Reiserücktritt: In welchen Fällen ist er möglich?

03.07.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
Reise,Rücktritt,Urlaub,Stornierung Von einer gebuchten Reise zurückzutreten, kann teuer sein. © Rh - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Gesetzliche Regelung: Gemäß § 651h des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) haben Reisende vor Beginn einer Reise das jederzeitige Recht vom Reisevertrag ohne Angabe von Gründen zurücktreten.

2. Stornokosten: Der Rücktritt befreit von der Pflicht zur Zahlung des Reisepreises. Allerdings kann der Reiseveranstalter gemäß § 651h Abs. 2 BGB eine angemessene Entschädigungen verlangen. Der Veranstalter muss die Höhe der Entschädigung auf Verlangen des Reisenden begründen.

3. Reiserücktrittversicherung: Reisende können sich gegen diese Entschädigung mit einer entsprechenden Versicherung absichern. Die versicherten Rücktrittgründe, wie z.B. Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Naturgewalten sind je nach Versicherung sehr unterschiedlich, so dass sich ein Vergleich lohnt.
Viele Reisen werden lange Zeit im Voraus gebucht. Bis zum Reiseantritt kann jedoch viel passieren. Es kann die unterschiedlichsten Gründe dafür geben, dass man eine Reise nicht antreten kann. Eine Erkrankung, ein Todesfall in der Familie, eine Trennung, ein Jobverlust oder auch ein anderes berufliches Problem können jederzeit auftreten. Dann ist es Zeit, den Urlaub abzusagen. Eine Reiserücktrittsversicherung hilft, hohe Kosten zu vermeiden. Allerdings deckt sie nicht jeden möglichen Rücktrittsgrund ab. Vor Gericht wird häufig darum gestritten, ob die Versicherung im Einzelfall zahlen muss.

Wann kann man von einer Reise zurücktreten?


Den Reiserücktritt regelt § 651h des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Demnach dürfen Reisende jederzeit vor Beginn der Reise vom Reisevertrag zurücktreten. Dies kann formlos und ohne Angabe von Gründen passieren. Sinnvollerweise sollte man jedoch einen sicheren Weg der Übermittlung wählen, zum Beispiel schriftlich mit Einschreiben, und darauf achten, dass man auf irgendeine Weise den Zeitpunkt des Rücktritts beweisen kann.

Dies ist nicht nur für die zeitliche Voraussetzung "vor Antritt der Reise" wichtig, sondern auch, weil das Gesetz dem Reiseveranstalter das Recht gibt, eine angemessene Entschädigung vom Reisenden zu fordern. Das Reiseunternehmen verliert zwar durch den Rücktritt das Recht auf den Reisepreis, es kann aber Stornokosten verlangen. Diese sind meist in der Höhe danach gestaffelt, wie kurz vor Antritt des Urlaubs der Rücktritt stattfindet. Faustregel: Je später der Rücktritt, desto teurer.

Was muss man zu den Stornokosten wissen?


Für viel Kritik sorgte die Praxis der Reiseveranstalter, recht beliebige Stornokosten gestaffelt nach dem Zeitabstand von Rücktritt und Reisebeginn festzusetzen. Daher erklärte der Bundesgerichtshof 2014 einige Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Reiseveranstaltern für unwirksam. Die dort festgelegten Rücktrittspauschalen hätten nichts mit den Kosten zu tun, die dem Veranstalter durch den Rücktritt tatsächlich entstehen würden (Az. X ZR 13/14).

Mittlerweile wurde auch das Gesetz entsprechend geändert. Nun gilt nach § 651h Abs. 2 BGB: Reiseveranstalter dürfen angemessene Entschädigungen festlegen. Deren Höhe darf sich richten nach:

- dem Zeitraum zwischen Rücktrittserklärung und Reisebeginn,
- der zu erwartenden Ersparnis von Aufwendungen des Reiseveranstalters und
- den zu erwartenden Einnahmen durch anderweitige Verwendung der Reiseleistungen (das heißt: Verkauf an jemand anderen).

Wenn der Reisevertrag keine Entschädigungspauschalen enthält, richtet sich die Höhe der Entschädigung nach dem Reisepreis abzüglich den vom Reiseveranstalter eingesparten Kosten und abzüglich seiner Einkünfte durch den anderweitigen Verkauf der Reiseleistungen. Auf Verlangen des Reisenden muss der Veranstalter die Höhe der Entschädigung begründen.

Keine Stornogebühren kann der Reiseveranstalter verlangen, wenn der Grund des Rücktritts in unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umständen besteht, welche

- am Urlaubsort oder in dessen unmittelbarer Nähe auftreten und
- die Durchführung der Pauschalreise oder die Beförderung von Personen an den Bestimmungsort erheblich beeinträchtigen.

