Sind teure Strom- und Gastarife für Neukunden rechtlich zulässig?
12.06.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
© - freepik Wer durch günstige Tarife bei Strom und Gas sparen wollte, hatte im letzten Jahr oft das Nachsehen. Viele Discount-Anbieter, die zuvor mit billigen Tarifen Werbung gemacht haben, konnten sich diese durch die Umbrüche am Energiemarkt und erhöhte Beschaffungspreise nicht mehr leisten. Im letzten Quartal 2022 wurden daher in hunderttausenden Fällen Lieferverträge einfach gekündigt und die Belieferung mit Strom und Gas eingestellt. Die Kunden standen dann zwar nicht ohne Strom oder Gas dar, landeten aber in der sogenannten Grundversorgung bei den örtlichen Stadtwerken. Dort mussten Neukunden oft deutlich höhere Tarife zahlen als Bestandskunden. Es kam zu Gerichtsverfahren um die Frage, ob dies legal sei.
Als Grundversorger gilt das Unternehmen, welches in einer Region die meisten Kunden mit Strom oder Gas beliefert. Oft handelt es sich dabei um die örtlichen Stadtwerke. Der Grundversorger ist gesetzlich dazu verpflichtet, die Haushalte in seiner Region zu beliefern - sofern diese keinen Vertrag mit einem anderen Versorgungsunternehmen haben.
Was es mit Grundversorgung und Ersatzversorgung im Einzelnen auf sich hat, erklären wir hier:
Gas und Strom: Was Sie jetzt zur Grund- bzw. Ersatzversorgung wissen müssen
Der Anstieg der Einkaufspreise für Strom und Gas hat dazu geführt, dass viele Billiganbieter in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerieten. Sie konnten die günstigeren Tarife, mit denen sie zuvor Kunden geworben hatten, nun nicht mehr annähernd halten. Vielen Kunden wurde daher gekündigt, einige Anbieter gingen auch insolvent. Damit fiel sehr plötzlich eine große Anzahl von Kunden in die Grundversorgung bzw. Ersatzversorgung. Die Grundversorger mussten nun, um diese Kunden versorgen zu können, ohne lange Vorplanung an den Spotmärkten zum Tagespreis einkaufen. Hier waren die Preise jedoch deutlich höher als bei langfristigen Lieferverträgen. Daher versuchten viele Grundversorger, den Unterschied bei den Einkaufspreisen auch wieder durch deutlich höhere Neukundentarife auszugleichen.
Massive Preissteigerungen bei Strom und Gas waren in Deutschland bis Mitte Dezember 2022 zu beobachten. Ursache waren befürchtete Versorgungsengpässe durch den Ukrainekrieg. Ein milder Winter und eine ausreichende Energieversorgung führten dann jedoch zu einem schnellen Sinken der Großhandelspreise, bei Strom zum Beispiel von 500 Euro pro Megawattstunde auf 150 Euro Mitte Januar 2023.
Während der Strompreis für Verbraucher Mitte Dezember oft bei über 50 Cent pro Kilowattstunde lag, sank er im Januar teilweise um 30 Prozent. Günstigere Angebote kamen nun wieder auf den Markt. Mit weiteren starken Schwankungen ist jedoch zu rechnen.
Das Vergleichsportal Verivox meldete im Juni 2023, dass die Preisunterschiede bei Strom- und Gastarifen so groß seien, wie noch nie dagewesen. So sei zwischen den Grundversorgungstarifen der örtlichen Versorger und den günstigsten Angeboten für Neukunden bei einem Musterhaushalt eine Differenz von 760 Euro festzustellen, bei Erdgas von 1.391 Euro. Grundversorgungstarife sind also im Durchschnitt deutlich teurer.
Mancher Grundversorger verlangte im Herbst und Winter 2022 von Neukunden deutlich höhere Preise. Vor dem Landgericht Köln klagte ein Ökostromanbieter gegen den Grundversorger, da sich dieser aus seiner Sicht einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil verschafft hatte. Denn: Der Grundversorger verlangte von Neukunden um 254 Prozent höhere Preise, als von Bestandskunden. Das Landgericht Köln gab dem Ökostromanbieter recht: Dies sei eine unzulässige Ausnutzung einer Monopolstellung (Az. 90 O 12/22). Eine sachliche Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung würde nicht bestehen. Die Argumentation mit gestiegenen Großhandelspreisen reiche nicht aus, ebenso wenig der Hinweis auf die Übernahme von Kunden von teils insolventen Billiganbietern. Stattdessen finde hier offenbar eine Quersubventionierung von günstigen Tarifen für Bestandskunden mit Hilfe von teureren Tarifen für Neukunden statt.
