Teures Arbeitsgerät kaputt oder Kollege verletzt: Wann hafte ich als Arbeitnehmer?
28.10.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Bu - Anwalt-Suchservice Im Arbeitsleben kann es schneller als gedacht zu einem Sachschaden oder gar zu einem Personenschaden kommen. Vielleicht lässt ein Arbeitnehmer einfach den firmeneigenen Laptop herunterfallen oder eine Tasse Kaffee kippt um und ergießt sich über die Tastatur des PCs. Deutlich teurer wird es noch, wenn zum Beispiel ein Gabelstapler ein Regal voller Maschinenteile rammt, ein LKW im Graben landet oder eine Fertigungsmaschine wegen eines Bedienerfehlers ausfällt. Auch im medizinischen Bereich können teure Geräte durch Unfälle und unsachgemäße Bedienung beschädigt werden. Schließlich machen Menschen Fehler. Wenn so etwas passiert, stellt sich schnell die Frage, inwieweit Arbeitnehmer gegenüber ihrem Chef oder ihren Kollegen haften.
Auch im Arbeitsverhältnis gilt der Grundsatz: Wer einen Schaden verursacht, muss dafür aufkommen. Kommt es im Betrieb zu einem Schaden, möchten Arbeitgeber natürlich, dass der verantwortliche Arbeitnehmer dafür möglichst weitgehend haftet. Immerhin hat er fremdes Eigentum beschädigt. Natürlich ist dies in der Praxis nicht so einfach. Viele Arbeitnehmer sind nämlich finanziell gar nicht dazu in der Lage, größere Schäden an teurem Arbeitsgerät aus eigener Tasche zu bezahlen. Hinzu kommt, dass sie weisungsabhängig tätig sind. Sie haben daher wenig Einfluss auf innerbetriebliche Arbeitsabläufe und mit der Arbeit verbundene Risiken. Die Arbeitsgerichte haben der Haftung der Arbeitnehmer deswegen Grenzen gesetzt.
Wenn Arbeitnehmer bei der Arbeit einen Schaden verursachen, richtet sich ihre Haftung nach dem Grad ihres Verschuldens.
Die schlimmste Stufe ist dabei natürlich der Vorsatz. Hat ein Mitarbeiter einen Schaden vorsätzlich verursacht – zum Beispiel in einem Wutanfall Kaffee über die Tastatur des nervenden Kollegen geschüttet oder gegen die dauernd streikende Fotokopiermaschine getreten – haftet er allein. Er muss den gesamten Schaden ersetzen.
Dies gilt in der Regel auch bei grober Fahrlässigkeit. Diese liegt vor, wenn man vollkommen selbstverständliche Vorsichtsmaßnahmen oder Sorgfaltsregeln außer Acht lässt. Hier gibt es aber eine Ausnahme: Steht die Höhe des Schadens in einem besonderen Missverhältnis zum Einkommen des Betreffenden, kann die Haftung ausnahmsweise begrenzt werden.
Die meisten Schäden auf der Arbeit werden jedoch durch ganz normale Fahrlässigkeit verursacht. Man spricht hier auch von mittlerer Fahrlässigkeit. Diese liegt vor, wenn man die ganz normale, übliche Sorgfalt außer Acht lässt. Dann haften Arbeitnehmer nur für einen Teil des Schadens.
Wenn der Schaden durch ganz leichte Fahrlässigkeit zustande kommt, haften sie hingegen gar nicht. Dann muss der Arbeitgeber für den Schaden aufkommen.
Von grober Fahrlässigkeit geht man aus, wenn Arbeitnehmer jede vernünftige Sorgfalt vernachlässigen. Das ist etwa der Fall, wenn jemand Vorsichtsmaßnahmen außer Acht gelassen hat, die in dieser Situation jedem hätten einleuchten müssen.
Beispiele:
- Ein Arbeiter beschäftigt sich mit seinem Smartphone, während er eine Fräsmaschine bedient.
- Ein LKW-Fahrer fährt unter Alkoholeinfluss und verursacht einen Unfall.
