Schnee und Eis: Welche Pflichten haben Vermieter?
08.01.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Rh - Anwalt-Suchservice In jedem Winter kommt es irgendwo in Deutschland vollkommen unerwartet zu Schneefällen. Straßen und Wege sind dann plötzlich mit weißer Pracht bedeckt und der Verkehr wird behindert. Auf den Straßen ist das Chaos vorprogrammiert. Schnee und Eis führen zu Stürzen und Verletzungen von Fußgängern. Da die Gemeinden mit dem Räumen ihrer Straßen und Wege ausgelastet sind, übertragen sie ihre Räum- und Streupflicht von öffentlichen Gehwegen an die Eigentümer von Anliegergrundstücken. Aber auch Vermieter haben Pflichten: Sie müssen nicht nur auf dem öffentlichen Gehweg für die Sicherheit der dort verkehrenden Personen sorgen, sondern auch auf dem eigenen Grundstück. Kommen sie als Eigentümer ihrer Verkehrssicherungspflicht nicht nach, kann es zu erheblichen Schadensersatzforderungen kommen.
Wer eine mögliche Gefahrenquelle schafft oder betreibt, muss dafür sorgen, dass durch diese niemand anders zu Schaden kommt – zumindest, soweit ihm dies möglich und zumutbar ist. Dies nennt man die Verkehrssicherungspflicht. Sie gilt auf öffentlichen Verkehrswegen, aber auch überall, wo andere Personen berechtigterweise unterwegs sind. Sie gilt also auch zum Beispiel auf dem Weg zwischen Grundstückseingang und Haustür. Generell gilt die Verkehrssicherungspflicht auf allen Gehwegen auf einem Privatgrundstück, die Personen nutzen – zum Beispiel Postboten, Paketboten, Pizzaboten und natürlich Mieter.
Die Verkehrssicherungspflicht für einen Weg liegt bei dessen Eigentümer. Grundsätzlich muss sich dieser also um den Winterdienst kümmern und dafür sorgen, dass man sich auf seinem Weg ohne Gefahr fortbewegen kann. Zwar ist die Gemeinde für den öffentlichen Gehweg vor einem privaten Grundstück verantwortlich. Es ist jedoch üblich, dass die Gemeinden ihre Verkehrssicherungspflicht mit Hilfe einer kommunalen Satzung auf die privaten Grundstückseigentümer an der Straße übertragen. Diese können dann die Pflicht weiter übertragen – etwa auf ihre Mieter oder einen gewerblichen Winterdienst.
Im Mietvertrag können Mieter und Vermieter vereinbaren, dass die Mieter dazu verpflichtet sind, im Winter den Gehweg vor dem Haus und die Zugangswege auf dem Grundstück von Schnee und Eis frei zu halten. Eine Hausordnung kann ebenfalls eine solche Vereinbarung enthalten. Diese ist jedoch nur wirksam, wenn sie von Anfang an Teil des Mietvertrages ist. Vermieter können ihren Mietern während des laufenden Mietverhältnisses keine neuen Pflichten übertragen, indem sie beispielsweise nachträglich einseitig die Hausordnung ändern, Briefe verschicken oder Zettel im Treppenhaus aufhängen.
Wichtig für Vermieter: Auch nach einer wirksamen Übertragung ihrer Verkehrssicherungspflicht können sie sich nicht entspannt zurücklehnen. Sie behalten nämlich trotzdem eine Kontroll- und Aufsichtspflicht. Die Folge ist, dass sie zumindest stichprobenartig kontrollieren müssen, ob die Verantwortlichen tatsächlich Schnee und Eis beseitigen. Besteht Anlass für die Vermutung, dass dies nicht der Fall ist, muss der Vermieter dem entgegenwirken und mehr kontrollieren. Ansonsten setzt er sich der Gefahr einer Haftung für Verletzungen von gestürzten Passanten. Lieferanten oder Hausbewohnern aus, obwohl er seine Schneeräumpflicht auf andere übertragen hat.
