Tempokontrolle: Wie nah darf der Blitzer stehen?

13.08.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Blitzer,Fahrverbot,Beschilderung,Bußgeldbescheid Manchmal gibt es gute Argumente gegen ein Fahrverbot. © - freepik

Immer wieder fällt bei Geschwindigkeitskontrollen auf, dass der "Blitzer" dicht hinter einer Ortseinfahrt oder hinter einem Temposchild steht. Dies kann für Betroffene ein gutes Argument gegen ein Fahrverbot sein.

Bußgeldbescheide und Fahrverbote können aus vielen Gründen angefochten werden. Ein möglicher Grund ist, dass der Abstand zwischen dem Schild, das die Geschwindigkeit festsetzt, und dem mobilen Blitzer zu gering ist. Es gibt nämlich Regeln für das Aufstellen von Blitzern. Denn: Kein Autofahrer soll gezwungen sein, wegen einer Geschwindigkeitskontrolle plötzlich eine Vollbremsung hinzulegen und den nachfolgenden Verkehr zu gefährden. Jede Regel kennt jedoch auch Ausnahmen.

Wie lautet die Grundregel bei Temposchildern?


Grundsätzlich gilt die vorgeschriebene Geschwindigkeit immer direkt ab dem Temposchild, das sie festsetzt. Bei Tempo 50 im Ort ist dies das Ortsschild am Ortseingang. Autofahrer müssen daher ihr Tempo rechtzeitig reduzieren. Sie dürfen nicht erst bei Erreichen des Schildes mit dem Bremsen anfangen.

Wie lege ich Widerspruch ein?


Wer einen Bußgeldbescheid erhält, hat ab Zustellung zwei Wochen Zeit, Widerspruch einzulegen. Danach ist der Bußgeldbescheid rechtskräftig. Wenn man jedoch die Frist unverschuldet versäumt, kann man eine sogenannte Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragen. Das bedeutet: Der Zustand vor dem Fristablauf wird wiederhergestellt und man kann doch noch Widerspruch dagegen einlegen. Wenn die Behörde, die den Bußgeldbescheid verhängt hat, den Widerspruch zurückweist, kommt es zu einem Ordnungswidrigkeiten-Verfahren vor Gericht. Dabei findet eine Gerichtsverhandlung statt, bei der der Fall genauer geprüft wird. Näheres zum Widerspruch gegen einen Bußgeldbescheid erfahren Sie hier:
Sachverständigenstudie: 85 Prozent der Bußgeldbescheide sind angreifbar

Länderwirtschaft: Vorschriften-Durcheinander


Leider ist nicht bundeseinheitlich geregelt, wie nah ein Blitzer hinter einem Temposchild stehen darf. Der TÜV-Nord spricht um Beispiel als Faustregel von mindestens 150 Metern. Tatsache ist, dass die einzelnen Bundesländer dafür unterschiedliche eigene Regelungen haben. Üblich sind Abstände von 75 bis 200 Metern. Manchmal gibt es auch völlig unklare Regelungen wie "nicht in unmittelbarer Nähe". Zum Teil wird auf Landstraßen und Autobahnen ein Abstand von 250 Metern zwischen Temposchild und Blitzer festgesetzt.

Einige Beispiele:

In Bayern soll generell ein Abstand von 200 Metern eingehalten werden. In Hessen sind es 100 Meter, in Sachsen-Anhalt 150 Meter. Berlin schreibt bei Temposchildern nur 75 und bei Ortsschildern 150 Meter Abstand vor. Mecklenburg-Vorpommern setzt auf Kraftfahrstraßen einen Abstand von mindestens 100 Metern fest und auf Autobahnen von 250 Metern. 100 Meter sind es in Schleswig-Holstein. Gar keine klaren Regeln gibt es zum Beispiel in Hamburg und in Baden-Württemberg. Nordrhein-Westfalen hat seine Abstandsregelung 2005 abgeschafft.

Kann ich mich auf die Abstandsregeln berufen?


Die Mindestabstände zwischen Blitzern und Temposchildern sind in internen Verwaltungsrichtlinien geregelt. Dies sind keine bindenden Gesetze, auf die sich der Bürger jederzeit berufen kann. Betroffene können jedoch mit dem Grundsatz der Gleichbehandlung nach Artikel 3 Grundgesetz argumentieren, wenn der Blitzer in ihrem Einzelfall deutlich zu nah am Schild gestanden hat und die Behörde dadurch von ihrem üblichen Handeln abweicht.

