Wer haftet bei Unfällen in Schwimmbädern?

21.06.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
Schwimmbad,Freibad,Unfall,Badeunfall,Haftung Was müssen Schimmbadbetreiber für die Sicherheit tun? © Rh - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Badegast: Der Badegast kann für den Badeunfall (mit-) verantwortlich sein, wenn er Warnschilder oder andere Sicherheitshinweise ignoriert.

2. Betreiber der Schwimmbads: Wenn es an angemessenen Sicherheitsmaßnahmen, Warnhinweisen oder der Überwachung durch Bademeister mangelt, kann der Betreiber eines Schwimmbades bzw. Freibades für einen Badeunfall haften.

3. Haftung Dritter: Eltern und Aufsichtspersonen können haftbar gemacht werden, wenn ihre bzw. die zu betreuenden Kinder einen Badeunfall erleiden.

4. Entschädigung: Je nach eingetretener Schädigung können dem Geschädigten Schadensersatz, Schmerzensgeld und Rentenzahlungen zustehen.

5. Fremde Privatseen Kommt es beim unerlaubten Baden in einem privaten See zum Schaden, gibt es bei einem Unfall keinen Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.
Unfälle in Freibädern und Schwimmbädern kommen immer wieder vor. Dann stellt sich schnell die Frage nach der Haftung. Zwar haben die Betreiber von Schwimmbädern eine sogenannte Verkehrssicherungspflicht. Nur: Wie weit geht diese? Wenn die Unfallopfer Kinder sind, kann jemand seine Aufsichtspflicht verletzt haben. Nur, wer: Die Eltern oder der Bademeister? Und: Welche Besonderheiten gibt es bei Unfällen in Badeseen?

Freibad: Wer muss auf Kinder aufpassen?


Allein in Hamburg wurden im Sommer 2018 zum Beispiel drei Fälle registriert, in denen Kinder nach Schwimmbad-Unfällen reanimiert werden mussten. Die Eltern hatten sich ausschließlich mit ihren Smartphones beschäftigt und die Notsituation ihrer Kinder nicht bemerkt.

Immer wieder weisen Schwimmbadbetreiber darauf hin, dass öffentliche Schwimmbäder keine Kitas sind, in denen die Kinder unter Dauerbetreuung stehen. Das Problem: Immer mehr Eltern beschäftigen sich nur noch mit Tablet oder Smartphone und achten nicht mehr auf ihren Nachwuchs. In einem öffentlichen Freibad lassen sich jedoch die sommerlichen Menschenmassen nur schwer unter Beobachtung halten. Dabei können dann allzu leicht Unfälle mit so schweren Folgen passieren, dass die Frage der Haftung eher in den Hintergrund tritt.

Eltern, die mit ihren Kindern ins Schwimmbad gehen, geben ihre Aufsichtspflicht nicht an der Kasse ab. Sie sind auch im Schwimmbad weiter aufsichtspflichtig. Wie viel Aufsicht für ein bestimmtes Kind nötig ist, richtet sich nach dessen Alter und Entwicklungsstand. Bei Kleinkindern ist in jedem Fall erhöhte elterliche Aufmerksamkeit gefragt. Aber: In rechtlicher Hinsicht spielt diese Aufsichtspflicht nur dann eine Rolle, wenn durch das Verhalten des unbeaufsichtigten Kindes eine andere Person zu Schaden kommt. Diese könnte die Eltern dann wegen Verletzung ihrer Aufsichtspflicht auf Schadensersatz oder Schmerzensgeld in Anspruch nehmen.

Größer ist jedoch die Gefahr, dass dem unbeaufsichtigten Kind selbst etwas passiert. In solchen Fällen können Schwimmbadbetreiber nicht die ganze Verantwortung pauschal auf die Eltern abwälzen. Ob dann der Betreiber des Freibads oder der Bademeister auf Schadensersatz und Schmerzensgeld haftet, hängt sehr vom Einzelfall ab. Entscheidend ist dabei die Frage, inwieweit diese ihre Pflichten verletzt haben. So kann der Bademeister seine Pflichten verletzen, indem er sich ablenken lässt, zu viel Pause macht oder zu wenig aufpasst. Der Betreiber kann Fehler bei der Organisation machen, indem er zum Beispiel zu wenig oder nicht genug qualifiziertes Personal einstellt, Gefahrenstellen nicht absichert, oder den Bademeister an der falschen Stelle postiert. Allerdings ist auch den Gerichten bekannt, dass ein Bademeister nicht überall im Freibad zugleich sein kann.

