Sexuelle Übergriffe: Welche Regeln gelten für die öffentliche Videoüberwachung?
13.01.2016, Redaktion Anwalt-Suchservice
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Videoüberwachung ist der Oberbegriff für die optische Überwachung durch Kameras. Diese kann mit einer Speicherung von Bildmaterial verbunden sein, auch die elektronische Bearbeitung und Auswertung wird ermöglicht (Gesichtserkennung, Verfolgung über mehrere Kameras).
Das Tun und Lassen einer Person mit Kameras zu überwachen und diese Daten zu speichern, kollidiert grundsätzlich mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz. Aus diesen Artikeln des Grundgesetzes wird auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung abgeleitet – jeder kann selbst entscheiden, was mit seinen persönlichen Daten passiert. Allerdings: Grundrechte können eingeschränkt werden, wenn andere wichtige Rechtsgüter in Gefahr sind. Der Gesetzgeber hat dazu verschiedene Regeln erlassen.
§ 6b des Bundes-Datenschutzgesetzes (BDSG) befasst sich mit der "Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen" – also mit Kameraüberwachung in der Öffentlichkeit. Diese ist nur zulässig, soweit sie
- zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen,
- zur Wahrnehmung des Hausrechts oder
- zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke
erforderlich ist und es keine Anhaltspunkte für überwiegende schutzwürdige Interessen der Überwachten gibt (etwa am Schutz ihrer Privatsphäre, der freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit oder ihrer persönlichen Daten). Das "wichtigere" Interesse muss also das an der Überwachung sein.
Das Bundesdatenschutzgesetz gibt auch Regeln für die Ausführung vor. So muss auf die Überwachung und die verantwortliche Stelle deutlich hingewiesen werden, etwa durch Hinweisschilder. Die gewonnenen Daten dürfen verarbeitet und genutzt werden, wenn es für den verfolgten Zweck erforderlich ist und – auch hier – keine Anhaltspunkte für überwiegende schutzwürdige Interessen der Überwachten bestehen. Für einen anderen als den ursprünglich beabsichtigten Zweck dürfen die Daten nur verwendet werden, wenn es zur Abwehr von Gefahren für die staatliche und öffentliche Sicherheit oder zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist.
Bei Demonstrationen oder Großveranstaltungen sieht man immer wieder Polizeibeamte mit Kameras oder Kamerafahrzeuge. Auch dafür gibt es gesetzliche Regeln. Diese finden sich meist in den Polizeigesetzen der Bundesländer, welche zum Verwaltungsrecht zählen. So erlaubt zum Beispiel § 15a des Polizeigesetzes Nordrhein-Westfalen, dass die Polizei zur Verhütung von Straftaten einzelne öffentliche Orte mit Kameras überwacht. Voraussetzung: Es wurden dort wiederholt Straftaten begangen, die Örtlichkeit begünstigt Straftaten und weitere sind zu erwarten.
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden, dass das anlasslose Filmen eines "Aufzuges" – hier ging es um eine friedliche Demonstration gegen Atomkraft
- durch einen Kamerawagen der Polizei unzulässig sei. Es liege ein Verstoß gegen das allen Deutschen zustehende freie Versammlungsrecht aus Art. 8 Grundgesetz vor. Dies gelte unabhängig davon, ob die Aufnahmen gespeichert würden oder nicht (5. Juli 2010, Aktenzeichen VG 1 K 905.09).
Laut Verwaltungsgericht Karlsruhe darf die Polizei über feste Kameras die Innenstadt von Mannheim überwachen, um Straftaten vorzubeugen. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, das die Überwachung im Einklang mit dem Landes-Polizeigesetz war und nicht gegen Grundrechte verstoße. Insbesondere sei auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt (Urteil vom 10. Oktober 2001, Aktenzeichen 11 K 191/01).
Das Bundesverfassungsgericht hatte sich mit der von einer Gemeinde durchgeführten Videoüberwachung eines im öffentlichen Raum installierten Kunstwerkes zur Verhinderung von Vandalismus zu befassen. Das Gericht sah die Überwachung (mit Aufzeichnung) hier als unzulässigen Eingriff in die Grundrechte an. Eine gesetzliche Grundlage für eine von der Gemeinde durchgeführte Überwachung fehle, die Regelungen der Datenschutzgesetze könnten nicht herangezogen werden (Beschluss vom 23.2.2007, Aktenzeichen 1 BvR 2368/06).
Ob eine Videoüberwachung städtischer öffentlicher Platze zulässig ist, richtet sich nach den Landesgesetzen und nach dem Anlass der Überwachung. Hat es bereits Straftaten gegeben und sind weitere zu befürchten, wird eine Videoüberwachung oft als rechtmäßig anzusehen sein. Ob diese allerdings tatsächlich zu einer Verringerung von Straftaten führt, wird in der Praxis davon abhängen, welche Folgen mit der Überwachung verbunden sind. Ein Abschreckungseffekt setzt voraus, dass genügend Personal vorhanden ist, um die Anlage ständig zu überwachen und im Ernstfall zügig zu reagieren.
Als Mittel gegen sexuelle Übergriffe bei Veranstaltungen und in Menschenmengen wird derzeit über eine verstärkte öffentliche Videoüberwachung öffentlicher Plätze diskutiert. Wie sind die rechtlichen Rahmenbedingungen?
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Videoüberwachung – was versteht man darunter? Eingriff in Grundrechte? Was regelt das Bundesdatenschutzgesetz? Welche Regeln sind bei der Überwachung einzuhalten? Mobile Videoüberwachung durch die Polizei erlaubt? Ist anlassloses Filmen eines Demonstrationszuges unzulässig? Ist eine Kameraüberwachung der Innenstadt zulässig? Kunst mit Kameras Fazit Videoüberwachung – was versteht man darunter?
