Sorgerecht: Wer entscheidet über die Religion des Kindes?
06.01.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Ma - Anwalt-Suchservice Es kommt immer öfter vor, dass Paare eine unterschiedliche Religion haben. Was vielleicht im Alltag kaum auffällt, kann bei Fragen der Kindererziehung und der religiösen Erziehung des Kindes dann doch relevant werden. Daher kommt es zu immer mehr Streitigkeiten darüber, an wessen Religion sich die Erziehung des Kindes ausrichten soll. Diese Entscheidung gehört zum Sorgerecht der Eltern. Kommt es zu einer Trennung, ist Streit darüber fast vorprogrammiert.
Eltern können beim Familiengericht nicht nur die Übertragung des Sorgerechts insgesamt auf einen Elternteil beantragen, sondern auch die Übertragung der Entscheidungsbefugnis in einer bestimmten Sache, über die sie sich nicht einigen können. Dies kann zum Beispiel die religiöse Erziehung des Kindes sein.
Das Sorgerecht bzw. korrekter die "elterliche Sorge" ist in den §§ 1626 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt. Diese Vorschriften geben Eltern nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, für ihr minderjähriges Kind zu sorgen. Dies ergibt sich zusätzlich aus Artikel 6 Abs. 2 des Grundgesetzes. Zu unterscheiden sind dabei die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und die Sorge für dessen finanzielle Angelegenheiten (Vermögenssorge).
Die Eltern müssen nach § 1626 BGB bei der Ausübung des Sorgerechts im Rahmen der Pflege und Erziehung des Kindes dessen wachsende Fähigkeiten und sein wachsendes Bedürfnis zu selbständigem, verantwortungsbewusstem Handeln berücksichtigen. Zum Beispiel sollen sie mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklung sinnvoll ist, Fragen der elterlichen Sorge besprechen, und ein Einvernehmen anstreben. Das Ziel: Das Kind soll irgendwann als mündiger Erwachsener seine eigenen Lebensentscheidungen treffen können. Zu diesen gehört auch der Umgang mit der Religion. Dieser wird ein Kind selbst bei nicht religiösen Eltern unweigerlich in der Schule, bei Freunden und an Feiertagen begegnen.
Das Oberlandesgericht Oldenburg hat sich mit einem besonderen Streitfall befasst. Die Eltern eines Kindes hatten sich getrennt, aber – durchaus üblich – das gemeinsame Sorgerecht behalten. Nun lebte das Kind bei der deutschen Mutter, die katholisch war. Der Vater war Moslem. Die Mutter ließ direkt nach der Trennung das Kind katholisch taufen.
Der Vater war durchaus tolerant. Er akzeptierte, dass die Taufe eine nicht umkehrbare Sache war. Auch hatte er nichts dagegen einzuwenden, dass das Kind weiter den katholischen Kindergarten besuchte. Er wollte jedoch, dass sein Kind nicht zu einer bestimmten Religion gezwungen werde. Diese Entscheidung sollte das Kind beizeiten selbst treffen können. Wurde nicht genau dies im Westen unter Toleranz und Freiheit verstanden? Im Rahmen seines Sorgerechts verlangte er, für sein Kind den Austritt aus der katholischen Kirche erklären zu dürfen.
Mit dieser Entscheidung tat sich das Oberlandesgericht Oldenburg schwer: Es sei nicht Sache des Staates und der Gerichte, über die Religion eines Kindes zu entscheiden. Wenn man dem Antrag des Vaters nachkomme, sei dies aber genau so eine Entscheidung. Dies sei jedoch letztlich Sache der Eltern. Im Streitfall könne ein Gericht höchstens einem Elternteil die Entscheidungsbefugnis zusprechen. Es könne den Eltern aber nicht die Entscheidung abnehmen.
Bei der Entscheidung, welcher Elternteil die Religion des Kindes bestimmen darf, ist laut Oberlandesgericht Oldenburg ausschlaggebend, welcher Elternteil nach den allgemeinen Grundsätzen des Sorgerechts dafür besser geeignet sei. Es komme dabei nicht auf dessen Religion an, sondern auf
- das Kindeswohl,
- eine kontinuierliche Erziehung ohne ständige Richtungswechsel,
- die Einbettung des Kindes in seine soziale Umgebung.
Hier lebte das Kind bei der katholischen Mutter und wuchs in einer katholischen Umgebung einschließlich katholischem Kindergarten auf. Daher hielt das Gericht die Mutter auch für am besten geeignet, solche Entscheidungen zu treffen. Daher lehnte es den Antrag des Vaters auf eine Entscheidung über den Kirchenaustritt des Kindes ab (OLG Oldenburg, Beschluss vom 9. Februar 2010, Az. 13 UF 8/10).
