Selbstbestimmungsgesetz: Wie oft kann ich mein Geschlecht ändern?

01.11.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Geschlecht,ändern,Transsexuell,Vorname Das neue Selbstbestimmungsgesetz soll Änderungen des Geschlechts vereinfachen. © - freepik
Das Wichtigste in Kürze

1. Geschlechtseintrag im Ausweis: Das Selbstbestimmungsgesetz wird die Änderung des Geschlechtseintrags in den Ausweispapieren sowie des Vornamens leichter ermöglichen. Künftig ist dazu lediglich noch eine Erklärung gegenüber dem Standesamt über das selbst geänderte Geschlecht nötig.

2. Künftig freie Wahl: Die im noch geltenden Transsexuellengesetz für eine Änderung des Geschlechtseintrags geregelten Voraussetzungen fallen komplett weg. Zumindest jeder Volljährige kann sein Geschlecht dann einmal im Jahr ohne Weiteres selbst bestimmen.

3. Minderjährige: Für Minderjährige unter 14 Jahren muss die Erklärung beim Standesamt von den sorgeberechtigten Eltern abgegeben werden. Jugendliche ab 14 Jahren sollen die Erklärung vorbehaltlich der Zustimmung der Eltern selbst abgeben können. Stimmen die Eltern nicht zu, kann der Jugendliche vor dem Familiengericht klagen.
Das Selbstbestimmungsgesetz ist am 1. November 2024 in Kraft getreten. Wer sein Geschlecht im Ausweis ändern wollte, hatte es bisher nicht einfach. Nach dem Transsexuellengesetz war bisher ein Nachweis notwendig, dass man sich seit mindestens drei Jahren nicht mehr dem Geschlecht in seinem Ausweis zugehörig fühlte. Auch war ein Antrag beim Amtsgericht erforderlich, zwei Gutachten durch psychologische Sachverständige und ein Gespräch mit dem Richter. Die durchschnittliche Verfahrensdauer betrug neun Monate, die durchschnittlichen Verfahrenskosten lagen bei rund 1.800 Euro. Unter fünf Prozent der Anträge wurden abgelehnt. All dies soll sich nun ändern.

Wie viel Menschen sehen sich weder als Mann noch als Frau?


Nach den neuen Zahlen des im Jahr 2022 durchgeführten Zensus sind deutschlandweit insgesamt 2228 Menschen weder Mann noch Frau. Von diesen machten zum Stichtag im Mai 2022 insgesamt 1259 Personen keine Angabe zu ihrem Geschlecht, 969 bezeichneten sich als "divers". Gesamt lebten zu diesem Zeitpunkt 42.044.446 Frauen und 40.672.866 Männer in Deutschland. Daraus leite sich ab, dass 0,001522 Prozent der Bevölkerung keine Angabe zu ihrem Geschlecht machten und sich 0,001171 Prozent als "divers" eintragen ließen. Zusammen machten beide Gruppen 0,002693 Prozent aus.
Trotzdem haben sich laut der Katholischen Nachrichtenagentur allein in Berlin bis Ende Oktober 2024 tausend Personen für einen Antrag auf Änderung des Geschlechtseintrags gemeldet.

Was ist das Selbstbestimmungsrecht und wo hat es seine Grundlage?


Selbstbestimmung bedeutet, dass jeder Mensch selbst die Entscheidung treffen darf, wie und als was er leben möchte - zumindest, solange es nicht die Rechte anderer beeinträchtigt. Dies ist im Grundgesetz als das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit niedergelegt (Art. 2 Abs. 1 GG).

Was soll das neue Selbstbestimmungsgesetz regeln?


Das neue Selbstbestimmungsgesetz regelt die erleichterte Änderung des Geschlechtseintrags in den Ausweispapieren und des Vornamens. Für transgeschlechtliche, nichtbinäre und intergeschlechtliche Personen ist dieser Bereich nun einheitlich geregelt. Bisher gab es dafür zwei verschiedene Gesetze und unterschiedliche Voraussetzungen.

Das Selbstbestimmungsgesetz bezieht sich nur auf die Änderung des Geschlechtseintrags und des Vornamens - nicht auf die Frage, ob man operative, körperliche Änderungen vornehmen darf. Die Kriterien für letzteres ändern sich nicht und sind medizinischer Art.

Was galt nach dem alten Transsexuellengesetz?


Nach dem Transsexuellengesetz aus dem Jahr 1980 mussten Betroffene für eine Änderung des Geschlechts- oder Vornamenseintrags zwei psychologische Gutachten einreichen. Das zuständige Amtsgericht entschied über die Zulässigkeit der Änderung. Teile der Vorschriften wurden allerdings inzwischen vom Bundesverfassungsgericht verworfen.

Was muss ich tun, um mein Geschlecht zu ändern?


Volljährige können künftig ihren Geschlechtseintrag und ihren Vornamen ändern, indem sie gegenüber dem Standesamt eine Erklärung abgeben. Gericht und Gutachter entfallen. Die Erklärung wird nach einer dreimonatigen Wartefrist wirksam.
Minderjährige müssen zur Änderung ihres Geschlechts lediglich behaupten, dass sie zuvor beraten worden seien. „Berater“ im Sinne des Gesetzes kann sich jeder nennen – es werden keine Anforderungen an die Qualifikation gestellt.

Was gilt für den Geschlechtswandel von Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren?