Dies können beispielsweise Naturkatastrophen oder bürgerkriegsähnliche Zustände sein. Vor Gericht wird oft darüber gestritten, ob ein solcher Fall vorlag.

Wann zahlt die Reiserücktrittsversicherung?


Eine Reiserücktrittsversicherung soll die Rücktrittskosten abdecken. Die Konditionen der Versicherer sind sehr unterschiedlich. Einige Gesellschaften übernehmen nur die Rücktrittskosten bei ernsthaften Erkrankungen und Todesfällen, während andere heute auch Dinge wie eine betriebsbedingte Kündigung, die Wiedereinstellung nach Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, Probezeit nach Jobwechsel, Wiederholungsprüfungen von Schülern und Studenten während der Reisezeit, größere Schäden am Eigentum durch Unwetter, Feuer oder Straftaten, unerwartete Ladungen zu einer Gerichtsverhandlung und die Verspätung von Verkehrsmitteln auf dem Weg zum Flughafen absichern. Manche Reiserücktrittsversicherungen zahlen auch, wenn Urlauber wegen der Erkrankung von Angehörigen ihre Reise absagen müssen.

Was unterscheidet Reiserücktritt und Reiseabbruch?


Unterscheiden muss man einen Reiserücktritt vor Beginn der Reise und einen Reiseabbruch, während man bereits auf Reisen ist. Einige Reiserücktrittsversicherungen bieten sogar im Fall eines Reiseabbruches Leistungen an. Teilweise muss man diesen Fall aber auch separat gegen Aufpreis versichern.

Wie funktioniert ein Reiserücktritt bei Krankheit?


Wer eine Erkrankung als Grund für einen Reiserücktritt oder einen Reiseabbruch angibt, muss diese gegenüber der Versicherung nachweisen. Dies ging auch einem Münchner so, der eine Sechs-Tages-Reise mit seiner Familie ins Disneyland Paris gebucht hatte. Der Familienvater kümmerte sich um die Betreuung seiner pflegebedürftigen Mutter. Während seines Urlaubes vertrat ihn dabei eine Bekannte. Drei Tage nach Reisebeginn wurde diese jedoch krank und konnte sich nicht mehr um die Mutter kümmern. Daher brach der Mann seinen Urlaub ab und verlangte 2.000 Euro von seiner Reiseabbruchversicherung.

Die Versicherung zahlte nicht – mit Recht, meinte das Amtsgericht München. Der Versicherte hatte nämlich kein ärztliches Attest für die Erkrankung seiner Bekannten vorgelegt. Diese war nicht zum Arzt gegangen, sondern hatte sich zu Hause auskuriert. Ohne Attest müsse die Versicherung nicht zahlen, so das Gericht (Urteil vom 30.11.2011, Az. 241 C 11924/11).

Gilt die Reiserücktrittsversicherung nur bei Kreditkartenzahlung?


Ein Mann hatte für sich und seine Frau einen Urlaub in Südafrika gebucht. Als Anzahlung überwies er dem Reiseunternehmen rund 1.500 Euro, den restlichen Reisepreis von rund 5.000 Euro bezahlte er mit seiner Lufthansa Miles & More Credit Card Gold. Beim Einsatz der Kreditkarte wird grundsätzlich eine Reiserücktrittskostenversicherung mit abgeschlossen. In den Versicherungsbedingungen stand:

"Der Versicherer ist nur dann leistungspflichtig, wenn das Reisebüro / der Reiseveranstalter / der Hotelbetrieb oder sonstige Institutionen einen gültigen Reisevertrag mit dem Karteninhaber abschließen, als Zahlungsmittel eine gültige Lufthansa Miles & More Credit Card (...) akzeptieren und der Reise-/Mietpreis mit einer dieser Kreditkarten im Voraus bezahlt wurde. Eine mit einer der Versichertenkarten geleistete Anzahlung genügt, um den Versicherungsschutz zu aktivieren."

Der Versicherungsnehmer musste von seiner Reise wegen einer Erkrankung zurücktreten. Seine Versicherung weigerte sich jedoch, die Stornokosten zu zahlen. Denn: Der Reisende habe den Reisepreis nicht vollständig per Kreditkarte bezahlt. Der Versicherungsnehmer erhob Klage und verlor.

