Geschwindigkeitsverstöße in der Probezeit: Führerschein / Fahrerlaubnis weg?

08.12.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
Auto,Blitzer,Geschwindigkeitsverstoß,Führerschein Bei zu schnellem Fahren in der Probezeit droht Führerschein- und Faherlaubnisentzug © Rh - Anwalt-Suchservice

Endlich ist die Fahrerlaubnis da! Für Fahranfänger beginnt nun die große Freiheit - allerdings zunächst auf Probe. Geschwindigkeitsverstöße können schnell unschöne Folgen haben. Es droht der Entzug von Führerschein und Fahrerlaubnis.

Schnell ist eine Geschwindigkeitsübertretung passiert. In der Probezeit hat sie jedoch eher unschöne Folgen, als bei einem erfahreneren Autofahrer. Denn: Der Gesetzgeber will innerhalb der zweijährigen Probezeit Fahranfänger besonders dazu anhalten, die Regeln zu beachten. Viele Verstöße ziehen daher eine Verlängerung der Fahrerlaubnis auf Probe nach sich, oft auch ein teures Aufbauseminar und bei wiederholtem Verstoß gar die Entziehung der Fahrerlaubnis. Aber: Nicht jeder Verstoß in der Probezeit kostet gleich den Führerschein und die Fahrerlaubnis oder führt zu einer Nachschulung. Man unterscheidet sogenannte A- und B-Verstöße, und auch auf die Anzahl der Regelwidrigkeiten kommt es an. Hier geben wir einige Orientierungshilfen für Fahranfänger.

Fahrerlaubnis auf Probe: Was sind A-Verstöße?


Verstöße gegen Verkehrsregeln teilt man in zwei Kategorien ein: A-Verstöße und B-Verstöße. In Anlage 12 der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) findet sich eine Liste. A-Verstöße sind schwerwiegend. Sie haben sogenannte Probezeitmaßnahmen zur Folge. Zu ihnen gehören grundsätzlich auch Geschwindigkeitsübertretungen. Weitere Beispiele für A-Verstöße sind Abstandsvergehen, Überholen trotz Überholverbot, Missachtung der Vorfahrt und Fahren unter Alkoholeinfluss, ebenso das Nichtbilden einer Rettungsgasse oder die Nutzung elektronischer Geräte beim Fahren. Auch werden verschiedene Straftaten im Straßenverkehr (wie etwa Fahrerflucht, Nötigung, Trunkenheit im Verkehr) als A-Verstöße angesehen. Wer als Fahranfänger einen A-Verstoß begeht, muss außer den normalen Folgen in Form von Bußgeld und ggf. Punkten damit rechnen, dass seine Probezeit um zwei Jahre verlängert wird. In der Regel wird auch ein Aufbauseminar angeordnet, welches mehrere hundert Euro kostet.

Was versteht man unter B-Verstößen von Fahranfängern?


Als B-Verstöße bezeichnet man die weniger schwerwiegenden Verstöße. Dazu zählen etwa grundloses Parken auf dem Randstreifen der Autobahn, abgefahrene Reifen, das Überziehen der Hauptuntersuchung um mehr als acht Monate oder das Mitnehmen von Kindern ohne ausreichende Absicherung, sowie auch mehrere Straftaten wie fahrlässige Körperverletzung. Einmalige B-Verstöße von Fahranfängern haben keine Auswirkungen auf die Probezeit. Sie werden jedoch nach dem Bußgeldkatalog geahndet.

Wie viele km/h führen zur Verlängerung der Probezeit von Fahranfängern?


Nicht jede Geschwindigkeitsübertretung ist ein A-Verstoß. Folgen für die Probezeit drohen erst, wenn der Führerscheinneuling mit mehr als 20 km/h zu viel unterwegs ist. Wer also innerorts mit 71 km/h "geblitzt" wird, muss damit rechnen, “in die Verlängerung” zu gehen.

Was passiert, wenn ich nicht zum Aufbauseminar gehe?


In diesem Fall hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Fahranfänger seine Fahrerlaubnis zu entziehen. Dann ist der Führerschein weg (§ 2a Abs. 3 Straßenverkehrsgesetz).

Was ist der Unterschied zwischen Fahrverbot und Entziehung der Fahrerlaubnis?


Bei einem Fahrverbot wird dem Autofahrer für ein bis drei Monate das Fahren verboten. Seinen Führerschein muss er in diesem Zeitraum auf der Polizei abgeben und bekommt ihn danach wieder zurück. Den Zeitpunkt eines Fahrverbotes kann man selbst beeinflussen: Es muss innerhalb eines bestimmten Zeitraumes angetreten werden. So kann man diese Verkerhserziehungsmaßnahme auch in den eigenen Urlaub legen.

Anders ist es bei einer Entziehung der Fahrerlaubnis: Diese gilt auf Dauer. Der Führerschein wird eingezogen und ist weg. Der Fahranfänger muss eine neue Fahrerlaubnis beantragen. Er bekommt jedoch eine Sperrfrist, die er zunächst abwarten muss. Der Neuantrag ist häufig damit verbunden, dass man zuerst einmal eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) hinter sich bringen muss – speziell, wenn Alkohol und Drogen zur Entziehung der Fahrerlaubnis geführt haben. Bei den in diesem Artikel beschriebenen Probezeit-Verstößen geht es immer um die dauerhafte Entziehung der Fahrerlaubnis. Anders als beim Fahrverbot, ist beim Fahrerlaubnisentzug kein zeitlicher Aufschub möglich.