Wenn Mieter vertraglich die Pflicht zum Schneeräumen übernommen haben, müssen sie dieser auch nachkommen. Ob sie arbeiten müssen oder verreist sind, wenn es schneit, spielt keine Rolle. Sind sie verhindert oder nicht vor Ort, müssen sie eine Vertretung organisieren oder im Notfall einen Räumdienst beauftragen.
Bei einem Mehrfamilienhaus ist der Inhalt des einzelnen Mietvertrages maßgeblich. Nicht entscheidend ist, ob die Pflichten unter den Mietparteien gerecht verteilt sind. Eine ungerechte Verteilung von Pflichten ist kein Grund, der Räumpflicht nicht nachzukommen. Allerdings kann eine gerechte Aufteilung der Arbeiten vor Gericht durchgesetzt werden. Zum Beispiel hat das Oberlandesgericht Frankfurt entschieden, dass es kein Gewohnheitsrecht gibt, nach dem im Mehrfamilienhaus immer ausschließlich der Erdgeschossmieter Schnee schippen muss (Az. 16 U 123/87). Nach einem Urteil des Amtsgerichts Köln darf bei einem Haus mit 24 Parteien nicht einfach der komplette Winterdienst auf die drei Erdgeschossmieter übertragen werden. Hier war die entsprechende Klausel in der Hausordnung unwirksam (Urteil vom 14.9.2011, Az. 221 C 170/11).
Als Hilfsmittel für eine gerechte Verteilung der Pflichten unter mehreren Mietern kann eine sogenannte Schneeräumkarte dienen. Diese wird immer nach dem Schneeräumen an den nächsten Mieter weitergegeben. Für Mieter empfiehlt sich eine private Haftpflichtversicherung. Diese trägt den Schaden, wenn doch einmal ein Passant wegen nicht geräumter Wege stürzt.
Vermieter können natürlich ihre Schneeräumpflicht auch einem gewerblichen Winterdienst übertragen. So vermeiden sie Streit im Haus und sorgen bestenfalls auch noch für eine professionelle Arbeit. Auch dies befreit jedoch Vermieter nicht von ihrer Kontrollpflicht. Wenn sie nicht zumindest stichprobenartig überprüfen, ob der Schnee zuverlässig geräumt bzw. gegen Glätte gestreut wird, haften sie für Schäden und Verletzungen von Passanten. In jedem Fall empfiehlt sich eine Vermieter-Haftpflichtversicherung.
Da die Kosten für den Räumdienst regelmäßig anfallen, können sie als Betriebskosten auf die einzelnen Mieter umgelegt werden. Dies muss jedoch mietvertraglich vereinbart sein. Umlagefähig sind auch die Kosten für die Anfahrt des Dienstleisters und für die Streumittel. Aber: Die Kosten der Anschaffung oder Reparatur von Räumgeräten können nicht dem Mieter auferlegt werden. Letzteres gilt unabhängig davon, wer für den Vermieter Schneeschaufel und Besen schwingt.
In vielen Fällen lassen sich die reinen Arbeitskosten für den Winterdienst als haushaltsnahe Dienstleistungen von der Steuer absetzen. Diese Möglichkeit haben sowohl das Objekt selbst bewohnende Eigentümer als auch Mieter. Bestätigt wurde dies durch ein Urteil des Bundesfinanzhofes vom 20.3.2014 (Az. VI R 55/12). Es ergibt sich zusätzlich aus einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums an die Finanzämter (IV C 8 - S 2296-b/07/10003 :008).
Wie breit der geräumte Streifen auf dem öffentlichen Gehweg sein muss, ist meist in einer Straßenreinigungssatzung der Gemeinde geregelt. Häufig sind es ein bis 1,50 Meter. Bei seltener benutzten Wegen auf dem Grundstück (etwa zur Mülltonnenbox) kann ein schmalerer Streifen ausreichend sein. Dem Oberlandesgericht Frankfurt zufolge sind zum Beispiel 50 cm Breite bei einem solchen Weg genug. Allerdings ist hier Vorsicht geboten: Solche Urteile beziehen sich immer auf den einzelnen Fall. Dabei sind die besonderen Verhältnisse vor Ort ausschlaggebend (Az. 23 U 195/00).
