Nachtschicht, Zulagen... was gilt für die Schichtarbeit?

24.10.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Schichtarbeit,Nachtschicht,Nachtzulage,Betriebsrat Bei Schichtarbeit muss der Arbeitgeber sich an einige Regeln halten. © - freepik
Das Wichtigste in Kürze

1. Rechtsgrundlage: Die Bedingungen von Schichtarbeit sind zumeist in Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen, gelegentlich auch im Arbeitsvertrag geregelt. Gesetzliche Regelungen dazu finden sich insbesondere im Arbeitszeitgesetz.

2. Versetzung in Tagarbeit: Unter bestimmten Voraussetzungen haben Nachtarbeiter einen Anspruch darauf, auf einen für sie geeigneten Tagesarbeitsplatz versetzt zu werden. Zum Beispiel, wenn ein Gefährdung der Gesundheit droht.

3. Freizeitausgleich / Schichtzulage: Gibt es keinen Tarifvertrag, der die Bedingungen für Nachtarbeit regelt, muss der Arbeitgeber für geleistete Nachtschichten einen angemessenen Freizeitausgleich gewähren oder eine angemessene Schichtzulage zahlen.
"Schichtarbeit" bedeutet, dass sich in einem Betrieb Gruppen von Arbeitnehmern zeitlich gestaffelt abwechseln. Im Idealfall ruht dann der Betrieb rund um die Uhr nie. Üblich ist sie in ganz unterschiedlichen Branchen – zum Beispiel in der Autoindustrie, der chemischen Industrie, bei Kraftwerken und in Krankenhäusern, bei der Feuerwehr, der Polizei und natürlich auch bei den Verkehrsbetrieben. Für die Schichtarbeit gibt es verschiedene Modelle.

Welche Schichtmodelle gibt es?


Viele Betriebe arbeiten im sogenannten Zweischichtbetrieb. Dabei folgen zwei achtstündige Schichten aufeinander. Beim Dreischichtbetrieb hingegen nutzt man den gesamten Werktag aus. Beim Vier- und Fünfschichtbetrieb erstreckt sich die betriebliche Arbeitszeit auf sieben Tage in der Woche. Dieses Schichtmodell wird auch als "Konti-Schicht" bezeichnet. In vielen Unternehmen verteilt man die Belastung gerecht unter den Beschäftigten, indem man Wechselschichten nutzt. Bei diesen findet ein regelmäßiger Schichtwechsel der Arbeitnehmer statt. Im Einzelhandel sind zum Teil rollierende Schichten üblich. Dann variieren die Anfangs- und Endzeiten.

Auf welcher rechtlichen Grundlage beruht Schichtarbeit?


Meist regelt der jeweilige Tarifvertrag, dass in einer Branche Schichtarbeit stattfinden darf. Bei Krankenhäusern, Polizei und Feuerwehren sind dies zum Beispiel die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst. Der Tarifvertrag trifft dabei in der Regel nur die grundlegende Feststellung, dass Schichtarbeit möglich ist und zum Beispiel, dass bei Nachtschichten Zuschläge gezahlt werden müssen. Die Einzelheiten regelt meist eine Betriebsvereinbarung, welche Arbeitgeber und Betriebsrat miteinander schließen. Teilweise enthalten auch Arbeitsverträge Regelungen über Schichtarbeit.

Darf der Betriebsrat über die Schichtarbeit mitbestimmen?


Der Betriebsrat hat bei der Einführung und der Aufgabe der Schichtarbeit ein Mitbestimmungsrecht. Gesetzlich geregelt ist dies in § 87 Absatz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG). Der Schichtplan eines Betriebes darf nach einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen auch nicht einfach geändert werden, ohne dass der Betriebsrat dem zustimmt (Urteil vom 29.4.2005, Az. 16 Sa 1330/04). Verlässt sich der Chef dabei trotzdem einfach auf sein Direktionsrecht, können die Beschäftigten durchaus Anspruch auf Vergütung für die ausgefallenen Schichtstunden haben.

Häufig vereinbaren Arbeitgeber und Betriebsrat die Einzelheiten des Schichtbetriebs im Rahmen einer Betriebsvereinbarung. Darin lässt sich beispielsweise festlegen, dass das Schichtsystem für eine Gruppe von Arbeitnehmern nur geändert werden darf, wenn dabei eine Ankündigungsfrist gegenüber dem Betriebsrat und den betroffenen Personen eingehalten wird (Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 26.5.2003, Az. 16 Sa 1455/02).

Wie ist die Nachtschicht im Gesetz geregelt?


§ 6 des Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) regelt die Nachtarbeit. Sie ist gesetzlich als Arbeit in der Zeit von 23 Uhr bis 6 Uhr definiert. Es besteht der gesetzliche Grundsatz, dass sich die Arbeitszeit der Nacht- und Schichtarbeitnehmer nach den gesicherten arbeitswissenschaftlichen Erkenntnissen über die menschengerechte Gestaltung der Arbeit richten muss. So darf die werktägliche Arbeitszeit von Nachtarbeitnehmern acht Stunden nicht überschreiten. Sie kann nur dann auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von einem Kalendermonat oder innerhalb von vier Wochen durchschnittlich acht Stunden pro Werktag nicht überschritten werden.

