Unfälle mit Fahrradfahrern: Wer haftet?

29.04.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Fahrrad,Radler,Unfall,Haftung,Versicherung Auch Radfahrer erleiden häufig Schäden bei Verkehrsunfällen. © - freepik

Immer wieder kommt es zu Unfällen mit Beteiligung von Radfahrern, nicht nur mit Autos. Wer haftet dabei, welche Versicherungen zahlen und was ist nach einem Unfall zu beachten?

Die Anzahl der Radfahrer in deutschen Städten nimmt zu. Dementsprechend kommt es auch zu immer mehr Unfällen, an denen Radfahrer beteiligt sind. Während die Zahl der Verkehrstoten insgesamt sinkt, steigt die Zahl der getöteten Radfahrer – im Jahr 2024 waren es bundesweit 441. Auch zu teils ernsthaften Verletzungen kommt es häufig. Dann stellt sich schnell die Frage nach der Haftung.

Unfall zwischen Rad und Auto: Wer haftet?


Immer wieder hört man Zahlen, in wie vielen Fällen Autofahrer an Unfällen mit Radfahrern schuld sind oder umgekehrt. Für den Laien ist der Fall klar: Wer schuld am Unfall ist, haftet auch und muss zahlen. Oder nicht?

Ganz stimmt dies tatsächlich nicht. Denn: Kommt es zu einem Unfall zwischen einem Fahrradfahrer und einem motorisierten Verkehrsteilnehmer, kommt § 7 des Straßenverkehrsgesetzes zur Anwendung: Der Halter des motorisierten Fahrzeugs haftet für Verletzungen oder Sachschäden, die beim Betrieb seines Fahrzeugs entstanden sind – und zwar unabhängig von einem Verschulden. Dabei spielt auch die bei Juristen beliebte Idee der Betriebsgefahr eine Rolle: Allein der Betrieb eines Autos bringt Gefahren mit sich, auch ohne Fahrfehler. Dass meist der Autofahrer haftet, heißt also nicht, dass dieser auch schuldhaft den Unfall verursacht hat.

Eine Ausnahme von der Halterhaftung besteht bei höherer Gewalt. Darunter fallen zum Beispiel Naturereignisse wie Stürme und Überschwemmungen oder auch Pferde auf der Autobahn, aber keine Fahrfehler anderer Verkehrsteilnehmer oder auf die Straße laufende Kinder.

Nun sind Halter und Fahrer eines Autos ja oft unterschiedliche Personen. Nach § 18 StVG hat der Fahrradfahrer zusätzlich noch einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Fahrer oder die Fahrerin des Kfz. Aber: Dieser Anspruch hängt davon ab, ob der Fahrer tatsächlich schuld am Unfall war.

Bei einer körperlichen Verletzung kann der Fahrzeughalter nach § 11 StVG zusätzlich auf Schmerzensgeld in Anspruch genommen werden.

Wie wird ein Mitverschulden angerechnet?


Das Straßenverkehrsgesetz lässt aber auch nicht außer Acht, dass beide Seiten zum Teil am Unfall schuld sein können. Tatsächlich ist eine Aufteilung der Haftung nach Mitverschuldensquoten bei Verkehrsunfällen vor Gericht die Regel und nicht die Ausnahme. Dass das Mitverschulden des Unfallgegners angerechnet wird, beruht auf § 9 StVG. Das Gericht wird sich daher auch bei einem Unfall zwischen Auto und Radfahrer genau ansehen, ob der Radfahrer oder die Radfahrerin etwas falsch gemacht hat. Bei ganz überwiegendem Verschulden des Radfahrers kann der Autofahrer sogar ganz von einer Haftung freigestellt werden.

Gibt es auch eine rein vom Verschulden abhängige Haftung?


Ja. Zwar wird in den meisten Fällen die Halterhaftung nach dem StVG angewendet. Greift diese jedoch einmal ausnahmsweise nicht, kann der Unfallverursacher auch verschuldensabhängig nach § 823 BGB haften. Hier spielt es keine Rolle, ob das Fahrzeug motorisiert war: Es kommt allein auf ein Verschulden an. Dieses ist vor Gericht zu beweisen. Natürlich wird auch ein Mitverschulden des Unfallgegners angerechnet, diesmal nach § 254 BGB.

Wer haftet bei Unfällen unter Radfahrern oder zwischen Radlern und Fußgängern?


Wird ein Radfahrer durch einen anderen geschädigt, richtet sich die Haftung nicht nach dem Straßenverkehrsgesetz, sondern nach § 823 BGB. Hier handelt es sich um eine ganz normale, vom Verschulden abhängige Haftung für einen fahrlässig verursachten Schaden, den man jemand anderem zufügt. Ein Mitverschulden des Unfallgegners wird angerechnet. Vor Gericht muss derjenige, der Schadensersatz oder Schmerzensgeld fordert, beweisen, dass der andere den Unfall verursacht hat. Dies gilt auch im Verhältnis zwischen Radfahrern und Fußgängern.