- Ein Bauarbeiter bedient unter Drogeneinfluss einen Kran.
- Ein Kurierfahrer missachtet eine rote Ampel.
Von mittlerer Fahrlässigkeit spricht man, wenn ein Arbeitnehmer die "verkehrsübliche" Sorgfalt missachtet, also die in dieser Situation üblichen und ganz normalen Sorgfaltsregeln ignoriert. In solchen Fällen wird meist die Haftung zwischen Betrieb und Mitarbeiter aufgeteilt. Aber: Arbeitnehmer sollten sich nicht darauf verlassen, dass der Schaden in jedem Fall 50/50 geteilt wird. Die Gerichte beurteilen nämlich jeden Fall sehr genau nach dem, was passiert ist: Wie gefahrenträchtig war die Arbeit? Welche Anweisungen und Sicherheitsvorschriften gab es? Hätte der Arbeitgeber womöglich eine Versicherung gegen genau diesen Schaden abschließen können? Nicht zuletzt spielen hier auch soziale Aspekte eine Rolle: zum Beispiel die Beschäftigungsdauer des Arbeitnehmers in der Firma, sein Alter und seine Stellung im Betrieb.
Kleine Unachtsamkeiten, die jedem passieren können, bezeichnet man als leichte Fahrlässigkeit. Beispiel: Einem überlasteten Arbeitnehmer fällt im Terminstress etwas herunter. Die leichte Fahrlässigkeit gilt als Ausnahmefall und ist das Gegenstück zur groben Fahrlässigkeit.
Reinigungskraft drückt den großen roten Knopf
Die Reinigungskraft einer radiologischen Praxis war nach Feierabend zufällig an der Praxistür vorbeigekommen. Drinnen hatte sie einen Alarm gehört. Daraufhin hatte sie in bester Absicht ihren Schlüssel benutzt, um nachzusehen, denn sie wollte ihren Arbeitgeber vor Schaden bewahren. Wie sich zeigte, kam der Alarmton vom MRT-Gerät. Dieses hatte vier blaue Knöpfe. Einer davon trug die Aufschrift "alarm silence". Außerdem gab es noch einen großen roten Knopf unter einer durchsichtigen Plastikhaube mit der Aufschrift "magnet stop".
Die Reinigungskraft entschied sich für den großen roten Knopf. Dies führte zur Notabschaltung des MRT. Das enthaltene Helium wurde ins Freie abgeleitet. Dadurch brach das elektromagnetische Feld des Geräts zusammen. Es kam zu einem Schaden in Höhe von 30.000 Euro. Hinzu kamen Einnahmeausfälle in fünfstelliger Höhe, weil es einige Zeit dauerte, bis das Gerät wieder einsatzfähig war. Die Ausfälle waren nicht versichert. Der Arbeitgeber verklagte die Reinigungskraft auf Schadensersatz. Diese verdiente jedoch nur 320 Euro brutto im Monat.
Der Fall ging bis vor das Bundesarbeitsgericht. Dieses sah das Handeln der Frau zwar als gut gemeint an. Letztlich sei es jedoch grob fahrlässig gewesen. Die Frau habe wahllos einen Knopf gedrückt, der offensichtlich gefahrenträchtig war. Dieser Gedanke hätte sich ihr schon aufdrängen müssen, weil über dem Knopf eine Plexiglashaube angebracht gewesen sei. Allerdings betrage allein der Schaden am Gerät bereits mehr als das Hundertfache ihres Monatslohns. Daher sei ihre Haftung trotz grober Fahrlässigkeit zu beschränken. Am Ende musste sie mit einem Jahresgehalt haften, also mit 3.840 Euro (Urteil vom 28.10.2010, Az. 8 AZR 418/09).
