Schlechte Online-Bewertung: Anspruch auf Löschung?
27.11.2019, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Bu - Anwalt-Suchservice Online-Bewertungen sind für jeden, der im Internet nach Waren oder Dienstleistungen sucht, ein gutes Hilfsmittel. Denn: So kann man sich ein Bild über den möglichen Geschäftspartner machen, den man bisher nicht kennt. Positive Bewertungen können daher ein gutes Aushängeschild für eine Person oder ein Unternehmen sein. Sie können aber auch unangemessen sein, den Ruf schädigen und den Umsatz verderben. Eine Bewertung ist schnell geschrieben und nicht immer von sachlichen Zeitgenossen. Aber: Nicht immer muss man negative Bewertungen auf sich sitzen lassen.
Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes schützt die freie Meinungsäußerung. Davon umfasst sind reine Meinungsäußerungen oder Werturteile, aber auch wahre Tatsachenbehauptungen, die einen Beitrag zur Meinungsbildung leisten und die Grundlage für ein Werturteil sein können. Nicht davon umfasst sind zum Beispiel falsche Tatsachenbehauptungen, Beleidigungen, unsachliche Schmähkritik oder Angriffe auf die Menschenwürde. Was davon im Einzelfall vorliegt, ist oft gar nicht so einfach zu entscheiden. Die Gerichte nehmen im Zweifelsfall eine Interessenabwägung vor. Wer durch eine abfällige Bewertung negativ dargestellt wird, kann in seinem ebenfalls durch das Grundgesetz geschützten Persönlichkeitsrecht verletzt sein. Ein Unternehmer kann in seinem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb betroffen sein (Art. 12 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 Grundgesetz). Es wird jeweils im Einzelfall untersucht, ob diese Interessen schwerer wiegen, als das Recht auf freie Meinungsäußerung.
Nach dem Amtsgericht München müssen negative Bewertungen hingenommen werden, solange sie keine unwahren Tatsachen, bloße Schmähkritik oder Beleidigungen enthalten. Ein privater Käufer hatte bei eBay ein gebrauchtes Notebook gekauft. Der Verkäufer hatte zwar ein gewerbliches eBay-Konto, gab aber an, in diesem Fall einen Privatgegenstand zu verkaufen. Nach dem Kauf bat der Käufer ihn per E-Mail um Telefonnummer und Adresse und fragte, ob er das Notebook abholen könne. Auch wollte er nicht, wie vom Verkäufer verlangt, per Paypal oder Überweisung zahlen, sondern über einen Treuhandservice. Der Verkäufer bestand in seiner Antwort auf den angegebenen Zahlungsarten und auf Versand. Bei Abgabe einer negativen Bewertung werde er einen Anwalt beauftragen. Der Käufer gab eine negative Bewertung ab und schrieb, dass der Verkäufer gleich mit Anwalt drohe und trotz gewerblicher Seite nur privat verkaufen wolle. Der Verkäufer klagte dagegen.
Das Gericht erklärte: Wer auf eBay Geschäfte tätige, sei auch mit dem dortigen Bewertungssystem einverstanden. Ein Anspruch auf Entfernung der Bewertung bestünde nur, wenn diese einen unzulässigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstelle. Hier sei eine umfassende Güterabwägung zwischen dem Interesse des Klägers an der ungestörten Ausübung seines Gewerbes einerseits und dem Interesse des Beklagten an freier Meinungsäußerung andererseits vorzunehmen. Letztere überwog - zumal der Käufer nichts Unwahres behauptet hatte (Az. 142 C 18225/09).
Das Oberlandesgericht Oldenburg verurteilte ein Unternehmen dazu, einen negativen Kommentar auf eBay zurückzunehmen. Geklagt hatte eine Käuferin, die bei dem Unternehmen ein defektes Laufband erworben hatte. Der Verkäufer schrieb in seine Bewertung: "Bietet, nimmt nicht ab, schade, obwohl selber großer Verkäufer". Das Gericht sah darin eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Käuferin. Die Erklärung "nimmt die Ware nicht ab", werde von Lesern so verstanden, dass die Käuferin sich nicht vertragstreu verhalten habe. Bei einem Hinweis auf die Meinungsverschiedenheiten zur Mangelfreiheit des Laufbandes hätte sich dieser Eindruck nicht ergeben. Solche Bewertungen könnten ihren weiteren Geschäften auf eBay schaden (Az. 13 U 71/05).