Wenn die Eltern eines Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren einen Geschlechtswandel ablehnen, ist das Standesamt verpflichtet, dies dem Familiengericht zu melden. Die Eltern müssen dem Gericht dann nachweisen, dass der beabsichtigte Geschlechtswandel nicht dem Kindeswohl widerspricht (neu: Beweislastumkehr!).

Was gilt für den Geschlechtswandel von Kindern zwischen 5 und 14 Jahren?


Mit Blick auf minderjährige Kinder zwischen 5 und 14 Jahren sagt das Gesetz: „Bei der Ablehnung eines Wunsches nach Änderung des Geschlechtseintrags und der Vornamen müssen das Kindeswohl und der Entwicklungsstand des Kindes im Zentrum stehen“. Widersprechen die Eltern dem Wunsch ihres Kindes nach einem Geschlechtswandel, entscheidet das Familiengericht. Das Selbstbestimmungsgesetz regelt dazu: „Das Familiengericht kann jederzeit von Amts wegen oder auf Anregung der Beteiligten wie auch Dritter tätig werden“. Mit "Beteiligten" meint es den Minderjährigen oder dessen Eltern, mit "Dritten" das Jugendamt, Beratungsstellen oder Vertrauenspersonen. Widersetzen sich Eltern dem Geschlechtswandel ihres zwischen 5 und 14 Jahre alten Kindes, kann das Familiengericht einen Ergänzungspfleger für die Familie bestellen.

Dürfen die Eltern direkt nach der Geburt das Geschlecht ihres Kindes ändern?


Ja. Obwohl das Gesetz den Begriff "Selbstbestimmung" in sich trägt, dürfen Eltern eines frisch geborenen biologischen Mädchens diesen als "Jungen" eintragen lassen et vice versa. Nach fünf Jahren Umerziehung zum wahrscheinlich falschen Geschlecht, könnte das Mädchen dann eine Geschlechtsänderung zu dem vornehmen lassen, was es ist: ein Mädchen.
Obendrein können die Eltern im Stammbuch den Eintrag „Mutter“ oder „Vater“ durch das Wort „Elternteil“ ersetzen lassen.

Wie oft kann ich künftig mein Geschlecht ändern?


Hat man sein Geschlecht und seinen Vornamen im Ausweis ändern lassen, gilt eine Sperrfrist von einem Jahr. Diese soll übereilte Entscheidungen verhindern. Zusammen mit der dreimonatigen Wartefrist vergehen also 15 Monate, bis wieder eine Änderung erfolgen kann. Die Gesamtzahl der Änderungen ist nicht beschränkt.

Was gilt für die Geschlechtsänderung mit Blick auf die Bundeswehr?


Im Kriegsfall stellt sich die Frage, wer das Land verteidigen soll. Bisher können dafür "alle Männer vom vollendeten 18. Lebensjahr an, die Deutsche im Sinne des Grundgesetzes sind", herangezogen werden.

Was ist nun aber, wenn diese gerade ihr Geschlecht geändert haben? Kann sich womöglich jemand durch eine Geschlechtsänderung im Pass vor der Landesverteidigung drücken?

Nein. Im künftigen Selbstbestimmungsgesetz ist vorgesehen, dass man trotzdem eingezogen wird, wenn die Änderung des Geschlechts in "unmittelbarem zeitlichem Zusammenhang mit dem Spannungs- und Verteidigungsfall" stattgefunden hat.
Das bedeutet nicht nur, dass eine Geschlechtsänderung kein Weg ist, um sich vor dem Kriegsdienst zu drücken. Es bedeutet auch, dass Transmenschen im Ernstfall ebenfalls Kriegsdienst leisten müssen.

Wie regelt das Selbstbestimmungsgesetz den Zugang zu geschützten Räumen?


Das Gesetz enthält eine Regelung, nach der eine Änderung des Geschlechtseintrags niemandem automatisch Zugang zu "geschützten Räumen" für ein bestimmtes Geschlecht, z.B. Frauen, gibt. Die Entscheidung über den Zugang hat der Gesetzgeber an den Inhaber des jeweiligen Hausrechts delegiert und damit in das Privatrecht verlagert. Dabei geht es zum Beispiel um die Nutzung von Damentoiletten oder den Fall nicht gemischter Saunen, aber ebenso um Kneipen, Schwimmbäder, Fitness-Clubs oder auch Tennis-Clubs.

Wie werden Verstöße gegen das Selbstbestimmungsgesetz bestraft?


Das neue Selbstbestimmungsgesetz sieht zum Beispiel ein sogenanntes Offenbarungsverbot vor: Wer die Geschlechtsänderung einer anderen Person gegen deren Willen offenlegt und dieser dadurch Schaden zufügt, begeht eine Ordnungswidrigkeit und muss mit einem Bußgeld rechnen. Ebenso droht demjenigen eine Geldstrafe bis zu 10.000 Euro, der eine Person, die ihr Geschlecht gewechselt und sich in diesem Zuge einen neuen Namen gegeben hat, mit dem bisherigen Namen anredet - und zwar auch unabsichtlich.

Praxistipp zur Geschlechtsänderung nach dem Selbstbestimmungsgesetz


Die Eintragung eines anderen Geschlechts im Ausweis bzw. Pass wird künftig einfacher. Ein Rechtsanwalt für Verwaltungsrecht kann bei Problemen helfen.

(Bu)


 Stephan Buch
Anwalt-Suchservice
Juristische Redaktion
E-Mail schreiben Juristische Redaktion