Benzin statt Diesel getankt
Im Speditionsgewerbe gibt es viele Haftungsfälle. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz sah das Verhalten eines LKW-Aushilfsfahrers als grob fahrlässig an. Dieser hatte in den Tank eines 7,5-Tonners keinen Diesel, sondern Benzin eingefüllt. Es kam zu einem Motorschaden, dessen Behebung 4.800 Euro kostete. Der Fahrer war ein Rentner mit Führerscheinklasse 3, der sich nur etwas dazuverdienen wollte. Auch in diesem Fall beschränkte das Gericht trotz grober Fahrlässigkeit die Haftung des Arbeitnehmers. Er musste nur 2/3 des Schadens bezahlen (Urteil vom 7.7.2003, Az. 7 Sa 631/03).
LKW-Unfall durch Alkohol am Steuer
Ein Sattelzug mit Anhänger war auf der Autobahn rechts von der Fahrbahn abgekommen und beim Versuch, wieder mit allen Rädern auf die Straße zu kommen, über die gesamte Autobahnbreite geschleudert und umgefallen. Ergebnis: Ein erheblich beschädigter LKW und eine Autobahn voll verlorener Ladung. Beim Fahrer stellte die Polizei 0,94 Promille Blutalkohol fest. Dessen Arbeitgeber hatte ihn schriftlich auf ein striktes Alkoholverbot am Arbeitsplatz hingewiesen. Der LKW war nicht vollkaskoversichert und die Spedition hatte auch keinen Bergungsschutzbrief abgeschlossen. Der Arbeitgeber verlangte von dem angestellten Fahrer rund 17.000 Euro Schadensersatz.
Das Bundesarbeitsgericht sah das Verhalten des Fahrers als grob fahrlässig an. Zwar habe er noch keine 1,1 Promille und damit noch nicht die absolute Fahruntüchtigkeit erreicht. Er habe jedoch Ausfallerscheinungen gezeigt. Ein solcher Unfall bei trockener Straße ließe sich nicht anders erklären, als eben durch den Einfluss von Alkohol. Vor Gericht wurde auch darüber gestritten, ob bei grober Fahrlässigkeit die Haftung des Arbeitnehmers standardmäßig auf drei Bruttogehälter zu beschränken sei. Dies wollte das Bundesarbeitsgericht jedoch nicht zur allgemein gültigen Faustregel erklären. Es verwies den Fall zur individuellen Beurteilung der Haftungsquote an die Vorinstanz zurück (Urteil vom 15.11.2012, 8 AZR 705/11).
Dazu enthält § 105 Abs. 1 des 7. Sozialgesetzbuches (SGB VII) eine wichtige Regel: Verursacht ein Arbeitnehmer einen Personenschaden bei einem anderen Arbeitnehmer des Betriebes – also eine körperliche Verletzung – haftet er nicht. In diesem Fall zahlt die gesetzliche Unfallversicherung. Ausnahmen gelten bei Vorsatz und Wegeunfällen. Beschäftigte haften jedoch durchaus, wenn sie einem Kollegen einen Sachschaden zufügen. Beispiel: Jemand setzt sich im Pausenraum auf die Brille eines Kollegen. In bestimmten Fällen können Arbeitnehmer allerdings vom Chef verlangen, von solchen Haftungsansprüchen freigestellt zu werden.
Ein Feuerwehrmann hatte auf dem Platz der Feuerwache mit einem Feuerwehrfahrzeug rangieren müssen, ohne im Einsatz zu sein. In einer Durchfahrt stand ihm ein Kollege im Weg, der ihm den Rücken zudrehte und ihn nicht kommen sah. Der Fahrer betätigte kurz die Fahrzeugsirene. Der Kollege erlitt dadurch einen Tinnitus und war 18 Monate lang arbeitsunfähig. Er verlangte von dem Fahrer Schadensersatz und Schmerzensgeld. Dieser habe gewusst, dass das Martinshorn nur im Notfall im Einsatz eingesetzt werden dürfe und nicht, um Kollegen absichtlich zu erschrecken.