Urteil: Mitverschulden bei Unfall zwischen zwei Radfahrern


Das OLG München hat sich mit einer Kollision zwischen zwei Radfahrern befasst, die sich bei Dunkelheit an einer Bundesstraße abspielte. Der spätere Kläger war mit seinem Rennrad rechts der Bundesstraße auf dem nicht für Radler zugelassenen Seitenstreifen unterwegs. Auf der anderen Straßenseite gab es einen für beide Fahrtrichtungen benutzungspflichtigen Radweg. Von rechts kam der spätere Beklagte, der die Bundesstraße queren wollte. Da diese vorfahrtsberechtigt war, ließ er zunächst einen PKW durch und fuhr dann los. Den Rennradfahrer übersah er.

Es kam zur Kollision. Der Rennradfahrer stürzte und verletzte sich schwer. Vor Gericht brachte der Kläger (von Beruf Polizist) verschiedene Argumente dafür vor, warum er nicht den Radweg habe benutzen müssen. Dies interessierte das OLG jedoch wenig: Hier habe eindeutig Radwegbenutzungspflicht bestanden. Bei deren Beachtung wäre es nicht zu dem Unfall gekommen. Zwar trage der Beklagte die überwiegende Schuld am Unfall. Der Kläger müsse sich jedoch trotzdem ein Mitverschulden von 25 % anrechnen lassen (Urteil vom 27.2.2015, Az. 110 U 4873/13).

Radfahrerunfälle ohne Fremdbeteiligung: Wer zahlt den Schaden?


Kurioserweise ist bei jedem dritten tödlichen Unfall eines Fahrradfahrers kein anderer Verkehrsteilnehmer beteiligt. Auch bei jedem zweiten Radunfall mit schweren Verletzungen ist niemand anders beteiligt (Quelle: Tagesschau, 2.12.2024).

Ursache für solche Unfälle ohne Fremdbeteiligung kann natürlich eigene Unaufmerksamkeit sein. Auch Handynutzung oder Musikhören über Kopfhörer während der Fahrt erhöhen die Unfallgefahr. Für komplett selbstverschuldete Unfälle haftet niemand anderer – allenfalls zahlt eine private Unfallversicherung.

In einigen Fällen sind jedoch auch schlechte Radwege, Hindernisse oder Gefahrenstellen schuld. Hier kann durchaus zum Beispiel die Gemeinde haften, wenn sie ihre Verkehrssicherungspflichten verletzt hat. Dies ist sehr vom Einzelfall abhängig, denn auch von einer Gemeinde wird nicht erwartet, dass sie ständig alle Straßen und Wege in perfektem Zustand hält. Selbst beim Winterdienst gilt: Die wichtigsten Straßen sind zuerst an der Reihe, und Räumen und Streuen muss sich noch in zumutbarem Rahmen bewegen.

Urteil: Fahrrad gegen Straßensperre


Der Bundesgerichtshof befasste sich mit einem Fahrradunfall ohne Fremdbeteiligung. Ein Mountainbikefahrer auf Freizeittour war von seiner Kartenapp auf einen Feldweg gelotst worden. Dieser war für Kraftfahrzeuge durch Beschilderung gesperrt. Radfahrer durften ihn jedoch nutzen. Dies hatte jedoch den örtlichen Jagdpächter nicht daran gehindert, zum Schutz des Wildes vor Störungen rechts und links zwei Holzpflöcke in den Weg zu rammen und dazwischen zwei Lagen Stacheldraht zu spannen. Der Mountainbiker versuchte noch zu bremsen und stürzte kopfüber in den Stacheldraht. Folge war eine Querschnittslähmung und dauerhafte Pflegebedürftigkeit.

Das OLG Schleswig sah hier zunächst die überwiegende Schuld von 75 % beim Radfahrer. Der Bundesgerichtshof relativierte dies jedoch und stellte klar:

- Sowohl der Jagdpächter als auch die Gemeinde müssten hier haften. Beide hätten ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt. Der Stacheldraht habe eine ungewöhnliche und von der Straßenverkehrsbehörde nicht genehmigte Absperrung dargestellt.

- Auch Radfahrer hätten sich an das Sichtfahrgebot zu halten. Sie dürften nur so schnell fahren, dass sie vor einem Hindernis auf dem noch nicht sichtbaren Teil der Strecke rechtzeitig anhalten könnten.