Vor dem Landgericht Köln ging es um eine Frau, der eine auf eBay gekaufte Jeans nicht gefallen hatte. Die Verkäuferin erstattete den Kaufpreis, die Käuferin gab aber die Hose nicht zurück. Daraufhin bewertete sie die Käuferin mit den Worten "Nie, nie, nie wieder! Geld zurück, Ware trotzdem einbehalten - frech & dreist!!!"
Das Gericht entschied, dass dieser Bewertungskommentar nicht gelöscht werden musste. Er sei eine Mischung aus Meinungsäußerung und Tatsachen und erreiche nicht die Grenze zur Schmähkritik (Az. 28 S 4/09).
Wer krank ist, erwartet die bestmögliche Behandlung. Doch wer kann schon aus dem Stehgreif sagen, welcher (Fach-)Arzt in der Umgebung der vermeintlich beste, erfahrenste, kompetenteste oder auch einfach nur freundlichste ist? Für viele Patienten sind Ärztebewertungsportale im Internet daher eine willkommene Hilfe bei der Suche nach dem für sie "passenden" Therapeuten. Auf solchen Portalen berichten Patienten über ihrer persönlichen Erfahrungen mit einem Mediziner und bewerten ihn dementsprechend. So weit, so gut - aus Patientensicht jedenfalls.
Problematisch wird es allerdings, wenn die eingestellten Bewertungen negativ, möglicherweise unangemessen oder schlicht nicht korrekt sind. Was ist, wenn Streit darüber besteht, was im Kontakt zwischen Arzt und Patient schiefgelaufen ist? Wie muss sich der Betreiber des Portals in diesen Fällen verhalten? Sind entsprechende Negativeinträge zu löschen?
2014 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein Arzt keine Löschung seines Profils auf einem Ärztebewertungsportal verlangen kann. Geklagt hatte ein Gynäkologe, der auf dem Portal unfreiwillig verzeichnet war. Er war auch mehrfach von Nutzern bewertet worden. Nutzer mussten nur ihre E-Mail-Adresse hinterlegen, um Bewertungen abzugeben. Der BGH gestand dem Arzt keinen Anspruch auf Löschung seines kompletten Profils zu. Sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung überwiege das Recht des Portalbetreibers auf Kommunikationsfreiheit nicht. Zwar könnten Bewertungen den Umsatz des Arztes beeinflussen. Auch könnten Portale missbraucht werden. Auf der anderen Seite habe die Öffentlichkeit ein erhebliches Interesse an Informationen über ärztliche Leistungen vor dem Hintergrund der freien Arztwahl (Urteil vom 30.9.2014, Az. VI ZR 358/13).
Vor dem Bundesgerichtshof geklagt hatte 2016 ein Arzt, der auf dem Portal jameda.de von einem anonymen Nutzer der Plattform negativ bewertet worden war. Der Arzt stritt eine Behandlung des betreffenden Nutzers ab und forderte die Betreiber des Bewertungsportals vergeblich dazu auf, die Bewertung zu entfernen. Diese leiteten die Beschwerde an den User weiter, weigerten sich jedoch, dessen Antwort an den Arzt herauszugeben. Der Datenschutz verbiete dies.
Zu Unrecht, wie der BGH entschied (Urteil vom 1.3.2016, Az. VI ZR 34/15). Der Portalbetreiber habe ihm obliegende Prüfpflichten verletzt. Zwar dürfe dem Betreiber keine Prüfungspflicht auferlegt werden, die sein Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährde oder seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschwere. Aber der Betrieb solcher Bewertungsportale bringe grundsätzlich ein erhöhtes Risiko von Persönlichkeitsrechtsverletzungen mit sich. Und da die Bewertungen anonym abgegeben werden könnten, sei es für den betroffenen Arzt äußerst schwer, direkt gegen den Bewertenden vorzugehen.