Schwimmbad: Welche Pflichten haben Bademeister?


Aufgrund ihrer beruflichen Stellung müssen Bademeister dafür sorgen, dass keiner der Badegäste zu Schaden kommt. Daher müssen sie sämtliche Schwimmbecken überwachen. Ein Bademeister kommt dieser Pflicht jedoch nicht nach, wenn er sich mit seinem Gehilfen im Bademeisterhaus aufhält, um Kaffeepause zu machen. Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden (Urteil vom 12.6.1990, Az. VI ZR 273/89).

In einem anderen Fall hatte der Schwimmbadbetreiber dem Schwimmmeister einen ungeeigneten Standort im Eingangsbereich des Freibades zugewiesen. Daher bekam dieser zunächst nicht mit, dass ein elfjähriger Junge bewusstlos im Wasser trieb. Auch diesem Unfallopfer wurde Schmerzensgeld zugesprochen (BGH, Urteil vom 21.3.2000, Az. VI ZR 158/99).

Bundesgerichtshof zu den Pflichten von Bademeistern


Auch ein Schmerzensgeld ändert jedoch nichts daran, dass Badeunfälle oft lebenslange Beeinträchtigungen zur Folge haben. 2017 befasste sich der Bundesgerichtshof mit dem Fall einer Zwölfjährigen, die schwere Hirnschäden erlitten hatte, weil die Bademeister des Freibades ihre Notlage nicht rechtzeitig erkannt hatten. Die Bademeister hatten eine unter Wasser gezogene Boje bemerkt und zunächst Kinder beschuldigt, deren Seil verknotet zu haben. Dann ließen sie ein Kind hinschwimmen, um nach der Ursache zu suchen. Dieses fand nichts. Erst dann besorgte sich ein Bademeister eine Schwimmbrille, um im trüben Wasser des Naturbades etwas sehen zu können, und sah selbst nach. Dabei stellte er fest, dass sich ein bewusstloses Mädchen im Bojenseil verfangen hatte.

Der Bundesgerichtshof stellte zu den Pflichten von Bademeistern in seinem Urteil grundsätzlich fest:

Von Bademeistern kann nicht erwartet werden, dass sie jeden Schwimmer lückenlos unter Beobachtung halten. Die Schwimmaufsicht ist jedoch dazu verpflichtet, den Badebetrieb und damit auch das Geschehen im Wasser fortlaufend zu beobachten. Sie muss mit regelmäßigen Kontrollblicken darauf achten, ob Gefahrensituationen auftreten. Dabei ist der Beobachtungsort so zu wählen, dass der gesamte Schwimm- und Sprungbereich überwacht werden kann. Gegebenenfalls sind dazu häufigere Standortwechsel vorzunehmen. Zu den Aufgaben der Aufsichtspersonen in einem Schwimmbad gehört es, in Notfällen für rasche und wirksame Hilfeleistung zu sorgen.

Der BGH stellte in seinem Urteil auch fest: Bei einem grob fahrlässigen Pflichtverstoß des Aufsichtspersonals liegt die Beweislast nicht mehr beim Geschädigten. Stattdessen hat der Betreiber des Freibades zu beweisen, dass seine Mitarbeiter den Unfall nicht durch ihre Pflichtverletzung verschuldet haben. Hier findet also eine Umkehrung der üblichen Beweislast zu Gunsten des Unfallopfers statt (Urteil vom 23.11.2017, Az. III ZR 60/16).

Fußsohlen im Freibad verbrannt - Schmerzensgeld?


