Überwachung am Arbeitsplatz: Was darf mein Chef?
08.11.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Bu - Anwalt-Suchservice Heute haben Arbeitgeber viele Möglichkeiten, ihre Arbeitnehmer auf Schritt und Tritt zu kontrollieren. Unter bestimmten Umständen dürfen sie ihre E-Mails lesen, ihre Browserdaten werden registriert, Kameras überwachen Arbeitsplätze und Maschinen führen Buch darüber, wer diese wann und wie häufig bedient. Software-Programme können alle Tastatur-Eingaben überwachen und speichern. Oft werden Telefondaten gesammelt und überprüft. In extremen Fällen rücken sogar Detektivbüros an. Aber: Nicht alles ist erlaubt. Für so manche Überwachungsmethode bestehen gesetzliche Grenzen, an die sich der Arbeitgeber zu halten hat.
Viele Arbeitgeber möchten in erster Linie Diebstähle im Betrieb sowie Arbeitszeitbetrug verhindern – und die Produktivität steigern bzw. wahren. Es kommt immer wieder vor, dass Beschäftigte falsche Angaben zu Arbeitszeiten machen, indem sie etwa falsch Ein- oder Ausstempeln. Es wird auch immer wieder ”krank gefeiert”, und manche Arbeitnehmer nutzen ihre Arbeitszeit für private Tätigkeiten.
Einige Angestellte neigen dazu, von der Reisebuchung über Warenbestellungen bis zur Online-Partnersuche alles vom Büro-PC aus zu erledigen. Da wird auch schon mal ein wichtiges Fußballspiel online angeschaut. Auch kleine oder größere Diebstähle sind für viele Arbeitgeber ein Ärgernis – diese reichen vom belegten Brötchen über Schreibutensilien, Schrauben und Werkzeuge bis hin zum kompletten Computer. Natürlich stören solche Vorkommnisse das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer empfindlich, auch wenn die Mehrzahl der Mitarbeiter ihre Arbeitsverträge einhält und den Betrieb nicht schädigt.
Meist fängt die Überwachung schon beim Zeiterfassungssystem an. Die moderne Elektronik bietet jedoch weitere Möglichkeiten. Der Chef kann beispielsweise überwachen, wen der Arbeitnehmer vom Diensttelefon aus anruft und wie lange die Gespräche dauern. Schnell zeigt sich so, wer arbeitet und wer lange mit Freunden und Familie telefoniert.
Heute werden viele Arbeitsplätze von Kameras überwacht. Dies gilt nicht nur für Supermarkt-Kassen. Als Grund wird häufig die Sorge vor Diebstählen oder Überfällen genannt. Allerdings kann auch die Arbeitseffektivität der Mitarbeiter auf diese Weise überprüft werden. Heute kommt selbst Software zum Einsatz, die früher nur Hacker benutzten - etwa Keylogger. Zweck ist es, festzustellen, wofür die Arbeitnehmer ihre Büro-Computer tatsächlich benutzen. Auch die E-Mails liest oft der Chef mit. Wenn es um Vorkommnisse außerhalb des Betriebes selbst geht, überprüfen oft Detektive das Verhalten von Arbeitnehmern. Dabei geht es meist darum, ob jemand tatsächlich krank ist, aber auch um Diebstähle oder Betriebsspionage.
Arbeitgeber dürfen Telefondaten erfassen. Darunter fallen Rufnummern, Gesprächsdauer, Zeitpunkte und Gebühren. Es darf jedoch keine Erfassung dieser Daten stattfinden, wenn die Telefonanlage für private Gespräche freigegeben ist. Dies ist jedoch eher die Ausnahme.
Problematischer ist das ”Abhören”. Dieses ist als unzulässig anzusehen – und zwar unabhängig davon, ob private oder dienstliche Telefonate betroffen sind. Hier wird allzu stark in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers und seines Gesprächspartners eingegriffen. Unzulässig ist auch das Aufzeichnen von Gesprächen, sofern nicht beide Gesprächsteilnehmer zugestimmt haben. Ein Einholen der Zustimmung ist üblich bei Mitarbeitern in Ausbildung oder bei Qualitätskontrollen.
