Unfälle mit Fußgängern: Wer haftet?

26.07.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice
Fußgänger,Unfall,Bußgeld,StVO,Zebrastreifen Welche Regeln gibt es in der StVO für Fußgänger? © Bu - Anwalt-Suchservice

Viele Verkehrsunfälle mit Personenschaden finden zwischen Fußgängern und Autofahrern statt. Dabei können durchaus auch Fußgänger einen Unfall verursachen oder daran eine Teilschuld tragen.

So mancher Autofahrer benimmt sich rücksichtslos an Zebrastreifen oder Fußgängerampeln. Aber: Auf der anderen Seite sind auch viele Fußgänger der Meinung, dass die Verkehrsregeln nur für andere gelten. So missachten sie rote Ampeln, wandern mit dem Blick fest auf dem Smartphone über vierspurige Straßen und durchqueren selbst den fließenden Verkehr. Den Bremsweg von Fahrzeugen schätzen sie meist falsch ein. Auch, dass sie bei Dunkelheit oder Regen oft für andere Verkehrsteilnehmer nicht rechtzeitig zu sehen sind, realisieren sie selten. Obwohl mancher dies nicht wahrhaben möchte: Auch das Fehlverhalten von Fußgängern im Straßenverkehr kann schlimme Folgen haben. Nicht nur für die Brieftasche, sondern mangels Knautschzone auch für die Gesundheit. Denn viele Verletzungen und Todesfälle kommen so zustande.

Welche Pflichten haben Fußgänger und Autofahrer im Straßenverkehr?


Fußgänger sind genau wie Autofahrer Verkehrsteilnehmer und haben § 1 der Straßenverkehrsordnung zu beachten. Darin steht: Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. Jeder Verkehrsteilnehmer muss sich so verhalten, „dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.“ Hier ist also gegenseitige Rücksichtnahme angesagt – und kein Durchsetzen von Rechten um jeden Preis.

Was müssen Autofahrer am Zebrastreifen beachten?


An Fußgängerüberwegen haben Autofahrer anzuhalten, damit Fußgänger die Straße überqueren können. Sie dürfen an den Überweg nur in langsamem Tempo heranfahren. Stockt der Verkehr, müssen Autos vor dem Zebrastreifen anhalten und nicht darauf. Auch ist an Fußgängerüberwegen das Überholen anderer Fahrzeuge nicht erlaubt.

Wann darf ein Fußgänger laut StVO auf der Fahrbahn laufen?


Geregelt ist dies in § 25 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Grundsätzlich haben Fußgänger die Gehwege zu nutzen. Ausnahmsweise dürfen sie auf der Fahrbahn gehen, wenn die Straße weder Gehweg noch Seitenstreifen hat. Innerhalb geschlossener Ortschaften müssen sie dann den rechten oder linken Fahrbahnrand nutzen. Außerhalb geschlossener Ortschaften müssen sie nach der StVO den in Gehrichtung linken Fahrbahnrand verwenden. Eine Ausnahme gilt, wenn dies nicht zumutbar ist, etwa wegen einer Baustelle. Wenn es dunkel ist, die Sicht schlecht ist oder es die Verkehrslage notwendig macht, müssen Fußgänger einzeln hintereinander gehen – auch wenn dies die Unterhaltung stört.
Fußgänger dürfen – und müssen – die Fahrbahn nutzen, wenn sie Fahrzeuge (etwa ein geschobenes Fahrrad) oder sperriges Gepäck dabei haben, und dadurch andere Fußgänger auf dem Gehweg erheblich behindern würden. In diesem Fall müssen die Fußgänger mit Gepäck am rechten Fahrbahnrand gehen.

Was gilt für das Überqueren von Straßen?


Nach § 25 Abs. 3 StVO müssen Fußgänger die Straße auf dem kürzesten Weg überqueren.