Das Gericht war der Ansicht, dass es sich bei der Rangierfahrt um eine betriebliche Tätigkeit gehandelt habe. Für eine vorsätzliche Schädigung, die einen Anspruch unter Arbeitskollegen auslöse, sei ein sogenannter doppelter Vorsatz erforderlich. Heißt: Der Vorsatz des Schädigers muss sich nicht nur auf die Handlung beziehen, mit der er jemanden verletzt, sondern auch darauf, eine Verletzung herbeizuführen. Hier meinte das Gericht, dass der Beklagte nicht die Absicht gehabt habe, dem Kläger einen Gehörschaden zuzufügen. Daher hafte er nach § 105 Abs. 1 SGB VII nicht und das Ganze sei lediglich ein Fall für die gesetzliche Unfallversicherung (Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 20.12.2022, Az. 7 Sa 243/22).
Auch wenn dieses Urteil eine gewisse Beruhigung für betriebliche Scherzbolde darstellt: Wer es übertreibt, muss auch noch mit anderen Folgen rechnen. So beurteilte das Arbeitsgericht Krefeld vor einigen Jahren den Einwurf eines gezündeten Böllers in ein Baustellenklo, auf dem gerade ein Kollege saß, als absichtlichen tätlichen Angriff, bei dem der Täter damit rechnen müsse, dass der andere erhebliche Verletzungen erleide (was auch der Fall war). Der Böllerwerfer verlor mit gerichtlichem Segen fristlos seinen Job. Um die Haftung ging es in dem Verfahren nicht (Urteil vom 30.11.2012, Az. 2 Ca 2010/12).
Ein Arbeitnehmer, der einen Kollegen geschädigt hat, kann unter bestimmten Voraussetzungen vom Arbeitgeber verlangen, dass ihn dieser von der Haftung freistellt und den Schaden bezahlt. Ein solcher Freistellungsanspruch besteht jedoch nur, wenn der Arbeitnehmer den Schaden
- bei einer betrieblich veranlassten Tätigkeit und
- weder grob fahrlässig noch vorsätzlich
verursacht hat.
Dabei sind dann wieder die oben erklärten Abstufungen des Verschuldens entscheidend. Bei grober Fahrlässigkeit gibt es kein Recht auf Freistellung, bei mittlerer Fahrlässigkeit bezahlen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Schaden anteilig und bei leichter Fahrlässigkeit kann der Beschäftigte vom Arbeitgeber eine vollständige Freistellung von der Haftung verlangen.
Es gibt jedoch eine Ausnahme: Der Chef muss nur dann zahlen, wenn er kann. Übersteigt der Schaden die finanziellen Möglichkeiten des Arbeitgebers, braucht er den Arbeitnehmer nicht freizustellen. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn teure Maschinen oder Fahrzeuge beschädigt werden, die gar nicht dem Arbeitgeber gehören, sondern der Bank oder einem Leasinggeber. Fehlt dem Arbeitgeber das Geld, um den Schaden zu decken, kann der fremde Eigentümer der beschädigten Sache den vollen Betrag vom Arbeitnehmer verlangen.
Haben Sie bei Ihrem Arbeitgeber oder einem Kollegen einen Schaden verursacht? Dann empfiehlt sich eine Beratung bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht. Welchen Anteil am Schaden Sie als Arbeitnehmer tragen müssen, richtet sich immer nach dem Einzelfall. Unter Umständen kann Ihre Haftung mit den richtigen Argumenten reduziert werden.
Das Wichtigste in Kürze
1. Arbeitnehmerhaftung: Verursachen Arbeitnehmer bei der Arbeit einen Schaden am Eigentum des Arbeitgebers oder verletzen einen Kollegen, richtet sich ihre Haftung nach dem Grad ihres Verschuldens.
2. Verschuldensgrad: Maßstab für den Grad des Verschuldens ist, ob der Schaden durch den Arbeitnehmer vorsätzlich, grob oder leicht fahrlässig herbeigefürt wurde.
3. Abgrenzung: Vorsatz bedeutet absichtliches Herbeiführen des Schadens. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer jede vernünftige Sorgfalt vernachlässigt. Mittlere Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer die “verkehrsübliche” Sorgfalt außer Acht lässt. Leichte Fahrlässigkeit ist bei kleinen Unachtsamkeiten, die jedem passieren können, gegeben.