Erlaubt sein können die genannten Arten der Überwachung bei konkretem Verdacht auf eine Straftat zum Schaden des Betriebes. Arbeitgeber müssen hier jedoch äußerst vorsichtig sein: Heimliches Abhören ist strafbar (§ 201 Strafgesetzbuch, Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes).
Eine Kameraüberwachung der Arbeitnehmer ist grundsätzlich ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht. Die Grundregel lautet: Geschäftsräume mit Kundenverkehr dürfen überwacht werden, wenn die Kameras sichtbar sind und auf sie durch Schilder aufmerksam gemacht wird. Aber: Die Kameraüberwachung darf nur zur Wahrnehmung berechtigter Interessen stattfinden. Notwendig ist immer eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Gefilmten und des Betriebsinhabers.
Völlig unzulässig ist die Videoüberwachung von Räumen, die der Privatsphäre dienen. Dazu zählt man Toiletten, Umkleideräume und Pausenräume.
Das Bundesarbeitsgericht hat eine Video-Dauerüberwachung in Betriebsräumen ohne Kundenverkehr – auch durch sichtbare Kameras mit Hinweisschildern – für unzulässig erklärt (29.6.2004, Az. 1 ABR 21/03).
Bei Arbeitsräumen wie etwa Büros ist eine verdeckte Überwachung z.B. per Kamera nur als Ausnahme und mit zeitlicher Begrenzung zulässig, um Straftaten oder schwere Verfehlungen zum Schaden des Arbeitgebers aufzudecken (Bundesarbeitsgericht, 21.6.2012, Az. 2 AZR 153/11). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist zu beachten, es müssen daher alle anderen Möglichkeiten zur Aufdeckung ausgeschöpft sein. Beteiligt werden muss auch der Betriebsrat. Heimliche Tonaufzeichnungen sind eine Straftat.
Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes dürfen Videoaufzeichnungen offen angebrachter Kameras dauerhaft gespeichert werden. Die Speicherung wird demnach nicht unverhältnismäßig, nur weil Zeit vergeht, bis der Arbeitgeber Maßnahmen gegen den bzw. die beobachteten Arbeitnehmer ergreift.
Konkret ging es um die Bilder einer Kamera in einem Tabak- und Zeitungsgeschäft, die erst nach sechs Monaten ausgewertet wurden, weil Ware fehlte. Dabei kamen Diebstähle einer Verkäuferin ans Licht, welcher der Arbeitgeber fristlos kündigte. Dem Urteil zufolge darf der Arbeitgeber mit der Auswertung warten, bis es dafür einen Anlass gibt - wenn die Videoüberwachung an sich zulässig war. Dem steht auch die Datenschutz-Grundverordnung nicht entgegen (Urteil vom 23. August 2018, Az. 2 AZR 133/18).
Keylogger sind von Hackern entwickelte Programme, die alle Tastatureingaben aufzeichnen. Chefs können so kontrollieren, was ihre Arbeitnehmer den ganzen Tag lang so treiben. Das Bundesarbeitsgericht hat jedoch am 27.7.2017 entschieden, dass diese Programme nur eingesetzt werden dürfen, wenn es einen konkreten Verdacht gibt, dass der jeweilige Beschäftigte eine Straftat oder zumindest eine schwere Pflichtverletzung gegen den Arbeitgeber begangen hat.
Damals waren auch Screenshots vom PC des Arbeitnehmers erstellt worden. Grund war der Verdacht, dass der Mitarbeiter während der Arbeitszeit Programmiertätigkeiten für fremde Auftraggeber durchführte und viel Zeit mit PC-Spielen verbrachte. Das Gericht sah dies nicht als ausreichende Gründe für eine so umfassende Überwachung an. Obendrein sei der Verdacht nicht ausreichend begründet gewesen (Az. 2 AZR 681/16).
