Schneelawinen vom Dach: Wer haftet für Schäden?

13.01.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Dachlawinen,Schnee,Hauseigentümer,Haftung Weiße Pracht auf dem Dach: Wer haftet für Schäden von Passanten? © Ma - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Verkehrssicherungspflicht: Hauseigentümer haben grundsätzlich eine sogenannte Verkehrssicherungspflicht. Sie müssen Dritte und deren Eigentum vor von ihrem Haus ausgehenden Gefahren schützen. Das kann im Einzelfall auch für Dachlawinen gelten.

2. Haftung für Schäden: Die Gerichte gestehen Geschädigten nur dann Schadensersatz zu, wenn der Hauseigentümer aufgrund besonderer Umstände (örtliche Gegebenheiten, z.B. viel Schnee, steiles Dach) Sicherungsmaßnahmen gegen Dachlawinen treffen musste.

3. Mithaftung: Durch Dachlawinen geschädigte Personen trifft eine Mithaftung, wenn sie ihrerseits nicht die nötige Obacht an den Tag legen, um den Gefahren auszuweichen.
Im Winter sind Dachlawinen besonders in den schneereicheren Bundesländern eine nicht zu unterschätzende Gefahr. Herabstürzende, nasse Schneemassen haben ein erhebliches Gewicht: So können zehn Zentimeter Nassschnee bis zu 40 Kilogramm pro Quadratmeter wiegen. Gefriert der Schnee zu Eis, sind es schnell bis zu 90 Kilo. Schäden durch Dachlawinen drohen nicht nur an parkenden Autos. Auch Passanten drohen ernsthafte Verletzungen. Hinzu kommt, dass die meisten Menschen nicht mit einer Gefahr von oben rechnen. Daher müssen Hauseigentümer im Winter durchaus aktiv werden, wenn sie sich keinem Haftungsrisiko aussetzen wollen.

Was müssen Hauseigentümer gegen Dachlawinen tun?


Hauseigentümer haben eine sogenannte Verkehrssicherungspflicht. Das bedeutet, dass sie dafür sorgen müssen, dass von ihrer Immobilie keine Gefahren für andere ausgehen. Wie viel Absicherung notwendig ist, hängt von der Gefahrenlage im konkreten Fall ab. Die Sicherheitsmaßnahmen müssen allerdings auch zumutbar sein.

Es hängt also immer vom Einzelfall ab, inwieweit ein Hauseigentümer besondere Sicherheitsmaßnahmen gegen Dachlawinen treffen muss – wie etwa Warnhinweise oder Schneefanggitter. Hauseigentümer müssen insbesondere dann Sicherheitsmaßnahmen treffen, wenn diese nach den örtlichen Gepflogenheiten, der allgemeinen Schneelage des Ortes, der Beschaffenheit und Lage des Gebäudes und auch von Art und Ausmaß des gefährdeten Verkehrs her erforderlich sind.

Daher wird – auch von den Gerichten – zum Beispiel im schneereichen Bayern von Hauseigentümern mehr erwartet, als im schneearmen Norddeutschland. Trotzdem können Sicherheitsmaßnahmen gegen Dachlawinen auch in schneearmen Gegenden notwendig sein, wenn es ausnahmsweise einmal stark geschneit hat.

Wie kann man Dachlawinen verhindern?


Schneefanggitter auf dem Dach sind eine bewährte Standardmaßnahme. Meist werden sie an Ziegeln befestigt, die entsprechende Haltevorrichtungen haben. Am besten sollte man dies schon beim Bau des Daches einkalkulieren. Eine weitere Möglichkeit sind Schneefang-Hilfen in Form runder Stangen zwischen zwei Halterungen. Es gibt auch über das Dach verteilte Schneefanghaken, die zu einer gleichmäßigen Verteilung der Schneelast führen.

Wenn konkrete Gefahr droht, sind auch Warnhinweise für Passanten notwendig. Hauseigentümer können zum Beispiel Warnschilder vor Dachlawinen an der Hauswand befestigen. Auch lassen sich rot-weiße Stangen vom Boden senkrecht an die Hauswand lehnen, damit Fußgänger mehr Abstand zum Haus halten. Auf der anderen Seite dürfen Anwohner einen öffentlichen Fußweg in der Regel nicht komplett absperren, ohne die Erlaubnis der Gemeinde zu haben.

Es kann im Extremfall auch erforderlich sein, ein Dach von der Schneelast zu befreien. Dies sollte dann nicht durch den Hauseigentümer selbst, sondern durch einen Dachdecker passieren. Solche Maßnahmen schützen eher das Gebäude vor dem Einsturz durch zu hohe Schneelast und dienen seltener der Umsetzung der Verkehrssicherungspflicht vor Dachlawinen.

Welche Gesetze gibt es zu Dachlawinen?


Meist enthalten die Landesbauordnungen der Bundesländer eher allgemeine Regelungen zu Dachlawinen. Häufig besagen diese, dass Schneefanggitter oder ähnliche Einrichtungen auf den Dächern anzubringen sind, wenn dies erforderlich ist. Einige Bundesländer schreiben dazu nichts Besonderes vor.

Allerdings gibt es vielerorts besondere Regelungen der Gemeinden. Diese können Schneefanggitter, Warnhinweise oder das Absperren von Fußwegen im Notfall vorschreiben. In schneereichen Gemeinden verpflichten solche Vorschriften die Hauseigentümer oft zum Tätigwerden.