Das Landgericht Mannheim hat den Stadtwerken Pforzheim ebenfalls untersagt, Neukunden deutlich höhere Stromtarife zu berechnen. Diese waren in der Grund- und Ersatzversorgung verlangt worden. So hatten die Stadtwerke bereits Ende 2021 107,66 Cent pro Kilowattstunde verlangt. Damit stieg der Preis für Neukunden um 336 Prozent gegenüber dem für Bestandskunden. Zwar wurde der Neukundenpreis im Januar 2022 dann auf 55,24 Cent gesenkt. Trotzdem lag der Preis für Bestandskunden immer noch 173 Prozent darunter. Einen sachlichen Grund dafür sah das Gericht nicht: Hier nutze der Grundversorger seine marktbeherrschende Stellung in unzulässiger Weise aus (Az. 22 O 3 / 22 Kart).
Ebenso verbot das Landgericht Frankfurt a. M. dem Energieversorgungsunternehmen Mainova, Neukunden und Bestandskunden bei Strom und Gas unterschiedliche Tarife zu berechnen. Verschiedene Tarife für diese beiden Kundengruppen seien wettbewerbswidrig, es handle sich auch um einen Verstoß gegen das Energiewirtschaftsgesetz (Az. 03-06 O 6/22).
Eine ähnliche Entscheidung fällte das Landgericht Hannover. Hier ging es um die EVI Energieversorgung Hildesheim. Auch hier wurde ein Tarifsplitting bei Neu- und Bestandskunden für unzulässig angesehen (Az. 25 O 6/22).
Die Verbraucherzentrale NRW hatte beim Landgericht Köln eine einstweilige Verfügung gegen einen Grundversorger beantragt, der ebenfalls unterschiedliche Strom- und Gastarife für Neukunden und Bestandskunden vorsah. Das Gericht wies zwar darauf hin, dass nach § 36 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) in der Grundversorgung grundsätzlich gleiche Preise zu verlangen seien. Der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses dürfe bei den Preisen grundsätzlich keine Rolle spielen. Aber: Es sei nirgendwo vorgeschrieben, dass es nur einen Tarif geben dürfe.
In der nächsten Instanz übernahm das Oberlandesgericht Köln diese Argumentation. Tatsächlich verpflichte § 36 Abs. 1 S. 1 EnWG die Grundversorger dazu, ihre Allgemeinen Bedingungen und Preise öffentlich bekannt zu geben und jeden Haushaltskunden diesen Bedingungen entsprechend zu beliefern. Die Grundversorger seien jedoch nicht dazu verpflichtet, alle Kunden zum gleichen Preis zu beliefern
Auch das EU-Recht enthalte keine solche Pflicht. Zwar verlange die Richtlinie 2019/944 in Art. 27 Abs. 1, allen Haushaltskunden das Recht auf Versorgung mit Elektrizität einer bestimmten Qualität zu wettbewerbsfähigen, leicht und eindeutig vergleichbaren, transparenten und diskriminierungsfreien Preisen zu gewähren. Dies untersage jedoch keine Tarifaufspaltung zwischen Neu- und Bestandskunden (Beschluss vom 2.3.2022, Az. 6 W 10/22). Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Das Gesetz enthält die Formulierung: "Energieversorgungsunternehmen dürfen bei den Allgemeinen Bedingungen und Allgemeinen Preisen nicht nach dem Zeitpunkt des Zustandekommens des Grundversorgungsvertrages unterscheiden." Das Prinzip des freien Wettbewerbs gilt hier nicht, weil Grundversorger gesetzlich dazu verpflichtet sind, Neukunden aus ihrer Region aufzunehmen. Aber: Das Gericht sah diese Regelung nicht als Hindernis an, von Neukunden und Bestandskunden unterschiedliche Preise zu verlangen.
Auch das Landgericht Berlin lehnte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen einen Energieversorger in Sachen Preisspaltung ab (Az. 92 O 1/22 Kart).
Das Bundeskartellamt hat sich im Januar 2022 zu den unterschiedlichen Strom- und Gastarifen für Neukunden und Bestandskunden geäußert. Der Präsident des Kartellamts sprach dabei von "missbräuchlich überhöhten Mondpreisen". Zwar könne ein gewisser Preisunterschied durch die Marktlage gerechtfertigt sein. Dieser müsse jedoch im Verhältnis bleiben und vom Grundversorger auch begründet werden können. Eine - angemessene - Tarifspreizung könne für eine Übergangszeit das mildere Mittel sein. Denn: Die Alternative wäre eine Preiserhöhung auch für Bestandskunden. Viele finanziell schwache Kunden der Grundversorger könnten jedoch aufgrund schlechter Bonität nicht einfach den Anbieter wechseln, da sie nirgendwo anders angenommen würden.