Es gibt anerkannte Systeme zur Kontrolle der Einhaltung der Arbeitszeit, wie etwa Stechuhren oder Magnetkartensysteme. Diese sind zulässig. Problematischer sind Systeme wie RFID-Chips, die Arbeitnehmern Zutritt zum Betrieb geben, aber andererseits auch ständig ein Signal senden, welches den jeweiligen Aufenthaltsort des Trägers verrät. Eine solche Dauerüberwachung ist unzulässig. Wichtig: Bei der Nutzung technischer Einrichtungen, die das Verhalten und die Leistung der Arbeitnehmer überwachen, hat der Betriebsrat mitzureden (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz).
Wenn der Arbeitgeber die private Mitnutzung des Dienst-PCs ausdrücklich erlaubt hat, darf er die E-Mails des Arbeitnehmers nicht mitlesen. Schließlich ist es immer möglich, dass unter diesen auch private Nachrichten sind, die ihn nichts angehen. In diesem Bereich gilt das Fernmeldegeheimnis.
Anders ist es, wenn die private Nutzung dienstlicher Geräte verboten ist. Dann darf der Arbeitgeber Mails lesen, denn auf dem PC dürfen sich ja nur dienstliche Inhalte befinden. Der Chef muss auch hier jedoch E-Mails außen vor lassen, die als privat gekennzeichnet sind.
Im Einzelfall kann trotz allem eine Kontrolle von E-Mails zulässig sein; zum Beispiel, wenn dies der Abwehr von Straftaten dient oder andere besonders schwerwiegende Gründe vorliegen.
Der Arbeitgeber darf Detektivbüros nur beim konkreten Verdacht auf eine Straftat oder schwere Verfehlung einsetzen. Zusätzlich kommt es darauf an, welche Methoden der Detektiv anwendet. Vor einer technischen Überwachung von Verhalten und Leistung des Mitarbeiters ist der Betriebsrat zu beteiligen. Auch Detektivbüros müssen die Verhältnismäßigkeit wahren und nach § 75 des Betriebsverfassungsgesetzes die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers beachten.
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz sprach einem Betriebsratsvorsitzenden eine Entschädigung von 10.000 Euro zu, weil der Arbeitgeber diesen 20 Tage lang durch einen Detektiv hatte observieren lassen. Anlass war ein Streit über die Erforderlichkeit, den Betriebsratsvorsitzenden für diese Tätigkeit völlig von seiner Arbeit freizustellen. Aus Sicht des Gerichts gab es hier jedoch keine echten Verdachtsmomente für einen Arbeitszeitbetrug. Ton- oder Videoaufnahmen hatte der Detektiv nicht angefertigt (Urteil vom 24.4.2017, Az. 5 Sa 449/16).
Eine Versicherung hatte bei ihren Außenstellen für die Schadenssachbearbeitung sehr unterschiedliche Arbeitsleistungen festgestellt. Daher wollte sie die Sachbearbeiter elektronisch überwachen. Buch geführt werden sollte über jeden Arbeitsschritt, dessen Dauer und ausstehende Arbeiten. Der Betriebsrat erlaubte dies nicht. Die vom Arbeitgeber angerufene Einigungsstelle betrachtete das Vorhaben als zulässig. Der Betriebsrat klagte gegen die Entscheidung.
Das Bundesarbeitsgericht sah die Überwachung aller Arbeitsschritte mit den dafür benötigten Zeiten am gesamten Arbeitstag auf Dauer als unzulässig an. Es handle sich um einen schwer wiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer, der nicht ausreichend durch schutzwürdige Belange des Arbeitgebers gerechtfertigt sei (Beschluss vom 25.4.2017, Az. 1 ABR 46/15).
Eine unzulässige Überwachung kann je nach Art der Maßnahme für den Arbeitgeber ernste Folgen haben – von Schadensersatz- und Schmerzensgeldzahlungen über Bußgelder für Ordnungswidrigkeiten bis hin zu einer Strafverfolgung. Der erste Ansprechpartner des Arbeitnehmers im Betrieb ist der Betriebsrat – welcher über Überwachungsmaßnahmen informiert sein sollte. Auch der Datenschutzbeauftragte kann angesprochen werden.