1. Arbeitnehmerhaftung: Verursachen Arbeitnehmer bei der Arbeit einen Schaden am Eigentum des Arbeitgebers oder verletzen einen Kollegen, richtet sich ihre Haftung nach dem Grad ihres Verschuldens.
2. Verschuldensgrad: Maßstab für den Grad des Verschuldens ist, ob der Schaden durch den Arbeitnehmer vorsätzlich, grob oder leicht fahrlässig herbeigefürt wurde.
3. Abgrenzung: Vorsatz bedeutet absichtliches Herbeiführen des Schadens. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer jede vernünftige Sorgfalt vernachlässigt. Mittlere Fahrlässigkeit liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer die “verkehrsübliche” Sorgfalt außer Acht lässt. Leichte Fahrlässigkeit ist bei kleinen Unachtsamkeiten, die jedem passieren können, gegeben.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Wann haften Arbeitnehmer für Schäden auf der Arbeit? Welchen Anteil vom Schaden muss ich als Arbeitnehmer zahlen? Wann handle ich als Arbeitnehmer grob fahrlässig? Wann liegt mittlere Fahrlässigkeit vor? Wann handeln Arbeitnehmer leicht fahrlässig? Urteile zur Haftung von Arbeitnehmern Wann hafte ich für Schäden eines Kollegen? Wer haftet bei Verletzungen durch "Scherze" im Betrieb? Wann muss der Arbeitgeber für eine Verletzung zahlen? Praxistipp zur Haftung von Arbeitnehmern Wann haften Arbeitnehmer für Schäden auf der Arbeit?
Auch im Arbeitsverhältnis gilt der Grundsatz: Wer einen Schaden verursacht, muss dafür aufkommen. Kommt es im Betrieb zu einem Schaden, möchten Arbeitgeber natürlich, dass der verantwortliche Arbeitnehmer dafür möglichst weitgehend haftet. Immerhin hat er fremdes Eigentum beschädigt. Natürlich ist dies in der Praxis nicht so einfach. Viele Arbeitnehmer sind nämlich finanziell gar nicht dazu in der Lage, größere Schäden an teurem Arbeitsgerät aus eigener Tasche zu bezahlen. Hinzu kommt, dass sie weisungsabhängig tätig sind. Sie haben daher wenig Einfluss auf innerbetriebliche Arbeitsabläufe und mit der Arbeit verbundene Risiken. Die Arbeitsgerichte haben der Haftung der Arbeitnehmer deswegen Grenzen gesetzt.
Welchen Anteil vom Schaden muss ich als Arbeitnehmer zahlen?
Wenn Arbeitnehmer bei der Arbeit einen Schaden verursachen, richtet sich ihre Haftung nach dem Grad ihres Verschuldens.
Die schlimmste Stufe ist dabei natürlich der Vorsatz. Hat ein Mitarbeiter einen Schaden vorsätzlich verursacht – zum Beispiel in einem Wutanfall Kaffee über die Tastatur des nervenden Kollegen geschüttet oder gegen die dauernd streikende Fotokopiermaschine getreten – haftet er allein. Er muss den gesamten Schaden ersetzen.
Dies gilt in der Regel auch bei grober Fahrlässigkeit. Diese liegt vor, wenn man vollkommen selbstverständliche Vorsichtsmaßnahmen oder Sorgfaltsregeln außer Acht lässt. Hier gibt es aber eine Ausnahme: Steht die Höhe des Schadens in einem besonderen Missverhältnis zum Einkommen des Betreffenden, kann die Haftung ausnahmsweise begrenzt werden.
Die meisten Schäden auf der Arbeit werden jedoch durch ganz normale Fahrlässigkeit verursacht. Man spricht hier auch von mittlerer Fahrlässigkeit. Diese liegt vor, wenn man die ganz normale, übliche Sorgfalt außer Acht lässt. Dann haften Arbeitnehmer nur für einen Teil des Schadens.
Wenn der Schaden durch ganz leichte Fahrlässigkeit zustande kommt, haften sie hingegen gar nicht. Dann muss der Arbeitgeber für den Schaden aufkommen.
Wann handle ich als Arbeitnehmer grob fahrlässig?