Nach Ansicht des Amtsgerichts war keine Reiserücktrittskostenversicherung zustande gekommen. Es sei nicht der gesamte Reisepreis mit der Kreditkarte bezahlt worden. Der Urlauber habe die Anzahlung mittels Überweisung geleistet. Die Verwendung des Begriffs "der Reisepreis" ohne Einschränkungen meine den gesamten Reisepreis. Etwas anderes könne man auch nicht aus Satz 2 der Klausel herleiten, wonach eine mit der Kreditkarte geleistete Anzahlung genüge, um den Versicherungsschutz herzustellen. Nach den AGB des Veranstalters reiche eine beliebige Teilzahlung des Reisepreises für das Entstehen des Versicherungsschutzes nicht aus.

Es liege auf der Hand, dass Zusatzleistungen der Kreditkarte nur dann in Anspruch genommen werden könnten, wenn die Kreditkarte tatsächlich als Zahlungsmittel genutzt werde (Urteil vom 14.8.2013, Az. 242 C 14853/13).

Ist ein Reiserücktritt noch nach dem Online Check-in möglich?


Der Versicherungsschutz einer Reiserücktrittsversicherung endet nicht beim Online Check-in. Denn: Damit ist die Reise noch nicht angetreten. So entschied das Amtsgericht München im Fall eines Fluggastes, der einen Flug von Frankfurt nach Santo Domingo gebucht und eine Reiserücktrittsversicherung abgeschlossen hatte.

Der Mann nutzte vormittags den Online Check-in seiner Fluggesellschaft. Kurz nach dem Einchecken erkrankte er so schwer, dass er nicht mehr flugfähig war und stornierte den Flug. Die Stornokosten wollte er von seiner Reiserücktrittversicherung erstattet bekommen.

Den Versicherungsbedingungen der Reiserücktrittsversicherung zufolge begann der Versicherungsschutz mit der Buchung der Reise und endete mit deren Antritt. Nun meinte die Versicherung, dass die Reise mit dem Check-in angetreten worden sei.

Das Gericht entschied, dass die Reise mit dem Online Check-in noch nicht begonnen habe. Dies sei lediglich ein Verfahren der Fluggesellschaft zur Einsparung von Kosten. Als Reisebeginn könne man zum Beispiel die Aufgabe von Gepäck am Flughafenschalter betrachten, oder das Passieren des Gates unter Vorlage der Bordkarte (Urteil vom 30.10.2013, Az. 171 C 18960/13).

Wann ist ein Reiserücktritt wegen Terrorgefahr möglich?


Das Auswärtige Amt spricht auf seiner Homepage (www.auswaertiges-amt.de) Reisewarnungen oder Teilreisewarnungen aus. Dies betrifft unterschiedliche Gefahren, das Risiko terroristischer Anschläge nimmt aber einen zunehmenden Stellenwert ein.

Das Amtsgericht München hat sich mit dem Reiserücktritt wegen Terrorgefahr beschäftigt. Dabei ging es um ein Ehepaar, das im Sommer 2014 eine Rundreise nach Marokko gebucht hatte, die im April 2015 stattfinden sollte. Im November 2014 sagte das Paar die Reise ab. Sie erklärten gegenüber dem Veranstalter, dass sie einerseits ein Übergreifen der Ebola-Epidemie auf Marokko befürchteten und andererseits die Gefahr terroristischer Anschläge unvorhersehbar gestiegen sei. Der Veranstalter akzeptierte den Rücktritt und berechnete eine Stornogebühr von 20 Prozent. Der Betrag wurde von einer Anzahlung einbehalten. Das Ehepaar klagte auf Rückzahlung.

Das Amtsgericht München wies die Klage ab. Die Ebola-Epidemie habe bereits zur Zeit der Buchung existiert. Die Gefahr eines Übergreifens auf andere Länder sei im November 2014 nicht größer gewesen als vorher. In sämtlichen nordafrikanischen Ländern habe seit dem arabischen Frühling von 2011 erhöhte Terrorgefahr bestanden. Höhere Gewalt liege bei einer schon länger bestehenden politische Krise nicht vor. So etwas gehöre zum allgemeinen Lebensrisiko und begründe keine Ansprüche gegen einen Reiseveranstalter. Das Ehepaar habe nicht belegen können, dass in Marokko eine besondere, konkrete Gefahr bestanden habe (Urteil vom 12.8.2015, Az. 231 C 9637/15).

Praxistipp zum Reiserücktritt


Bei Reiserücktrittsversicherungen sollte man gründlich die Konditionen vergleichen. Oft ist ein Rücktritt nicht nur im Krankheitsfall möglich. Bei Streitigkeiten mit dem Reiseveranstalter kann ein auf das Reiserecht spezialisierter Rechtsanwalt helfen. Bei Ärger mit der Versicherung ist auch ein Fachanwalt für Versicherungsrecht eine gute Wahl.

(Bu)


 Stephan Buch
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