Google bietet viele Möglichkeiten - auch für Arbeitgeber, die sich über Bewerber informieren wollen. Darum ging es auch in einem Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf. Der Kläger hatte sich auf eine Stelle als Jurist bei einer Universität beworben. Zur Tätigkeit hätte auch die Entgegennahme von Beschwerden wegen Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gehört. Bei der Bearbeitung seiner Bewerbung kam sein Name einem Mitarbeiter bekannt vor. Daraufhin wurde gegoogelt. Das Ergebnis: Der Bewerber war erstinstanzlich wegen versuchten Betruges gegen Arbeitgeber in mehreren Fällen zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Ihm war vorgeworfen worden, sich auf nicht geschlechtsneutral formulierte Stellenanzeigen beworben zu haben, nur, um eine Entschädigung wegen Diskriminierung nach dem AGG einfordern zu können. Das Urteil war noch nicht rechtskräftig. Die Universität hielt daraufhin andere Bewerber für geeigneter, um ihre AGG-Beschwerdestelle zu betreiben, und sagte ihm ab. Bei einer Akteneinsicht erfuhr er von der Google-Recherche und ging vor Gericht, weil er diese für unzulässig hielt. Er verlangte Schadensersatz.
Das Gericht gab weitgehend der Arbeitgeberseite recht. Der Arbeitgeber dürfe durchaus Bewerber googeln, ohne diese vorher um Erlaubnis zu fragen. Dies ergebe sich aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 b DSGVO. Die Recherche sei zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen im Rahmen der Anbahnung des Arbeitsvertrags erforderlich gewesen. Aber: Nach Art. 14 Abs. 1 d DSGVO sei der Arbeitgeber verpflichtet gewesen, den Bewerber über die Verarbeitung seiner persönlichen Daten - insbesondere der strafrechtlichen Verurteilung - zu informieren. Da dies nicht geschehen war, musste die Universität ihm einen Schadensersatz von 1.000 Euro bezahlen (Urteil vom 10.4.2024, Az. 12 Sa 1007/23). Hier ging es um öffentlich zugängliche Quellen. Die Durchsuchung sozialer Medien kann rechtlich anders zu beurteilen sein.
Wenn eine Überwachung dauerhaft und systematisch stattfindet, ist sie häufig unzulässig. Technische Überwachungsmaßnahmen erfordern die Zustimmung des Betriebsrates – wenn der Betrieb einen hat. Hat tatsächlich eine unerlaubte Überwachung stattgefunden, sollte der Arbeitnehmer sich an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht wenden. Dieser kann prüfen, welche Möglichkeiten im Einzelfall bestehen. Dazu gehört eine Klage auf Schmerzensgeld. Übrigens: Wenn die Überwachung unzulässig war, dürfen die Ergebnisse in der Regel nicht vor Gericht als Beweis für eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers genutzt werden.
Das Wichtigste in Kürze
1. Überwachungsmethoden: Arbeitgeber überwachen ihre Arbeitnehmer per Zeiterfassung, per Kamera, per Keylogger oder auch durch Lesen der Emails.
2. Informationspflicht: Der Arbeitgeber muss seine Arbeitnehmer im Vorfeld über Art, Umfang und Zweck der Überwachung informiert werden. In Pausen- oder Umkleideräumen ist eine Überwachung mittels Kamera grundsätzlich nicht erlaubt.
3. Verdeckte Überwachung: Eine verdeckte Überwachung ist nur dann zulässig, wenn der konkreten Verdacht besteht, dass ein Arbeitnehmer eine Straftat oder zumindest eine schwere Pflichtverletzung gegen den Arbeitgeber begangen hat.
1. Überwachungsmethoden: Arbeitgeber überwachen ihre Arbeitnehmer per Zeiterfassung, per Kamera, per Keylogger oder auch durch Lesen der Emails.
2. Informationspflicht: Der Arbeitgeber muss seine Arbeitnehmer im Vorfeld über Art, Umfang und Zweck der Überwachung informiert werden. In Pausen- oder Umkleideräumen ist eine Überwachung mittels Kamera grundsätzlich nicht erlaubt.