Private Wege oder Plätze, die Passanten oder Mieter nur nutzen, um einen anderen Weg abzukürzen, muss der Eigentümer im Normalfall nicht räumen oder streuen (OLG Hamm, Urteil vom 16.5.2013, Az. 6 U 178/12). Dies gilt insbesondere, wenn der Hauptweg geräumt ist.
Auch dies ist meist in einer Gemeindesatzung geregelt. Hier gilt die Faustregel: Sobald Eisglätte herrscht, muss der Räumpflichtige sofort ans Werk gehen. In vielen Gemeinden muss Schnee werktags morgens ab sieben Uhr geräumt sein und abends bis 20 Uhr geräumt werden. An Wochenenden darf man morgens ein oder zwei Stunden später mit dem Räumen und Streuen beginnen. Diese Zeiten können sich jedoch von Ort zu Ort unterscheiden. Ein Beispiel: In Hamburg muss werktags bis 8 Uhr 30 geräumt sein, an Sonn- und Feiertagen bis 9 Uhr 30 und abends immer bis 20 Uhr.
An diesen Zeitangaben erkennt man auch, dass nicht nur morgens geräumt und gestreut werden muss. Schneit es tagsüber neu, muss grundsätzlich während der Räumzeiten auch zwischendurch geräumt werden. Natürlich ist es bei längerem starken Schneefall sinnlos, zwischendurch zu räumen. Räumpflichtige müssen daher grundsätzlich erst nach Ende des Schneetreibens wieder aktiv werden. Dies ist aber in den Gemeinden oft unterschiedlich geregelt. Einige Satzungen verlangen, dass sofort nach Schneefallende wieder geräumt wird. Andere geben dem Betreffenden noch etwas Zeit, um abzuwarten, ob es weiter schneit.
Der Bundesgerichtshof hat ein wichtiges Urteil zur Räum- und Streupflicht gefällt: Danach müssen Räumpflichtige bei Eisglätte erst tätig werden, wenn eine allgemeine Glätte herrscht. Einzelne Glättestellen sollen demnach noch keine Pflicht zum Winterdienst auslösen. Im verhandelten Fall war der komplette Gehweg vor einem Haus eisfrei und trocken gewesen – bis auf eine Stelle von etwa einem Quadratmeter. Genau dort rutsche eine Passantin aus und verletzte sich. Nach Ansicht des BGH hatte der Grundstückseigentümer seine Pflichten nicht verletzt. Und mehr noch: Auch eine Gemeinde könne in ihrer Satzung keine Pflicht zum Streuen bei einzelnen Glättestellen vorschreiben (Urteil vom 14.2.2017, Az. VI ZR 254/16).
Grundsätzlich gilt die Räum- und Streupflicht auch für Senioren. Wer zu gebrechlich oder zu krank ist, um sie zu erfüllen, muss versuchen, eine Vertretung zu finden, die für ihn einspringt. Gelingt dies jedoch nicht, sind gebrechliche Senioren nach Meinung mehrerer Gerichte von der Räumpflicht befreit (z. B. Landgericht Münster, Urteil vom 19.2.2004, Az. 8 S 425/03).
Andere Gerichte sind der Meinung, dass gebrechliche Senioren als Mieter schon aufgrund ihrer körperlichen Einschränkungen von der Schneeräumpflicht zu befreien sind. Dann müssen sie auch keinen Räumdienst beauftragen (Landgericht Köln, Urteil vom 30.8.2012, Az. 1 S 52/11).
Übertragen Hauseigentümer ihre Schneeräumpflicht auf andere, müssen sie bei der Auswahl des Betreffenden darauf achten, dass diese Person der Aufgabe tatsächlich gewachsen ist. Eine Eigentümergemeinschaft hatte einen 82-jährigen Rentner damit beauftragt, alle Wege einer großen Wohnanlage zu räumen. Dieser schaffte die Arbeit jedoch einfach nicht. Dem Oberlandesgericht Oldenburg zufolge haftete in diesem Fall die Eigentümergemeinschaft für die Folgen eines daraus resultierenden Sturzes (Urteil vom 14.2.2014, Az. 4 O 2716/12).