Mit einem ähnlichen Fall hatte sich das Oberlandesgericht Stuttgart zu befassen: Die Mutter war katholisch, der Vater serbisch-orthodox. Nach der Trennung der Eltern lebten die Kinder bei der Mutter. Beide Elternteile hatten das Sorgerecht, die Mutter hatte allerdings beantragt, ihr das alleinige Sorgerecht zu übertragen. Die Kinder waren nicht getauft. Nun beantragte die Mutter beim Gericht, ihr die Entscheidungsbefugnis darüber zuzugestehen, dass ihr Sohn sich katholisch taufen und die Kommunion empfangen dürfe. Ihr neunjähriger Sohn wollte dies auch, hatte aber eher nichtreligiöse Gründe: Seine Freunde waren katholisch. Nur der Vater war dagegen.
Hier betonte das Gericht, dass man Entscheidungen, die mit dem Kindeswohl zu tun hätten, nicht einfach ablehnen könne, nur, weil sie die religiöse Erziehung des Kindes beträfen. Das Gesetz über religiöse Kindererziehung (RelKErzG) besage zwar, dass Kinder ab 14 Jahren selbst über ihre Religion entscheiden dürften. Diese Entscheidung könne man in diesem Fall jedoch nicht fünf Jahre lang aufschieben. Zu berücksichtigen sei das Kindeswohl und auch der Wille des Kindes selbst. Immerhin habe sich der Junge mehrfach eindeutig dafür ausgesprochen, getauft zu werden und die Kommunion zu bekommen. Auch mit der Religion des Vaters habe er sich befasst und sehe diese nicht negativ. Den Äußerungen des Vaters nach sei kein Bruch zwischen Vater und Sohn zu erwarten, wenn dieser katholisch erzogen werde. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Sohn bei der Mutter in einem katholischen Umfeld aufwachse.
Daher sprach das Gericht die Entscheidungsbefugnis über Taufe und Kommunion der Mutter zu (OLG Stuttgart, Beschluss vom 24.2.2016, Az. 17 UF 292/15).
Völlig anders entschied das OLG Karlsruhe im Mai 2016. In diesem Fall war die Mutter evangelisch und der Vater Moslem. Die Eltern des dreijährigen Kindes hatten sich getrennt. Die Mutter hatte erneut geheiratet und wollte das Kind evangelisch taufen lassen. Der Vater aber wollte den Sohn nach der muslimischen Tradition beschneiden lassen. Die Mutter wandte sich an das Familiengericht und beantragte, ihr die alleinige Entscheidungsbefugnis in dieser Frage zu übertragen. Das Amtsgericht gab ihrem Antrag statt, das Oberlandesgericht jedoch nicht.
Aus der Sicht des OLG entsprach es nicht dem Kindeswohl, wenn andere für ein Kind im Alter von drei Jahren entschieden, welche Religion es haben solle. Im Augenblick könne das Kind den Inhalt und die Bedeutung der verschiedenen religiösen Bekenntnisse überhaupt noch nicht verstehen. Es ahme allenfalls das elterliche Verhalten nach, ohne den Sinn zu begreifen.
Das Kind sei zwar durchaus Spannungen ausgesetzt, wenn es im Haushalt der Mutter und in dem des Vaters verschiedene Religionen erlebe. Dies sei aber nicht zu ändern – schon gar nicht, indem man dem Kind eine der beiden Religionen vorschreibe. Dem Kindeswohl sei am besten gedient, wenn beide Elternteile die Religion des jeweils anderen tolerierten, diese Toleranz auch dem Kind vermittelten und es ihm so ersparten, sich für den einen oder den anderen Elternteil zu entscheiden. Sobald das Kind alt genug sei, könne es selbst festlegen, welche Religion es haben wolle (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 3.5.2016, Az. 20 UF 152/15).
Es hängt sehr stark vom Einzelfall ab, was für ein Kind das Beste ist. Dabei spielen etwa seine Einbindung, seine Freunde und sein Umfeld eine Rolle. Die Gerichte hören sich bei solchen Fragen immer auch die Wünsche des Kindes an. Rat und Hilfe zum Bereich Sorgerecht finden Sie bei einem Fachanwalt für Familienrecht.