3. Verdeckte Überwachung: Eine verdeckte Überwachung ist nur dann zulässig, wenn der konkreten Verdacht besteht, dass ein Arbeitnehmer eine Straftat oder zumindest eine schwere Pflichtverletzung gegen den Arbeitgeber begangen hat.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Warum überwachen Arbeitgeber ihre Mitarbeiter? Welche Überwachungsmethoden sind üblich? Darf der Arbeitgeber Telefonate überwachen? Was gilt für die Kameraüberwachung? Wie lange dürfen Videoaufzeichnungen gespeichert werden? Dürfen Keylogger zur Überwachung eingesetzt werden? Auf welche Weise darf der Chef die Arbeitszeiten kontrollieren? Wie weit darf die Überwachung bei E-Mails gehen? Wann dürfen Detektive zur ÜBerwachung von Arbeitnehmern zum Einsatz kommen? Was sagt das Bundesarbeitsgericht zum Thema Totalüberwachung von Arbeitnehmern? Wie können Arbeitnehmer sich gegen eine unzulässige Überwachung wehren? Update vom 8.11.2024: Darf der Arbeitgeber Bewerber googeln? Praxistipp zur Überwachung von Arbeitnehmern Warum überwachen Arbeitgeber ihre Mitarbeiter?
Viele Arbeitgeber möchten in erster Linie Diebstähle im Betrieb sowie Arbeitszeitbetrug verhindern – und die Produktivität steigern bzw. wahren. Es kommt immer wieder vor, dass Beschäftigte falsche Angaben zu Arbeitszeiten machen, indem sie etwa falsch Ein- oder Ausstempeln. Es wird auch immer wieder ”krank gefeiert”, und manche Arbeitnehmer nutzen ihre Arbeitszeit für private Tätigkeiten.
Einige Angestellte neigen dazu, von der Reisebuchung über Warenbestellungen bis zur Online-Partnersuche alles vom Büro-PC aus zu erledigen. Da wird auch schon mal ein wichtiges Fußballspiel online angeschaut. Auch kleine oder größere Diebstähle sind für viele Arbeitgeber ein Ärgernis – diese reichen vom belegten Brötchen über Schreibutensilien, Schrauben und Werkzeuge bis hin zum kompletten Computer. Natürlich stören solche Vorkommnisse das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer empfindlich, auch wenn die Mehrzahl der Mitarbeiter ihre Arbeitsverträge einhält und den Betrieb nicht schädigt.
Welche Überwachungsmethoden sind üblich?
Meist fängt die Überwachung schon beim Zeiterfassungssystem an. Die moderne Elektronik bietet jedoch weitere Möglichkeiten. Der Chef kann beispielsweise überwachen, wen der Arbeitnehmer vom Diensttelefon aus anruft und wie lange die Gespräche dauern. Schnell zeigt sich so, wer arbeitet und wer lange mit Freunden und Familie telefoniert.
Heute werden viele Arbeitsplätze von Kameras überwacht. Dies gilt nicht nur für Supermarkt-Kassen. Als Grund wird häufig die Sorge vor Diebstählen oder Überfällen genannt. Allerdings kann auch die Arbeitseffektivität der Mitarbeiter auf diese Weise überprüft werden. Heute kommt selbst Software zum Einsatz, die früher nur Hacker benutzten - etwa Keylogger. Zweck ist es, festzustellen, wofür die Arbeitnehmer ihre Büro-Computer tatsächlich benutzen. Auch die E-Mails liest oft der Chef mit. Wenn es um Vorkommnisse außerhalb des Betriebes selbst geht, überprüfen oft Detektive das Verhalten von Arbeitnehmern. Dabei geht es meist darum, ob jemand tatsächlich krank ist, aber auch um Diebstähle oder Betriebsspionage.
Darf der Arbeitgeber Telefonate überwachen?
Arbeitgeber dürfen Telefondaten erfassen. Darunter fallen Rufnummern, Gesprächsdauer, Zeitpunkte und Gebühren. Es darf jedoch keine Erfassung dieser Daten stattfinden, wenn die Telefonanlage für private Gespräche freigegeben ist. Dies ist jedoch eher die Ausnahme.
