Unfälle mit Fußgängern: Wer haftet?

15.01.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Fußgänger,Unfall,Bußgeld,StVO,Zebrastreifen Welche Regeln gibt es in der StVO für Fußgänger? © Bu - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

Gebot der Rücksichtnahme: Laut § 1 der Straßenverkehrsordnung muss sich jeder Verkehrsteilnehmer so verhalten, "dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird".

Haftung von Fußgängern: Auch für Fußgänger regelt die StVO spezielle Ge- und Verbote, die zu beachten sind, z.B. beim Betreten und Nutzen einer Straße. Kommt es im Zuge eines Regelverstoßes zu einem Verkehrsunfall, besteht eine teilweise oder volle Haftung.

Bußgeld / Strafe: Verstoßen Fußgänger gegen die StVO, drohen ihnen Bußgelder. Kommt es zu einem Unfall und entfernt sich ein Fußgänger von Unfallort, droht eine Strafen nach dem Strafgesetzbuch, z.B. wegen Unfallflucht oder bei verletzten Personen wegen unterlassener Hilfeleistung.
So mancher Autofahrer benimmt sich rücksichtslos am Zebrastreifen oder an der Fußgängerampel. Aber: Auf der anderen Seite sind auch viele Fußgänger der Meinung, dass die Verkehrsregeln nur für andere gelten. Sie missachten rote Ampeln, wandern mit dem Blick fest auf dem Smartphone über vierspurige Straßen und durchqueren selbst den fließenden Verkehr. Meist schätzen sie den Bremsweg von Fahrzeugen falsch ein. Sie realisieren selten, dass sie bei Dunkelheit oder Regen oft für andere Verkehrsteilnehmer nicht rechtzeitig zu sehen sind. Obwohl mancher dies nicht wahrhaben möchte: Auch das Fehlverhalten von Fußgängern im Straßenverkehr kann schlimme Folgen haben. Nicht nur in finanzieller Hinsicht, sondern mangels Knautschzone auch für die Gesundheit. Viele Verletzungen und Todesfälle kommen so zustande.

Welche Pflichten haben Fußgänger und Autofahrer im Straßenverkehr?


Genau wie Autofahrer sind Fußgänger Verkehrsteilnehmer und müssen sich an § 1 der Straßenverkehrsordnung halten. Darin steht: Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht. Jeder Verkehrsteilnehmer muss sich so verhalten, "dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird." Gegenseitige Rücksichtnahme ist also angesagt – und kein Durchsetzen von Rechten um jeden Preis.

Was müssen Autofahrer am Zebrastreifen beachten?


An Fußgängerüberwegen müssen Autofahrer anhalten, damit Fußgänger die Straße überqueren können. An den Überweg dürfen sie nur in langsamem Tempo heranfahren. Wenn der Verkehr stockt, müssen Autos vor dem Zebrastreifen anhalten und nicht darauf. An Fußgängerüberwegen ist das Überholen anderer Fahrzeuge verboten.

Wann darf ein Fußgänger laut StVO auf der Fahrbahn laufen?


Dies ist in § 25 der Straßenverkehrsordnung (StVO) festgelegt. Grundsätzlich müssen Fußgänger die Gehwege nutzen. Sie dürfen jedoch ausnahmsweise auf der Fahrbahn gehen, wenn die Straße weder Gehweg noch Seitenstreifen hat. Dazu müssen sie innerhalb geschlossener Ortschaften den rechten oder linken Fahrbahnrand nutzen.

Fußgänger müssen außerhalb geschlossener Ortschaften nach der StVO den in Gehrichtung linken Fahrbahnrand verwenden. Eine Ausnahme gilt, wenn dies nicht zumutbar ist, zum Beispiel wegen einer Baustelle. Bei Dunkelheit, schlechter Sicht oder, wenn es die Verkehrslage notwendig macht, müssen Fußgänger einzeln hintereinander gehen – auch dann, wenn es die Unterhaltung stört.

Fußgänger dürfen – und müssen – die Fahrbahn nutzen, wenn sie Fahrzeuge (etwa ein geschobenes Fahrrad) oder sperriges Gepäck dabei haben, und dadurch andere Fußgänger auf dem Gehweg erheblich behindert werden würden. Fußgänger mit Gepäck oder geschobenen Zweirädern müssen am rechten Fahrbahnrand gehen.