Mittlerweile gibt es wieder günstigere Angebote für Neukunden, auch bei überregionalen Energieversorgern. Allerdings sollten sich Kunden klarmachen, dass sich auch die Marktlage inzwischen wieder geändert hat. Gibt es erneut starke Preiserhöhungen durch Versorgungsengpässe, kann eine ähnliche Situation wie im Herbst und Winter 2022 / 2023 erneut entstehen. Dann kann es wieder dazu kommen, dass sich Kunden von preisgünstigeren Anbietern schnell in der Grundversorgung ihres regionalen Energieversorgers wiederfinden.
Kunden von Energieversorgen sollten die Rechtsprechung der Gerichte in solchen Fragen durchaus im Auge behalten. Bei einer Auseinandersetzung mit Ihrem Strom- und Gasanbieter kann Sie ein Rechtsanwalt für Zivilrecht beraten.
Das Wichtigste in Kürze
1. Begriff Grundversorger: Als Grundversorger gilt der Energieversorger, der in einer Region die meisten Kunden mit Strom oder Gas beliefert. Grundversorger sind gesetzlich dazu verpflichtet, Neukunden aus ihrer Region aufzunehmen.
2. Rechtsprechung: Die Gerichte urteilen in der Frage, ob Grundversorger Bestands- und Neukunden bei den Strom- und Gaspreisen unterschiedlich behandeln dürfen, nicht einheitlich.
3. Bundeskartellamt: Der Präsident des Kartellamts äußerte sich anlässlich der in der Energiekrise teils "missbräuchlich überhöhten Mondpreise" dahingehend, dass ein gewisser Preisunterschied durch die Marktlage gerechtfertigt sein könne. Dieser müsse jedoch im Verhältnis bleiben und vom Grundversorger auch begründet werden können.
1. Begriff Grundversorger: Als Grundversorger gilt der Energieversorger, der in einer Region die meisten Kunden mit Strom oder Gas beliefert. Grundversorger sind gesetzlich dazu verpflichtet, Neukunden aus ihrer Region aufzunehmen.
2. Rechtsprechung: Die Gerichte urteilen in der Frage, ob Grundversorger Bestands- und Neukunden bei den Strom- und Gaspreisen unterschiedlich behandeln dürfen, nicht einheitlich.
3. Bundeskartellamt: Der Präsident des Kartellamts äußerte sich anlässlich der in der Energiekrise teils "missbräuchlich überhöhten Mondpreise" dahingehend, dass ein gewisser Preisunterschied durch die Marktlage gerechtfertigt sein könne. Dieser müsse jedoch im Verhältnis bleiben und vom Grundversorger auch begründet werden können.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Was ist ein Grundversorger? Strom und Gas: Warum viel teurere Neukundentarife? Wie haben sich die Preise für Strom und Gas entwickelt? Was sagt die Rechtsprechung zu teuren Neukundentarifen? Welche Gerichte hielten höhere Neukundentarife bei Strom und Gas für zulässig? Was sagt das Bundeskartellamt zu den Preisunterschieden? Überregionale Strom- und Gasanbieter als Ausweichmöglichkeit? Praxistipp zu erhöhten Strom- und Gaspreisen für Neukunden Was ist ein Grundversorger?
Als Grundversorger gilt das Unternehmen, welches in einer Region die meisten Kunden mit Strom oder Gas beliefert. Oft handelt es sich dabei um die örtlichen Stadtwerke. Der Grundversorger ist gesetzlich dazu verpflichtet, die Haushalte in seiner Region zu beliefern - sofern diese keinen Vertrag mit einem anderen Versorgungsunternehmen haben.
Was es mit Grundversorgung und Ersatzversorgung im Einzelnen auf sich hat, erklären wir hier:
Gas und Strom: Was Sie jetzt zur Grund- bzw. Ersatzversorgung wissen müssen
Strom und Gas: Warum viel teurere Neukundentarife?