Problematischer ist das ”Abhören”. Dieses ist als unzulässig anzusehen – und zwar unabhängig davon, ob private oder dienstliche Telefonate betroffen sind. Hier wird allzu stark in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers und seines Gesprächspartners eingegriffen. Unzulässig ist auch das Aufzeichnen von Gesprächen, sofern nicht beide Gesprächsteilnehmer zugestimmt haben. Ein Einholen der Zustimmung ist üblich bei Mitarbeitern in Ausbildung oder bei Qualitätskontrollen.
Erlaubt sein können die genannten Arten der Überwachung bei konkretem Verdacht auf eine Straftat zum Schaden des Betriebes. Arbeitgeber müssen hier jedoch äußerst vorsichtig sein: Heimliches Abhören ist strafbar (§ 201 Strafgesetzbuch, Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes).
Was gilt für die Kameraüberwachung?
Eine Kameraüberwachung der Arbeitnehmer ist grundsätzlich ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht. Die Grundregel lautet: Geschäftsräume mit Kundenverkehr dürfen überwacht werden, wenn die Kameras sichtbar sind und auf sie durch Schilder aufmerksam gemacht wird. Aber: Die Kameraüberwachung darf nur zur Wahrnehmung berechtigter Interessen stattfinden. Notwendig ist immer eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Gefilmten und des Betriebsinhabers.
Völlig unzulässig ist die Videoüberwachung von Räumen, die der Privatsphäre dienen. Dazu zählt man Toiletten, Umkleideräume und Pausenräume.
Das Bundesarbeitsgericht hat eine Video-Dauerüberwachung in Betriebsräumen ohne Kundenverkehr – auch durch sichtbare Kameras mit Hinweisschildern – für unzulässig erklärt (29.6.2004, Az. 1 ABR 21/03).
Bei Arbeitsräumen wie etwa Büros ist eine verdeckte Überwachung z.B. per Kamera nur als Ausnahme und mit zeitlicher Begrenzung zulässig, um Straftaten oder schwere Verfehlungen zum Schaden des Arbeitgebers aufzudecken (Bundesarbeitsgericht, 21.6.2012, Az. 2 AZR 153/11). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist zu beachten, es müssen daher alle anderen Möglichkeiten zur Aufdeckung ausgeschöpft sein. Beteiligt werden muss auch der Betriebsrat. Heimliche Tonaufzeichnungen sind eine Straftat.
Wie lange dürfen Videoaufzeichnungen gespeichert werden?
Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichtes dürfen Videoaufzeichnungen offen angebrachter Kameras dauerhaft gespeichert werden. Die Speicherung wird demnach nicht unverhältnismäßig, nur weil Zeit vergeht, bis der Arbeitgeber Maßnahmen gegen den bzw. die beobachteten Arbeitnehmer ergreift.
Konkret ging es um die Bilder einer Kamera in einem Tabak- und Zeitungsgeschäft, die erst nach sechs Monaten ausgewertet wurden, weil Ware fehlte. Dabei kamen Diebstähle einer Verkäuferin ans Licht, welcher der Arbeitgeber fristlos kündigte. Dem Urteil zufolge darf der Arbeitgeber mit der Auswertung warten, bis es dafür einen Anlass gibt - wenn die Videoüberwachung an sich zulässig war. Dem steht auch die Datenschutz-Grundverordnung nicht entgegen (Urteil vom 23. August 2018, Az. 2 AZR 133/18).
Dürfen Keylogger zur Überwachung eingesetzt werden?
Keylogger sind von Hackern entwickelte Programme, die alle Tastatureingaben aufzeichnen. Chefs können so kontrollieren, was ihre Arbeitnehmer den ganzen Tag lang so treiben. Das Bundesarbeitsgericht hat jedoch am 27.7.2017 entschieden, dass diese Programme nur eingesetzt werden dürfen, wenn es einen konkreten Verdacht gibt, dass der jeweilige Beschäftigte eine Straftat oder zumindest eine schwere Pflichtverletzung gegen den Arbeitgeber begangen hat.