Welche Regeln gelten für das Überqueren von Straßen?


Gemäß § 25 Abs. 3 StVO müssen Fußgänger die Straße auf dem kürzesten Weg überqueren.

Ist dies wegen Verkehrsdichte und Sichtverhältnissen erforderlich, dürfen sie Straßen nur an den für sie ungefährlicheren Stellen überqueren, also an Kreuzungen und Einmündungen, an Fußgängerinseln oder Zebrastreifen und an Ampeln innerhalb der Markierungen. Überqueren sie die Fahrbahn an Kreuzungen oder Einmündungen, müssen sie – soweit vorhanden – Zebrastreifen oder Fußgängermarkierungen an Ampeln nutzen. Fußgänger dürfen keinesfalls Absperrungen, etwa Stangengeländer oder Ketten, überklettern.

Bei Verstößen gegen diese Regeln droht ein Bußgeld von fünf Euro, bei Unfällen sind es zehn Euro. Zehn Euro können auch für das Überqueren eines Fußgängerüberwegs bei roter Fußgängerampel fällig werden. Die recht niedrigen Bußgelder sind vermutlich ein Grund dafür, dass die erläuterten Regeln praktisch unbekannt sind. Trotzdem ist das Risiko von schweren Verletzungen oder dem Tod ausgesprochen hoch. Hier reicht schon eine kleine Fehleinschätzung der Geschwindigkeit eines Autos oder ein Fahrer, der zufällig im "falschen" Moment vorschriftsmäßig vor dem Abbiegen über die Schulter blickt anstatt nach vorn, und schon ist der Unfall passiert.

Unfall am Zebrastreifen: Wer ist schuld?


Es gibt bei den meisten Verkehrsunfällen keinen Alleinschuldigen. Autofahrer müssen zwar am Zebrastreifen Fußgängern Vorrang gewähren. Andererseits dürfen Fußgänger, wenn sie rechtzeitig sehen können, dass sich ein Fahrzeug nähert, das zu schnell ist, um noch anzuhalten, auch nicht einfach auf die Straße laufen. Dadurch würden sie das allgemeine Rücksichtnahmegebot aus § 1 StVO verletzen, indem sie ihr Vorrangrecht erzwingen. Gelingt dem Autofahrer die Vollbremsung nicht, trägt in einem solchen Fall der Fußgänger eine Mitschuld am Unfall. Auch er muss nämlich auf den Verkehr achten. Daher gab zum Beispiel das Oberlandesgericht München einem Soldaten, der an einer Kaserne einen Zebrastreifen genutzt hatte, 25 Prozent Mitschuld (Urteil vom 16.9.2016, Az. 10 U 750/13).

Unfall an nicht vorgesehener Stelle: Wer ist schuld?


Auch ein Fußgänger, der eine Straße an einer nicht dafür vorgesehenen Stelle überquert, muss bei einem Unfall damit rechnen, eine Mitschuld angerechnet zu bekommen. Wenn man zum Beispiel die Straße in der Nähe eines Fußgängerüberwegs oder einer Fußgängerampel überquert, ohne diese zu benutzen, haftet man unter Umständen zu 100 Prozent. Dies gilt übrigens für jeden, auch für ältere Mitbürger. Dies betonte das Oberlandesgericht Hamm (Urteil vom 19.6.2012, Az. 9 U 175/11). Der Grund: Autofahrer müssen nicht damit rechnen, dass ihnen schon vor der Fußgängerampel plötzlich jemand vor das Auto läuft. Allerdings haftet der Fußgänger nur dann zu 100 Prozent, wenn der Autofahrer sich ansonsten korrekt verhalten hat.

Überhöhte Geschwindigkeit und Alkohol


Das Oberlandesgericht Hamm befasste sich in einem schon älteren Urteil mit dem Fall eines alkoholisierten Fußgängers, der in der Dämmerung bei Regen ohne Fußgängerüberweg innerorts eine Straße überquert hatte. Er war dabei von einem knapp über 50 km/h fahrenden PKW angefahren worden. Her wurde die Schuld aufgeteilt: Der Fußgänger hatte nicht wie vorgeschrieben die Fahrbahn auf dem kürzesten Weg überquert. Das Gericht betonte, dass auf der Fahrbahn der Autoverkehr Vorrang habe. Wenn ein Fußgänger die Fahrbahn überquere, habe er eine gesteigerte Sorgfaltspflicht. Diese habe der Fußgänger hier ignoriert. Der Autofahrer habe eine Mitschuld von 1/3, weil er zu schnell gefahren sei. Er habe zwar die innerörtliche Geschwindigkeitsbegrenzung nur geringfügig überschritten. Aber: Wenn ein Fußgänger schon auf der Straße herumlaufe, müsse der Autofahrer sein Tempo deutlich reduzieren, um im Notfall noch reagieren zu können – in diesem Fall auf etwa 30 km/h (Urteil vom 2.6.1999, Az. 13 U 22/99).