Von grober Fahrlässigkeit geht man aus, wenn Arbeitnehmer jede vernünftige Sorgfalt vernachlässigen. Das ist etwa der Fall, wenn jemand Vorsichtsmaßnahmen außer Acht gelassen hat, die in dieser Situation jedem hätten einleuchten müssen.
Beispiele:
- Ein Arbeiter beschäftigt sich mit seinem Smartphone, während er eine Fräsmaschine bedient.
- Ein LKW-Fahrer fährt unter Alkoholeinfluss und verursacht einen Unfall.
- Ein Bauarbeiter bedient unter Drogeneinfluss einen Kran.
- Ein Kurierfahrer missachtet eine rote Ampel.
Wann liegt mittlere Fahrlässigkeit vor?
Von mittlerer Fahrlässigkeit spricht man, wenn ein Arbeitnehmer die "verkehrsübliche" Sorgfalt missachtet, also die in dieser Situation üblichen und ganz normalen Sorgfaltsregeln ignoriert. In solchen Fällen wird meist die Haftung zwischen Betrieb und Mitarbeiter aufgeteilt. Aber: Arbeitnehmer sollten sich nicht darauf verlassen, dass der Schaden in jedem Fall 50/50 geteilt wird. Die Gerichte beurteilen nämlich jeden Fall sehr genau nach dem, was passiert ist: Wie gefahrenträchtig war die Arbeit? Welche Anweisungen und Sicherheitsvorschriften gab es? Hätte der Arbeitgeber womöglich eine Versicherung gegen genau diesen Schaden abschließen können? Nicht zuletzt spielen hier auch soziale Aspekte eine Rolle: zum Beispiel die Beschäftigungsdauer des Arbeitnehmers in der Firma, sein Alter und seine Stellung im Betrieb.
Wann handeln Arbeitnehmer leicht fahrlässig?
Kleine Unachtsamkeiten, die jedem passieren können, bezeichnet man als leichte Fahrlässigkeit. Beispiel: Einem überlasteten Arbeitnehmer fällt im Terminstress etwas herunter. Die leichte Fahrlässigkeit gilt als Ausnahmefall und ist das Gegenstück zur groben Fahrlässigkeit.
Urteile zur Haftung von Arbeitnehmern
Reinigungskraft drückt den großen roten Knopf
Die Reinigungskraft einer radiologischen Praxis war nach Feierabend zufällig an der Praxistür vorbeigekommen. Drinnen hatte sie einen Alarm gehört. Daraufhin hatte sie in bester Absicht ihren Schlüssel benutzt, um nachzusehen, denn sie wollte ihren Arbeitgeber vor Schaden bewahren. Wie sich zeigte, kam der Alarmton vom MRT-Gerät. Dieses hatte vier blaue Knöpfe. Einer davon trug die Aufschrift "alarm silence". Außerdem gab es noch einen großen roten Knopf unter einer durchsichtigen Plastikhaube mit der Aufschrift "magnet stop".
Die Reinigungskraft entschied sich für den großen roten Knopf. Dies führte zur Notabschaltung des MRT. Das enthaltene Helium wurde ins Freie abgeleitet. Dadurch brach das elektromagnetische Feld des Geräts zusammen. Es kam zu einem Schaden in Höhe von 30.000 Euro. Hinzu kamen Einnahmeausfälle in fünfstelliger Höhe, weil es einige Zeit dauerte, bis das Gerät wieder einsatzfähig war. Die Ausfälle waren nicht versichert. Der Arbeitgeber verklagte die Reinigungskraft auf Schadensersatz. Diese verdiente jedoch nur 320 Euro brutto im Monat.
Der Fall ging bis vor das Bundesarbeitsgericht. Dieses sah das Handeln der Frau zwar als gut gemeint an. Letztlich sei es jedoch grob fahrlässig gewesen. Die Frau habe wahllos einen Knopf gedrückt, der offensichtlich gefahrenträchtig war. Dieser Gedanke hätte sich ihr schon aufdrängen müssen, weil über dem Knopf eine Plexiglashaube angebracht gewesen sei. Allerdings betrage allein der Schaden am Gerät bereits mehr als das Hundertfache ihres Monatslohns. Daher sei ihre Haftung trotz grober Fahrlässigkeit zu beschränken. Am Ende musste sie mit einem Jahresgehalt haften, also mit 3.840 Euro (Urteil vom 28.10.2010, Az. 8 AZR 418/09).