Damals waren auch Screenshots vom PC des Arbeitnehmers erstellt worden. Grund war der Verdacht, dass der Mitarbeiter während der Arbeitszeit Programmiertätigkeiten für fremde Auftraggeber durchführte und viel Zeit mit PC-Spielen verbrachte. Das Gericht sah dies nicht als ausreichende Gründe für eine so umfassende Überwachung an. Obendrein sei der Verdacht nicht ausreichend begründet gewesen (Az. 2 AZR 681/16).
Auf welche Weise darf der Chef die Arbeitszeiten kontrollieren?
Es gibt anerkannte Systeme zur Kontrolle der Einhaltung der Arbeitszeit, wie etwa Stechuhren oder Magnetkartensysteme. Diese sind zulässig. Problematischer sind Systeme wie RFID-Chips, die Arbeitnehmern Zutritt zum Betrieb geben, aber andererseits auch ständig ein Signal senden, welches den jeweiligen Aufenthaltsort des Trägers verrät. Eine solche Dauerüberwachung ist unzulässig. Wichtig: Bei der Nutzung technischer Einrichtungen, die das Verhalten und die Leistung der Arbeitnehmer überwachen, hat der Betriebsrat mitzureden (§ 87 Abs. 1 Nr. 6 Betriebsverfassungsgesetz).
Wie weit darf die Überwachung bei E-Mails gehen?
Wenn der Arbeitgeber die private Mitnutzung des Dienst-PCs ausdrücklich erlaubt hat, darf er die E-Mails des Arbeitnehmers nicht mitlesen. Schließlich ist es immer möglich, dass unter diesen auch private Nachrichten sind, die ihn nichts angehen. In diesem Bereich gilt das Fernmeldegeheimnis.
Anders ist es, wenn die private Nutzung dienstlicher Geräte verboten ist. Dann darf der Arbeitgeber Mails lesen, denn auf dem PC dürfen sich ja nur dienstliche Inhalte befinden. Der Chef muss auch hier jedoch E-Mails außen vor lassen, die als privat gekennzeichnet sind.
Im Einzelfall kann trotz allem eine Kontrolle von E-Mails zulässig sein; zum Beispiel, wenn dies der Abwehr von Straftaten dient oder andere besonders schwerwiegende Gründe vorliegen.
Wann dürfen Detektive zur ÜBerwachung von Arbeitnehmern zum Einsatz kommen?
Der Arbeitgeber darf Detektivbüros nur beim konkreten Verdacht auf eine Straftat oder schwere Verfehlung einsetzen. Zusätzlich kommt es darauf an, welche Methoden der Detektiv anwendet. Vor einer technischen Überwachung von Verhalten und Leistung des Mitarbeiters ist der Betriebsrat zu beteiligen. Auch Detektivbüros müssen die Verhältnismäßigkeit wahren und nach § 75 des Betriebsverfassungsgesetzes die Persönlichkeitsrechte des Arbeitnehmers beachten.
Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz sprach einem Betriebsratsvorsitzenden eine Entschädigung von 10.000 Euro zu, weil der Arbeitgeber diesen 20 Tage lang durch einen Detektiv hatte observieren lassen. Anlass war ein Streit über die Erforderlichkeit, den Betriebsratsvorsitzenden für diese Tätigkeit völlig von seiner Arbeit freizustellen. Aus Sicht des Gerichts gab es hier jedoch keine echten Verdachtsmomente für einen Arbeitszeitbetrug. Ton- oder Videoaufnahmen hatte der Detektiv nicht angefertigt (Urteil vom 24.4.2017, Az. 5 Sa 449/16).
Was sagt das Bundesarbeitsgericht zum Thema Totalüberwachung von Arbeitnehmern?
Eine Versicherung hatte bei ihren Außenstellen für die Schadenssachbearbeitung sehr unterschiedliche Arbeitsleistungen festgestellt. Daher wollte sie die Sachbearbeiter elektronisch überwachen. Buch geführt werden sollte über jeden Arbeitsschritt, dessen Dauer und ausstehende Arbeiten. Der Betriebsrat erlaubte dies nicht. Die vom Arbeitgeber angerufene Einigungsstelle betrachtete das Vorhaben als zulässig. Der Betriebsrat klagte gegen die Entscheidung.