Der Anstieg der Einkaufspreise für Strom und Gas hat dazu geführt, dass viele Billiganbieter in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerieten. Sie konnten die günstigeren Tarife, mit denen sie zuvor Kunden geworben hatten, nun nicht mehr annähernd halten. Vielen Kunden wurde daher gekündigt, einige Anbieter gingen auch insolvent. Damit fiel sehr plötzlich eine große Anzahl von Kunden in die Grundversorgung bzw. Ersatzversorgung. Die Grundversorger mussten nun, um diese Kunden versorgen zu können, ohne lange Vorplanung an den Spotmärkten zum Tagespreis einkaufen. Hier waren die Preise jedoch deutlich höher als bei langfristigen Lieferverträgen. Daher versuchten viele Grundversorger, den Unterschied bei den Einkaufspreisen auch wieder durch deutlich höhere Neukundentarife auszugleichen.
Wie haben sich die Preise für Strom und Gas entwickelt?
Massive Preissteigerungen bei Strom und Gas waren in Deutschland bis Mitte Dezember 2022 zu beobachten. Ursache waren befürchtete Versorgungsengpässe durch den Ukrainekrieg. Ein milder Winter und eine ausreichende Energieversorgung führten dann jedoch zu einem schnellen Sinken der Großhandelspreise, bei Strom zum Beispiel von 500 Euro pro Megawattstunde auf 150 Euro Mitte Januar 2023.
Während der Strompreis für Verbraucher Mitte Dezember oft bei über 50 Cent pro Kilowattstunde lag, sank er im Januar teilweise um 30 Prozent. Günstigere Angebote kamen nun wieder auf den Markt. Mit weiteren starken Schwankungen ist jedoch zu rechnen.
Das Vergleichsportal Verivox meldete im Juni 2023, dass die Preisunterschiede bei Strom- und Gastarifen so groß seien, wie noch nie dagewesen. So sei zwischen den Grundversorgungstarifen der örtlichen Versorger und den günstigsten Angeboten für Neukunden bei einem Musterhaushalt eine Differenz von 760 Euro festzustellen, bei Erdgas von 1.391 Euro. Grundversorgungstarife sind also im Durchschnitt deutlich teurer.
Was sagt die Rechtsprechung zu teuren Neukundentarifen?
Mancher Grundversorger verlangte im Herbst und Winter 2022 von Neukunden deutlich höhere Preise. Vor dem Landgericht Köln klagte ein Ökostromanbieter gegen den Grundversorger, da sich dieser aus seiner Sicht einen unzulässigen Wettbewerbsvorteil verschafft hatte. Denn: Der Grundversorger verlangte von Neukunden um 254 Prozent höhere Preise, als von Bestandskunden. Das Landgericht Köln gab dem Ökostromanbieter recht: Dies sei eine unzulässige Ausnutzung einer Monopolstellung (Az. 90 O 12/22). Eine sachliche Rechtfertigung für die Ungleichbehandlung würde nicht bestehen. Die Argumentation mit gestiegenen Großhandelspreisen reiche nicht aus, ebenso wenig der Hinweis auf die Übernahme von Kunden von teils insolventen Billiganbietern. Stattdessen finde hier offenbar eine Quersubventionierung von günstigen Tarifen für Bestandskunden mit Hilfe von teureren Tarifen für Neukunden statt.
Das Landgericht Mannheim hat den Stadtwerken Pforzheim ebenfalls untersagt, Neukunden deutlich höhere Stromtarife zu berechnen. Diese waren in der Grund- und Ersatzversorgung verlangt worden. So hatten die Stadtwerke bereits Ende 2021 107,66 Cent pro Kilowattstunde verlangt. Damit stieg der Preis für Neukunden um 336 Prozent gegenüber dem für Bestandskunden. Zwar wurde der Neukundenpreis im Januar 2022 dann auf 55,24 Cent gesenkt. Trotzdem lag der Preis für Bestandskunden immer noch 173 Prozent darunter. Einen sachlichen Grund dafür sah das Gericht nicht: Hier nutze der Grundversorger seine marktbeherrschende Stellung in unzulässiger Weise aus (Az. 22 O 3 / 22 Kart).
Ebenso verbot das Landgericht Frankfurt a. M. dem Energieversorgungsunternehmen Mainova, Neukunden und Bestandskunden bei Strom und Gas unterschiedliche Tarife zu berechnen. Verschiedene Tarife für diese beiden Kundengruppen seien wettbewerbswidrig, es handle sich auch um einen Verstoß gegen das Energiewirtschaftsgesetz (Az. 03-06 O 6/22).
Eine ähnliche Entscheidung fällte das Landgericht Hannover. Hier ging es um die EVI Energieversorgung Hildesheim. Auch hier wurde ein Tarifsplitting bei Neu- und Bestandskunden für unzulässig angesehen (Az. 25 O 6/22).