Auch die Räum- und Streupflicht gilt nicht unbegrenzt. Wenn jemand zum Beispiel einen vereisten Weg benutzt, obwohl er auch mit einem kleinen Umweg auf einem gestreuten Weg zum Ziel kommen könnte, kann er nicht seinen Vermieter auf Schadensersatz verklagen (Amtsgericht München, Urteil vom 27.7.2012, Az. 212 C 12366/12). Falls Sie als Vermieter wegen einer Verletzung Ihrer Verkehrssicherungspflicht in Anspruch genommen werden, empfiehlt sich eine Beratung bei einem auf das Zivilrecht spezialisierten Rechtsanwalt. Dieser kann Ihnen ein sinnvolles Vorgehen empfehlen.
Das Wichtigste in Kürze
1. Schneeräumen und Streuen: Aus der Verkehrssicherungspflicht ergibt sich, dass Grundstückseigentümer Gefahrenquellen beseitigen müssen. Schnee und Eis sind eine Unfallgefahr für die Bewohner und sonstige Dritte.
2. Übetragung auf Mieter: Grundsätzlich ist der Vermieter verpflichtet Schnee zu räumen und Glätte zu beseitigen. Er kann die diese Pflicht aber im Mietvertrag an die Mieter weiterreichen.
3. Zeitraum: Je nach Gemeinde bzw. Stadt muss Schnee werktags morgens ab sieben Uhr geräumt sein und abends bis 20 Uhr. An Wochenenden, sowie an Sonn- und Feiertagen muss morgens ab 9 Uhr geräumt sein und abends ebenfalls bis 20 Uhr.
1. Schneeräumen und Streuen: Aus der Verkehrssicherungspflicht ergibt sich, dass Grundstückseigentümer Gefahrenquellen beseitigen müssen. Schnee und Eis sind eine Unfallgefahr für die Bewohner und sonstige Dritte.
2. Übetragung auf Mieter: Grundsätzlich ist der Vermieter verpflichtet Schnee zu räumen und Glätte zu beseitigen. Er kann die diese Pflicht aber im Mietvertrag an die Mieter weiterreichen.
3. Zeitraum: Je nach Gemeinde bzw. Stadt muss Schnee werktags morgens ab sieben Uhr geräumt sein und abends bis 20 Uhr. An Wochenenden, sowie an Sonn- und Feiertagen muss morgens ab 9 Uhr geräumt sein und abends ebenfalls bis 20 Uhr.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Warum gibt es eine Pflicht zum Schneeräumen? Wer muss bei Schnee und Eis räumen und streuen? Wie funktioniert die Übertragung der Schneeräumpflicht auf Mieter? Welche Pflichten haben Mieter im Winter? Was müssen Vermieter bei Beauftragung eines gewerblichen Winterdienstes beachten? Wie viel Schnee muss entfernt werden? Zu welchen Uhrzeiten muss Schnee geräumt werden? Gibt es eine Streupflicht schon bei einzelnen Glättestellen? Rentner mit Schneeschieben überfordert: trotzdem Haftung? Praxistipp zur Räum- und Streupflicht für Vermieter Warum gibt es eine Pflicht zum Schneeräumen?
Wer eine mögliche Gefahrenquelle schafft oder betreibt, muss dafür sorgen, dass durch diese niemand anders zu Schaden kommt – zumindest, soweit ihm dies möglich und zumutbar ist. Dies nennt man die Verkehrssicherungspflicht. Sie gilt auf öffentlichen Verkehrswegen, aber auch überall, wo andere Personen berechtigterweise unterwegs sind. Sie gilt also auch zum Beispiel auf dem Weg zwischen Grundstückseingang und Haustür. Generell gilt die Verkehrssicherungspflicht auf allen Gehwegen auf einem Privatgrundstück, die Personen nutzen – zum Beispiel Postboten, Paketboten, Pizzaboten und natürlich Mieter.
