Rückflug vorgezogen: Reisepreis zurück und Schadensersatz für Flugumbuchung?

02.07.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice
Flugzeug,Abflug,Startbahn,Piste Bekomme ich Geld zurück, weil mein Rückflug vorgezogen wurde? © - freepik

Der Reiseveranstalter verlegt den Rückflug erheblich vor? Ärgerlich! Welche Rechte haben Reisende, wenn die Fluggesellschaft den Abflugtermin zu weit vorzieht?

Können Reisende vom Reiseveranstalter Rückzahlung des Reisepreises und Schadensersatz für eine Flugumbuchung verlangen, wenn der Rückflug um zehn Stunden oder mehr vorverlegt wird?

Rückflug vorgezogen - was war passiert?


Ein Reiseveranstalter verlegte bei einer einwöchigen Pauschalreise den Rückflug um mehr als 10 Stunden von 16.40 Uhr auf den Vortag um 5.15 Uhr, wozu die Urlauber schon um 1.25 Uhr am Hotel abgeholt werden sollten. In seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen hatte sich der Reiseveranstalter eine kurzfristige Änderung der Flugzeiten und der Streckenführung vorbehalten, soweit dadurch der Gesamtzuschnitt der Reise nicht beeinträchtigt werde. Die Urlauber waren davon nicht wirklich begeistert und buchten auf eigene Kosten einen Rückflug, der dem ursprünglich vereinbarten Flugtermin entsprach. Nach ihrer Rückkehr machten sie gegenüber dem Reiseveranstalter Schadensersatz für die Rückflugkosten geltend. Auch verlangten sie die Rückzahlung des gesamten Reisepreises abzüglich Verpflegungskosten, da sie den Reisevertrag gekündigt hätten, sowie zusätzlich eine Entschädigung wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit.

Schadensersatz für selbst gebuchten, späteren Rückflug?


Die Richter des Bundesgerichtshofes (Az. X ZR 76/11) sahen in der Vorverlegung des Flugs um mehr als 10 Stunden einen Reisemangel.

Die Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen ändere daran nichts: Die Verkürzung der Urlaubswoche durch die Vorverlegung des Abflugtermins sei so erheblich, dass sie den Gesamtzuschnitt der Reise verändert habe.

Deshalb könnten die Reisenden den Ersatz der Aufwendungen verlangen, die sie erbringen mussten, um dem Reisemangel selbst abzuhelfen - also die Kosten des selbst gebuchten Rückfluges. Voraussetzung dafür sei allerdings, dass sie zuvor vom Reiseveranstalter erfolglos Abhilfe innerhalb einer angemessenen Frist verlangt hätten. Einer solchen Fristsetzung bedürfe es nicht, wenn die Abhilfe vom Reiseveranstalter verweigert werde oder eine sofortige Abhilfe durch ein besonderes Interesse des Reisenden geboten sei.

Gegebenenfalls könne das Abhilfeverlangen auch entbehrlich sein, wenn der Reiseveranstalter von vornherein unmissverständlich zu erkennen gebe, zur Abhilfe nicht bereit zu sein. Eine solche Verweigerung könne sich auch aus den Umständen ergeben, etwa wenn der Reiseveranstalter den Reisemangel bewusst herbeiführe und ihn als unvermeidlich darstelle. Die BGH-Richter erklärten: Seien diese Voraussetzungen erfüllt, hätten die Kläger Anspruch auf Erstattung der Rückflugkosten. Dies zu prüfen, sei Aufgabe der Vorinstanz, an die das Verfahren zurückverwiesen wurde.

War die Erstattung des Reisepreises ebenfalls gerechtfertigt?


Wird eine Pauschalreise durch einen Reisemangel erheblich beeinträchtigt, kann der Reisende den Reisevertrag kündigen und den Reisepreis zurückfordern. Auch hier ist ein Abhilfeverlangen mit Frist erforderlich. Der Reiseveranstalter muss dann allerdings nicht den gesamten Reisepreis zurückzahlen, sondern nur den Betrag für die Leistungen, die nach der Kündigung noch ausstehen. Heute ist dies in § 651l BGB geregelt.

Die Beeinträchtigung der Reise sahen die Urlauber hier in der Vorverlegung des Rückflugs in die frühen Morgenstunden des 1. Juni 2009. Bei der Frage, ob diese Beeinträchtigung auch "erheblich" ist, kommt es dem BGH zufolge darauf an, welchen Anteil der Mangel im Verhältnis zur gesamten Reiseleistung hat und wie gravierend sich der Mangel für den Reisenden auswirkt.

Es spiele jedoch keine Rolle, ob der Preis der Reise von Anfang an besonders niedrig gewesen sei. Ein Reisemangel verliere nicht an Gewicht und werde auch nicht erträglicher, nur weil der Preis der Reise besonders gering gewesen sei.

Das Gericht war der Ansicht, dass hier ein solcher erheblicher Mangel durchaus vorgelegen hätte, wenn die Reisenden den vom Reiseveranstalter angebotenen früheren Rückflug wahrgenommen hätten. Tatsächlich hätten sie jedoch den Mangel durch die eigene Buchung des späteren Rückfluges selbst beseitigt. Die Reise sei also in Wirklichkeit nicht erheblich beeinträchtigt gewesen.

Daher hätten sie kein Recht auf eine Kündigung des Reisevertrages gehabt und könnten keine auch nur anteilige Rückforderung des Reisepreises verlangen.

Anspruch auf Schadensersatz wegen nutzlos aufgewendeter Urlaubszeit?


Auch einen solchen Anspruch gewährt das Bürgerliche Gesetzbuch: Er ist geregelt in § 651n BGB. Der Anspruch kann neben einer Kündigung oder einer Minderung des Reisepreises geltend gemacht werden. Allerdings ist auch hier Voraussetzung, dass die Pauschalreise vereitelt oder erheblich beeinträchtigt wurde. Dies war hier jedoch nicht der Fall, da die Reisenden - wie oben erläutert - selbst für ihren planmäßigen Rückflug gesorgt hatten. Ein solcher Anspruch bestand daher hier nicht.

Änderungen der Rechtslage?


Das Urteil des Bundesgerichtshofes stammt vom 17.4.2012. Seitdem haben sich die Vorschriften des deutschen Reiserechts in einigen Punkten geändert. Die genannten Ansprüche gibt es jedoch mit den gleichen Voraussetzungen nach wie vor. Der Anspruch der Reisenden auf Ersatz der Kosten für eine Selbstabhilfe - hier also für den selbst gebuchten Rückflug - ergibt sich heute aus § 651k Abs. 2 BGB.

Wichtig zu wissen: Reiseveranstalter dürfen nach aktueller Rechtslage eine Abhilfe verweigern, wenn diese unmöglich oder mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist. Trotzdem müssen sie dem Reisenden Abhilfe durch angemessene Ersatzleistungen bieten. Wird dadurch der Wert der Reise reduziert, müssen sie eine anteilige Entschädigung als Wertersatz zahlen (§ 651k Abs. 3 BGB).

Praxistipp


Reiserecht kann eine verzwickte Sache sein, wie der oben dargestellte Fall zeigt. Kommt es auf einer Reise zu Problemen oder Mängeln, sollten diese umgehend dem Reiseveranstalter gemeldet werden - am besten mit einer angemessenen Frist zur Abhilfe. Ansonsten können Reisende leicht ihre Ansprüche verlieren. Kommt es zu Problemen mit dem Reiseveranstalter oder der Fluggesellschaft, ist ein Anwalt mit Schwerpunkt Reiserecht der richtige Ansprechpartner.

(Bu)


 Stephan Buch
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