Bolzplatz / Fußballplatz: Welche Rechte haben die Nachbarn?
07.10.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Vom Bundesgerichtshof kam im Jahr 2015 eine besonders wichtige Entscheidung: Es ging dabei um einen neu errichteten Bolzplatz auf einem Schulgelände in Hamburg. Laut Beschilderung stand dieser Kindern bis zu 12 Jahren von Montag bis Freitag bis 18 Uhr offen. Allerdings ging es dort nicht immer leise zu. Die Mieter einer nahen Erdgeschosswohnung mit Terrasse in einem Mehrfamilienhaus fühlten sich dadurch gestört. Der Platz werde auch nach 18 Uhr noch zum Fußballspielen genutzt. Sie nahmen dies zum Anlass für eine Mietminderung um 20 Prozent gegenüber ihrem Vermieter.
Der Vermieter verklagte sie auf Zahlung und der Bundesgerichtshof gab ihm recht. Der Vermieter müsse ohne besondere Vereinbarung – entgegen einer weitverbreiteten Ansicht – nicht dafür einstehen, dass der bei Vertragsschluss vorhandene und vom Mieter hingenommene Lärmpegel der Umgebung für alle Zeiten gleich bleibe. Eine Mietminderung sei nur dann möglich, wenn der Vermieter selbst Abwehr- und Entschädigungsansprüche gegen den jeweiligen Lärmerzeuger habe. Wenn der Vermieter selbst die Belästigungen als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen müsse – auch unter Beachtung des Toleranzgebotes gegenüber Kinderlärm aus § 22 Abs. 1a Bundesimmissionsschutzgesetz – habe der Mieter keinen Anspruch auf eine Mietminderung (Urteil vom 29. April 2015, Az. VIII ZR 197/14). Der Fall wurde hier an das Landgericht zurückverwiesen – um zu klären, ob der Lärm hier von Kindern oder von (nicht gesetzlich privilegierten) Jugendlichen ausging. In diesem Fall hätte der Vermieter nämlich unter Umständen Abwehransprüche gehabt.
Vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück ging es um einen nicht nur von Kindern genutzten Bolzplatz. Dabei handelte es sich um einen öffentlichen Bolzplatz in einer Grünanlage. Es gab keine Beschilderung, die Einschränkungen hinsichtlich Alter der Nutzer oder Zeiten der Benutzung geregelt hätte.
Hier beschwerten sich Anwohner über den Lärm von Bällen, die den umgebenden Metallgitterzaun trafen: Die Ruhezeiten würden nicht eingehalten, gespielt werde bis 23 Uhr, auf dem Platz werde auch gegrillt und oft werde dieser von per Auto anfahrenden Erwachsenen genutzt und nicht von Kindern aus der Nachbarschaft.
Hier erklärte das Verwaltungsgericht den Bolzplatz für unzulässig. Grund war nicht nur der Lärm, sondern auch, dass in einem reinen Wohngebiet nur Wohngebäude zulässig seien und keine anderen baulichen Anlagen. § 3 der Baunutzungsverordnung sehe zwar eine gesetzliche Ausnahme vor für Anlagen für sportliche Zwecke, die den Bedürfnissen der Bewohner dieses Gebietes dienten. Nur treffe dies auf den Bolzplatz nicht zu, da er nachweislich überwiegend von Ortsfremden genutzt werde (Az. 2 A 107/08, Urteil vom 21.5.2010).
Nicht um Lärm, sondern um ganz andere "Immissionen" wurde in Naumburg gestritten. Dort beschwerte sich ein Anwohner eines vereinseigenen Bolzplatzes über die Vielzahl von verirrten Bällen, die auf seinem Grundstück landeten. Es kletterten auch häufig Spieler über den Gartenzaun, um diese zu holen. Er habe in einem Jahr 134 Bälle zurückgegeben – die von Spielern selbst geholten nicht mitgezählt. Scheinbar sei der Ballfangzaun zu niedrig.
Das Oberlandesgericht Naumburg stellte sich auf die Seite des Nachbarn. Der Zaun sei vier Meter hoch, es müssten jedoch sechs Meter sein. Wenn im Jahresdurchschnitt mehr als ein Ball pro Woche in den Garten des Klägers fliege, sei das Eigentumsrecht an dessen Grundstück wesentlich beeinträchtigt. In diesem Fall müsse er die "Ballimmissionen" nicht dulden. Dabei sei es unwesentlich, ob sein Garten einen gepflegten oder verwilderten Eindruck mache.