Das Landgericht Koblenz befasste sich Ende 2020 mit folgendem Fall: Eine Mutter war mit ihrer 17 Monate alten Tochter im öffentlichen Freibad gewesen. In der Nähe des Schwimmbeckens war eine große Metallplatte in den Fußweg eingelassen. Diese hatte sich durch die Sonneneinstrahlung aufgeheizt. Das Kind lief barfuß auf die Metallplatte, blieb dort stehen und begann zu weinen. Zwar griff sich die Mutter sofort das Mädchen und nahm es auf den Arm. Trotzdem hatte sich das Kind bereits derartig die Fußsohlen verbrannt, dass es eine Woche lang nicht laufen konnte. Fünf Prozent der Körperoberfläche waren verbrannt und warfen Blasen. Kinderhaut ist besonders empfindlich. Die Behandlung dauerte drei Wochen.

Dem Landgericht zufolge hatte die Schwimmbadbetreiberin hier ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Eine Metallplatte, die sich so stark aufheizen könne, dass Personen Verbrennungen davontrügen, habe im Becken- und Wegebereich eines öffentlichen Schwimmbads nichts zu suchen. Auch Erwachsene seien in Schwimmbädern typischerweise oft abgelenkt, und Kinder realisierten oft noch nicht, dass sich Metall aufheizen könne. Das Freibad könne problemlos Sicherheitsmaßnahmen treffen. Auch habe die Mutter ihre Aufsichtspflicht nicht verletzt. Sie habe sofort reagiert. Das Gericht sprach dem Kind ein Schmerzensgeld von 750 Euro zu (Urteil vom 30.11.2020, Az. 1 O 62/20).

Schwimmbad: Was gilt für Wasserrutschen?


In vielen Freizeitbädern gibt es Wasserrutschen. Mal wellenförmig, mal als sich schlängelnde Röhre oder einfach nur steil. Meist weisen die Schwimmbadbetreiber auf Hinweisschildern neben den Rutschen auf die richtige oder falsche Sitzposition und sonstige Verhaltensregeln hin. Sie müssen jedoch nicht vor jeder nur denkbaren Gefahr warnen.

Im Landkreis Neuwied war ein Badegast von unten in den Röhrenausgang geklettert und mit einem von oben herunterrutschenden Badegast kollidiert. Er verletzte sich schwer und beanstandete, dass der Betreiber nicht davor gewarnt hatte, an dieser Stelle einzusteigen. Seine Klage auf Schmerzensgeld war jedoch erfolglos. Das Oberlandesgericht Koblenz entschied:

Grundsätzlich sei ein Schwimmbadbetreiber gegenüber den Besuchern verpflichtet, Gefährdungen und Schädigungen nach Möglichkeit auszuschließen und müsse entsprechende Vorkehrungen treffen. Aber: Die Besucher müssten nur vor solchen Gefahren geschützt werden, die sie selbst bei Anwendung der von ihnen zu erwartenden Sorgfalt nicht erkennen und vermeiden könnten. Hier sei für einen umsichtigen Besucher problemlos erkennbar gewesen, dass es sich bei der Öffnung nicht um den Zugang, sondern um die Austrittsöffnung der Wasserrutsche gehandelt habe. Darauf müsse der Badbetreiber nicht extra hinweisen (Beschluss vom 26.4.2010, Az. 1 W 200/10).

Entsprechend entschied das Oberlandesgericht Hamm bei einem Unfall in einem Freibad in Paderborn. Dort war eine Frau auf einer Wellenrutsche abgehoben, weil sie aufrecht und nicht – wie auf der Beschilderung beschrieben –
"nach vorne gebeugt" gerutscht war. Eines Warnhinweises auf die Gefahr des unwillentlichen Abhebens habe es nicht bedurft, so die Richter (Urteil vom 6.5.2014, Az. 9 U 13/14).

Auch in einem weiteren Fall sah das Gericht keine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten des Schwimmbadbetreibers. Ein Badegast war auf der etwa 2,5 m breiten Wasserrutsche in das vor der Rutsche befindliche ca. 110 cm tiefe Wasserbecken gerutscht. Dabei schlug er infolge eines nicht näher aufzuklärenden Ablaufs mit dem Kopf auf dem Beckenboden auf. Seine Kopfverletzungen waren so schwer, dass er seitdem vom Bauchnabel abwärts gelähmt und auf einen Rollstuhl angewiesen ist. Der Badegast verklagte den Betreiber auf Schadensersatz und Schmerzensgeld. Die Rutsche sei bauartbedingt gefährlich, die Hinweise zu ihrer Benutzung seien unzureichend und die Bademeister hätten zu spät eingegriffen.

