Sorgerecht: Wer entscheidet über die Religion des Kindes?

22.04.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Sorgerecht,Religion,Kind,Entscheidung Die Entscheidung über die Religion eines Kindes ist oft nicht einfach. © Ma - Anwalt-Suchservice

Im Rahmen ihres Sorgerechts können Eltern auch bestimmen, ob ein Kind im Sinne einer bestimmten Religion erzogen wird und wenn ja, nach welcher. In den letzten Jahren sorgt diese Frage jedoch oft für Streit.

Immer öfter kommt es vor, dass Paare eine unterschiedliche Religion haben. Was vielleicht im Alltag kaum auffällt, kann schnell relevant werden, wenn es um die Erziehung eines Kindes und um seine Religion geht. Daher kommt es zu immer mehr Streitigkeiten darüber, nach wessen Religion sich die Erziehung des Kindes richten soll. Diese Entscheidung gehört zum Sorgerecht der Eltern. Bei einer Trennung ist Streit darüber fast vorprogrammiert.
Beim Familiengericht können Eltern nicht nur die Übertragung des Sorgerechts insgesamt auf einen Elternteil beantragen. Sie können auch beantragen, dass das Gericht einem Elternteil die Entscheidungsbefugnis in einer bestimmten Sache überträgt, über die sie sich nicht einigen können. Dies kann beispielsweise die religiöse Erziehung des Kindes sein.

Warum gehört der Glaube zum Sorgerecht?


§ 1 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung (RelKErzG) besagt, dass in der Regel die "freie Einigung der Eltern" maßgeblich für die Religionszugehörigkeit des Kindes sein soll. Voraussetzung ist, dass die Eltern das Sorgerecht besitzen. Die Einigung über die Religion des Kindes ist jederzeit widerrufbar. Wenn eine solche Einigung nicht mehr besteht, gelten auch für die religiöse Erziehung die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über das Sorgerecht.

Unabhängig davon gilt jedoch nach § 2 des RelKErzG: Keiner der Elternteile darf ohne Zustimmung des anderen über einen Wechsel der Religion des Kindes entscheiden. Ebenso darf keiner von beiden eigenmächtig das Kind vom Religionsunterricht abmelden.

Welche Rechte haben Eltern aufgrund ihres Sorgerechts hinsichtlich der Religion des Kindes?


Das Sorgerecht bzw. korrekter die "elterliche Sorge" ist in den §§ 1626 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt. Nach diesen Vorschriften haben Eltern nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, für ihr minderjähriges Kind zu sorgen. Zusätzlich ergibt sich dies auch aus Artikel 6 Abs. 2 des Grundgesetzes. Unterscheiden muss man beim Thema Sorgerecht die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und die Sorge für dessen finanzielle Angelegenheiten (Vermögenssorge).

Nach § 1626 BGB müssen die Eltern bei der Ausübung des Sorgerechts im Rahmen der Pflege und Erziehung des Kindes dessen wachsende Fähigkeiten berücksichtigen und ebenso sein wachsendes Bedürfnis nach selbständigem, verantwortungsbewusstem Handeln. Sie sollen mit ihrem Kind, soweit es nach dessen Entwicklung sinnvoll ist, auch Fragen der elterlichen Sorge besprechen und ein Einvernehmen anstreben. Sinn der Sache ist, dass das Kind schließlich als mündiger Erwachsener seine eigenen Lebensentscheidungen treffen kann. Zu diesen gehört auch der Umgang mit Glaube und Religion. Und auch Eltern, die selbst nicht religiös sind, sollten wissen: Das Kind wird zwangsläufig in der Schule, bei Freunden und an Feiertagen mit Religion und Religiosität konfrontiert werden. Ignorieren lässt sich dieses Thema auf Dauer nicht.