Das Bundesarbeitsgericht sah die Überwachung aller Arbeitsschritte mit den dafür benötigten Zeiten am gesamten Arbeitstag auf Dauer als unzulässig an. Es handle sich um einen schwer wiegenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer, der nicht ausreichend durch schutzwürdige Belange des Arbeitgebers gerechtfertigt sei (Beschluss vom 25.4.2017, Az. 1 ABR 46/15).
Wie können Arbeitnehmer sich gegen eine unzulässige Überwachung wehren?
Eine unzulässige Überwachung kann je nach Art der Maßnahme für den Arbeitgeber ernste Folgen haben – von Schadensersatz- und Schmerzensgeldzahlungen über Bußgelder für Ordnungswidrigkeiten bis hin zu einer Strafverfolgung. Der erste Ansprechpartner des Arbeitnehmers im Betrieb ist der Betriebsrat – welcher über Überwachungsmaßnahmen informiert sein sollte. Auch der Datenschutzbeauftragte kann angesprochen werden.
Update vom 8.11.2024: Darf der Arbeitgeber Bewerber googeln?
Google bietet viele Möglichkeiten - auch für Arbeitgeber, die sich über Bewerber informieren wollen. Darum ging es auch in einem Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf. Der Kläger hatte sich auf eine Stelle als Jurist bei einer Universität beworben. Zur Tätigkeit hätte auch die Entgegennahme von Beschwerden wegen Diskriminierung nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gehört. Bei der Bearbeitung seiner Bewerbung kam sein Name einem Mitarbeiter bekannt vor. Daraufhin wurde gegoogelt. Das Ergebnis: Der Bewerber war erstinstanzlich wegen versuchten Betruges gegen Arbeitgeber in mehreren Fällen zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Ihm war vorgeworfen worden, sich auf nicht geschlechtsneutral formulierte Stellenanzeigen beworben zu haben, nur, um eine Entschädigung wegen Diskriminierung nach dem AGG einfordern zu können. Das Urteil war noch nicht rechtskräftig. Die Universität hielt daraufhin andere Bewerber für geeigneter, um ihre AGG-Beschwerdestelle zu betreiben, und sagte ihm ab. Bei einer Akteneinsicht erfuhr er von der Google-Recherche und ging vor Gericht, weil er diese für unzulässig hielt. Er verlangte Schadensersatz.
Das Gericht gab weitgehend der Arbeitgeberseite recht. Der Arbeitgeber dürfe durchaus Bewerber googeln, ohne diese vorher um Erlaubnis zu fragen. Dies ergebe sich aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 b DSGVO. Die Recherche sei zur Durchführung vorvertraglicher Maßnahmen im Rahmen der Anbahnung des Arbeitsvertrags erforderlich gewesen. Aber: Nach Art. 14 Abs. 1 d DSGVO sei der Arbeitgeber verpflichtet gewesen, den Bewerber über die Verarbeitung seiner persönlichen Daten - insbesondere der strafrechtlichen Verurteilung - zu informieren. Da dies nicht geschehen war, musste die Universität ihm einen Schadensersatz von 1.000 Euro bezahlen (Urteil vom 10.4.2024, Az. 12 Sa 1007/23). Hier ging es um öffentlich zugängliche Quellen. Die Durchsuchung sozialer Medien kann rechtlich anders zu beurteilen sein.
Praxistipp zur Überwachung von Arbeitnehmern
Wenn eine Überwachung dauerhaft und systematisch stattfindet, ist sie häufig unzulässig. Technische Überwachungsmaßnahmen erfordern die Zustimmung des Betriebsrates – wenn der Betrieb einen hat. Hat tatsächlich eine unerlaubte Überwachung stattgefunden, sollte der Arbeitnehmer sich an einen Fachanwalt für Arbeitsrecht wenden. Dieser kann prüfen, welche Möglichkeiten im Einzelfall bestehen. Dazu gehört eine Klage auf Schmerzensgeld. Übrigens: Wenn die Überwachung unzulässig war, dürfen die Ergebnisse in der Regel nicht vor Gericht als Beweis für eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers genutzt werden.
(Wk)