Der Arbeitgeber ist dazu verpflichtet, einen Nachtarbeitnehmer auf dessen Verlangen hin auf einen für ihn geeigneten Tagesarbeitsplatz zu versetzen, wenn

- eine weitere Nachtarbeit den Arbeitnehmer gesundheitlich gefährden würde oder
- im Haushalt des Arbeitnehmers ein Kind unter zwölf Jahren lebt, das nicht durch eine andere im Haushalt lebende Person betreut werden kann oder
- der Arbeitnehmer einen schwer pflegebedürftigen Angehörigen versorgen muss, der nicht von einem anderen im Haushalt lebenden Angehörigen versorgt werden kann.

Wann muss der Arbeitgeber eine Schichtzulage zahlen?


In der Regel ergibt sich die Zahlung einer Schichtzulage aus dem Tarifvertrag. Sollte dieser keine Regelung enthalten, ist das Gesetz maßgeblich: Nach § 6 Abs. 5 Arbeitszeitgesetz hat der Arbeitgeber dem Nachtarbeitnehmer für die während der Nachtzeit (das ist die Zeit von 23 Uhr bis 6 Uhr) geleisteten Arbeitsstunden eine angemessene Anzahl bezahlter freier Tage zu gewähren (Freizeitausgleich). Alternativ kann der Arbeitgeber einen angemessenen Zuschlag auf das Bruttoarbeitsentgelt zahlen (Nachtschichtzulage).

Ist eine Kündigung oder Freistellung wegen Nichteignung zur Nachtarbeit zulässig?


Wenn ein Arbeitnehmer wegen einer Erkrankung nicht mehr in der Nachtschicht arbeiten darf, darf der Betrieb ihn nicht einfach entlassen oder wegen Arbeitsunfähigkeit nach Hause schicken. Dies entschied das Bundesarbeitsgericht im Fall einer Krankenschwester, die nach langjähriger Tätigkeit in einem Krankenhaus in wechselnden Schichten selbst erkrankt war. Die Frau konnte zwar problemlos ihrer Arbeit nachgehen. Sie musste jedoch Medikamente nehmen, die sie müde machten und die einen gleichmäßigen Schlafrhythmus voraussetzten. Daher sah sie ihr Arbeitgeber als arbeitsunfähig an. Das Bundesarbeitsgericht entschied jedoch, dass die Frau wegen ihrer Erkrankung in Tagarbeit weiterzubeschäftigen sei (Urteil vom 9.4.2014, Az. 10 AZR 637/13).

Ist ein unterschiedlicher Schichtzuschlag für Nachtarbeiter und Nachtschichtarbeiter zulässig?


Im Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer in den Brauereien in Hamburg und Schleswig-Holstein war geregelt, dass für Arbeit in der Nachtschicht von 22.00 Uhr bis 06.00 Uhr ein Zuschlag von 25 % zum Stundenentgelt gezahlt werden musste. Dagegen sollte für Nur-Nachtarbeiter laut Tarifvertrag ein Zuschlag von 50 % fällig werden.

Gegen diese Regelung zog ein Brauerei-Mitarbeiter, der in Schichten arbeitete, vor Gericht und gewann. Das Bundesarbeitsgericht betonte, dass Nur-Nachtarbeitnehmer und Nachtschichtarbeiter miteinander vergleichbar seien. Es seien keine sachlichen Gründe erkennbar, warum Nachtschichtarbeiter schlechter behandelt werden sollten, als ein Arbeitnehmer, der nur Nachtarbeit leiste. Auch der Tarifvertrag begründe diese Ungleichbehandlung nicht. Der Kläger könne auch als Nachtschichtmitarbeiter den Zuschlag von 50 % fordern (Urteil vom 9.12.2020, Az. 10 AZR 334/20).

Welche Zulagen dürfen von Gläubigern gepfändet werden?


Für Arbeitnehmer mit Schulden wichtig zu wissen: Eine Lohnpfändung erstreckt sich nicht automatisch auch auf Zulagen, die der Arbeitgeber zahlt. Nach § 850a Nr. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) sind sogenannte Erschwerniszulagen unpfändbar. Dazu gehören Zulagen für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit. Dieser Pfändungsschutz erstreckt sich hingegen nicht auf Zulagen für die Schicht-, die Samstags- oder die sogenannte Vorfestarbeit. Dies hat das Bundesarbeitsgericht entschieden.

Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, die in der Pflege arbeitete. Sie befand sich im Rahmen einer Privatinsolvenz in der Wohlverhaltensphase, in der man einen Teil seiner pfändbaren Einkünfte an einen Treuhänder und damit letztlich an seine Gläubiger abgeben muss. Der Arbeitgeber hatte die an die Frau gezahlten tarifvertraglichen Zuschläge für Sonntags-, Feiertags-, Nacht-, Wechselschicht-, Samstags- und Vorfestarbeit allesamt als pfändbar angesehen und an den Treuhänder abgeführt. Dies war dem Urteil zufolge jedoch nur teilweise rechtens (Urteil vom 23.8.2017, Az. 10 AZR 859/16).

Praxistipp zur Schichtarbeit


Bei Streitigkeiten um das Thema Schichtarbeit, insbesondere Nachtschichten, Freizeitausgleich und Schichtzulagen, zahlt sich eine Beratung bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht aus. Dieser kann im Konfliktfall zwischen Arbeitnhmer und Arbeitgeber die Regelungen in Arbeits- und Tarifverträgen prüfen und die Chancen eines gerichtlichen Vorgehens im individuellen Fall beurteilen.

(Wk)


 Günter Warkowski
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