Benzin statt Diesel getankt
Im Speditionsgewerbe gibt es viele Haftungsfälle. Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz sah das Verhalten eines LKW-Aushilfsfahrers als grob fahrlässig an. Dieser hatte in den Tank eines 7,5-Tonners keinen Diesel, sondern Benzin eingefüllt. Es kam zu einem Motorschaden, dessen Behebung 4.800 Euro kostete. Der Fahrer war ein Rentner mit Führerscheinklasse 3, der sich nur etwas dazuverdienen wollte. Auch in diesem Fall beschränkte das Gericht trotz grober Fahrlässigkeit die Haftung des Arbeitnehmers. Er musste nur 2/3 des Schadens bezahlen (Urteil vom 7.7.2003, Az. 7 Sa 631/03).
LKW-Unfall durch Alkohol am Steuer
Ein Sattelzug mit Anhänger war auf der Autobahn rechts von der Fahrbahn abgekommen und beim Versuch, wieder mit allen Rädern auf die Straße zu kommen, über die gesamte Autobahnbreite geschleudert und umgefallen. Ergebnis: Ein erheblich beschädigter LKW und eine Autobahn voll verlorener Ladung. Beim Fahrer stellte die Polizei 0,94 Promille Blutalkohol fest. Dessen Arbeitgeber hatte ihn schriftlich auf ein striktes Alkoholverbot am Arbeitsplatz hingewiesen. Der LKW war nicht vollkaskoversichert und die Spedition hatte auch keinen Bergungsschutzbrief abgeschlossen. Der Arbeitgeber verlangte von dem angestellten Fahrer rund 17.000 Euro Schadensersatz.
Das Bundesarbeitsgericht sah das Verhalten des Fahrers als grob fahrlässig an. Zwar habe er noch keine 1,1 Promille und damit noch nicht die absolute Fahruntüchtigkeit erreicht. Er habe jedoch Ausfallerscheinungen gezeigt. Ein solcher Unfall bei trockener Straße ließe sich nicht anders erklären, als eben durch den Einfluss von Alkohol. Vor Gericht wurde auch darüber gestritten, ob bei grober Fahrlässigkeit die Haftung des Arbeitnehmers standardmäßig auf drei Bruttogehälter zu beschränken sei. Dies wollte das Bundesarbeitsgericht jedoch nicht zur allgemein gültigen Faustregel erklären. Es verwies den Fall zur individuellen Beurteilung der Haftungsquote an die Vorinstanz zurück (Urteil vom 15.11.2012, 8 AZR 705/11).
Wann hafte ich für Schäden eines Kollegen?
Dazu enthält § 105 Abs. 1 des 7. Sozialgesetzbuches (SGB VII) eine wichtige Regel: Verursacht ein Arbeitnehmer einen Personenschaden bei einem anderen Arbeitnehmer des Betriebes – also eine körperliche Verletzung – haftet er nicht. In diesem Fall zahlt die gesetzliche Unfallversicherung. Ausnahmen gelten bei Vorsatz und Wegeunfällen. Beschäftigte haften jedoch durchaus, wenn sie einem Kollegen einen Sachschaden zufügen. Beispiel: Jemand setzt sich im Pausenraum auf die Brille eines Kollegen. In bestimmten Fällen können Arbeitnehmer allerdings vom Chef verlangen, von solchen Haftungsansprüchen freigestellt zu werden.
Wer haftet bei Verletzungen durch "Scherze" im Betrieb?