- Fahrradfahrer dürften jedoch darauf vertrauen, dass sie nicht auf Hindernisse stoßen, mit denen man unter keinem vertretbaren Gesichtspunkt rechnen müsse. Dies gelte insbesondere bei schwer sichtbaren Hindernissen. Mit quer über den Weg gespannten Stacheldrähten hätte der Kläger hier nicht rechnen müssen.

- Eine Fehlreaktion, die auf einem Erschrecken beruhe, führe nicht zu einer Mithaftung.

- Trotzdem musste der Radfahrer 25 % seines Schadens selbst tragen. Denn: An seinem Fahrrad waren sogenannte Klickpedale montiert, die der BGH für ungeeignet hielt, um damit holprige Feldwege zu befahren.

Welche Pflichten haben Radfahrer?


Auch Radfahrer müssen sich an die Straßenverkehrsordnung halten. Zu einem Mitverschulden bei einem Unfall kann zum Beispiel die Nichtbeachtung folgender Pflichten führen:

- Rechtsfahrgebot,
- rechts überholen (nur bei stehenden Kraftfahrzeugen auf der rechten Fahrspur erlaubt, mit mäßiger Geschwindigkeit und besonderer Vorsicht),
- Sichtfahrgebot (s. o.),
- Beleuchtung (fehlende oder falsche Beleuchtung zählt vor Gericht als Anscheinsbeweis dafür, dass der Radfahrer den Unfall verursacht hat),
- Radweg in richtiger Fahrtrichtung nutzen,
- Radfahren auf dem Gehweg (nur für Kinder unter 10 oder Begleitung),
- Auf Fußgängerüberwegen ist Absteigen Pflicht. Keine Vorfahrt für fahrende Radler),
- Ampeln beachten: Gibt es keine besondere Fahrradampel, gilt die Fahrbahnampel wie für die Autos und nicht die Fußgängerampel. Dies gilt auch für Radler auf dem Radweg.

Radunfall auf dem Arbeitsweg: Zahlt die Unfallversicherung?


Kommt es auf dem Weg zur Arbeit oder von dort nach Hause zu einem Fahrradunfall, gilt dieser als Arbeitsunfall. Damit zahlt die gesetzliche Unfallversicherung zum Beispiel für eine medizinische Behandlung. Allerdings gilt dies nur für den direkten Weg. Wer also unterwegs noch die Kinder zur Kita begleitet oder einen Abstecher zum Bäcker macht, verlässt den Arbeitsweg und den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Welche Versicherung zahlt nach einem Fahrradunfall?


Ist ein Kraftfahrzeug beteiligt, zahlt in der Regel die Haftpflichtversicherung des Halters zumindest für dessen Haftungsanteil.

Hat der Radfahrer den Unfall verschuldet, zahlt allenfalls seine private Haftpflichtversicherung den Fremdschaden. Den eigenen Schaden bezahlt sie nicht.

Bei einem Fahrradunfall ohne Fremdbeteiligung zahlt sich eine private Unfallversicherung aus. Ansonsten bleibt der Radfahrende auf dem Schaden sitzen.

Für besonders teure Fahrräder kann sich ein sogenannter Gegenstandsschutz lohnen – eine besondere Versicherung für wertvolle Gegenstände.

Hund verursacht Fahrrad-Unfall: Wer haftet?


Das Landgericht Koblenz befasste sich mit folgendem Fall: Ein Hund hatte den Weg eines Radlers gekreuzt. Es kam zur Kollision. Der Radler überschlug sich. Sein Fahrrad wurde beschädigt. Ausgeführt hatte den Hund nicht sein Halter, sondern ein Nachbar. Gegen diesen richtete sich auch die Klage des Radfahrers. Dieser hielt den Hundeausführer für verantwortlich, weil dieser die Leine nicht kurz genug gehalten habe.

Das Gericht sah hier jedoch kein schuldhaftes Handeln des Nachbarn. Es betonte auch, dass dieser nicht als Tierhalter hafte, da er den Hund eben nur aus Gefälligkeit ausgeführt habe.

Im Grunde war hier die falsche Person verklagt worden. Denn: Laut § 833 BGB haftet ein Tierhalter unabhängig vom Verschulden für Schäden, die sein Haustier durch tiertypisches Verhalten anrichtet. Und zwar auch dann, wenn er oder sie nicht vor Ort ist (Urteil vom 4.3.2025, Az. 13 S 45/24).

Praxistipp zum Fahrradunfall


Bei Fahrradunfällen kommt es oft zu einer Mithaftung des Radfahrers und zu durchaus komplizierten Konstellationen. Falls Sie beim Radfahren einen Unfall erlitten haben, sind Sie in Sachen Rechtsberatung bei einem Fachanwalt für Verkehrsrecht am besten aufgehoben.

(Bu)


 Stephan Buch
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