Beispiel: Katholische Taufe nach der Trennung


Mit einem besonderen Streitfall zur Religion eines Kindes hat sich das Oberlandesgericht Oldenburg befasst. Die Eltern des Kindes hatten sich getrennt, aber – durchaus üblich – das gemeinsame Sorgerecht behalten. Das Kind lebte danach bei der deutschen Mutter, die katholisch war. Der Vater war Moslem. Direkt nach der Trennung ließ die Mutter das Kind katholisch taufen.

Der Vater war durchaus tolerant. Er akzeptierte, dass die Taufe eine nicht umkehrbare Sache war. Er hatte auch nichts dagegen, dass das Kind weiter den katholischen Kindergarten besuchte. Aber: Er wollte nicht, dass sein Kind zu einer bestimmten Religion gezwungen werde. Diese Entscheidung sollte das Kind beizeiten selbst treffen können. Werde nicht genau dies im Westen unter Toleranz und Freiheit verstanden? Daher verlangte er im Rahmen seines Sorgerechts, für sein Kind den Austritt aus der katholischen Kirche erklären zu dürfen.

Was dürfen Gerichte zum Thema Religion entscheiden?


Das Oberlandesgericht Oldenburg tat sich mit dieser Entscheidung schwer: Über die Religion eines Kindes zu entscheiden, sei nicht Sache des Staates und der Gerichte. Komme man dem Antrag des Vaters nach, sei dies aber genau so eine Entscheidung. Letztlich sei dies jedoch Sache der Eltern. Ein Gericht könne im Streitfall höchstens einem Elternteil die Entscheidungsbefugnis zusprechen, den Eltern aber nicht die Entscheidung selbst abnehmen.

Wonach richtet sich, welcher Elternteil über die Religion des Kindes entscheidet?


Nach dem Oberlandesgericht Oldenburg ist bei der Entscheidung, welcher Elternteil die Religion des Kindes bestimmen darf, ausschlaggebend, welcher Elternteil nach den allgemeinen Grundsätzen des Sorgerechts dafür besser geeignet ist. Es komme dabei nicht auf dessen Religion an, sondern auf

- das Kindeswohl,
- eine kontinuierliche Erziehung ohne ständige Richtungswechsel,
- die Einbettung des Kindes in seine soziale Umgebung.

In diesem Fall lebte das Kind bei der katholischen Mutter und wuchs in einer katholischen Umgebung einschließlich katholischem Kindergarten auf. Das Gericht hielt daher die Mutter für am besten geeignet, solche Entscheidungen zu treffen. Es lehnte daher den Antrag des Vaters auf eine Entscheidung über den Kirchenaustritt des Kindes ab (OLG Oldenburg, Beschluss vom 9.2.2010, Az. 13 UF 8/10).

Urteil: Katholisch oder serbisch-orthodox?


Mit einem ähnlichen Fall beschäftigte sich das Oberlandesgericht Stuttgart: Die Mutter war katholisch, der Vater serbisch-orthodox. Die Kinder lebten nach der Trennung der Eltern bei der Mutter. Das Sorgerecht hatten beide Elternteile. Allerdings hatte die Mutter beantragt, ihr das alleinige Sorgerecht zu übertragen. Die Kinder waren nicht getauft. Nun beantragte die Mutter beim Gericht, ihr die Entscheidungsbefugnis darüber zuzugestehen, dass ihr Sohn sich katholisch taufen lassen und die Kommunion empfangen dürfe. Dies wollte ihr neunjähriger Sohn auch selbst. Allerdings waren seine Gründe eher nichtreligiöser Natur: Seine Freunde waren katholisch. Nur der Vater war dagegen.

Das Gericht betonte, dass man Entscheidungen in Sachen Kindeswohl nicht einfach ablehnen könne, nur weil sie mit der religiösen Erziehung des Kindes zu tun hätten. Zwar besage das Gesetz über religiöse Kindererziehung (RelKErzG), dass Kinder ab 14 Jahren selbst über ihre Religion entscheiden dürften. Man könne diese Entscheidung jedoch im vorliegenden Fall nicht fünf Jahre lang aufschieben.