Daher hätte der Portalbetreiber den Bewertenden auffordern müssen, ihm den entsprechenden Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben. Darüber hinaus hätte er auch die Vorlage von Unterlagen (z. B. Rezepte oder Bonushefte) oder anderen Indizien verlangen müssen. Doch damit nicht genug. Nach Ansicht des BGH ist der Betreiber auch verpflichtet, diejenigen Informationen und Unterlagen, deren Weiterleitung nicht gegen § 12 Abs. 1 Telemediengesetz verstößt, an den Arzt weiterzuleiten.
2017 beschäftigte sich das Landgericht Augsburg mit dem Fall einer zahnärztlichen Praxisklinik, die auf Google mit "1 Stern" bewertet worden war. Der Betreiber der Klinik, ein Zahnarzt, wehrte sich gegen die negative Bewertung und vermutete, dass der Nutzer gar kein Patient von ihm sei. Das Gericht sprach dem Zahnarzt jedoch einen Anspruch auf Löschung der Google-Bewertung ab: Aus der "Sternchen-Bewertung" ginge nicht hervor, warum der Nutzer unzufrieden gewesen sei. Eine solche Bewertung sei eine zulässige Meinungsäußerung. Diese sei nicht unzulässig, weil Gründe fehlten. Die Bewertung sei keine Schmähkritik und habe keine schwerwiegenden Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht des Arztes (Urteil vom 17.8.2017, Az. 022 O 560/17).
Ärzte können allerdings unter Umständen einen Anspruch auf Löschung ihres Profils haben, wenn das Bewertungsportal den Weg der Neutralität verlässt und anfängt, einige Ärzte als zahlende Kunden besser darzustellen - sei es auch nur optisch oder durch fehlende Links zur Konkurrenz im gleichen Stadtteil.
So ging es vor dem Bundesgerichtshof um eine nicht zahlende Ärztin, neben deren Profil mit anderen konkurrierenden Ärzten in der Umgebung geworben wurde. Bei zahlenden Kunden des Portals entfiel solche Konkurrenz-Werbung. Obendrein könnten diese ihr Profil selbst gestalten und Fotos einbinden. Der BGH gestand der Frau einen Anspruch auf Löschung ihres Profils zu (Urteil vom 20.2.2018, Az. VI ZR 30/17).
Ähnlich entschied das Oberlandesgericht Köln im November 2019. Auch hier wurde zwei Ärzten ein Anspruch auf Löschung ihrer unfreiwilligen Profile zugestanden. Die unfreiwilligen Profile würden hier für die Werbung für Premiumkunden ausgenutzt, da diese durch besondere Darstellungsweisen hervorgehoben würden, ohne dass dies für die Nutzer erkennbar sei. Seien solche Möglichkeiten vorhanden, diene das Portal nicht mehr dem neutralen Informationsaustausch zwischen Patienten und Ärzte müssten nicht hinnehmen, ungewollt als schlechter gestellte Basiskunden geführt zu werden (Urteile vom 14.11.2019, Az. 15 U 89/19 und 15 U 126/19).
Bei beiden Verfahren wurde die Revision zugelassen.
Bei Online-Bewertungen kommt es immer sehr auf den Einzelfall an, da die Gerichte hier eine Abwägung der gegenseitigen Interessen vornehmen. Dabei können sich beide Seiten in der Regel auf vom Grundgesetz geschützte Rechtsgüter berufen. Wer eine Löschung von Bewertungen gerichtlich durchsetzen will, ist bei einem auf das Zivilrecht spezialisierten Rechtsanwalt oder auch bei einem Fachanwalt für IT-Recht gut aufgehoben.
Ob privater eBay-Verkäufer, Arzt oder Fachgeschäft für handgestrickte Wollpullover: Alles und jeder wird heute online bewertet. Allerdings nicht immer fair. Kann man Bewertungen auch wieder löschen lassen?