Welche Folgen haben mehreren A-Verstöße?


Bereits ein einziger A-Verstoß führt zu den oben genannten Folgen wie einer Verlängerung der Probezeit und einem Aufbauseminar. Aber: Die Probezeit wird nur einmal verlängert. Bei mehreren Verstößen während der Probezeit können weitere unangenehme Folgen für den Fahranfänger hinzukommen. Zwei Verstöße führen in der Regel zu einer schriftlichen Verwarnung und einer Empfehlung, freiwillig an einer verkehrspsychologischen Beratung teilzunehmen. Drei A-Verstöße gleich welcher Art bedeuten, dass dem Fahranfänger die Fahrerlaubnis entzogen wird. Damit wird in der Regel die Anordnung einer Sperrfrist von mindestens sechs Monaten für die Erteilung eines neuen Führerscheins verbunden.

Welche Folgen haben mehreren B-Verstöße?


Wenn ein Fahranfänger zwei B-Verstöße oder einen B-Verstoß und einen A-Verstoß begeht, wird seine Probezeit ebenfalls um zwei Jahre verlängert und ein Aufbauseminar angeordnet. Begeht der Betreffende innerhalb der verlängerten Probezeit zwei weitere B-Verstöße, wird er schriftlich verwarnt und ihm wird eine verkehrspsychologische Beratung empfohlen. Bei zwei weiteren B-Verstößen in der verlängerten Probezeit ist dann mit einer Entziehung der Fahrerlaubnis mit Sperrfrist zu rechnen und wieder ist der Führerschein weg.

Ist nach Fahrerlaubnisentzug eine neue Führerscheinprüfung nötig?


Nicht zwingend. Dies liegt im Ermessen der Fahrerlaubnisbehörde. Diese verzichtet meist darauf, wenn seit der letzten Führerscheinprüfung noch keine fünf Jahre vergangen sind. Diese Frage kann aber nur die zuständige Behörde abschließend beantworten.

Beginnt mit dem neuen Führerschein eine neue Probezeit?


Wurde nach Ablauf der Sperrfrist (zumeist einhergehend mit bestandener MPU) eine neue Fahrerlaubnis erteilt, beginnt für den Fahranfänger auch eine neue Probezeit zu laufen. Immerhin wird dabei der Zeitraum der schon verstrichenen Probezeit angerechnet.

Urteil: Aufbauseminar nicht zu vermeiden


Eine Fahranfängerin war in der Probezeit auf feuchter Straße aufgrund nicht angepasster Geschwindigkeit ins Schleudern geraten. Am Ende lag ihr Auto auf der Seite neben der Straße und die Leitplanke war deutlich verbogen. Folge war ein Bußgeld von 145 Euro plus Auslagen, das jedoch - nach ihrem Einwand, dass sie als Auszubildende nur wenig verdiene - auf 75 Euro heruntergesetzt wurde. Diesen Betrag bezahlte sie. Dann wurde in einem weiteren Bescheid ihre Probezeit verlängert und ein Aufbauseminar angeordnet. Dieses sollte 400 bis 500 Euro kosten. Die Fahranfängerin ging gegen diesen Bescheid gerichtlich vor: Sie habe ihre Sorgfaltspflichten als Autofahrerin nicht verletzt. Die Behörde hätte sie bei Reduzierung des Bußgelds darauf hinweisen müssen, dass auch noch ein teures Aufbauseminar anstünde.

Das Verwaltungsgericht Würzburg bestätigte jedoch die Ansicht der Behörde. Die Klägerin habe während der Probezeit eine schwerwiegende Zuwiderhandlung begangen, die rechtskräftig geahndet worden sei. Damit sei ein Aufbauseminar anzuordnen. Da sie den Bußgeldbescheid akzeptiert habe, sei eine gerichtliche Überprüfung des Tatvorwurfs selbst nicht mehr möglich. Das Gericht wies darauf hin, dass das Bußgeldverfahren und die Anordnung von Probezeitmaßnahmen zwei verschiedene Verfahren seien. Daher müsse im Bußgeldbescheid auch nicht auf die Kosten der Probezeitmaßnahmen hingewiesen werden. Dieses Urteil wurde vom Verwaltungsgerichtshof München bestätigt (Beschluss vom 11.1.2022, Az. 11 ZB 21.164).

Praxistipp zu Geschwindigkeitsverstößen von Fahranfängern in der Probezeit


Bei einem Geschwindigkeitsverstoß in der Probezeit kann anwaltliche Hilfe entscheidend sein - vorzugsweise durch einen auf das Verkehrsrecht spezialisierten Rechtsanwalt. Dieser kann den Bußgeldbescheid anfechten. Vielleicht lässt sich das Gericht davon überzeugen, dass kein A-Verstoß vorliegt. So können etwa die Messergebnisse des Blitzers in Zweifel gezogen werden. Die korrekte Bedienung des Gerätes lässt sich anhand des Messprotokolls überprüfen. Viele Geräte haben bekannte Schwachstellen. Nur ein Rechtsanwalt kann Akteneinsicht für den Fahranfänger nehmen und die richtigen Schritte einleiten.

(Bu)


 Stephan Buch
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