Welche Gerichte hielten höhere Neukundentarife bei Strom und Gas für zulässig?
Die Verbraucherzentrale NRW hatte beim Landgericht Köln eine einstweilige Verfügung gegen einen Grundversorger beantragt, der ebenfalls unterschiedliche Strom- und Gastarife für Neukunden und Bestandskunden vorsah. Das Gericht wies zwar darauf hin, dass nach § 36 des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) in der Grundversorgung grundsätzlich gleiche Preise zu verlangen seien. Der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses dürfe bei den Preisen grundsätzlich keine Rolle spielen. Aber: Es sei nirgendwo vorgeschrieben, dass es nur einen Tarif geben dürfe.
In der nächsten Instanz übernahm das Oberlandesgericht Köln diese Argumentation. Tatsächlich verpflichte § 36 Abs. 1 S. 1 EnWG die Grundversorger dazu, ihre Allgemeinen Bedingungen und Preise öffentlich bekannt zu geben und jeden Haushaltskunden diesen Bedingungen entsprechend zu beliefern. Die Grundversorger seien jedoch nicht dazu verpflichtet, alle Kunden zum gleichen Preis zu beliefern
Auch das EU-Recht enthalte keine solche Pflicht. Zwar verlange die Richtlinie 2019/944 in Art. 27 Abs. 1, allen Haushaltskunden das Recht auf Versorgung mit Elektrizität einer bestimmten Qualität zu wettbewerbsfähigen, leicht und eindeutig vergleichbaren, transparenten und diskriminierungsfreien Preisen zu gewähren. Dies untersage jedoch keine Tarifaufspaltung zwischen Neu- und Bestandskunden (Beschluss vom 2.3.2022, Az. 6 W 10/22). Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Das Gesetz enthält die Formulierung: "Energieversorgungsunternehmen dürfen bei den Allgemeinen Bedingungen und Allgemeinen Preisen nicht nach dem Zeitpunkt des Zustandekommens des Grundversorgungsvertrages unterscheiden." Das Prinzip des freien Wettbewerbs gilt hier nicht, weil Grundversorger gesetzlich dazu verpflichtet sind, Neukunden aus ihrer Region aufzunehmen. Aber: Das Gericht sah diese Regelung nicht als Hindernis an, von Neukunden und Bestandskunden unterschiedliche Preise zu verlangen.
Auch das Landgericht Berlin lehnte einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen einen Energieversorger in Sachen Preisspaltung ab (Az. 92 O 1/22 Kart).
Was sagt das Bundeskartellamt zu den Preisunterschieden?
Das Bundeskartellamt hat sich im Januar 2022 zu den unterschiedlichen Strom- und Gastarifen für Neukunden und Bestandskunden geäußert. Der Präsident des Kartellamts sprach dabei von "missbräuchlich überhöhten Mondpreisen". Zwar könne ein gewisser Preisunterschied durch die Marktlage gerechtfertigt sein. Dieser müsse jedoch im Verhältnis bleiben und vom Grundversorger auch begründet werden können. Eine - angemessene - Tarifspreizung könne für eine Übergangszeit das mildere Mittel sein. Denn: Die Alternative wäre eine Preiserhöhung auch für Bestandskunden. Viele finanziell schwache Kunden der Grundversorger könnten jedoch aufgrund schlechter Bonität nicht einfach den Anbieter wechseln, da sie nirgendwo anders angenommen würden.
Überregionale Strom- und Gasanbieter als Ausweichmöglichkeit?
Mittlerweile gibt es wieder günstigere Angebote für Neukunden, auch bei überregionalen Energieversorgern. Allerdings sollten sich Kunden klarmachen, dass sich auch die Marktlage inzwischen wieder geändert hat. Gibt es erneut starke Preiserhöhungen durch Versorgungsengpässe, kann eine ähnliche Situation wie im Herbst und Winter 2022 / 2023 erneut entstehen. Dann kann es wieder dazu kommen, dass sich Kunden von preisgünstigeren Anbietern schnell in der Grundversorgung ihres regionalen Energieversorgers wiederfinden.
Praxistipp zu erhöhten Strom- und Gaspreisen für Neukunden
Kunden von Energieversorgen sollten die Rechtsprechung der Gerichte in solchen Fragen durchaus im Auge behalten. Bei einer Auseinandersetzung mit Ihrem Strom- und Gasanbieter kann Sie ein Rechtsanwalt für Zivilrecht beraten.
(Wk)