Daher verurteilte das Gericht den Verein dazu, die "Ballimmissionen" auf das klägerische Grundstück durch geeignete Maßnahmen – etwa einen vernünftigen Ballfangzaun – auf maximal einen Ball pro Woche zu reduzieren. Bei Nichtbeachtung ist ein saftiges Ordnungsgeld fällig (OLG Naumburg, Urteil vom 23.11.2015, Az. 12 U 184/14).
Abgewiesen wurden mehrere Klagen von Anwohnern gegen einen Spiel- und einen Sportplatz vom Verwaltungsgericht Berlin.
Die Klagen richteten sich gegen den Betrieb des 2011 umgebauten, ca. 2.100 qm großen Spielplatzes "Döhlauer Pfad" in Berlin-Lankwitz. Die Anwohner machten dabei geltend, dass dieser wegen seiner Größe und seiner attraktiven Ausstattung besonders intensiv und auch überörtlich genutzt werde. Einige Spielgeräte seien besonders laut, es fehlten Toiletten und der Themenschwerpunkt "Cowboy und Indianer" animiere die Kinder dazu, kriegerische Auseinandersetzungen darzustellen. Die benachbarten Grundstücke seien um jeweils etwa 50.000 Euro im Wert gemindert. Ein anderer Kläger begehrte die Durchsetzung von Nutzungsbeschränkungen des Sportplatzes der Schule am Senefelderplatz.
Das Verwaltungsgericht wies die Klagen ab. Keiner der Kläger könne sich auf einen öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch berufen. Dieser bestünde nur im Fall schädlicher Umwelteinwirkungen. Darunter fielen jedoch nur Geräusche, die geeignet seien, erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen. In beiden Verfahren seien solche Belästigungen nicht festzustellen gewesen.
Bei dem Kinderspielplatz seien die Nachbarn zur Duldung möglicher Belästigungen verpflichtet: Kinderlärm sei nach der 2011 eingeführten Regelung im Bundesimmissionsschutzgesetz in der Regel nicht als schädliche Umwelteinwirkung anzusehen. Geräusche spielender Kinder seien als Ausdruck der kindlichen Entwicklung und Entfaltung grundsätzlich zumutbar. Eine Ausnahme sei hier auch unter Berücksichtigung der Einwände der Kläger nicht zu erkennen.
Soweit der Kläger im Verfahren um den Sportplatz unzulässige Nutzungen außerhalb der Öffnungszeiten gerügt habe, könne man diese nicht dem Beklagten zurechnen. Der Sportplatz biete von seiner baulichen und technischen Ausgestaltung her keinen das übliche Maß wesentlich übersteigenden Anreiz für eine missbräuchliche Nutzung (VG Berlin, 8.5.2013, Az. VG 10 K 317.11 und VG 10 K 107.11).
Das OLG in Jena beschäftigte sich mit der Frage, ob die Gemeinde für Unfälle auf einem von ihr eingerichteten Bolzplatz haften muss. Hier hatte sich ein Fußballspieler am Hals verletzt, als er in einen durch Vandalismus stark beschädigten Maschendrahtzaun gestürzt war. Das Gericht entschied, dass die Gemeinde den defekten Zaun hätte ersetzen oder den Platz schließen müssen. Wenn sie einen nicht verkehrssicheren Zaun dulde, müsse sie auch Schmerzensgeld zahlen. Dessen Höhe wurde jedoch auf 1.000 Euro verringert, da der Spieler die Gefahr kannte und ihn eine Mitschuld traf (Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 10.2.2010, Az. 4 U 594/09).
Klagen gegen Kinderlärm haben vor Gericht nur im Ausnahmefall Chancen, da das Bundesimmissionsschutzgesetz diesen ausdrücklich aus den schädlichen Umwelteinwirkungen herausnimmt. Ein Fachanwalt für Verwaltungsrecht kann im konkreten Fall prüfen, ob eine Klage Aussicht auf Erfolg hat. Geht es um Schmerzensgeld oder Schadensersatz, sind die Zivilgerichte zuständig und der beste Ansprechpartner ist ein im Zivilrecht tätiger Rechtsanwalt.
Fast in jedem Wohngebiet findet sich ein Bolzplatz. Solche Plätze lösen allerdings besonders oft Streit unter Nachbarn, mit Behörden oder Vermietern aus. Hier einige interessante Gerichtsurteile zum Fußballplatz in der Nachbarschaft.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Mietminderung wegen benachbarten Fußballplatz? Nutzung außerhalb der Betriebszeiten Fußbälle in Nachbars Garten Berlin: Anwohnerklagen gegen Bolzplatz abgewiesen Haftet die Gemeinde für Verletzungen auf dem Bolzplatz? Praxistipp Mietminderung wegen benachbarten Fußballplatz?