Wer muss bei Schnee und Eis räumen und streuen?
Die Verkehrssicherungspflicht für einen Weg liegt bei dessen Eigentümer. Grundsätzlich muss sich dieser also um den Winterdienst kümmern und dafür sorgen, dass man sich auf seinem Weg ohne Gefahr fortbewegen kann. Zwar ist die Gemeinde für den öffentlichen Gehweg vor einem privaten Grundstück verantwortlich. Es ist jedoch üblich, dass die Gemeinden ihre Verkehrssicherungspflicht mit Hilfe einer kommunalen Satzung auf die privaten Grundstückseigentümer an der Straße übertragen. Diese können dann die Pflicht weiter übertragen – etwa auf ihre Mieter oder einen gewerblichen Winterdienst.
Wie funktioniert die Übertragung der Schneeräumpflicht auf Mieter?
Im Mietvertrag können Mieter und Vermieter vereinbaren, dass die Mieter dazu verpflichtet sind, im Winter den Gehweg vor dem Haus und die Zugangswege auf dem Grundstück von Schnee und Eis frei zu halten. Eine Hausordnung kann ebenfalls eine solche Vereinbarung enthalten. Diese ist jedoch nur wirksam, wenn sie von Anfang an Teil des Mietvertrages ist. Vermieter können ihren Mietern während des laufenden Mietverhältnisses keine neuen Pflichten übertragen, indem sie beispielsweise nachträglich einseitig die Hausordnung ändern, Briefe verschicken oder Zettel im Treppenhaus aufhängen.
Wichtig für Vermieter: Auch nach einer wirksamen Übertragung ihrer Verkehrssicherungspflicht können sie sich nicht entspannt zurücklehnen. Sie behalten nämlich trotzdem eine Kontroll- und Aufsichtspflicht. Die Folge ist, dass sie zumindest stichprobenartig kontrollieren müssen, ob die Verantwortlichen tatsächlich Schnee und Eis beseitigen. Besteht Anlass für die Vermutung, dass dies nicht der Fall ist, muss der Vermieter dem entgegenwirken und mehr kontrollieren. Ansonsten setzt er sich der Gefahr einer Haftung für Verletzungen von gestürzten Passanten. Lieferanten oder Hausbewohnern aus, obwohl er seine Schneeräumpflicht auf andere übertragen hat.
Welche Pflichten haben Mieter im Winter?
Wenn Mieter vertraglich die Pflicht zum Schneeräumen übernommen haben, müssen sie dieser auch nachkommen. Ob sie arbeiten müssen oder verreist sind, wenn es schneit, spielt keine Rolle. Sind sie verhindert oder nicht vor Ort, müssen sie eine Vertretung organisieren oder im Notfall einen Räumdienst beauftragen.
Bei einem Mehrfamilienhaus ist der Inhalt des einzelnen Mietvertrages maßgeblich. Nicht entscheidend ist, ob die Pflichten unter den Mietparteien gerecht verteilt sind. Eine ungerechte Verteilung von Pflichten ist kein Grund, der Räumpflicht nicht nachzukommen. Allerdings kann eine gerechte Aufteilung der Arbeiten vor Gericht durchgesetzt werden. Zum Beispiel hat das Oberlandesgericht Frankfurt entschieden, dass es kein Gewohnheitsrecht gibt, nach dem im Mehrfamilienhaus immer ausschließlich der Erdgeschossmieter Schnee schippen muss (Az. 16 U 123/87). Nach einem Urteil des Amtsgerichts Köln darf bei einem Haus mit 24 Parteien nicht einfach der komplette Winterdienst auf die drei Erdgeschossmieter übertragen werden. Hier war die entsprechende Klausel in der Hausordnung unwirksam (Urteil vom 14.9.2011, Az. 221 C 170/11).