Welche Strafen riskieren Fußgänger?


Zwar sind die Bußgelder für Verkehrsverstöße von Fußgängern sehr niedrig. Aber: In bestimmten Fällen können sie sich auch strafbar machen. So kann man auch als Fußgänger "unerlaubtes Entfernen vom Unfallort" begehen, also eine Unfallflucht. Gemäß § 34 StVO ist an einem Unfall jeder beteiligt, dessen Verhalten nach den Umständen zu dem Unfall beigetragen haben kann. Dazu gehört auch unachtsames Auf-die-Straße-Laufen, durch das ein Autofahrer ausweichen musste und ein anderes Auto gerammt hat. Geht der Fußgänger in einem solchen Fall einfach weg, ohne eine Feststellung seiner Personalien zu ermöglichen, droht ihm nach § 142 des Strafgesetzbuches eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.

Fußgänger können auch noch weitere Straftaten im Straßenverkehr begehen, etwa eine unterlassene Hilfeleistung (Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, Geldstrafe). Diese Strafe kann übrigens auch für das Behindern von Personen verhängt werden, die Unfallopfern Hilfe leisten wollen. Dies betrifft Menschen, die filmend den Rettungskräften oder Ersthelfern im Weg stehen oder Passanten, die gegenüber diesen aggressiv werden. Übrigens: Hilfslose Personen zu fotografieren oder zu filmen, ist ein eigener Straftatbestand (§ 201a StGB). Darauf stehen bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe.

Gibt es Punkte in Flensburg auch für Fußgänger?


Fußgänger mit Fahrerlaubnis können grundsätzlich Punkte im Flensburger Fahreignungsregister erhalten. Hier handelt es sich um eine Ermessensentscheidung der Fahrerlaubnisbehörde. Fußgänger bekommen in der Regel dann Punkte, wenn sie immer wieder hartnäckig gegen Verkehrsregeln verstoßen.

Welche Folgen haben Alkohol und Drogen für Fußgänger?


Die meisten Menschen wissen es nicht: Wer als Fußgänger unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen am Straßenverkehr teilnimmt, kann seinen Autoführerschein verlieren. Erfährt die Fahrerlaubnisbehörde, dass jemand im Vollrausch auf der Mittellinie einer Durchgangsstraße herumgetorkelt ist, wird sie dessen grundsätzliche Fahreignung in Frage stellen. Werden hohe Promillewerte bekannt und hat der Betroffene kaum Ausfallerscheinungen gezeigt, kann auch von einer Sucht ausgegangen werden (Verwaltungsgericht Mainz, Az. 3 L 823/12).
Bei Überschreiten bestimmter Drogen-Grenzwerte wird schnell auf einen gewohnheitsmäßigen Konsum geschlossen. Allerdings kann bei Rauschgift schon jeglicher Konsum Zweifel an der Fahreignung verursachen. In all diesen Fällen muss man mit der Anordnung einer Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU) rechnen. Deren Nichtbestehen oder Verweigerung hat dann den Verlust der Fahrerlaubnis zur Folge.

Praxistipp zu Unfällen mit Fußgängern


Der Gesetzgeber möchte Fußgänger durch besondere Regeln vor schweren Verletzungen im Straßenverkehr schützen. Da die Bußgelder sich im marginalen Bereich bewegen, sind diese Regeln so gut wie unbekannt. Viele Unfälle können durch ein Mindestmaß an Vorsicht auch auf Fußgängerseite vermieden werden. Hatten Sie einen Unfall und müssen die Haftungsfrage klären oder wurde Ihnen ein Bußgeld auferlegt? Dann empfiehlt sich eine Beratung durch einen Fachanwalt für Verkehrsrecht.

(Wk)


 Günter Warkowski
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Juristische Redaktion
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