Vom Bundesgerichtshof kam im Jahr 2015 eine besonders wichtige Entscheidung: Es ging dabei um einen neu errichteten Bolzplatz auf einem Schulgelände in Hamburg. Laut Beschilderung stand dieser Kindern bis zu 12 Jahren von Montag bis Freitag bis 18 Uhr offen. Allerdings ging es dort nicht immer leise zu. Die Mieter einer nahen Erdgeschosswohnung mit Terrasse in einem Mehrfamilienhaus fühlten sich dadurch gestört. Der Platz werde auch nach 18 Uhr noch zum Fußballspielen genutzt. Sie nahmen dies zum Anlass für eine Mietminderung um 20 Prozent gegenüber ihrem Vermieter.
Der Vermieter verklagte sie auf Zahlung und der Bundesgerichtshof gab ihm recht. Der Vermieter müsse ohne besondere Vereinbarung – entgegen einer weitverbreiteten Ansicht – nicht dafür einstehen, dass der bei Vertragsschluss vorhandene und vom Mieter hingenommene Lärmpegel der Umgebung für alle Zeiten gleich bleibe. Eine Mietminderung sei nur dann möglich, wenn der Vermieter selbst Abwehr- und Entschädigungsansprüche gegen den jeweiligen Lärmerzeuger habe. Wenn der Vermieter selbst die Belästigungen als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen müsse – auch unter Beachtung des Toleranzgebotes gegenüber Kinderlärm aus § 22 Abs. 1a Bundesimmissionsschutzgesetz – habe der Mieter keinen Anspruch auf eine Mietminderung (Urteil vom 29. April 2015, Az. VIII ZR 197/14). Der Fall wurde hier an das Landgericht zurückverwiesen – um zu klären, ob der Lärm hier von Kindern oder von (nicht gesetzlich privilegierten) Jugendlichen ausging. In diesem Fall hätte der Vermieter nämlich unter Umständen Abwehransprüche gehabt.
Nutzung außerhalb der Betriebszeiten
Vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück ging es um einen nicht nur von Kindern genutzten Bolzplatz. Dabei handelte es sich um einen öffentlichen Bolzplatz in einer Grünanlage. Es gab keine Beschilderung, die Einschränkungen hinsichtlich Alter der Nutzer oder Zeiten der Benutzung geregelt hätte.
Hier beschwerten sich Anwohner über den Lärm von Bällen, die den umgebenden Metallgitterzaun trafen: Die Ruhezeiten würden nicht eingehalten, gespielt werde bis 23 Uhr, auf dem Platz werde auch gegrillt und oft werde dieser von per Auto anfahrenden Erwachsenen genutzt und nicht von Kindern aus der Nachbarschaft.
Hier erklärte das Verwaltungsgericht den Bolzplatz für unzulässig. Grund war nicht nur der Lärm, sondern auch, dass in einem reinen Wohngebiet nur Wohngebäude zulässig seien und keine anderen baulichen Anlagen. § 3 der Baunutzungsverordnung sehe zwar eine gesetzliche Ausnahme vor für Anlagen für sportliche Zwecke, die den Bedürfnissen der Bewohner dieses Gebietes dienten. Nur treffe dies auf den Bolzplatz nicht zu, da er nachweislich überwiegend von Ortsfremden genutzt werde (Az. 2 A 107/08, Urteil vom 21.5.2010).
Fußbälle in Nachbars Garten
Nicht um Lärm, sondern um ganz andere "Immissionen" wurde in Naumburg gestritten. Dort beschwerte sich ein Anwohner eines vereinseigenen Bolzplatzes über die Vielzahl von verirrten Bällen, die auf seinem Grundstück landeten. Es kletterten auch häufig Spieler über den Gartenzaun, um diese zu holen. Er habe in einem Jahr 134 Bälle zurückgegeben – die von Spielern selbst geholten nicht mitgezählt. Scheinbar sei der Ballfangzaun zu niedrig.
Das Oberlandesgericht Naumburg stellte sich auf die Seite des Nachbarn. Der Zaun sei vier Meter hoch, es müssten jedoch sechs Meter sein. Wenn im Jahresdurchschnitt mehr als ein Ball pro Woche in den Garten des Klägers fliege, sei das Eigentumsrecht an dessen Grundstück wesentlich beeinträchtigt. In diesem Fall müsse er die "Ballimmissionen" nicht dulden. Dabei sei es unwesentlich, ob sein Garten einen gepflegten oder verwilderten Eindruck mache.