Gibt es dann keine konkreten Gründe für eine solche Ungleichbehandlung, kann eine Verfahrenseinstellung geboten sein. Manchmal wird dann auch lediglich vom Verhängen eines Fahrverbots abgesehen. Für Betroffene, die ihr Auto beruflich brauchen, kann dies jedoch ganz entscheidend sein. Hier haben die Gerichte einen Ermessensspielraum. So hat zum Beispiel das Oberlandesgericht Oldenburg entschieden, dass von einem Regelfahrverbot abgesehen werden kann, wenn der Blitzer zu nah an der Geschwindigkeitsbeschränkung bzw. am Temposchild steht (13.01.2014, Az. 2 SsBs 364/13).

Welche Sonderregeln gelten für Blitzer an Gefahrstellen?


An besonders gefahrenträchtigen Straßenabschnitten gibt es Ausnahmen von den üblichen Aufstellregeln für Blitzer. Die oben genannten Mindestabstände gelten dort also nicht. Beispiele sind Baustellen oder unübersichtliche Einmündungen. Auch kurze Straßenabschnitte mit Tempo-30-Zonen vor Schulen, Kindergärten und Altenheimen gelten als gefahrenträchtig. Dort darf der Blitzer also in geringerem Abstand zum Temposchild stehen, als üblich. Auch nach einem Geschwindigkeitstrichter (wenn das erlaubte Tempo durch abgestufte Schilder schrittweise heruntergebremst wird) darf die Polizei oder die Gemeinde in geringerem Abstand zu einem Temposchild "blitzen".

Wie haben die Gerichte dazu entschieden?


In Bayern wurde vor Jahren ein wichtiges Gerichtsurteil zu dieser Problematik gefällt. Damals war eine Autofahrerin kurz hinter einem Ortsschild geblitzt worden. Sie war statt mit erlaubten 50 km/h mit 85 km/h gefahren. Gegen die Frau wurden eine Geldbuße und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Hier entschied das Bayerische Oberste Landesgericht jedoch, dass von dem Fahrverbot abgesehen werden könne. Finde die Messung entgegen den innerdienstlichen Richtlinien unmittelbar nach dem Ortsschild an der Ortseinfahrt statt, sei es gerechtfertigt, das Fahrverbot fallenzulassen (Beschluss vom 4.9.1995, Az. 1 ObOWi 375/95).

Ein anderes Urteil fällte das Oberlandesgericht Hamm. Auch hier war von der Behörde eine Geldbuße mit Fahrverbot verhängt worden. Der Autofahrer war mit 57 km/h in einer Tempo-30-Zone gemessen worden. Das Temposchild stand 70 Meter vor dem Messwagen. In diesem Fall bestätigte das Gericht die Entscheidung der Bußgeldbehörde: Hier habe der damals verwaltungsintern vorgegebene Abstand von 200 Metern zwischen Schild und Geschwindigkeitsmessung wegen einer Gefahrenstelle unterschritten werden dürfen. Grund war die Einfahrt eines nahen Kindergartens. Die Zone um den Kindergarten sei besonders schutzwürdig. Dort sei es besonders wichtig, die Autofahrer zur Einhaltung von Tempo 30 zu bringen (4.11.2004, Az. 3 Ss OWi 518/04).

Übrigens gibt es keine Regel, die vorschreibt, dass ein Blitzer in einem bestimmten Mindestabstand zu einem Schild stehen muss, das eine Geschwindigkeitsbeschränkung aufhebt. Dies geht aus einem Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart hervor (4.07.2011, Az. 4 Ss 261/11).

Praxistipp zum Abstand zwischen Temposchild und Blitzer


Haben Sie den Eindruck, dass bei Ihnen eine Geschwindigkeitsmessung zu dicht hinter einem Temposchild stattgefunden hat? Besonders bei einem Fahrverbot kann eine Überprüfung sinnvoll sein. Ein Fachanwalt für Verkehrsrecht kann die Erfolgsaussichten eines Widerspruches in Ihrem Fall anhand der Regeln in Ihrem Bundesland am besten einschätzen.

(Bu)


 Stephan Buch
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