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Was ist vom Recht auf freie Meinungsäußerung umfasst? Urteil: Online-Auktion mit unbequemen Wahrheiten Urteil: Online-Auktion mit Streit über defekte Ware Urteil: Online-Auktion mit fehlgeschlagener Rückabwicklung Ärztebewertungen BGH: Kein Anspruch auf Datenlöschung? Prüfpflichten von Portalbetreibern Zahnklinik mit Stern Vorteile für zahlende Kunden? Praxistipp Was ist vom Recht auf freie Meinungsäußerung umfasst?
Art. 5 Abs. 1 des Grundgesetzes schützt die freie Meinungsäußerung. Davon umfasst sind reine Meinungsäußerungen oder Werturteile, aber auch wahre Tatsachenbehauptungen, die einen Beitrag zur Meinungsbildung leisten und die Grundlage für ein Werturteil sein können. Nicht davon umfasst sind zum Beispiel falsche Tatsachenbehauptungen, Beleidigungen, unsachliche Schmähkritik oder Angriffe auf die Menschenwürde. Was davon im Einzelfall vorliegt, ist oft gar nicht so einfach zu entscheiden. Die Gerichte nehmen im Zweifelsfall eine Interessenabwägung vor. Wer durch eine abfällige Bewertung negativ dargestellt wird, kann in seinem ebenfalls durch das Grundgesetz geschützten Persönlichkeitsrecht verletzt sein. Ein Unternehmer kann in seinem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb betroffen sein (Art. 12 i.V.m. Art. 19 Abs. 3 Grundgesetz). Es wird jeweils im Einzelfall untersucht, ob diese Interessen schwerer wiegen, als das Recht auf freie Meinungsäußerung.
Urteil: Online-Auktion mit unbequemen Wahrheiten
Nach dem Amtsgericht München müssen negative Bewertungen hingenommen werden, solange sie keine unwahren Tatsachen, bloße Schmähkritik oder Beleidigungen enthalten. Ein privater Käufer hatte bei eBay ein gebrauchtes Notebook gekauft. Der Verkäufer hatte zwar ein gewerbliches eBay-Konto, gab aber an, in diesem Fall einen Privatgegenstand zu verkaufen. Nach dem Kauf bat der Käufer ihn per E-Mail um Telefonnummer und Adresse und fragte, ob er das Notebook abholen könne. Auch wollte er nicht, wie vom Verkäufer verlangt, per Paypal oder Überweisung zahlen, sondern über einen Treuhandservice. Der Verkäufer bestand in seiner Antwort auf den angegebenen Zahlungsarten und auf Versand. Bei Abgabe einer negativen Bewertung werde er einen Anwalt beauftragen. Der Käufer gab eine negative Bewertung ab und schrieb, dass der Verkäufer gleich mit Anwalt drohe und trotz gewerblicher Seite nur privat verkaufen wolle. Der Verkäufer klagte dagegen.
Das Gericht erklärte: Wer auf eBay Geschäfte tätige, sei auch mit dem dortigen Bewertungssystem einverstanden. Ein Anspruch auf Entfernung der Bewertung bestünde nur, wenn diese einen unzulässigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb darstelle. Hier sei eine umfassende Güterabwägung zwischen dem Interesse des Klägers an der ungestörten Ausübung seines Gewerbes einerseits und dem Interesse des Beklagten an freier Meinungsäußerung andererseits vorzunehmen. Letztere überwog - zumal der Käufer nichts Unwahres behauptet hatte (Az. 142 C 18225/09).
Urteil: Online-Auktion mit Streit über defekte Ware
Das Oberlandesgericht Oldenburg verurteilte ein Unternehmen dazu, einen negativen Kommentar auf eBay zurückzunehmen. Geklagt hatte eine Käuferin, die bei dem Unternehmen ein defektes Laufband erworben hatte. Der Verkäufer schrieb in seine Bewertung: "Bietet, nimmt nicht ab, schade, obwohl selber großer Verkäufer". Das Gericht sah darin eine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Käuferin. Die Erklärung "nimmt die Ware nicht ab", werde von Lesern so verstanden, dass die Käuferin sich nicht vertragstreu verhalten habe. Bei einem Hinweis auf die Meinungsverschiedenheiten zur Mangelfreiheit des Laufbandes hätte sich dieser Eindruck nicht ergeben. Solche Bewertungen könnten ihren weiteren Geschäften auf eBay schaden (Az. 13 U 71/05).