Daher verurteilte das Gericht den Verein dazu, die "Ballimmissionen" auf das klägerische Grundstück durch geeignete Maßnahmen – etwa einen vernünftigen Ballfangzaun – auf maximal einen Ball pro Woche zu reduzieren. Bei Nichtbeachtung ist ein saftiges Ordnungsgeld fällig (OLG Naumburg, Urteil vom 23.11.2015, Az. 12 U 184/14).
Berlin: Anwohnerklagen gegen Bolzplatz abgewiesen
Abgewiesen wurden mehrere Klagen von Anwohnern gegen einen Spiel- und einen Sportplatz vom Verwaltungsgericht Berlin.
Die Klagen richteten sich gegen den Betrieb des 2011 umgebauten, ca. 2.100 qm großen Spielplatzes "Döhlauer Pfad" in Berlin-Lankwitz. Die Anwohner machten dabei geltend, dass dieser wegen seiner Größe und seiner attraktiven Ausstattung besonders intensiv und auch überörtlich genutzt werde. Einige Spielgeräte seien besonders laut, es fehlten Toiletten und der Themenschwerpunkt "Cowboy und Indianer" animiere die Kinder dazu, kriegerische Auseinandersetzungen darzustellen. Die benachbarten Grundstücke seien um jeweils etwa 50.000 Euro im Wert gemindert. Ein anderer Kläger begehrte die Durchsetzung von Nutzungsbeschränkungen des Sportplatzes der Schule am Senefelderplatz.
Das Verwaltungsgericht wies die Klagen ab. Keiner der Kläger könne sich auf einen öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch berufen. Dieser bestünde nur im Fall schädlicher Umwelteinwirkungen. Darunter fielen jedoch nur Geräusche, die geeignet seien, erhebliche Belästigungen für die Nachbarschaft herbeizuführen. In beiden Verfahren seien solche Belästigungen nicht festzustellen gewesen.
Bei dem Kinderspielplatz seien die Nachbarn zur Duldung möglicher Belästigungen verpflichtet: Kinderlärm sei nach der 2011 eingeführten Regelung im Bundesimmissionsschutzgesetz in der Regel nicht als schädliche Umwelteinwirkung anzusehen. Geräusche spielender Kinder seien als Ausdruck der kindlichen Entwicklung und Entfaltung grundsätzlich zumutbar. Eine Ausnahme sei hier auch unter Berücksichtigung der Einwände der Kläger nicht zu erkennen.
Soweit der Kläger im Verfahren um den Sportplatz unzulässige Nutzungen außerhalb der Öffnungszeiten gerügt habe, könne man diese nicht dem Beklagten zurechnen. Der Sportplatz biete von seiner baulichen und technischen Ausgestaltung her keinen das übliche Maß wesentlich übersteigenden Anreiz für eine missbräuchliche Nutzung (VG Berlin, 8.5.2013, Az. VG 10 K 317.11 und VG 10 K 107.11).
Haftet die Gemeinde für Verletzungen auf dem Bolzplatz?
Das OLG in Jena beschäftigte sich mit der Frage, ob die Gemeinde für Unfälle auf einem von ihr eingerichteten Bolzplatz haften muss. Hier hatte sich ein Fußballspieler am Hals verletzt, als er in einen durch Vandalismus stark beschädigten Maschendrahtzaun gestürzt war. Das Gericht entschied, dass die Gemeinde den defekten Zaun hätte ersetzen oder den Platz schließen müssen. Wenn sie einen nicht verkehrssicheren Zaun dulde, müsse sie auch Schmerzensgeld zahlen. Dessen Höhe wurde jedoch auf 1.000 Euro verringert, da der Spieler die Gefahr kannte und ihn eine Mitschuld traf (Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 10.2.2010, Az. 4 U 594/09).
Praxistipp
Klagen gegen Kinderlärm haben vor Gericht nur im Ausnahmefall Chancen, da das Bundesimmissionsschutzgesetz diesen ausdrücklich aus den schädlichen Umwelteinwirkungen herausnimmt. Ein Fachanwalt für Verwaltungsrecht kann im konkreten Fall prüfen, ob eine Klage Aussicht auf Erfolg hat. Geht es um Schmerzensgeld oder Schadensersatz, sind die Zivilgerichte zuständig und der beste Ansprechpartner ist ein im Zivilrecht tätiger Rechtsanwalt.
(Wk)