Wenn Verkehrsdichte und Sichtverhältnisse es erfordern, dürfen sie Straßen nur an den für sie ungefährlicheren Stellen überqueren, nämlich an Kreuzungen und Einmündungen, an Ampeln innerhalb der Markierungen, an Fußgängerinseln oder Zebrastreifen. Wenn sie die Fahrbahn an Kreuzungen oder Einmündungen überqueren, müssen sie - soweit vorhanden - Zebrastreifen oder Fußgängermarkierungen an Ampeln benutzen.
Keinesfalls dürfen Absperrungen, etwa Stangengeländer oder Ketten, überklettert werden.

Verstöße gegen diese Regeln kosten ein Bußgeld von fünf Euro, bei Unfällen sind es zehn Euro. Auch für das Überqueren eines Fußgängerüberwegs bei roter Fußgängerampel können zehn Euro fällig werden. Bußgelder in dieser Höhe sind ein Grund dafür, dass die erläuterten Regeln praktisch unbekannt sind. Das Risiko von schweren Verletzungen oder dem Tod ist jedoch ausgesprochen hoch. Es reicht eine kleine Fehleinschätzung der Geschwindigkeit eines Autos oder ein Fahrer, der zufällig im "falschen" Moment vorschriftsmäßig vor dem Abbiegen über die Schulter blickt anstatt nach vorn, und schon ist es passiert.

Unfall am Zebrastreifen: Wer ist schuld?


Bei den meisten Verkehrsunfällen gibt es keinen Alleinschuldigen. Zwar müssen Autofahrer am Zebrastreifen Fußgängern Vorrang gewähren. Aber: Wenn der Fußgänger rechtzeitig sehen kann, dass sich ein Fahrzeug nähert, das zu schnell ist, um noch anzuhalten, darf er nicht einfach auf die Straße laufen. Dadurch würde er das allgemeine Rücksichtnahmegebot aus § 1 StVO verletzen, indem er sein Vorrangrecht erzwingt. Wenn dem Autofahrer die Vollbremsung nicht gelingt, trägt der Fußgänger eine Mitschuld am Unfall. Auch er muss nämlich auf den Verkehr achten. So urteilte zum Beispiel das Oberlandesgericht München: Es gab einem Soldaten, der an einer Kaserne einen Zebrastreifen genutzt hatte, 25 Prozent Mitschuld (Urteil vom 16.9.2016, Az. 10 U 750/13).

Unfall an nicht vorgesehener Stelle: Wer ist schuld?


Auch, wer eine Straße an einer nicht dafür vorgesehenen Stelle überquert, wird bei einem Unfall damit rechnen müssen, eine Mitschuld angerechnet zu bekommen. Überquert man also beispielsweise die Straße in der Nähe eines Fußgängerüberwegs oder einer Fußgängerampel, ohne diese zu benutzen, haftet man womöglich sogar zu 100 Prozent. Übrigens gilt dies für jeden, also auch für ältere Mitbürger, wie das Oberlandesgericht Hamm betonte (Urteil vom 19. Juni 2012, Az. 9 U 175/11). Der Grund: Autofahrer müssen nicht damit rechnen, dass ihnen schon vor der Fußgängerampel plötzlich jemand vor das Auto läuft. Der Fußgänger haftet allerdings nur dann zu 100 Prozent, wenn der Autofahrer sich ansonsten korrekt verhalten hat.

Überhöhte Geschwindigkeit und Alkohol


In einem schon älteren Urteil beschäftigte sich das Oberlandesgericht Hamm mit dem Fall eines alkoholisierten Fußgängers, der in der Dämmerung bei Regenwetter ohne Fußgängerüberweg innerorts eine Straße überquert hatte. Dabei war er von einem knapp über 50 km/h fahrenden PKW angefahren worden. Die Schuld wurde aufgeteilt: Der Fußgänger hatte nicht wie vorgeschrieben die Fahrbahn auf dem kürzesten Weg überquert. Das Gericht betonte, dass auf der Fahrbahn der Autoverkehr Vorrang habe. Überquere ein Fußgänger die Fahrbahn, habe er eine gesteigerte Sorgfaltspflicht. Hier habe der Fußgänger diese Pflicht ignoriert. Der Autofahrer habe eine Mitschuld von 1/3, weil er zu schnell gefahren sei. Zwar habe er die innerörtliche Geschwindigkeitsbegrenzung nur geringfügig überschritten. Aber: Wenn ein Fußgänger schon auf der Straße herumlaufe, müsse der Autofahrer sein Tempo deutlich verringern, um im Notfall reagieren zu können – in diesem Fall auf etwa 30 km/h (Urteil vom 2.6.1999, Az. 13 U 22/99).