Das Gericht stellte fest: Es habe keine für den Unfall ursächliche Verkehrssicherungspflichtverletzung des Badbetreibers gegeben. Die Rutsche genüge den sicherheitstechnischen Anforderungen. Dies habe ein Sachverständiger festgestellt. Die Verletzungen des Klägers seien bei der von ihm angegebenen Sitzhaltung nicht zu erklären. Es liege nahe, dass er selbst am Ende der Rutschbahn einen Kopfsprung versucht habe (OLG Hamm, Urteil vom 1.2.2013, Az. I – 7 U 22/12).

Was gilt auf fremden Privatseen?


Erleidet jemand beim unerlaubten Baden an einem privaten Seegrundstück einen Schaden, kann er vom Grundstückseigentümer weder Schadensersatz noch Schmerzensgeld verlangen. Das hat das Oberlandesgericht Bamberg entschieden.

Ein 13-jähriger Junge hatte eigenmächtig mit seinem Freund ein privates Seegrundstück betreten. Dort fiel er von einem baufälligen Badesteg in das seichte Wasser eines Baggersees. Dabei erlitt er Verletzungen an der Wirbelsäule und forderte vom Grundstückseigentümer 20.000 Euro Schmerzensgeld.

Zu Unrecht, so das Oberlandesgericht. Denn: Der Grundstückseigentümer sei für den Steg nicht verantwortlich, weil er ihn gar nicht gebaut habe. Auch waren die Gefahren, die vom Badesteg ausgingen, für jedermann und auch für einen 13-Jährigen erkennbar. Dass nasse Holzplanken rutschig sind, sei allgemein bekannt. Davor müsse nicht mit einem Schild gewarnt werden. Jeder habe leicht sehen können, dass das Holz des Steges zum Teil gebrochen war. Ein fremdes Grundstück dürfe man nicht eigenmächtig betreten. Dies sei selbstverständlich und der Eigentümer müsse darauf nicht extra mit einem Verbotsschild hinweisen (Urteil vom 18.9.2009, Az. 6 U 23/09).

Wer haftet bei Wasserski-Unfällen?


Besondere Sorgfalt müssen Wasserskilehrer bei der Ausübung des Wassersports an den Tag legen. Wenn ein Wasserskilehrer mit dem Motorboot bereits losfährt, bevor sein Schüler vollständig an Bord ist, handelt er grob fahrlässig. Dies entschied das Oberlandesgericht Köln. Ein Wasserskilehrer hatte auf der Mosel seinen sieben Jahre alten Wasserskischüler ins Boot aufnehmen wollen. Noch bevor der Junge mit beiden Beinen im Boot war, fuhr der Lehrer los. Die Schiffsschraube verletzte den Jungen am Fuß. Das Gericht sprach ihm 10.000 DM Schmerzensgeld zu (Urteil vom 5.2.1999, Az. 3 U 91/98).

Praxistipp für Unfälle in Schwimmbädern


Beim Schwimmen im Freibad, Schwimmbad oder in einem Gewässer sollte man die eigene Sicherheit nicht vernachlässigen. Für Unfälle infolge von ganz offensichtlichen Gefahrenquellen haften Schwimmbadbetreiber nicht. Sie müssen auch nicht für alles und jedes Warnschilder anbringen. Eine Haftung kommt nur bei einer Pflichtverletzung des Betreibers oder seines Personals in Betracht. Wer bei einem Schwimmunfall einen Schaden erleidet, sollte sich von einem Rechtsanwalt beraten lassen, der auf das Zivilrecht spezialisiert ist.

(Ma)


 Ulf Matzen
Anwalt-Suchservice
Juristische Redaktion
E-Mail schreiben Juristische Redaktion