Tattoos und Piercings: Probleme bei der Bewerbung und auf der Arbeit?

10.09.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Tätowierung,Tattoo,Piercing,Bewerbung,Kündigung Tattos sind nicht bei jedem Chef gern gesehen. © Bu - freepik
Das Wichtigste in Kürze

1. Privatwirtschaft: Solange Tattoos und Piercings keinen Einfluss auf die Arbeitsleistung haben, keine Gefahr für ihre Träger darstellen und die Kunden nicht stören, kann der Chef grundsätzlich nichts dagegen machen.

2. Öffentlicher Dienst: Insbesondere in Bereichen, in denen Uniform getragen wird, dürfen Tattoos nicht dazu führen, dass das beabsichtigte einheitliche und neutrale Auftreten der Beamten beeinträchtigt wird.

3. Tattoos als Kündigungsgrund: Führt ein Tattoo zur Beeinträchtigung der Arbeitsleistung, zeigt es rassistische, sexistische, diskriminierende Motive oder verfassungsfeindliche Symbole, kann dies ein Kündigungsgrund für den Arbeitgeber darstellen.
Heute sind Tätowierungen keine Seltenheit mehr. Sie werden von immer mehr Menschen als Ausdruck ihres persönlichen Stils getragen. In Deutschland sollen bereits acht Millionen Menschen Tattoos tragen. Allerdings ist nicht jeder Arbeitgeber bei seinen Beschäftigten mit sichtbaren Tätowierungen oder auch sichtbaren Piercings einverstanden.

In welchen Berufen können Tattoos problematisch sein?


In konservativen Berufen mit Kundenkontakt werden Tattoos und Piercings oft als Problem angesehen. So stehen Banken, Versicherungen, Anwälte und Steuerkanzleien sichtbarem Körperschmuck oft kritisch gegenüber. Dies kann der Grund für die Ablehnung einer Bewerbung sein - auch, wenn es vielleicht nicht zugegeben wird. Auch in der Verwaltung und im öffentlichen Dienst können Tattoos zum Problem werden - insbesondere die sichtbaren. Vor Gericht landen fast ausschließlich Fälle, die den Polizeidienst oder andere staatliche Stellen betreffen. Gerade Polizeibeamte sollen im Dienst Neutralität bewahren. Zu viel Individualität beim Körperschmuck wird daher oft nicht gern gesehen.

Kann mein Arbeitgeber mir ein Tattoo verbieten?


Grundsätzlich gilt: Solange Tattoos und Piercings keinen Einfluss auf die Arbeitsleistung haben, keine Gefahr für ihre Träger darstellen und die Kunden nicht stören, überwiegt das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer. Ein Verbot nur aus geschmacklichen Gründen des Chefs wäre dann unzulässig. In konservativen Bereichen mit viel Kundenverkehr (Banken, Versicherungen) können jedoch Auflagen wie das Verdecken von Tattoos vom Direktionsrecht des Arbeitgebers abgedeckt sein. Bei Piercings kann dies der Fall sein, wenn sie ein Verletzungsrisiko für ihre Träger oder andere Personen im Rahmen der jeweiligen Tätigkeit darstellen (Bedienung von Maschinen, Kranken- oder Altenpflege).

Im öffentlichen Dienst gelten besondere Regeln. Ein Justizvollzugsbeamter muss seine Uniform so tragen, dass seine Unterarmtätowierungen nicht zu sehen sind. So entschied das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz. Durch die Uniform solle ein einheitliches und neutrales Auftreten der Beamten erreicht werden. Damit seien die auffälligen Tätowierungen des Klägers trotz des Einstellungswandels der Bevölkerung zu Tätowierungen nicht vereinbar. Auch ähnelten die Tätowierungen des Klägers denen, die im Milieu von Strafgefangenen verbreitet seien. Deshalb bestehe die Möglichkeit eines Distanzverlustes zu den Gefangenen und damit einer Schwächung der Autorität des Beamten (Urteil vom 10.6.2005, Az. 2 A 10254/05.OVG ).

Wann können Tattoos ein Kündigungsgrund sein?


In bestimmten Fällen sind Arbeitgeber dazu berechtigt, ein Tattoo oder ein Piercing zu verbieten oder dessen Verdecken durch Kleidung zu verlangen. Eine Weigerung kann dann zu einer Abmahnung und schließlich zu einer Kündigung führen. In einem Kündigungsschutzprozess muss der Arbeitgeber dann allerdings begründen können, warum sein Interesse am Verdecken des Körperschmucks im konkreten Fall das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin überwiegt.

Ein Kündigungsgrund kann allerdings auch bestehen, wenn ein Tattoo zwar nicht die Arbeitsleistung beeinträchtigt, aber rassistisch, sexistisch oder diskriminierend ist oder verfassungsfeindliche Symbole zeigt.

So wurde zum Beispiel einem Lehrer gekündigt, der unter anderem die Worte "Meine Ehre heißt Treue" in Frakturschrift sowie die sogenannte "schwarze Sonne" auf den Oberkörper tätowiert hatte. Er hatte die Tätowierungen bei einer schulischen Sportveranstaltung gezeigt. Aus den Tattoos wurde auf eine verfassungsfeindliche Gesinnung geschlossen. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg sah die Kündigung als rechtmäßig an (Urteil vom 11.5.2021, Az. 8 Sa 1655/20).

Wann verhindert ein Tattoo die Einstellung bei der Polizei?


Oft hört man, dass Tattoos ein generelles Einstellungshindernis für den Polizeidienst sind. Dies stimmt jedoch so nicht. Einerseits handhaben die Bundesländer dies nicht einheitlich, andererseits sehen manche Gerichte in Tätowierungen generell kein so großes Problem.