Welche Strafen riskieren Fußgänger?


Außer den genannten äußerst milden Bußgeldern können Fußgänger sich in bestimmten Fällen sogar strafbar machen. Auch als Fußgänger kann man ein „Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort“ begehen, also eine Unfallflucht. Nach § 34 StVO ist an einem Unfall jeder beteiligt, dessen Verhalten nach den Umständen zu dem Unfall beigetragen haben kann. Dazu zählt auch unachtsames Auf-die-Straße-Laufen, wodurch ein Autofahrer ausweichen musste und ein anderes Auto gerammt hat. Falls sich der Fußgänger nun entfernt, ohne eine Feststellung seiner Personalien zu ermöglichen, droht ihm eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe nach § 142 Strafgesetzbuch.

Fußgänger können auch andere Straftaten im Straßenverkehr begehen, etwa eine unterlassene Hilfeleistung (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, Geldstrafe). Übrigens kann diese Strafe kann auch für das Behindern von Personen verhängt werden, die Unfallopfern Hilfe leisten wollen. Dies betrifft insbesondere Menschen, die filmend den Rettungskräften oder Ersthelfern im Weg stehen. Übrigens: Hilfslose Personen zu fotografieren oder zu filmen, ist ein eigener Straftatbestand (§ 201a StGB) mit einer Strafandrohung von bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe oder Geldstrafe.

Gibt es Punkte für Fußgänger?


Auch Fußgänger mit Fahrerlaubnis können grundsätzlich Punkte im Flensburger Fahreignungsregister bekommen. Dies ist eine Ermessensentscheidung der Fahrerlaubnisbehörde. In der Regel bekommen Fußgänger dann Punkte, wenn sie immer wieder hartnäckig gegen Verkehrsregeln verstoßen.

Fußgänger unter Alkohol und Drogen


Viele wissen es nicht: Wer als Fußgänger unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen am Straßenverkehr teilnimmt, verliert unter Umständen seinen Autoführerschein. Sobald die Fahrerlaubnisbehörde erfährt, dass jemand im Vollrausch auf der Mittellinie einer Durchgangsstraße herumgetorkelt ist, wird sie dessen grundsätzliche Fahreignung in Frage stellen. Bei hohen Promillewerten und wenig Ausfallerscheinungen kann auch von einer Sucht ausgegangen werden (Verwaltungsgericht Mainz, Az. 3 L 823/12). Bei Überschreiten bestimmter Drogen-Grenzwerte schließt man auf einen gewohnheitsmäßigen Konsum. Gerade bei Rauschgift kann aber schon jeglicher Konsum Zweifel an der Fahreignung verursachen. In all diesen Fällen ist mit der Anordnung einer Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) zu rechnen. Deren Nichtbestehen oder Verweigerung führt dann zum Verlust der Fahrerlaubnis.

Praxistipp


Der Gesetzgeber versucht, Fußgänger durch besondere Regeln vor schweren Verletzungen im Straßenverkehr zu schützen. Da die Bußgelder sich im marginalen Bereich bewegen, sind diese Regeln so gut wie unbekannt. Durch ein Mindestmaß an Vorsicht könnten viele Unfälle vermieden werden. Kommt es zu einem Unfall oder zweifelt man einen Bußgeldbescheid an, empfiehlt sich eine Beratung durch einen Fachanwalt für Verkehrsrecht.