Urteil: Online-Auktion mit fehlgeschlagener Rückabwicklung
Vor dem Landgericht Köln ging es um eine Frau, der eine auf eBay gekaufte Jeans nicht gefallen hatte. Die Verkäuferin erstattete den Kaufpreis, die Käuferin gab aber die Hose nicht zurück. Daraufhin bewertete sie die Käuferin mit den Worten "Nie, nie, nie wieder! Geld zurück, Ware trotzdem einbehalten - frech & dreist!!!"
Das Gericht entschied, dass dieser Bewertungskommentar nicht gelöscht werden musste. Er sei eine Mischung aus Meinungsäußerung und Tatsachen und erreiche nicht die Grenze zur Schmähkritik (Az. 28 S 4/09).
Ärztebewertungen
Wer krank ist, erwartet die bestmögliche Behandlung. Doch wer kann schon aus dem Stehgreif sagen, welcher (Fach-)Arzt in der Umgebung der vermeintlich beste, erfahrenste, kompetenteste oder auch einfach nur freundlichste ist? Für viele Patienten sind Ärztebewertungsportale im Internet daher eine willkommene Hilfe bei der Suche nach dem für sie "passenden" Therapeuten. Auf solchen Portalen berichten Patienten über ihrer persönlichen Erfahrungen mit einem Mediziner und bewerten ihn dementsprechend. So weit, so gut - aus Patientensicht jedenfalls.
Problematisch wird es allerdings, wenn die eingestellten Bewertungen negativ, möglicherweise unangemessen oder schlicht nicht korrekt sind. Was ist, wenn Streit darüber besteht, was im Kontakt zwischen Arzt und Patient schiefgelaufen ist? Wie muss sich der Betreiber des Portals in diesen Fällen verhalten? Sind entsprechende Negativeinträge zu löschen?
BGH: Kein Anspruch auf Datenlöschung?
2014 hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein Arzt keine Löschung seines Profils auf einem Ärztebewertungsportal verlangen kann. Geklagt hatte ein Gynäkologe, der auf dem Portal unfreiwillig verzeichnet war. Er war auch mehrfach von Nutzern bewertet worden. Nutzer mussten nur ihre E-Mail-Adresse hinterlegen, um Bewertungen abzugeben. Der BGH gestand dem Arzt keinen Anspruch auf Löschung seines kompletten Profils zu. Sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung überwiege das Recht des Portalbetreibers auf Kommunikationsfreiheit nicht. Zwar könnten Bewertungen den Umsatz des Arztes beeinflussen. Auch könnten Portale missbraucht werden. Auf der anderen Seite habe die Öffentlichkeit ein erhebliches Interesse an Informationen über ärztliche Leistungen vor dem Hintergrund der freien Arztwahl (Urteil vom 30.9.2014, Az. VI ZR 358/13).
Prüfpflichten von Portalbetreibern
Vor dem Bundesgerichtshof geklagt hatte 2016 ein Arzt, der auf dem Portal jameda.de von einem anonymen Nutzer der Plattform negativ bewertet worden war. Der Arzt stritt eine Behandlung des betreffenden Nutzers ab und forderte die Betreiber des Bewertungsportals vergeblich dazu auf, die Bewertung zu entfernen. Diese leiteten die Beschwerde an den User weiter, weigerten sich jedoch, dessen Antwort an den Arzt herauszugeben. Der Datenschutz verbiete dies.
Zu Unrecht, wie der BGH entschied (Urteil vom 1.3.2016, Az. VI ZR 34/15). Der Portalbetreiber habe ihm obliegende Prüfpflichten verletzt. Zwar dürfe dem Betreiber keine Prüfungspflicht auferlegt werden, die sein Geschäftsmodell wirtschaftlich gefährde oder seine Tätigkeit unverhältnismäßig erschwere. Aber der Betrieb solcher Bewertungsportale bringe grundsätzlich ein erhöhtes Risiko von Persönlichkeitsrechtsverletzungen mit sich. Und da die Bewertungen anonym abgegeben werden könnten, sei es für den betroffenen Arzt äußerst schwer, direkt gegen den Bewertenden vorzugehen.
