dem ein Mann eine Orient-Kreuzfahrt mit Anreise per Flugzeug gebucht hatte. Reisebeginn sollte am 16.12. sein. In seiner Buchungsbestätigung fand sich der Hinweis: "Abflugtag ggf. am Vortag". Die Reisebeschreibung erläuterte auch, dass der Abflug meist am Vortag der eigentlichen Reise erfolge; die endgültigen Flugdaten und die Kabinennummer für das Schiff würden aus den Reiseunterlagen hervorgehen.

Die Unterlagen wurden dem Kunden zugeschickt – einschließlich Flugtickets mit dem Abflugdatum 15.12. und den genauen Flugzeiten. Das Problem: Der Kunde sah sich die Unterlagen erst am 16.12. an, als er abreisen wollte. Da war es für den Antritt seiner Reise schon zu spät. Er verlangte daraufhin vom Reiseveranstalter die Rückerstattung des kompletten Reisepreises, da man ihn nicht mit einem besonderen Schreiben auf die Flugzeiten hingewiesen habe.

Dazu entschied das Amtsgericht München: Ein Reiseunternehmen ist nicht verpflichtet, den Reisenden in einem gesonderten Schreiben zusätzlich zu den Reiseunterlagen auf die Flugzeiten hinzuweisen. Es sei einem Reisenden durchaus zuzumuten, die ihm rechtzeitig zugeschickten Reiseunterlagen dann auch zu lesen (Urteil vom 3.5.2013, Az. 281 C 3666/13).

Welche Entschädigungsansprüche stehen mir gegen den Reiseveranstalter zu?


Wurde durch die Änderung von Flugzeiten die Urlaubsreise insgesamt beeinträchtigt, kommen auch Entschädigungsansprüche gegen den Reiseveranstalter wegen eines Reisemangels in Frage: Etwa eine Reisepreisminderung, weil die Reisedauer verkürzt wurde, oder ein Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit. Ein Reisemangel kann zum Beispiel auch dann vorliegen, wenn wegen der Flugzeitenänderung die Nachtruhe im Urlaub verkürzt wurde oder der zweite oder vorletzte Ferientag beeinträchtigt wurden.

Habe ich Anspruch auf Entschädigung gegen die Fluggesellschaft?


Bei vielen Änderungen von Flugzeiten haben Reisende Anspruch auf eine Entschädigung. Dieser Anspruch richtet sich gegen die Fluggesellschaft und beruht auf der Europäischen Fluggastrechte-Verordnung. Dies gilt sowohl für Pauschalreisende als auch für Individualreisende, die ihren Flug einzeln gebucht haben.

Nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes entspricht eine Vorverlegung der Flugzeit um mehr als eine Stunde einer Flugannullierung. Damit haben Reisende Anspruch auf eine pauschale Entschädigung nach der Fluggastrechte-Verordnung (EuGH, Urteile vom 21.12.2021, Az. C-146/20, C-188/20, C-270/20 und C-263/20). Derartige Ansprüche lassen sich oft sehr viel leichter geltend machen als Ansprüche wegen Reisemängeln gegen den Reiseveranstalter. Die Entschädigung kann je nach Flugstrecke 250 bis 600 Euro betragen.

Der Anspruch entfällt, wenn die Reisenden rechtzeitig unterrichtet werden. Das heißt:

- mindestens zwei Wochen vor der planmäßigen Abflugzeit oder
- in einem Zeitraum zwischen zwei Wochen und sieben Tagen vor der planmäßigen Abflugzeit, verbunden mit einem Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als zwei Stunden vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens vier Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen, oder
- weniger als sieben Tage vor der planmäßigen Abflugzeit, verbunden mit einem Angebot zur anderweitigen Beförderung, das es ihnen ermöglicht, nicht mehr als eine Stunde vor der planmäßigen Abflugzeit abzufliegen und ihr Endziel höchstens zwei Stunden nach der planmäßigen Ankunftszeit zu erreichen.