Ein Feuerwehrmann hatte auf dem Platz der Feuerwache mit einem Feuerwehrfahrzeug rangieren müssen, ohne im Einsatz zu sein. In einer Durchfahrt stand ihm ein Kollege im Weg, der ihm den Rücken zudrehte und ihn nicht kommen sah. Der Fahrer betätigte kurz die Fahrzeugsirene. Der Kollege erlitt dadurch einen Tinnitus und war 18 Monate lang arbeitsunfähig. Er verlangte von dem Fahrer Schadensersatz und Schmerzensgeld. Dieser habe gewusst, dass das Martinshorn nur im Notfall im Einsatz eingesetzt werden dürfe und nicht, um Kollegen absichtlich zu erschrecken.
Das Gericht war der Ansicht, dass es sich bei der Rangierfahrt um eine betriebliche Tätigkeit gehandelt habe. Für eine vorsätzliche Schädigung, die einen Anspruch unter Arbeitskollegen auslöse, sei ein sogenannter doppelter Vorsatz erforderlich. Heißt: Der Vorsatz des Schädigers muss sich nicht nur auf die Handlung beziehen, mit der er jemanden verletzt, sondern auch darauf, eine Verletzung herbeizuführen. Hier meinte das Gericht, dass der Beklagte nicht die Absicht gehabt habe, dem Kläger einen Gehörschaden zuzufügen. Daher hafte er nach § 105 Abs. 1 SGB VII nicht und das Ganze sei lediglich ein Fall für die gesetzliche Unfallversicherung (Landesarbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 20.12.2022, Az. 7 Sa 243/22).
Auch wenn dieses Urteil eine gewisse Beruhigung für betriebliche Scherzbolde darstellt: Wer es übertreibt, muss auch noch mit anderen Folgen rechnen. So beurteilte das Arbeitsgericht Krefeld vor einigen Jahren den Einwurf eines gezündeten Böllers in ein Baustellenklo, auf dem gerade ein Kollege saß, als absichtlichen tätlichen Angriff, bei dem der Täter damit rechnen müsse, dass der andere erhebliche Verletzungen erleide (was auch der Fall war). Der Böllerwerfer verlor mit gerichtlichem Segen fristlos seinen Job. Um die Haftung ging es in dem Verfahren nicht (Urteil vom 30.11.2012, Az. 2 Ca 2010/12).
Wann muss der Arbeitgeber für eine Verletzung zahlen?
Ein Arbeitnehmer, der einen Kollegen geschädigt hat, kann unter bestimmten Voraussetzungen vom Arbeitgeber verlangen, dass ihn dieser von der Haftung freistellt und den Schaden bezahlt. Ein solcher Freistellungsanspruch besteht jedoch nur, wenn der Arbeitnehmer den Schaden
- bei einer betrieblich veranlassten Tätigkeit und
- weder grob fahrlässig noch vorsätzlich
verursacht hat.
Dabei sind dann wieder die oben erklärten Abstufungen des Verschuldens entscheidend. Bei grober Fahrlässigkeit gibt es kein Recht auf Freistellung, bei mittlerer Fahrlässigkeit bezahlen Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Schaden anteilig und bei leichter Fahrlässigkeit kann der Beschäftigte vom Arbeitgeber eine vollständige Freistellung von der Haftung verlangen.
Es gibt jedoch eine Ausnahme: Der Chef muss nur dann zahlen, wenn er kann. Übersteigt der Schaden die finanziellen Möglichkeiten des Arbeitgebers, braucht er den Arbeitnehmer nicht freizustellen. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn teure Maschinen oder Fahrzeuge beschädigt werden, die gar nicht dem Arbeitgeber gehören, sondern der Bank oder einem Leasinggeber. Fehlt dem Arbeitgeber das Geld, um den Schaden zu decken, kann der fremde Eigentümer der beschädigten Sache den vollen Betrag vom Arbeitnehmer verlangen.
Praxistipp zur Haftung von Arbeitnehmern
Haben Sie bei Ihrem Arbeitgeber oder einem Kollegen einen Schaden verursacht? Dann empfiehlt sich eine Beratung bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht. Welchen Anteil am Schaden Sie als Arbeitnehmer tragen müssen, richtet sich immer nach dem Einzelfall. Unter Umständen kann Ihre Haftung mit den richtigen Argumenten reduziert werden.
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