Schwangerschaftsabbruch: Wie dürfen Ärzte werben?

13.01.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
Schwangerschaftsabbruch,Abtreibung,§ 218,Werbeverbot Werbung für Schwangerschaftsabbrüche: Die geänderte Rechtslage schafft Erleichterungen © - freepik

Ärzte durften bisher öffentlich nicht bekanntgeben, dass sie Abtreibungen vornehmen oder das medizinische Vorgehen auf ihrer Website beschreiben. Dies hat sich 2022 geändert.

Nach wie vor ist ein Schwangerschaftsabbruch in Deutschland rechtswidrig und strafbar. Es gibt jedoch verschiedene Ausnahmen. Dazu gehört die sogenannte Beratungsregelung: Lässt sich die schwangere Frau mindestens drei Tage vor dem Eingriff in einer staatlich anerkannten Stelle beraten und sind seit der Befruchtung nicht mehr als 12 Wochen vergangen, ist der Schwangerschaftsabbruch straflos. Dieser muss von einem Arzt vorgenommen werden, dem gegenüber die schwangere Frau die erfolgte Beratung durch einen Beratungsschein nachzuweisen hat (§ 218a Strafgesetzbuch).
Das Statistische Bundesamt verzeichnete zwischen Januar und September 2018 in Deutschland 76.365 Eingriffe. Die Frauen waren dabei meist zwischen 25 und 30 Jahre alt. Im ganzen Jahr 2021 waren es rund 94.600 Fälle - allerdings war dies ein Rückgang um 5,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Was besagte das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche?


Lange und heftig wurde über das sogenannte Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche in § 219a des Strafgesetzbuches (StGB) diskutiert. Früher besagte diese Vorschrift, dass niemand in der Öffentlichkeit verbreiten durfte, dass er gegen Bezahlung Schwangerschaftsabbrüche durchführt, oder Methoden dafür anpreisen durfte.

Sinn dieser Regelung war es, bei diesem sensiblen Thema einen öffentlichen Wettbewerb verschiedener Anbieter mit aggressiver Werbung zu verhindern. Das Problem: So mancher Arzt kam gar nicht auf die Idee, dass es sich bei den auf seiner Internetseite veröffentlichten sachlichen Informationen über verschiedene Methoden des Schwangerschaftsabbruches und deren jeweilige Risiken sowie Vor- und Nachteile um Werbung handeln könnte.

Sobald solche Informationen jedoch mit der Information verbunden waren, dass dieser Arzt auch Schwangerschaftsabbrüche vornahm, fiel alles zusammen unter das Werbeverbot des § 219a StGB. Dies führte zu strafrechtlichen Verfahren gegen Ärzte.

Verurteilung wegen sachlicher Informationen?


Auch eine vollkommen sachliche Information über das Thema fiel unter das "Werbeverbot". Dies bekam etwa die Gießener Ärztin Kristina Hänel zu spüren, die auf ihrer Internetseite sachlich über unterschiedliche Methoden des Schwangerschaftsabbruches informiert und angegeben hatte, selbst in diesem Bereich tätig zu sein. Abtreibungsgegner zeigten sie an. Folge war ein Strafverfahren mit einer Geldstrafe von 6.000 Euro. Das Landgericht Gießen bestätigte dieses Urteil im Oktober 2018. Die Ärztin legte Revision ein. Der Fall löste eine öffentliche Debatte aus, es gab weitere Verfahren gegen andere Ärzte. Immer weniger Mediziner waren bereit, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen.

Warum wurden Änderungen gefordert?


Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch in Erwägung ziehen, müssen sich zwar bei einer dazu berechtigten Beratungsstelle beraten lassen. Nur wird diese Beratung in den meisten Fällen eher moralisch-ethische Aspekte der Abtreibung und die Entscheidung als solche betreffen, und weniger medizinische Sachfragen. Das Werbeverbot hat außerdem die Suche nach einem Arzt erschwert, der nach erfolgter Entscheidung den Schwangerschaftsabbruch durchführte. Daher wurde jahrelang eine Änderung des § 219a StGB gefordert.

Zum 29.3.2019 wurde § 219a StGB reformiert. Die komplette Abschaffung scheiterte am Widerstand der Union. Nun durften Ärzte und Krankenhäuser künftig öffentlich darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen. Weitere Informationen durften sie jedoch nicht geben. Sie durften also zum Beispiel nicht mitteilen, nach welcher Methode sie arbeiten und welche Methoden der Abtreibung es überhaupt gibt. Für alle Informationen zu Methoden und Möglichkeiten mussten Ärzte also weiterhin auf offizielle Beratungsstellen verweisen.

Offizielle Ärzteliste hilft bei der Arztsuche


Bei der Bundesärztekammer wird ebenfalls seit 2019 eine Liste von Ärzten, Krankenhäusern und medizinischen Einrichtungen geführt, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Rechtsgrundlage ist § 13 Abs. 3 Schwangerschaftskonfliktgesetz. Die Liste ist online zugänglich.

Abschaffung des Werbeverbots im Juli 2022


Am 24.6.2022 beschloss der Deutsche Bundestag die Aufhebung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche nach § 219a StGB. Die Vorschrift wurde mit Wirkung ab Juli 2022 komplett abgeschafft.

Ärzte dürfen nun also auf ihren Webseiten darüber informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen und außerdem auch über die verwendeten Methoden und deren Vor- und Nachteile informieren. Das Schwangerschaftskonfliktgesetz betont zusätzlich, dass Einrichtungen zur Vornahme von Schwangerschaftsabbrüchen, Krankenhäuser sowie Ärzte sachlich und berufsbezogen über die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs informieren dürfen. Das Heilmittelwerbegesetz sorgt dafür, dass anstößige Werbung im Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbrüchen unzulässig ist.

Rehabilitation für verurteile Ärzte


Gleichzeitig wurde ein neuer Artikel 316n in das Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch eingefügt. Danach sind strafrechtliche Urteile, die nach dem 3. Oktober 1990 aufgrund § 219a StGB wegen Verstößen gegen das Werbeverbot erlassen wurden, aufgehoben. Laufende Verfahren wurden eingestellt.

Praxistipp zum Schwangerschaftsabbruch


Das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche bzw. Abtreibungen wurde aufgehoben. Frauen haben es nun leichter, sich sachliche Informationen über dieses Thema zu beschaffen, sich für eine bestimmte Methode zu entscheiden und einen geeigneten Arzt zu finden. Ärzte können ihre Patientinnen besser informieren. Trotzdem drohen Ärzten und schwangeren Frauen immer noch Freiheitsstrafen nach § 218 ff. StGB, wenn sie sich nicht an die Regeln für Schwangerschaftsabbrüche halten. Wird gegen Sie wegen eines Schwangerschaftsabbruches ermittelt? Dann ist ein Fachanwalt für Strafrecht der beste Ansprechpartner.

(Ma)


 Ulf Matzen
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