Eltern können im Rahmen ihres Sorgerechts auch bestimmen, ob ein Kind im Sinne einer bestimmten Religion erzogen wird und wenn ja nach welcher. Dieser Punkt verursacht jedoch in den letzten Jahren häufig Streit.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Warum gehört der Glaube zum Sorgerecht? Beispiel: Katholische Taufe nach der Trennung Was dürfen Gerichte zum Thema Religion entscheiden? Wonach richtet sich, welcher Elternteil entscheidet? Urteil: Katholisch oder serbisch-orthodox? Beispiel: Beschneidung oder Taufe? Praxistipp Eltern können beim Familiengericht nicht nur die Übertragung des Sorgerechts insgesamt auf einen Elternteil beantragen, sondern auch die Übertragung der Entscheidungsbefugnis in einer bestimmten Sache, über die sie sich nicht einigen können. Dies kann zum Beispiel die religiöse Erziehung des Kindes sein.
Warum gehört der Glaube zum Sorgerecht?
Das Sorgerecht bzw. korrekter die "elterliche Sorge" ist in den §§ 1626 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt. Diese Vorschriften geben Eltern nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht, für ihr minderjähriges Kind zu sorgen. Dies ergibt sich zusätzlich aus Artikel 6 Abs. 2 des Grundgesetzes. Zu unterscheiden sind dabei die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und die Sorge für dessen finanzielle Angelegenheiten (Vermögenssorge).
Die Eltern müssen nach § 1626 BGB bei der Ausübung des Sorgerechts im Rahmen der Pflege und Erziehung des Kindes dessen wachsende Fähigkeiten und sein wachsendes Bedürfnis zu selbständigem, verantwortungsbewusstem Handeln berücksichtigen. Zum Beispiel sollen sie mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklung sinnvoll ist, Fragen der elterlichen Sorge besprechen, und ein Einvernehmen anstreben. Das Ziel: Das Kind soll irgendwann als mündiger Erwachsener seine eigenen Lebensentscheidungen treffen können. Zu diesen gehört auch der Umgang mit der Religion. Dieser wird ein Kind selbst bei nicht religiösen Eltern unweigerlich in der Schule, bei Freunden und an Feiertagen begegnen.
Beispiel: Katholische Taufe nach der Trennung
Das Oberlandesgericht Oldenburg hat sich mit einem besonderen Streitfall befasst. Die Eltern eines Kindes hatten sich getrennt, aber – durchaus üblich – das gemeinsame Sorgerecht behalten. Nun lebte das Kind bei der deutschen Mutter, die katholisch war. Der Vater war Moslem. Die Mutter ließ direkt nach der Trennung das Kind katholisch taufen.
Der Vater war durchaus tolerant. Er akzeptierte, dass die Taufe eine nicht umkehrbare Sache war. Auch hatte er nichts dagegen einzuwenden, dass das Kind weiter den katholischen Kindergarten besuchte. Er wollte jedoch, dass sein Kind nicht zu einer bestimmten Religion gezwungen werde. Diese Entscheidung sollte das Kind beizeiten selbst treffen können. Wurde nicht genau dies im Westen unter Toleranz und Freiheit verstanden? Im Rahmen seines Sorgerechts verlangte er, für sein Kind den Austritt aus der katholischen Kirche erklären zu dürfen.
Was dürfen Gerichte zum Thema Religion entscheiden?
Mit dieser Entscheidung tat sich das Oberlandesgericht Oldenburg schwer: Es sei nicht Sache des Staates und der Gerichte, über die Religion eines Kindes zu entscheiden. Wenn man dem Antrag des Vaters nachkomme, sei dies aber genau so eine Entscheidung. Dies sei jedoch letztlich Sache der Eltern. Im Streitfall könne ein Gericht höchstens einem Elternteil die Entscheidungsbefugnis zusprechen. Es könne den Eltern aber nicht die Entscheidung abnehmen.
Wonach richtet sich, welcher Elternteil entscheidet?
Bei der Entscheidung, welcher Elternteil die Religion des Kindes bestimmen darf, ist laut Oberlandesgericht Oldenburg ausschlaggebend, welcher Elternteil nach den allgemeinen Grundsätzen des Sorgerechts dafür besser geeignet sei. Es komme dabei nicht auf dessen Religion an, sondern auf
- das Kindeswohl,
- eine kontinuierliche Erziehung ohne ständige Richtungswechsel,
- die Einbettung des Kindes in seine soziale Umgebung.
Hier lebte das Kind bei der katholischen Mutter und wuchs in einer katholischen Umgebung einschließlich katholischem Kindergarten auf. Daher hielt das Gericht die Mutter auch für am besten geeignet, solche Entscheidungen zu treffen. Daher lehnte es den Antrag des Vaters auf eine Entscheidung über den Kirchenaustritt des Kindes ab (OLG Oldenburg, Beschluss vom 9. Februar 2010, Az. 13 UF 8/10).