Videoüberwachung ist der Oberbegriff für die optische Überwachung durch Kameras. Diese kann mit einer Speicherung von Bildmaterial verbunden sein, auch die elektronische Bearbeitung und Auswertung wird ermöglicht (Gesichtserkennung, Verfolgung über mehrere Kameras).
Eingriff in Grundrechte?
Das Tun und Lassen einer Person mit Kameras zu überwachen und diese Daten zu speichern, kollidiert grundsätzlich mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz. Aus diesen Artikeln des Grundgesetzes wird auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung abgeleitet – jeder kann selbst entscheiden, was mit seinen persönlichen Daten passiert. Allerdings: Grundrechte können eingeschränkt werden, wenn andere wichtige Rechtsgüter in Gefahr sind. Der Gesetzgeber hat dazu verschiedene Regeln erlassen.
Was regelt das Bundesdatenschutzgesetz?
§ 6b des Bundes-Datenschutzgesetzes (BDSG) befasst sich mit der "Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen" – also mit Kameraüberwachung in der Öffentlichkeit. Diese ist nur zulässig, soweit sie
- zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen,
- zur Wahrnehmung des Hausrechts oder
- zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke
erforderlich ist und es keine Anhaltspunkte für überwiegende schutzwürdige Interessen der Überwachten gibt (etwa am Schutz ihrer Privatsphäre, der freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit oder ihrer persönlichen Daten). Das "wichtigere" Interesse muss also das an der Überwachung sein.
Welche Regeln sind bei der Überwachung einzuhalten?
Das Bundesdatenschutzgesetz gibt auch Regeln für die Ausführung vor. So muss auf die Überwachung und die verantwortliche Stelle deutlich hingewiesen werden, etwa durch Hinweisschilder. Die gewonnenen Daten dürfen verarbeitet und genutzt werden, wenn es für den verfolgten Zweck erforderlich ist und – auch hier – keine Anhaltspunkte für überwiegende schutzwürdige Interessen der Überwachten bestehen. Für einen anderen als den ursprünglich beabsichtigten Zweck dürfen die Daten nur verwendet werden, wenn es zur Abwehr von Gefahren für die staatliche und öffentliche Sicherheit oder zur Verfolgung von Straftaten erforderlich ist.
Mobile Videoüberwachung durch die Polizei erlaubt?
Bei Demonstrationen oder Großveranstaltungen sieht man immer wieder Polizeibeamte mit Kameras oder Kamerafahrzeuge. Auch dafür gibt es gesetzliche Regeln. Diese finden sich meist in den Polizeigesetzen der Bundesländer, welche zum Verwaltungsrecht zählen. So erlaubt zum Beispiel § 15a des Polizeigesetzes Nordrhein-Westfalen, dass die Polizei zur Verhütung von Straftaten einzelne öffentliche Orte mit Kameras überwacht. Voraussetzung: Es wurden dort wiederholt Straftaten begangen, die Örtlichkeit begünstigt Straftaten und weitere sind zu erwarten.
Ist anlassloses Filmen eines Demonstrationszuges unzulässig?
Das Verwaltungsgericht Berlin hat entschieden, dass das anlasslose Filmen eines "Aufzuges" – hier ging es um eine friedliche Demonstration gegen Atomkraft
- durch einen Kamerawagen der Polizei unzulässig sei. Es liege ein Verstoß gegen das allen Deutschen zustehende freie Versammlungsrecht aus Art. 8 Grundgesetz vor. Dies gelte unabhängig davon, ob die Aufnahmen gespeichert würden oder nicht (5. Juli 2010, Aktenzeichen VG 1 K 905.09).
Ist eine Kameraüberwachung der Innenstadt zulässig?
Laut Verwaltungsgericht Karlsruhe darf die Polizei über feste Kameras die Innenstadt von Mannheim überwachen, um Straftaten vorzubeugen. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, das die Überwachung im Einklang mit dem Landes-Polizeigesetz war und nicht gegen Grundrechte verstoße. Insbesondere sei auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt (Urteil vom 10. Oktober 2001, Aktenzeichen 11 K 191/01).
Kunst mit Kameras
Das Bundesverfassungsgericht hatte sich mit der von einer Gemeinde durchgeführten Videoüberwachung eines im öffentlichen Raum installierten Kunstwerkes zur Verhinderung von Vandalismus zu befassen. Das Gericht sah die Überwachung (mit Aufzeichnung) hier als unzulässigen Eingriff in die Grundrechte an. Eine gesetzliche Grundlage für eine von der Gemeinde durchgeführte Überwachung fehle, die Regelungen der Datenschutzgesetze könnten nicht herangezogen werden (Beschluss vom 23.2.2007, Aktenzeichen 1 BvR 2368/06).
Fazit
Ob eine Videoüberwachung städtischer öffentlicher Platze zulässig ist, richtet sich nach den Landesgesetzen und nach dem Anlass der Überwachung. Hat es bereits Straftaten gegeben und sind weitere zu befürchten, wird eine Videoüberwachung oft als rechtmäßig anzusehen sein. Ob diese allerdings tatsächlich zu einer Verringerung von Straftaten führt, wird in der Praxis davon abhängen, welche Folgen mit der Überwachung verbunden sind. Ein Abschreckungseffekt setzt voraus, dass genügend Personal vorhanden ist, um die Anlage ständig zu überwachen und im Ernstfall zügig zu reagieren.
(Wk)