Daher hätte der Portalbetreiber den Bewertenden auffordern müssen, ihm den entsprechenden Behandlungskontakt möglichst genau zu beschreiben. Darüber hinaus hätte er auch die Vorlage von Unterlagen (z. B. Rezepte oder Bonushefte) oder anderen Indizien verlangen müssen. Doch damit nicht genug. Nach Ansicht des BGH ist der Betreiber auch verpflichtet, diejenigen Informationen und Unterlagen, deren Weiterleitung nicht gegen § 12 Abs. 1 Telemediengesetz verstößt, an den Arzt weiterzuleiten.
Zahnklinik mit Stern
2017 beschäftigte sich das Landgericht Augsburg mit dem Fall einer zahnärztlichen Praxisklinik, die auf Google mit "1 Stern" bewertet worden war. Der Betreiber der Klinik, ein Zahnarzt, wehrte sich gegen die negative Bewertung und vermutete, dass der Nutzer gar kein Patient von ihm sei. Das Gericht sprach dem Zahnarzt jedoch einen Anspruch auf Löschung der Google-Bewertung ab: Aus der "Sternchen-Bewertung" ginge nicht hervor, warum der Nutzer unzufrieden gewesen sei. Eine solche Bewertung sei eine zulässige Meinungsäußerung. Diese sei nicht unzulässig, weil Gründe fehlten. Die Bewertung sei keine Schmähkritik und habe keine schwerwiegenden Auswirkungen auf das Persönlichkeitsrecht des Arztes (Urteil vom 17.8.2017, Az. 022 O 560/17).
Vorteile für zahlende Kunden?
Ärzte können allerdings unter Umständen einen Anspruch auf Löschung ihres Profils haben, wenn das Bewertungsportal den Weg der Neutralität verlässt und anfängt, einige Ärzte als zahlende Kunden besser darzustellen - sei es auch nur optisch oder durch fehlende Links zur Konkurrenz im gleichen Stadtteil.
So ging es vor dem Bundesgerichtshof um eine nicht zahlende Ärztin, neben deren Profil mit anderen konkurrierenden Ärzten in der Umgebung geworben wurde. Bei zahlenden Kunden des Portals entfiel solche Konkurrenz-Werbung. Obendrein könnten diese ihr Profil selbst gestalten und Fotos einbinden. Der BGH gestand der Frau einen Anspruch auf Löschung ihres Profils zu (Urteil vom 20.2.2018, Az. VI ZR 30/17).
Ähnlich entschied das Oberlandesgericht Köln im November 2019. Auch hier wurde zwei Ärzten ein Anspruch auf Löschung ihrer unfreiwilligen Profile zugestanden. Die unfreiwilligen Profile würden hier für die Werbung für Premiumkunden ausgenutzt, da diese durch besondere Darstellungsweisen hervorgehoben würden, ohne dass dies für die Nutzer erkennbar sei. Seien solche Möglichkeiten vorhanden, diene das Portal nicht mehr dem neutralen Informationsaustausch zwischen Patienten und Ärzte müssten nicht hinnehmen, ungewollt als schlechter gestellte Basiskunden geführt zu werden (Urteile vom 14.11.2019, Az. 15 U 89/19 und 15 U 126/19).
Bei beiden Verfahren wurde die Revision zugelassen.
Praxistipp
Bei Online-Bewertungen kommt es immer sehr auf den Einzelfall an, da die Gerichte hier eine Abwägung der gegenseitigen Interessen vornehmen. Dabei können sich beide Seiten in der Regel auf vom Grundgesetz geschützte Rechtsgüter berufen. Wer eine Löschung von Bewertungen gerichtlich durchsetzen will, ist bei einem auf das Zivilrecht spezialisierten Rechtsanwalt oder auch bei einem Fachanwalt für IT-Recht gut aufgehoben.
(Bu)