Eine Verlegung des Fluges auf einen späteren Zeitpunkt gilt bisher nicht als Annullierung. Unter Umständen kann dann aber eine Entschädigung wegen einer Flugverspätung geltend gemacht werden.

Ein Indiz für eine Annullierung kann auch darin bestehen, dass der Flug mit den geänderten Flugzeiten eine neue Flugnummer hat.

Was gilt bei der Änderung der Flugzeiten von individuell gebuchten Flügen?


Individualreisende, die ihren Flug selbst buchen, haben keinen Reiseveranstalter und keinen Reisevertrag. Sie können also auch keine Ansprüche gegen einen Reiseveranstalter geltend machen. Möglich sind höchstens Entschädigungsansprüche gegen die Fluggesellschaft nach der Europäischen Fluggastrechte-Verordnung. Daher sollten Individualreisende besonders darauf achten, ob sich Reisedaten kurz vor dem Flug ändern und die Flugdaten ggf. noch einmal eigenständig überprüfen.

Nochmals kurz gefragt und kurz geantwortet



1. Darf der Reiseveranstalter die Flugzeiten nachträglich ändern?
Ja, der Reiseveranstalter darf die Flugzeiten ändern, wenn dies im Reisevertrag vorgesehen ist und die Änderung für den Reisenden zumutbar ist.

2. Was gilt als zumutbare Änderung der Flugzeiten?
Eine Änderung ist zumutbar, wenn sie den Reisenden nicht erheblich beeinträchtigt, etwa bei kleineren Verschiebungen von wenigen Stunden.

3. Wann ist eine Flugzeitenänderung unzumutbar?
Eine Änderung ist unzumutbar, wenn sie wesentliche Teile der Reise beeinträchtigt, wie z. B. eine sehr späte Ankunft oder ein erheblicher Verlust von Urlaubszeit.

4. Welche Rechte hat man bei einer erheblichen Flugzeitenänderung?
Bei einer erheblichen Änderung können Reisende die Reise kostenlos stornieren, einen Ersatzflug sowie ggf. eine Ersatzreise verlangen oder eine Minderung des Reisepreises fordern.

5. Muss der Reiseveranstalter mich über Flugzeitenänderungen informieren?
Ja, der Veranstalter muss Reisende rechtzeitig über Änderungen informieren, in der Regel mindestens zwei Wochen vor Abflug.

6. Hat man bei geänderten Flugzeiten Anspruch auf Entschädigung ?
Entschädigungen sind möglich, wenn die Änderung eine erhebliche Beeinträchtigung darstellt und zu einem signifikanten Verlust an Urlaubszeit führt.

7. Was kann man tun, wenn man mit der Flugzeitenänderung nicht einverstanden ist?
Der Reisende kann den Veranstalter kontaktieren, um eine Lösung zu finden, oder die Reise stornieren, wenn die Änderung unzumutbar ist.

8. Was passiert, wenn die Flugzeitenänderung erst kurz vor Reiseantritt mitgeteilt wird?
Der Reisende kann die Reise stornieren, eine Minderung des Reisepreises verlangen oder Mehrkosten, z. B. für Übernachtungen, erstattet bekommen.

9. Habe ich gegen die Fluggesellschaf Anspruch auf Entschädigung t?
Ändern sich die Flugzeiten können Reisende auch Anspruch auf Entschädigung gegen die Fluggesellschaft nach der Europäischen Fluggastrechte-Verordnung haben.

Praxistipp zu geänderten Flugzeiten


Flugreisende sollten generell vor ihrem Abflug noch einmal prüfen, ob es tatsächlich bei den zunächst genannten Zeiten geblieben ist. Ein rechtzeitiger Blick in die Reiseunterlagen ist sehr zu empfehlen. Wenn es zum Streit mit dem Reiseveranstalter kommt, empfiehlt sich eine Beratung durch einen auf das Zivilrecht oder das Reiserecht spezialisierten Rechtsanwalt.

(Ma)


 Ulf Matzen
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