Dabei müsse man das Kindeswohl und auch den Willen des Kindes selbst berücksichtigen. Schließlich habe sich der Junge mehrfach eindeutig dafür ausgesprochen, getauft zu werden und die Kommunion zu bekommen. Er habe sich auch mit der Religion seines Vaters befasst und sehe diese nicht negativ. Den Äußerungen des Vaters nach sei kein Bruch zwischen Vater und Sohn zu erwarten, wenn dieser katholisch erzogen werde. Nicht zuletzt sei auch zu berücksichtigen, dass der Sohn bei der Mutter in einem katholischen Umfeld aufwachse. Das Gericht sprach daher die Entscheidungsbefugnis über Taufe und Kommunion der Mutter zu (OLG Stuttgart, Beschluss vom 24.2.2016, Az. 17 UF 292/15).

Beispiel: Beschneidung oder Taufe?


Ganz anders entschied das OLG Karlsruhe im Mai 2016. Die Eltern eines dreijährigen Kindes hatten sich getrennt. Hier war die Mutter evangelisch und der Vater Moslem. Die Mutter hatte erneut geheiratet und wollte das Kind evangelisch taufen lassen. Der Vater wollte den Sohn nach der muslimischen Tradition beschneiden lassen. Die Mutter beantragte beim Familiengericht, ihr die alleinige Entscheidungsbefugnis über die Religion des Kindes zu übertragen. Das Amtsgericht gab ihrem Antrag statt, das Oberlandesgericht nicht.

Dem OLG zufolge entspricht es nicht dem Kindeswohl, wenn andere für ein Kind im Alter von drei Jahren entscheiden, welche Religion es haben soll. Das Kind könne derzeit den Inhalt und die Bedeutung der verschiedenen religiösen Bekenntnisse noch gar nicht verstehen. Es ahme höchstens das Verhalten der Eltern nach, ohne den Sinn zu begreifen.

Zwar sei das Kind durchaus Spannungen ausgesetzt, wenn es im Haushalt der Mutter und in dem des Vaters unterschiedliche Religionen erlebe. Dies sei aber nicht zu ändern – schon gar nicht, indem man dem Kind eine der beiden Religionen vorschreibe. Dem Kindeswohl sei am besten gedient, wenn beide Elternteile die Religion des jeweils anderen tolerierten, diese Toleranz auch dem Kind vermittelten und es ihm so ersparten, sich für den einen oder den anderen Elternteil zu entscheiden. Sobald das Kind alt genug sei, könne es sich selbst für eine Religion entscheiden (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 3.5.2016, Az. 20 UF 152/15).

Ab wann dürfen Kinder selbst über ihre Religion entscheiden?


Nach § 5 des Gesetzes über die religiöse Kindererziehung (RelKErzG) ist ein Kind mit Vollendung des 14. Lebensjahres religionsmündig. Dann darf es selbst über seinen Glauben und seine Religion entscheiden.

Sobald es das zwölfte Lebensjahr vollendet hat, darf ein Kind außerdem nicht mehr gegen seinen Willen in einem anderen religiösen Bekenntnis erzogen werden, als dies bisher der Fall war. Ihm darf also kein Religionswechsel aufgezwungen werden.

Praxistipp zur Entscheidung über die Religion des Kindes


Was für ein Kind das Beste ist, hängt sehr stark vom Einzelfall ab. Dabei spielen zum Beispiel seine Freunde und sein Umfeld eine Rolle. Bei solchen Fragen hören sich die Familiengerichte immer auch die Wünsche des Kindes an. Rat und Hilfe zum Bereich Sorgerecht finden Sie bei einem Fachanwalt für Familienrecht.

(Ma)


 Ulf Matzen
Anwalt-Suchservice
Juristische Redaktion
E-Mail schreiben Juristische Redaktion