Der Hessische Verwaltungsgerichtshof erklärte es für rechtens, eine Polizeidienstanwärterin nicht bei der Bundespolizei einzustellen. Grund war ihre großflächige Tätowierung am rechten Unterarm mit dem französischen Spruch "Bitte zähme mich" als Zitat aus der Erzählung "Der kleine Prinz". Dem Gericht zufolge hatte die Dienstbehörde einen Erlass des Bundesinnenministeriums vom 12.5.2006 ("Erscheinungsbild der Polizeikräfte der Bundespolizei") korrekt angewendet. Danach seien sichtbare Tätowierungen generell ein Einstellungshindernis. Der Sinn sei, keinen Ansatz für Provokationen zu bieten. Der Dienstherr dürfe Bewerber mit Tätowierungen ablehnen, die beim Tragen vorschriftsmäßiger Dienstkleidung wie Kurzarmhemden im Sommer sichtbar seien (Urteil vom 9.7.2014, Az. 1 B 1006/14).

Ganz anders entschied das Verwaltungsgericht Aachen. Es hielt großflächige Tattoos auf beiden Armen (einschließlich der Unterarme) nicht für einen Grund, einen Bewerber für den Polizeidienst abzulehnen. Bei diesem Bewerber war unter anderem eine mexikanische Totenmaske tätowiert. Das Gericht sah darin keinen sachlichen Zusammenhang mit der Eignung für den Polizeidienst. Der Dienstherr könne den Mann notfalls einfach anweisen, ein Hemd mit langen Ärmeln zu tragen (VG Aachen, Urteil vom 29.11.2012, Az. 1 K 1518/12).

Welche Tattoos sind im öffentlichen Dienst besonders problematisch?


Gerade im öffentlichen Dienst und bei der Polizei sind Tattoos besonders problematisch, die verfassungsfeindlich wirken oder gar Sympathie mit Straftätern ausdrücken. Einige Beispiele:

Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen gestand einem Bewerber bei der Polizei zu, weiter am Auswahlverfahren teilzunehmen. Er trug auf seiner linken Brustseite das Bild eines brüllenden Löwenkopfes in der Größe von 22 x 18 cm. Die Dienstbehörde sah darin eine unangemessene Gewaltverherrlichung. Aus Sicht des Bewerbers repräsentierte der Löwe Stärke, Mut und Macht. Das Gericht sah in dem Bild keinen Konflikt mit der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Um den Mann vom Auswahlverfahren auszuschließen, seien weitere Anhaltspunkte erforderlich, die auf mangelnde Eignung des Bewerbers etwa durch einen Hang zur Gewalt hindeuteten. Solche Indizien lägen nicht vor (Beschluss vom 12.5.2020, Az. 6 B 212/20).

Andererseits bestätigte das Landesarbeitsgericht Berlin die Ablehnung eines Bewerbers für den Objektschutz der Berliner Polizei, der als sichtbare Tätowierungen auf dem Arm Patronen, Totenköpfe und das Wort "Omerta" trug (die Schweigepflicht der Mafia). Hier komme es auf den Eindruck beim Betrachter an und nicht auf die tatsächliche Verfassungstreue des Bewerbers (Beschluss vom 25.4.2019, Az. 5 Ta 730/19).

Welche Grundregeln zum Aussehen gibt es im Arbeitsverhältnis?


Das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit schützt einen individuellen Stil grundsätzlich auch im Arbeitsverhältnis – aber nur, wenn er den Interessen des Arbeitgebers nicht allzu sehr in die Quere kommt. In Branchen mit viel Kundenkontakt – etwa bei Versicherungen, Banken oder Behörden – sind Tattoos nach wie vor verpönt. Hier kann der Arbeitgeber durchaus verlangen, dass das Äußere seiner Mitarbeiter bestimmten Anforderungen gerecht wird. Konkret: Dass während der Arbeitszeit das Piercing herausgenommen oder das Tattoo verdeckt wird. Das kann auch im Arbeitsvertrag geregelt werden. Vor Gericht kommen Fälle dazu eher selten vor.

Was gilt für Tattoos bei der Bundeswehr?


Seit 2014 galt bei der Bundeswehr eine Dienstvorschrift, nach der größere Tätowierungen in geeigneter und dezenter Weise abzudecken sind. Ein Staabsbootsmann wehrte sich dagegen. Er trug ein 12 x 10 cm großes Tattoo am rechten Unterarm, das eine Sonne mit darauf liegendem Herz und Namensschild sowie eine rote Rose darstellte. Dieses trug er im Dienst auf See und auch bei Auslandseinsätzen seit 18 Jahren. Der Seemann erkämpfte eine Änderung der Dienstvorschrift: Heute dürfen Tattoos während des Dienstes innerhalb militärischer Bereiche und auf Schiffen jederzeit zu sehen sein – nur nicht bei offiziellen Veranstaltungen mit Außenwirkung (Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 6.2.2015, Az. 1 WB 31.14).

Praxistipp zu Tattoos und Piercings im Beruf


Auch wenn sich die allgemeine Einstellung zu Tätowierungen immer stärker ändert, kommt es im Arbeitsverhältnis doch immer noch sehr auf den Einzelfall an. Zu diesem Thema kann Sie ein Fachanwalt für Arbeitsrecht kompetent beraten. Geht es um die Entscheidung einer Behörde, kann Ihnen ein Fachanwalt für Verwaltungsrecht am besten weiterhelfen.

(Ma)


 Ulf Matzen
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