Urteil: Katholisch oder serbisch-orthodox?
Mit einem ähnlichen Fall hatte sich das Oberlandesgericht Stuttgart zu befassen: Die Mutter war katholisch, der Vater serbisch-orthodox. Nach der Trennung der Eltern lebten die Kinder bei der Mutter. Beide Elternteile hatten das Sorgerecht, die Mutter hatte allerdings beantragt, ihr das alleinige Sorgerecht zu übertragen. Die Kinder waren nicht getauft. Nun beantragte die Mutter beim Gericht, ihr die Entscheidungsbefugnis darüber zuzugestehen, dass ihr Sohn sich katholisch taufen und die Kommunion empfangen dürfe. Ihr neunjähriger Sohn wollte dies auch, hatte aber eher nichtreligiöse Gründe: Seine Freunde waren katholisch. Nur der Vater war dagegen.
Hier betonte das Gericht, dass man Entscheidungen, die mit dem Kindeswohl zu tun hätten, nicht einfach ablehnen könne, nur, weil sie die religiöse Erziehung des Kindes beträfen. Das Gesetz über religiöse Kindererziehung (RelKErzG) besage zwar, dass Kinder ab 14 Jahren selbst über ihre Religion entscheiden dürften. Diese Entscheidung könne man in diesem Fall jedoch nicht fünf Jahre lang aufschieben. Zu berücksichtigen sei das Kindeswohl und auch der Wille des Kindes selbst. Immerhin habe sich der Junge mehrfach eindeutig dafür ausgesprochen, getauft zu werden und die Kommunion zu bekommen. Auch mit der Religion des Vaters habe er sich befasst und sehe diese nicht negativ. Den Äußerungen des Vaters nach sei kein Bruch zwischen Vater und Sohn zu erwarten, wenn dieser katholisch erzogen werde. Zu berücksichtigen sei auch, dass der Sohn bei der Mutter in einem katholischen Umfeld aufwachse.
Daher sprach das Gericht die Entscheidungsbefugnis über Taufe und Kommunion der Mutter zu (OLG Stuttgart, Beschluss vom 24.2.2016, Az. 17 UF 292/15).
Beispiel: Beschneidung oder Taufe?
Völlig anders entschied das OLG Karlsruhe im Mai 2016. In diesem Fall war die Mutter evangelisch und der Vater Moslem. Die Eltern des dreijährigen Kindes hatten sich getrennt. Die Mutter hatte erneut geheiratet und wollte das Kind evangelisch taufen lassen. Der Vater aber wollte den Sohn nach der muslimischen Tradition beschneiden lassen. Die Mutter wandte sich an das Familiengericht und beantragte, ihr die alleinige Entscheidungsbefugnis in dieser Frage zu übertragen. Das Amtsgericht gab ihrem Antrag statt, das Oberlandesgericht jedoch nicht.
Aus der Sicht des OLG entsprach es nicht dem Kindeswohl, wenn andere für ein Kind im Alter von drei Jahren entschieden, welche Religion es haben solle. Im Augenblick könne das Kind den Inhalt und die Bedeutung der verschiedenen religiösen Bekenntnisse überhaupt noch nicht verstehen. Es ahme allenfalls das elterliche Verhalten nach, ohne den Sinn zu begreifen.
Das Kind sei zwar durchaus Spannungen ausgesetzt, wenn es im Haushalt der Mutter und in dem des Vaters verschiedene Religionen erlebe. Dies sei aber nicht zu ändern – schon gar nicht, indem man dem Kind eine der beiden Religionen vorschreibe. Dem Kindeswohl sei am besten gedient, wenn beide Elternteile die Religion des jeweils anderen tolerierten, diese Toleranz auch dem Kind vermittelten und es ihm so ersparten, sich für den einen oder den anderen Elternteil zu entscheiden. Sobald das Kind alt genug sei, könne es selbst festlegen, welche Religion es haben wolle (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 3.5.2016, Az. 20 UF 152/15).
Praxistipp
Es hängt sehr stark vom Einzelfall ab, was für ein Kind das Beste ist. Dabei spielen etwa seine Einbindung, seine Freunde und sein Umfeld eine Rolle. Die Gerichte hören sich bei solchen Fragen immer auch die Wünsche des Kindes an. Rat und Hilfe zum Bereich Sorgerecht finden Sie bei einem Fachanwalt für Familienrecht.
(Ma)