Als Hilfsmittel für eine gerechte Verteilung der Pflichten unter mehreren Mietern kann eine sogenannte Schneeräumkarte dienen. Diese wird immer nach dem Schneeräumen an den nächsten Mieter weitergegeben. Für Mieter empfiehlt sich eine private Haftpflichtversicherung. Diese trägt den Schaden, wenn doch einmal ein Passant wegen nicht geräumter Wege stürzt.
Was müssen Vermieter bei Beauftragung eines gewerblichen Winterdienstes beachten?
Vermieter können natürlich ihre Schneeräumpflicht auch einem gewerblichen Winterdienst übertragen. So vermeiden sie Streit im Haus und sorgen bestenfalls auch noch für eine professionelle Arbeit. Auch dies befreit jedoch Vermieter nicht von ihrer Kontrollpflicht. Wenn sie nicht zumindest stichprobenartig überprüfen, ob der Schnee zuverlässig geräumt bzw. gegen Glätte gestreut wird, haften sie für Schäden und Verletzungen von Passanten. In jedem Fall empfiehlt sich eine Vermieter-Haftpflichtversicherung.
Da die Kosten für den Räumdienst regelmäßig anfallen, können sie als Betriebskosten auf die einzelnen Mieter umgelegt werden. Dies muss jedoch mietvertraglich vereinbart sein. Umlagefähig sind auch die Kosten für die Anfahrt des Dienstleisters und für die Streumittel. Aber: Die Kosten der Anschaffung oder Reparatur von Räumgeräten können nicht dem Mieter auferlegt werden. Letzteres gilt unabhängig davon, wer für den Vermieter Schneeschaufel und Besen schwingt.
In vielen Fällen lassen sich die reinen Arbeitskosten für den Winterdienst als haushaltsnahe Dienstleistungen von der Steuer absetzen. Diese Möglichkeit haben sowohl das Objekt selbst bewohnende Eigentümer als auch Mieter. Bestätigt wurde dies durch ein Urteil des Bundesfinanzhofes vom 20.3.2014 (Az. VI R 55/12). Es ergibt sich zusätzlich aus einem Schreiben des Bundesfinanzministeriums an die Finanzämter (IV C 8 - S 2296-b/07/10003 :008).
Wie viel Schnee muss entfernt werden?
Wie breit der geräumte Streifen auf dem öffentlichen Gehweg sein muss, ist meist in einer Straßenreinigungssatzung der Gemeinde geregelt. Häufig sind es ein bis 1,50 Meter. Bei seltener benutzten Wegen auf dem Grundstück (etwa zur Mülltonnenbox) kann ein schmalerer Streifen ausreichend sein. Dem Oberlandesgericht Frankfurt zufolge sind zum Beispiel 50 cm Breite bei einem solchen Weg genug. Allerdings ist hier Vorsicht geboten: Solche Urteile beziehen sich immer auf den einzelnen Fall. Dabei sind die besonderen Verhältnisse vor Ort ausschlaggebend (Az. 23 U 195/00).
Private Wege oder Plätze, die Passanten oder Mieter nur nutzen, um einen anderen Weg abzukürzen, muss der Eigentümer im Normalfall nicht räumen oder streuen (OLG Hamm, Urteil vom 16.5.2013, Az. 6 U 178/12). Dies gilt insbesondere, wenn der Hauptweg geräumt ist.
Zu welchen Uhrzeiten muss Schnee geräumt werden?
Auch dies ist meist in einer Gemeindesatzung geregelt. Hier gilt die Faustregel: Sobald Eisglätte herrscht, muss der Räumpflichtige sofort ans Werk gehen. In vielen Gemeinden muss Schnee werktags morgens ab sieben Uhr geräumt sein und abends bis 20 Uhr geräumt werden. An Wochenenden darf man morgens ein oder zwei Stunden später mit dem Räumen und Streuen beginnen. Diese Zeiten können sich jedoch von Ort zu Ort unterscheiden. Ein Beispiel: In Hamburg muss werktags bis 8 Uhr 30 geräumt sein, an Sonn- und Feiertagen bis 9 Uhr 30 und abends immer bis 20 Uhr.