Gibt es derartige Regelungen, haften die Hauseigentümer in der Regel für einen durch Dachlawinen verursachten Schaden, wenn sie den entsprechenden Pflichten nicht nachgekommen sind. Allerdings haften sie in schneereichen Gegenden unter Umständen sogar, wenn Schutzmaßnahmen zwar nicht vorgeschrieben, aber ortsüblich sind.

Was sagen die Gerichte zur Haftung für Schäden durch Dachlawinen?


Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Hamm war eine Hauseigentümerin nicht dazu verpflichtet, Passanten vor Dachlawinen zu schützen. Weder Vorsorgemaßnahmen noch Warnungen seien in diesem konkreten Fall erforderlich gewesen. Denn: In der Stadt Bielefeld würden keine behördlichen oder städtischen Regelungen existieren, die solche Pflichten begründeten. Es obliege Hauseigentümern grundsätzlich nicht, Dritte vor Dachlawinen zu schützen. Sie seien zu besonderen Sicherungsmaßnahmen nur dann verpflichtet, wenn besondere Umstände vorlägen.

Dazu könnten beispielsweise die allgemeine Schneelage des Ortes, eine besondere Beschaffenheit und Lage des Gebäudes, allgemein ortsübliche Sicherungsvorkehrungen, die konkreten Schneeverhältnisse oder besonders intensiver Verkehr unter dem Dach gehören. Solche Umstände seien jedoch im verhandelten Schadensfall nicht festzustellen gewesen. Obendrein hätten aufmerksame Verkehrsteilnehmer die Gefahr durch Dachlawinen selbst rechtzeitig erkennen können (Az. I-9 U 119/12).

Das Landgericht Ulm sah dies ganz anders. Bei einem besonders steilen Dach (hier: Dachneigung von 60 Grad) in einem schneereichen Gebiet und wenn sich unter dem Dach auch noch ein öffentlicher Parkplatz befinde, habe der Hauseigentümer die Pflicht, Schneefanggitter anzubringen. Allerdings rechnete das Gericht dem Eigentümer des beschädigten Autos eine Mithaftung von 50 Prozent zu, weil er als Ortskundiger gar nicht unter dem mit Schnee überladenen Dach hätte parken dürfen (Az. 1 S 16/06).

Die Dachneigung war auch nach Ansicht des Oberlandesgerichts Karlsruhe entscheidend. Es entschied, dass bei einer Dachneigung von mindestens 45 Grad grundsätzlich Schneefanggitter angebracht werden müssten (Az. 1 U 305/82).

Hauseigentümer können nach Meinung des Amtsgerichts München ihre Verkehrssicherungspflicht erfüllen, indem sie Schneefanggitter auf dem Dach anbringen. Zusätzliche Maßnahmen, wie Warnschilder, müssten sie nur unter ganz besonderen Umständen treffen, also bei einer besonderen Gefahrenlage. Diese liege jedoch bei einsetzendem Tauwetter nicht vor. Grundsätzlich müsse im Winter jeder selbst darauf achten, keinen Schaden zu erleiden. In diesem Fall blieb daher ein Autofahrer auf dem Schaden sitzen, den ein in sein Fahrzeug eingeschlagener Eisbrocken verursacht hatte.

Besonders von den Bewohnern schneeärmerer Gebiete kann dem Gericht zufolge nicht ohne weiteres verlangt werden, dass sie bei jedem Schneefall, der geeignet sein kann, zu Dachlawinen zu führen, besondere Sicherheitsmaßnahmen durchführen (Az. 263 C 10893/07 und Az. 222 C 25801/05).

Schäden durch Schnee vom Dach: Was zahlt die Versicherung?


Für Hauseigentümer, die ihr Haus selbst bewohnen, ist eine Privathaftpflichtversicherung zu empfehlen. Vermieter sollten eine Haus- und Grundeigentümer-Haftpflicht abschließen. Eine Privathaftpflichtversicherung reicht für sie in der Regel nicht aus.

Eine herkömmliche Gebäudeversicherung deckt meist keine Schäden durch Schneedruck am eigenen Gebäude ab. Dafür lässt sich meist ein Vertragsbaustein "weitere Naturgefahren" oder "Elementarschadenversicherung" abschließen.

Wenn eine Dachlawine ein Auto trifft, ersetzt allenfalls eine Vollkaskoversicherung dem Halter den Schaden. Eine Teilkaskoversicherung erstattet höchstens die Glasschäden – als kleinen Trost.

Praxistipp zu Dachlawinen


Zusammenfassend kann man sagen, dass zwar jeder Passant und Autofahrer im Winter grundsätzlich selbst darauf achten muss, keine Schäden oder Verletzungen durch Dachlawinen zu erleiden. Trotzdem sollten Hauseigentümer mit Dächern, die über öffentliche Straßen hängen, für Schneefanggitter sorgen – egal, wo in Deutschland sich ihr Haus befindet. Diese Sicherheitsmaßnahme kann man als Standard ansehen und in der Regel wird die Verkehrssicherungspflicht dadurch erfüllt. Nur bei besonderer Gefahr sind zusätzliche Maßnahmen wie Warnschilder erforderlich. Im Falle von Schadensersatzforderungen kann ein Rechtsanwalt für Zivilrecht Ihren Fall individuell prüfen und Ihnen weiterhelfen.

(Wk)


 Günter Warkowski
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