An diesen Zeitangaben erkennt man auch, dass nicht nur morgens geräumt und gestreut werden muss. Schneit es tagsüber neu, muss grundsätzlich während der Räumzeiten auch zwischendurch geräumt werden. Natürlich ist es bei längerem starken Schneefall sinnlos, zwischendurch zu räumen. Räumpflichtige müssen daher grundsätzlich erst nach Ende des Schneetreibens wieder aktiv werden. Dies ist aber in den Gemeinden oft unterschiedlich geregelt. Einige Satzungen verlangen, dass sofort nach Schneefallende wieder geräumt wird. Andere geben dem Betreffenden noch etwas Zeit, um abzuwarten, ob es weiter schneit.
Gibt es eine Streupflicht schon bei einzelnen Glättestellen?
Der Bundesgerichtshof hat ein wichtiges Urteil zur Räum- und Streupflicht gefällt: Danach müssen Räumpflichtige bei Eisglätte erst tätig werden, wenn eine allgemeine Glätte herrscht. Einzelne Glättestellen sollen demnach noch keine Pflicht zum Winterdienst auslösen. Im verhandelten Fall war der komplette Gehweg vor einem Haus eisfrei und trocken gewesen – bis auf eine Stelle von etwa einem Quadratmeter. Genau dort rutsche eine Passantin aus und verletzte sich. Nach Ansicht des BGH hatte der Grundstückseigentümer seine Pflichten nicht verletzt. Und mehr noch: Auch eine Gemeinde könne in ihrer Satzung keine Pflicht zum Streuen bei einzelnen Glättestellen vorschreiben (Urteil vom 14.2.2017, Az. VI ZR 254/16).
Rentner mit Schneeschieben überfordert: trotzdem Haftung?
Grundsätzlich gilt die Räum- und Streupflicht auch für Senioren. Wer zu gebrechlich oder zu krank ist, um sie zu erfüllen, muss versuchen, eine Vertretung zu finden, die für ihn einspringt. Gelingt dies jedoch nicht, sind gebrechliche Senioren nach Meinung mehrerer Gerichte von der Räumpflicht befreit (z. B. Landgericht Münster, Urteil vom 19.2.2004, Az. 8 S 425/03).
Andere Gerichte sind der Meinung, dass gebrechliche Senioren als Mieter schon aufgrund ihrer körperlichen Einschränkungen von der Schneeräumpflicht zu befreien sind. Dann müssen sie auch keinen Räumdienst beauftragen (Landgericht Köln, Urteil vom 30.8.2012, Az. 1 S 52/11).
Übertragen Hauseigentümer ihre Schneeräumpflicht auf andere, müssen sie bei der Auswahl des Betreffenden darauf achten, dass diese Person der Aufgabe tatsächlich gewachsen ist. Eine Eigentümergemeinschaft hatte einen 82-jährigen Rentner damit beauftragt, alle Wege einer großen Wohnanlage zu räumen. Dieser schaffte die Arbeit jedoch einfach nicht. Dem Oberlandesgericht Oldenburg zufolge haftete in diesem Fall die Eigentümergemeinschaft für die Folgen eines daraus resultierenden Sturzes (Urteil vom 14.2.2014, Az. 4 O 2716/12).
Praxistipp zur Räum- und Streupflicht für Vermieter
Auch die Räum- und Streupflicht gilt nicht unbegrenzt. Wenn jemand zum Beispiel einen vereisten Weg benutzt, obwohl er auch mit einem kleinen Umweg auf einem gestreuten Weg zum Ziel kommen könnte, kann er nicht seinen Vermieter auf Schadensersatz verklagen (Amtsgericht München, Urteil vom 27.7.2012, Az. 212 C 12366/12). Falls Sie als Vermieter wegen einer Verletzung Ihrer Verkehrssicherungspflicht in Anspruch genommen werden, empfiehlt sich eine Beratung bei einem auf das Zivilrecht spezialisierten Rechtsanwalt. Dieser kann Ihnen ein sinnvolles Vorgehen empfehlen.
(Bu)